Heute ist Mittwoch, der 6.8.2008. Ein ganz normaler Tag, mitten in der Woche, mitten im Sommer. In die Wiege war dem Tag nicht gelegt, einmal ein Feiertag zu sein. Für Eingeweihte, zumindest. Das Fest der Verklärung Jesu. Aber vielleicht macht das den Reiz dieses Tages aus: Wir feiern das Fest der Verklärung Jesu an einem ganz normalen Tag.
Aufstieg
Aber heften wir uns doch Jesus an den Fersen. Mit Petrus, Jakobus und Johannes steigt er auf einen Berg. Einen hohen, wie Matthäus anmerkt. Vorher hat Jesus von seinem Leiden gesprochen. Er sieht, was vor ihm liegt. Nichts Erhabenes. Ein schreckliches Urteil, die Verwerfung, das Kreuz. Von Verklärung - keine Spur.
Die Jünger hören fassungslos zu, aber verstehen nichts. Wie sollten sie auch: Sie haben Jesus als Herrn über alle bösen Mächte kennen gelernt. Ein Wort von ihm genügt. Die bösen Geister suchen das Weite. Menschen aber erleben das Glück, geliebt und angenommen zu sein, gesund zu werden, den Klauen der Vergangenheit zu entkommen. Wo Jesus auftaucht, werden dunkle Lebenswege hell und die Gedanken klar. Ganz unspektakulär. Jetzt aber redet Jesus von seinem Leiden, von seinem Tod . . . und steigt auf einen hohen Berg. Matthäus erzählt nicht, dass die Schritte irgendwann schwer werden, die Füße schmerzen, die Zunge erlahmt - er erzählt nur von dem hohen Berg. Und uns beschleicht die Ahnung: Dieser Aufstieg ist der Anfang vom Abstieg.
Helle Aufregung
Was sich oben auf dem Berg zuträgt, ist schnell erzählt. Matthäus hält sich an Einzelheiten auch erst gar nicht auf. Jesus wird mit Licht überkleidet, geradezu überschüttet. Es ist, als ob sich der Himmel über ihn legt. Schützend, liebevoll, anziehend. Selbst das staubige Gewand erstrahlt in hellem Glanz. Dann die helle, blendende, betörende Wolke. Immer, wenn sie auftaucht, ist etwas im Busch. Ich kann die vielen Geschichten gar nicht erzählen, die sich in ihrer Nähe abspielen. Aber: immer, wenn sie wie ein Schatten erscheint, kommt Gott selbst inkognito zu den Menschen. Versteckt zwar, aber nicht zu übersehen. Heute hören wir seine Stimme: "Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe; auf ihn sollt ihr hören." Während das Helle die Augen blendet, alles fast schwarz werden lässt, werden unsere Sinne, unsere Ohren, unsere Herzen auf Jesu Wort gelenkt. Was er sagt, bleibt - was wir sehen, vergeht. Am Ende sehen auch die Jünger nur Jesus. Ihn ganz allein. Die Wolke hat sich verzogen, die Stimme schweigt - und der Himmel bedeckt sich wieder.
Entschuldigung, Mose und Elija hätte ich jetzt fast vergessen. Aber ich sehe sie noch vor mir: Sie haben Jesus in ihre Mitte genommen. Muss ich mehr wissen? Es reicht doch, einem Menschen nahe zu sein. Besonders dann, wenn sich die Tiefen auftun.
Abstieg
Überhaupt: Was ist Verklärung? Menschen können Vergangenheit verklären, entkommen ihr aber nicht - Menschen können sogar Gewalt verklären, gehen dann aber in ihr unter. Was verklärt wird, verkommt zu einer Mogelpackung, rechtfertigt Feigheit, beschneidet Freiheit. Aber in unserer kleinen Geschichte werden unsere Sinne auf eine kleine Szene gerichtet. Sie hat es mir besonders angetan: Ich sehe Jesus sich bücken. Er macht sich klein. Dann hebt er Petrus auf, Jakobus, Johannes. Er richtet sie auf, hilft ihnen aufzustehen, macht sie groß. Eine glanzvolle Szene: die Geschichte von der Verklärung der Jünger. Sie kommt ohne himmlische Requisiten aus, braucht weder Mose noch Elija und weiß auch von keiner Stimme: Der, von der die Stimme aus der Wolke sagte, man solle ihn (allein) hören, schenkt Menschen seine Nähe und Zuneigung. Wenn ich mir vorstelle, wie das ist, einen Menschen aufzuheben … ihn zu sehen, zu riechen, in die Hand zu nehmen. Verklärung habe ich das bisher noch nie genannt.
Dann gehen Jesus, Petrus, Jakobus und Johannes zusammen den Berg hinunter. Sie konnten nicht oben bleiben. Aber es ist etwas geschehen: Jesus wurde auf seinem Weg gestärkt. Er sieht ihn jetzt klar. Im Licht Gottes. Er wird auch das Kreuz aus seiner Hand nehmen. Und die Jünger? Sie wissen jetzt, mit wem sie gehen. Als sie zusammensackten, wurden sie aufgehoben, als die Füße nicht mehr trugen, hielt sie seine Hand, als sie nichts verstanden, ging ihnen ein Licht auf. Jetzt gehen sie zusammen den Berg hinunter. Mir ist so, als sei dieser Abstieg in Wirklichkeit der Aufstieg.
Der unnormale Tag
Heute ist Mittwoch, der 6.8.2008. Ein ganz normaler Tag, mitten in der Woche, mitten im Sommer. Zur Geschichte dieses Tages gehört aber der 6.8.1456. Das war kein normaler Tag. Bei Belgrad wurden die Türken militärisch besiegt. Man hörte das Aufatmen, spürte die Erleichterung. Die Ängste, überrollt zu werden, wichen einem Lachen. Der Sieg war ein Aufschrei - und verführte dazu, sozusagen mit dem verklärten Jesus auch die eigene Überlegenheit und Größe darzustellen, die eigene Geschichte zu verklären. Papst Callistus III. ordnete das Fest für die ganze Kirche an in Erinnerung an den Sieg über die Türken.
Aber wenn etwas unsere Erinnerung verdient, dann ist es die kleine Szene im Evangelium:
"Da trat Jesus zu ihnen, fasste sie an und sagte: Steht auf, habt keine Angst! Und als sie aufblickten, sahen sie nur noch Jesus."
Wir feiern das Fest der Verklärung Jesu an einem ganz und gar nicht normalen Tag.
Und der Friede Gottes,
der höher ist als unsere Vernunft,
der bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus, unserem Herrn.