Der eine Aussätzige, der umkehrt und Jesus dankt, unterscheidet sich von den übrigen neun dadurch, dass er sich weiterhin auf die Heilswege Jesu einlassen will. Aufrichtiges Danken führt zur Umkehr, zum vollständigen sich Einlassen auf die Wege Gottes.
Aussatz, eine unheilbare Krankheit
Auf seinem Weg nach Jerusalem trifft Jesus im Grenzgebiet von Galiläa und Samarien auf zehn Aussätzige. Aussatz war zur Zeit Jesu eine ansteckende und unheilbare Krankheit. Die Menschen der damaligen Zeit wussten sich nicht anders vor dem Aussatz zu schützen als durch eine radikale Trennung der Kranken von den Gesunden. Darum wurden Aussätzige in von Menschen unbewohnte Gebiete verbannt.
Wenn ich „verbannt“ sage, dann ist das sicher nicht zu hart ausgedrückt. Denn zum einen hielt man Krankheit – und erst recht Aussatz – für eine Folge von begangenen schweren Sünden, die die Betroffenen in den Augen der Gläubigen begangen haben mussten. Dies wurde grundsätzlich und fraglos unterstellt. Denn es gab unter den Juden die Überzeugung: Wenn dies nicht der Fall wäre, hätte Gott den Aussatz bei den Betroffenen niemals zugelassen. Mit Sündern aber musste man nach jüdischem Gesetzt den Umgang und die Nähe strickt meiden. Darum wurden die Aussätzigen aus der Gemeinde regelrecht ausgestoßen. Mit radikaler Trennung von ihnen glaubte man Gott am wohlgefälligsten zu dienen.
Zum anderen wurde über Aussätzige eine offizielle Verbannung verhängt, damit niemand von den Angehörigen auf die Idee kommen konnte, sich der strengen Trennung von Gesunden und Aussätzigen zu entziehen. Die Gefahr der Ansteckung war zu groß.
Bitten aus der Ferne
Als Jesus sich den zehn Aussätzigen näherte, tun sie, was vorgeschrieben ist. Sie bleiben „in der Ferne stehen“. Ihr Bitten aus der Ferne ist sicher ein Bild, das wir nicht übersehen sollen. Menschen in großer Not haben oftmals das Gefühl, „in der Ferne“ zu sein. Sie spüren eine Kluft zwischen sich und den anderen, fragen sich: Wo bist du Gott? Warum hilfst du nicht? Bin ich dir nichts mehr wert?
In den zehn Aussätzigen des Evangeliums ist noch so viel an Lebenswille und Lebendigkeit, dass sie nicht aufgeben, um ihr Heil zu kämpfen. Das einzige Mittel, das ihnen gelblieben ist, ist die Bitte. Zu ihr greifen sie und finden bei Jesus Erhörung.
Jesus schickt die Aussätzigen zu den Priestern. Diese waren nach jüdischem Recht befugt und beauftragt, darüber zu entscheiden, ob eine Heilung vom Aussatz erfolgt war. Auffällig ist an dieser Stelle, dass die Aussätzigen aufbrechen, ohne schon geheilt zu sein. Lukas lässt offen, ob es tiefes Vertrauen ist oder einfach blindes Greifen nach jeder sich bietenden Chance, das die Aussätzigen veranlasste, Jesu Worten Folge zu leisten.
Von Jesus auf den Weg der Heilung geschickt
Das Wunder geschieht dann unterwegs. Dies hebt Lukas hervor: „Und während sie zu den Priestern gingen, wurden sie rein“. Wieder möchte uns Lukas mit diesem Hinweis ein Bild vor Augen stellen, das wir uns einprägen sollen, nämlich: Wer sich auf den Weg macht, den Jesus zu gehen heißt, wird Heil erfahren.
Von den zehn rein Gewordenen kommt einer zurück, wirft sich vor Jesus nieder und dankt ihm. Offen bleibt, ob die anderen neun wirklich undankbare Menschen waren. Wir wissen nicht, ob sie vielleicht im Tempel Gott Dank gesagt haben. Umso aufmerksamer müssen wir an dieser Stelle fragen: Was fasst Jesus ins Auge, was sollen wir erkennen, wenn er das Verhalten des Zurückgekehrten hervorhebt?
Die Wege Jesu gehen
Mir scheint, dass es Jesus um das „wie“ des Dankens geht. Vielleicht haben ja alle Gott mit Worten gedankt, ihn gelobt und gepriesen. Aber von dem einen – so wird betont hervorgehoben – heißt es: Er kehrt zu Jesus zurück.
Die neun, die sich zu den rechtgläubigen Juden zählten, kehren in ihr altes Leben zurück. Außer der Freude über ihre Heilung wird sich nichts Wesentliches in ihrem Leben ändern. Sie bleiben die Alten, die sie vor ihrer Krankheit schon immer waren.
Der Samariter hingegen – er hat ja (wie die anderen neun) auch einen Glauben, von dem er überzeugt ist, dass es der richtige und ein Gott wohlgefälliger ist – kehrt zu Jesus um. Sein sich Niederwerfen vor Jesus ist eine Geste, die ausdrückt: In dir, Jesus, ist Wahrheit. In dir wirkt Gott. Durch dich kommt Heil in die Welt und zu den Menschen. Der Dank des Samariters besteht also darin, dass er von seinem bisherigen Glauben, den er auf seine Weise vielleicht auch sehr ernst genommen hat, eine entschiedene Wendung auf Jesus hin vollzieht.
Mit seiner Rückkehr sagt er: Ich habe mich – noch aussätzig – auf den Weg gemacht, den Jesus uns, den Aussätzigen, zu gehen geheißen hat. Und dieser Weg hat mir Heil gebracht. Der Samariter belässt es nicht bei diesem einmaligen Weg. Er kommt zurück. Denn es gibt vielleicht weitere Wege für sein Heil, die Jesus ihm vorschlagen und zu gehen heißen wird. Die Bereitschaft, sich weiterhin von Jesus bestimmen zu lassen, drückt er Samaritaner aus mit seinem sich Niederwerfen vor Jesus. Und Jesus sagt ihm: Ja, die Ausrichtung deines Glaubens auf mich wird dir immer helfen. Geh! Das heißt: Du wirst Heil erfahren, sofern du meine Wege gehst, wie ich sie dir vorschlage.
umkehren
Wenn wir schauen, was uns durch das heutige Evangelium gesagt werden soll, dann ist es wohl dieses:
In unseren ausweglosesten Situationen, im Gefühl, ausgestoßen oder am Ende zu sein, bei dem Gedanken „Gott hat mich verlassen, er ist mir fern“ dürfen und sollen wir uns an die zehn Aussätzigen erinnern. Sie geben nicht auf. Sie rufen und bitten.
Und an ein Zweites sollen wir uns erinnern und uns darin die Aussätzigen zum Vorbild nehmen: Noch bevor sie an sich das Wunder erleben, lassen sie sich bereits auf Jesus ein. Die einen vielleicht glaubend und vertrauend, andere eher skeptisch aber hoffend, der Rest vielleicht müde, kaputt, zum Glauben und Hoffen inzwischen zu schwach oder unfähig. Aber auch das hindert Jesus nicht, Heil zu schenken. Wer sich auf ihn einlässt kann und wird Heil und Glück gewinnen.
Der entscheidende Hinweis an uns liegt aber wohl in dem, was uns zum Danken gesagt werden soll. Auch wir haben uns ja schon öfter von Jesus auf Wege schicken lassen und dabei seine Hilfe erfahren. Wenn wir uns danach bei Gott bedankten, war das schon einmal gut. Wenigstens das haben wir nicht unterlassen. Aber wenn das alles war, wenn uns die erfahrene Hilfe, sein Segen und Beistand nicht zu mehr bewegten, dann gleichen wir den neun Aussätzigen, die nicht umkehrten, die im Grunde alles bei Alten und Gewesenen beließen.
Leidenschaftlich die Nachfolge Jesu leben
Dank – wie Jesus ihn versteht – muss uns bewegen, muss uns zu Jesus führen, muss uns zu lebendigen und dynamischen Menschen und Christen machen. Jesus will uns ja nicht nur hin und wieder auf einen Weg des Heils schicken, sondern jeden Tag neu. Der Weg zu den Priestern, der Weg des Heilwerdens, sollte für die Aussätzigen ja nur den Anfang mit Jesus und seinen Wegen bilden. Mit neuer Lebenskraft erfüllt, gesund an Körper und an der Seele hätte Jesus auch die anderen neun wie den zurück gekehrten Samariter gern gesendet, zukünftig mit Schwung und geballter Power seine, Jesu, Wege zu gehen. Im Glauben nicht weiter nur auf alten Wegen dahin trotten – schlaff, matt, ohne Lebendigkeit, ohne inneres Feuer oder Glut - sondern im Glauben zunehmen und wachsen, leidenschaftlich seine Nachfolge leben, das versteht Jesus unter „Dank sagen“, immer mehr „rein“ werden, „Gott ehren“.
Gehen wir heute nicht von hier fort, ohne im Laufe der Woche innerlich immer wieder zu Christus zurück zu kehren. Es ist sicher schön und gut, wenn wir hier im Gottesdienst Gott loben, ihm danken und ihn preisen. Aber wir vermögen mehr: Sich auch im Alltag Jesus zuwenden, nach seinem Willen fragen, sich von ihm ansprechen und senden lassen, das ist es, worauf es ankommt und was uns auszeichnen sollte. Wenn wir dies tun, dann ehren und danken wir Gott im Sinne Jesu und nicht nur mit unseren Lippen.
Martin Stewen (2010)
Johann Pock (1998)