Vielerlei Ängste gehen um
Niemand wagt es heute, ruhige Zeiten zu verheißen. Die Zeitungen sind voll vom Gegenteil. Vielerlei Ängste gehen um. Thema Nummer 1 ist der Krieg, der im Begriff ist, auf Europa überzuschwappen, und sind die vielen Flüchtlinge, die nach Europa kommen. Wie wird unser Gesellschaftssystem die Aufnahme so vieler Flüchtlinge verkraften? Wie wird sich das bislang friedliche Miteinander der verschiedenen Religionsbekenntnisse verändern? Welche Auswirkungen hat sie auf die ohnehin schon prekäre Situation auf dem Arbeitsmarkt? Auf die Parteienlandschaft? Ängste gehen um, und da und dort wird versucht, daraus politisches Kleingeld zu machen.
Und wenn wir das derzeitige Thema Nummer 1 in welcher Weise auch immer abgehakt haben werden, stehen andere große und wichtige angstbeladene Themen Schlange: Umwelt, Erderwärmung, Klimawandel, Folgen für die Weltwirtschaft, Entwicklungspolitik usw.
Auch wenn wir einzelne Themen nach und nach lösen, früher oder später holt uns unsere eigene Endlichkeit und die Zerbrechlichkeit unseres Lebens ein: Unfälle, Krankheiten, Schicksalsschläge, zerbrechende Beziehungen... Auch diese ganz persönlichen und individuellen Möglichkeiten tragen beträchtliches Angstpotential in sich.
Niemand kann sich ständig mit all diesen negativen Zukunftsmöglichkeiten beschäftigen. Die meisten Menschen verkraften das nicht. Es hilft uns, wenn wir im Alltag so viel als möglich davon ausblenden.
Advent
Der 1. Adventssonntag ruft uns jedes Jahr in Erinnerung: Wir leben in einer zerbrechlichen Welt. Alles, was wir in dieser Welt vorfinden, zerfällt früher oder später. Das ist ein Faktum, das die theologischen Texte der Apokalyptik mit Vorliebe abhandeln. Die Hoffnung stirbt zwar zuletzt, wie eine beliebte Redensart nahelegt, aber auch sie stirbt.
Die apokalyptischen Texte, die in die Bibel Eingang gefunden haben, wollen aber nicht Angst machen, sondern uns zu einer Hoffnung hinführen, die nicht stirbt: "Wenn all das geschieht, dann richtet euch auf, und erhebt eure Häupter, denn eure Erlösung ist nahe."
Hoffnung trotz aller Ängste
Wie kann man angesichts so handfester Fakten Hoffnung haben? Christliche Hoffnung nährt sich nicht aus der Überzeugung, dass sich früher oder später alles zu einem Besseren entwickeln wird, dass wir durch unseren Erfindungsgeist die Fehler der Natur beheben könnten. Christliche Hoffnung gründet sich nicht auf einen unbeirrten Fortschrittsglauben und ist auch nicht mit Optimismus zu verwechseln. Christliche Hoffnung erwächst aus dem Vertrauen, dass der Schöpfer seine Schöpfung aus Liebe ins Dasein gerufen hat und dass ein liebender Schöpfer seine Schöpfung nicht vergehen lassen wird. Er wird wiederkommen und sie neu erstehen lassen.
Christen vertrauen darauf, dass die Schöpfung trotz aller scheinbaren Mängel gut ist, dass es richtig ist, sich für einen guten Umgang mit der Schöpfung und für die Bewahrung der Schöpfung einzusetzen. Papst Franziskus hat darauf aufmerksam gemacht, dass die Verantwortung für unseren Planeten Erde auch die Fragen der sozialen Gerechtigkeit und des Friedens umfasst.
Die größte Bedrohung der Schöpfung ist der Mensch, der sich anmaßt, über der Schöpfung zu stehen, und der die Erde rücksichtslos für sich selbst ausbeutet. Menschen haben sogar Möglichkeiten in der Hand, die Grundlagen des Lebens zu zerstören. Die Angst vor dem Untergang der Welt ist zum ständigen Begleiter der Menschheit geworden.
Der Glaube an einen guten Schöpfer, der seine Schöpfung nicht im Stich lässt, bietet selbst angesichts dieser Möglichkeiten noch Hoffnung: Sie traut dem Schöpfer eine Neuschöpfung zu, weil Gott uns liebt und weil er seiner Liebe treu bleibt.
Seid wachsam!
Der Advent erinnert uns aber auch an die Konsequenzen solchen Vertrauens. Er mahnt uns zur Wachsamkeit. Wir sollen uns nicht von den Ängsten, die im Raum stehen, lähmen lassen. Wir sollen uns auch nicht durch die vielen Möglichkeiten der Verdrängung wichtiger Fragen und Themen irreführen lassen. Paradoxerweise ist Weihnachten zum Hochfest des Konsums geworden. Wir baden im Wohlstand und lassen uns von seinen zahlreichen Annehmlichkeiten einlullen.
Wachsamkeit heißt wach und aufmerksam zu sein, bewusst zu leben und Achtsamkeit zu pflegen. Wir brauchen nicht in Sack und Asche zu gehen. Es genügt, darauf zu achten, was allen gut