Schuss vor den Bug
Ich kann mich noch erinnern an eine Predigt, die ich als Jugendlicher im Alter von 16 Jahren gehört habe. Ein Franziskanerpater predigte über die Situation in der Welt. Er klagte in scharfer Form das Verhalten der Reichen an. Die Predigt war sehr niederschmetternd. Ich spürte damals, wie nachdenklich die Menschen, und auch ich selbst, aus dem Gottesdienst herausgegangen sind. Da haben aber viele gemerkt: der Mann hat recht. So geht es nicht weiter. Eltern werden sicher daran denken, dass es notwendig ist, mit den Kindern auch einmal ein scharfes Wort zu sprechen. Der berühmte Schuss vor den Bug, der war manches Mal notwendig.
Der berühmte Schuss vor den Bug: das können eine Krankheit, eine zerbrochene Freundschaft, die Erfahrung, am Boden zu liegen, sein. Das alles kann zu einer Krise führen. Eine Krise ist ja immer auch eine Chance. Der Chinese kennt für die Worte Krise und Chance ein und dasselbe Zeichen. Das finde ich sehr bedenkenswert. Menschen haben später berichtet, wie notwendig eine Krise war. Als ich vor einem Jahr im Krankenhaus lag, da hatte ich Zeit nachzudenken.
Als der Prophet Johannes auftrat, spürten die Menschen: bei uns läuft es nicht richtig. Sie spürten, dieser Johannes spricht Dinge aus, die wahr sind. Sie treffen genau den Nerv der Zeit. Darum kommen sie in Scharen. Mag auch Neugierde dabei gewesen sein, es war sicher auch ein großer Wille dabei, dem eigenen Leben einen neuen Sinn zu geben. Gott sollte wieder mehr Platz im Leben bekommen. Zu sehr hatte Gott in ihrem Leben nur noch eine Nebenrolle gespielt.
Wegbereiter des Herrn
Wir begegnen Johannes in jedem Jahr am zweiten Adventssonntag. Ich sage ganz bewusst: wir. Denn heute, in dieser Feier sind wir die, die angesprochen werden, sind wir die, die eingeladen werden, unserem Leben eine andere Richtung zu geben. Wir sind die, die immer wieder nachdenken sollten: wie lebe ich als Christ? Kann ich mein Leben, meine Handlungen, mein Reden verantworten? Das ist sehr notwendig. Denn Warnzeichen mit der Finanzkrise, mit der Wirtschaftskrise, mit der Umweltkrise gibt es genug. In einigen Bereichen fangen die Menschen an nachzudenken. Dass zwar viele Menschen religiös sind, jedoch nicht dem christlichen Glauben verbunden sind, dass in Europa die christlichen Wurzeln immer schwächer werden, muss uns nachdenklich machen. Wir brauchen auch heute Menschen, die wie Johannes den Finger auf manche Wunden legen, uns warnen, sowohl im Großen wie im Kleinen.
Da ist schon auch die Frage wichtig: sieht man uns an, dass wir Christen sind? Unterscheiden wir uns von anderen Menschen oder haben wir uns nicht zu sehr angepasst. Leben wir wirklich immer aus unserer Hoffnung heraus, einmal bei Gott zu sein. Oder leben wir nicht oft auch so, als sei dieses Leben das einzige und wollen ja nichts verpassen? Wir sind auf der Welt, um unser Leben, unsere Welt nach dem Willen Gottes zu gestalten. Heute sind wir die Wegbereiter für den Herrn zu uns. Wir sind aber nicht nur für uns Wegbereiter, wir sind es auch für die Mitmenschen. Und wir sind die Tröster, von denen Jesaja in der Lesung spricht.
Wegweiser
Johannes hat damals die Menschen zu Gott zurückführen wollen. Denn immer wieder hatten sich die Menschen von Gott abgewandt. Sie tun es auch heute noch. Immer wieder können wir davon in der Bibel lesen. Er hat, so hören wir es im Evangelium, die Umkehr und die Taufe zur Vergebung der Sünden gepredigt. Immer dann, wenn sich die Menschen von Gott abgewendet haben, gingen sie falsche Wege. Es waren Wege, die sie ins Verderben führten. Darum hat er ihnen gepredigt: Kehrt um zu Gott. Dieser Gott führt euch in ein neues Leben, aus der Gefangenschaft, aus dem Frondienst, der jetzt zu Ende gehen soll wie Jesaja es sagt.
Wem leisten wir heute Frondienste? Es sind Menschen, von denen wir abhängig sind, oder von denen wir uns abhängig machen. Es sind Gedanken, Lebenseinstellungen, die uns unfrei machen. Es ist der Druck in der Arbeitswelt, der Druck, jeden Trend mitzumachen, auch dann, wenn man einen Trend nicht bejaht. Es ist der Druck mithalten zu müssen im Besitz und Reichtum. Es ist der Druck, den wir uns unnötigerweise oft selber machen. Gott will uns davon befreien. "Kehrt um zu diesem Gott", ruft uns Johannes zu. Um uns zu diesem Glauben zu ermutigen, schreibt Jesaja: Gott ist der gute Hirte, der behutsam seine Schafe zurückführt.
Sich vom Guten Hirten führen lassen
Mag Johannes auch streng erscheinen, mag es für uns auch schwer sein, von anderen zu erfahren, dass ich auf dem falschen Weg bin, so steckt hinter all dem die Liebe Gottes zu uns, die unendliche Geduld Gottes mit uns. Der Apostel Petrus sagt es uns in der zweiten Lesung. Wie gut tun mir da die Gedanken, dass Gott keinen zugrunde gehen lassen möchte, sondern dass alle sich bekehren. Dazu haben wir Möglichkeiten: durch Zeiten der Umkehr und der Besinnung wie jetzt im Advent, durch die Möglichkeiten des Bussakramentes, im Nachdenken über das, was andere mir rückmelden. Petrus aber sagt auf der anderen Seite auch: so sehr Gott auch Geduld mit uns hat, so sehr aber müssen wir uns auch mühen, heilig und fromm zu leben, wir müssen uns bemühen, von ihm ohne Makel und Fehler angetroffen zu werden.
Dabei kommt es gar nicht darauf an, perfekt zu werden. Zeit unseres Lebens werden wir Menschen bleiben, die Fehler haben, die immer wieder an ihre Grenzen stoßen. Gerade in diesen Grenzen, gerade mit unseren Fehlern, mit unseren menschlichen Schwächen, werden wir geliebt. Wenn Petrus schreibt, ohne Makel und Fehlerangetroffen zu werden, dann glaube ich, dass er unsere innere Einstellung zu Gott anspricht. Wir sind berufen, Gott als den Herrn unseres Lebens anzunehmen.
Wir können durch unser Leben und unsere Liebe nur unsere Antwort auf Gottes Liebe zu uns geben. Wir müssen immer wieder zu Gott umkehren, wenn unser Leben gelingen soll. Erfolg, Besitz, Freundschaft - das alles ist sehr gut. Aber es kann auch zu unserem Götzen werden, wenn es unser Leben allein bestimmt.
Haben wir den Mut, uns durch Mitmenschen, aber auch durch Erlebnisse, auch durch Krisen uns zeigen zu lassen wo wir auf dem falschen Weg sind, wo wir die Umkehr zu Gott, zu Gott, der unserem Leben Erfüllung schenkt, nötig haben.
Johannes lädt mich ein, immer wieder an mir zu arbeiten, umzukehren, meine Sünden mir vergeben zu lassen. Machen wir Gott den Weg frei zu uns und lassen uns herausführen aus unseren Gefangenschaften. Dazu lädt mich Jesaja ein. Und Petrus sagt mir: Gott hat mir uns Geduld.