Schon gepackt?
Wenn man ein wenig im Internet stöbert, kann es sein, dass man irgendwann auf eine Webpage gerät, die Notvorräte für schlimme Zeiten anbietet. Knapp 200 Euro kostet der Proviant für neunzig Tage, zehn bis fünfzehn Jahre ist er haltbar - so die Informationen zu den Produkten. Wer bitte braucht so etwas? - Der Anbieter hat in diesen Monaten ein klares Zielpublikum: alle jene Menschen - und derer gibt es nicht wenige -, die sich sicher sind, dass mit dem 21. Dezember die Welt untergeht. Anlass dazu gibt der Kalender des ausgestorbenen Volkes der Maya in Zentralamerika. Dieser Kalender endet - umgerechnet in unsere heutige Zeitrechnung - mit dem genannten Tag. Aus dieser 'Quellenlage' haben aktive Endzeittheoretiker dieses aktuelle Szenario gezimmert: Am 21. Dezember dieses Jahres ist also alles vorbei.
Und nun? Fühlen Sie sich nun auch gemüßigt, noch ein paar letzte Male einkaufen zu gehen, letzte Dinge zu erledigen? usw.? Ich bin mir sicher: Eine solche Panik lohnt sich nicht. Verschiedenes spricht gegen Panikattacken: Zum einen sind sich Archäologen sicher, dass die Maya selbst das Szenario eines Weltunterganges gar nicht kannten und folglich eine solche Prophezeiung aus dem Kalender auch nicht heraus lesen konnten und wollten. Zum anderen: Schauen wir mal ein wenig durch die letzten Jahre, stoßen wir auf viele Weltuntergangsprophezeiungen. Immer wieder sind Menschen sich sicher, dass das Ende nahe ist. Was aus denen bislang wurde, wissen wir - sonst säßen wir nicht hier. Zu der angeblichen Maya-Prophezeiung schreibt der Zürcher Sekten-Kenner Hugo Stamm in seinem Blog im Tagesanzeiger vom 30. Mai dieses Jahres: "Am 22. Dezember [also am Tag nach dem angeblichen Weltuntergang],” so Stamm, "wird sich die Erde mit all ihren Bewohnern so drehen, wie sie sich bereits am 21. und am 20. und am 19. gedreht hat: so wie immer.”
Die Bibel weiß es besser?
Nun haben die Maya aber Weltuntergangsprophezeiungen nicht erfunden - es gab sie vor ihnen und nach ihnen in reichlicher Fülle. Eine solche Prophezeiung hörten wir gerade in der Textstelle aus dem Lukas-Evangelium: "Die Menschen werden vor Angst vergehen in der Erwartung der Dinge, die über die Erde kommen; denn die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden,” heißt es dort.
Schon wieder, möchte man sagen. Aber wenigstens ist bei Lukas kein konkretes Datum genannt, kann man sich beruhigen. Und wir spüren dabei deutlich: Endzeitliche Vorstellungen, Ideen vom Ende der Welt nötigen den meisten von uns nicht mehr als ein Lächeln ab. Aber was ist denn mit diesen Bildern? Welche Botschaft lässt sich ihnen denn vielleicht doch abgewinnen? Dazu muss man diese Endzeitbilder im Kontext der ganzen Frohbotschaft einmal auf sich wirken lassen. Dann wird schnell klar: Diese Bilder im Neuen Testament beschreiben ja gar kein Ende, sondern vielmehr einen Neuanfang nach jedem Ende. Das Urereignis aller Neuanfänge hat stattgefunden im Ereignis der Auferstehung des Gottessohnes - und wir sind als Getaufte eingeladen, uns in dieses Ereignis mit hinein nehmen zu lassen und immer wieder Im Leben einen Neuanfang zu wagen.
Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne
Diesen Neuanfang allen Lebens bei unserem Gott verortet zu wissen, das gilt nicht nur am Ende aller Zeiten, das gilt auch für jedes Ende, das uns im Leben trifft. So hat auch das Bild, das uns im Evangelium beschrieben wurde, einen konkreten historischen Hintergrund: Für Lukas brach das Ende der Zeiten herein mit der Zerstörung Jerusalems durch die Römer im Jahr 70 nach Christus. Und seine Erfahrung war: Auch nach dieser Tragödie gab es einen Neuanfang. Und so macht Lukas auch uns Mut, immer in jedem Ende den Keim eines Neubeginns zu suchen.
Dazu, so mahnt der Evangelist wie auch der Apostel Paulus in seinem Brief an die Gemeinde von Thessaloniki, ist Wachsamkeit geboten. So wie sich die Auferstehung Jesu und der Beginn des neuen Lebens ganz klammheimlich in der Grabeshöhle auf Golgotha vollzog, beginnen die zarten Neuanfänge nach den Katastrophen unseres Lebens ebenso in aller Stille. Wir müssen also ganz genau hinschauen, wo sich neues Leben anbahnt. "Seid wachsam!", heißt es.
Die nun beginnende Adventszeit lädt uns ein, unser Leben einmal wieder genau in den Blick zu nehmen, - neu wachsam zu werden für all das, was es zu bieten hat. Vor allem dann, wenn die Dunkelheit dieser Jahreszeit unser ganzes Leben gefangen nehmen will. In der Stille und Einsamkeit dieser Tage kommt uns so manches in unserem eigenen Leben wie im Leben der Welt in geradezu apokalyptischen Bildern entgegen. So hart und unausweichlich, dass ein 'Danach' kaum vorstellbar ist. Wie viele Schicksale erleben wir als endzeitlich, wie viele Kriegs- und Katastrophensituationen in der Welt muten geradezu apokalyptisch an. Aber anders als der Maya-Kalender und ähnliche Endzeitszenarien geht es für uns Christinnen und Christen nach allem Ende immer noch mindestens einen Schritt weiter. In der Auferstehung seines Sohnes hat Gott uns verheißen, mit uns Menschen immer noch diesen Schritt tun zu wollen.
Menschgewordener Traum
Und dieses Heilsereignis ist nicht irgendeine phantasiereiche Vorstellung wie die Szenarien der Apokalypse. Das Versprechen, dass es immer noch einen Tag mehr als den Letzten Tag gibt, diese Zusage Gottes ist für uns ganz anschaulich und anfassbar geworden. Gottes Heil wird Mensch - nicht von den Menschen abgerückt, sondern mitten unter uns, einer von uns. Gottes Heil bekommt Hand und Fuß - in einem Stall bei Bethlehem. Was das für unser Leben heißt, gilt es herauszufinden. Noch drei Wochen Adventszeit liegen vor uns. Schauen wir wachsam hin und hören wir genau, wo hin der Weg dieser Zeit uns führen soll.