Eine Finde-Geschichte
Wenn ich etwas suche, kann ich es finden! Manchmal finde ich aber etwas, ohne danach gesucht zu haben! In beiden Fällen, unverkennbar, finde ich etwas. Ich sage das auch. Ich erzähle davon. Manche Geschichte rankt sich daran hoch. Es ist ein Glücksfall, manchmal sogar ein Wunder.
Da sucht ein Mensch einen anderen, um mit ihm das Leben zu teilen – und verliebt sich. Wer sucht hier, wer wird gefunden, wer lässt sich finden? Ein fast noch größeres Wunder ist es, plötzlich, unerwartet, unvorbereitet auf einen Menschen zu treffen, den ich niemals mehr verlieren möchte.
Das kann auch der Freund sein, der Freund fürs Leben. Jede Liebesgeschichte ist eine Finde-Geschichte! Oder auch eine Geschichte vom Gefunden-werden!
Glück lässt sich finden. Glück lässt sich suchen.
Wie war das eigentlich mit Maria? Hat Josef sie gesucht? Hat sie Josef gefunden? Oder hat Gott Maria gefunden? Hat sie sich von Gott finden lassen? Neben wunderschönen Wortspielen kommen die alten Verheißungen, Texte und Lieder in den Sinn. Die Geschichte von Gabriel, der zu Maria kommt; die Geschichte von Maria, die einen Lobpreis, das Magnificat, anstimmt; die Geschichte von Josef, der mit Maria und Jesus nach Ägypten flieht. Es sind Geschichten, die um das Geheimnis des Findens kreisen. Und unverhofft um das Thema Liebe.
Wenn ich etwas suche, kann ich es finden!
Große Weltgeschichte und kleine Lebensgeschichten
Heute beginnt das Evangelium mit dem Satz: Als die Engel sie verlassen hatten und in den Himmel zurückgekehrt waren, sagten die Hirten zueinander: Kommt, wir gehen nach Betlehem, um das Ereignis zu sehen, das uns der Herr verkünden ließ.
Eigentlich ist der Satz aus dem Zusammenhang gerissen. Die Vorgeschichte muss man schon kennen – oder einfach nachlesen. Es ist das Evangelium mitten in der Nacht, in der Christnacht. Da wird von dem Kaiser August erzählt, von seinem Statthalter, von Verordnungen und – von zwei Menschen, die sich nach Bethlehem aufmachen, keinen Raum, keine Herberge finden und in einem Stall unterkommen. Wir stoßen hier auf die große Weltgeschichte – und die kleine Lebensgeschichte von zwei, drei Menschen, ineinander verwoben. Maria ist schwanger. Sie gehört in ein festes Haus, sie braucht ein Zu-Hause. Aber sie ist unterwegs. Wie so viele Menschen, bis heute. Auf der Flucht, ohne Ort, nirgends. Gebeutelt von großer Geschichte mit 1000 Gründen, aber ohne Sinn und Verstand.
Da öffnet sich der Himmel. Nicht weit von hier. Engel erscheinen, mitten in der Nacht. Es wird hell, es wird laut, es wird bunt. Aus dem offenen Himmel hören wir den Lobpreis, der Himmel und Erde umfasst, Nächte und Tage, Trauer und Freude, Jahre und Jahrhunderte, Zeit und Ewigkeit: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden.
Ein wundersamer Gesang, der schafft, was er besingt. In den Ohren und Herzen der Hirten. Gottes Ehre verwandelt sich auf Erden in Frieden, der Frieden verwandelt sich im Himmel in Ehre. Güte, Barmherzigkeit, Liebe verbinden, was scheinbar immer getrennt war und getrennt sein muss: Himmel und Erde. Das Reich Gottes – nein, nicht das Reich der Menschen. Denn die Erde ist des Herrn, wie es in der Schrift heißt.
Und dann sind sie weg. Die Engel. Ist der Himmel noch offen? Hat er sich wieder verschlossen? Seht den Mond: er hat alles gesehen, alles gehört und schweigt doch in seiner einsamen Höhe. Es müssen schon Sterne sein, die sich zu Wegweisern machen lassen. Für die Weisen, die zu lesen verstehen und die verstehen, was geschrieben ist. Ohne Wort kommt der schönste Stern nicht aus.
Gefundene Hirten
Jetzt kommt die Finde-Geschichte! Sie haben lange auf sie warten müssen. Vergessen haben Sie nicht, dass wir uns heute in Finde-Geschichten finden: Die Hirten finden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag. Sie finden, was die Engel gesungen, was die Engel angezeigt haben: Den Heiland. Den Erlöster. Nein, wir müssen tiefer gehen, weiter fragen: Sie finden Gott! Sie finden ihr Heil! Sie finden das Heil der Welt! Was die Augen sehen, was die Ohren hören, was jetzt im Herzen wohnt, ist: Gott ist Mensch geworden. Armselig, ja, in Stroh gebettet. Der Schöpfer der Welt. Seine Ehre ist in Windeln gehüllt, sein Glanz eine Funzel. Ein Ochs, ein Esel muss es gewesen sein, der zugesehen hat, wie Maria ihren Kleinen in die Krippe legte. Da sangen noch keine Engel. Und es war Nacht. Die Hirten waren in Dunkel gehüllt. Eine Nacht. Eine Nacht wie jede.
Wer hat hier was, wer hat hier wen gefunden? Die Hirten Maria, Josef und das Kind, das in der Krippe liegt? Interessant: die drei werden zusammen erwähnt – und sollen auch zusammen bleiben. Oder hat Jesus die Hirten gefunden? Maria und Josef die Hirten? Was wir später in Krippenfiguren, lebendig, geschnitzt oder gemalt, zusammenstellten. – Wer hat wen gefunden? Wer hat wen gesucht?
Fast könnte man überlesen, was die Hirten sagen! Merkwürdigerweise verrät Lukas, der die Geschichte liebevoll, ja zärtlich aufgeschrieben hat, nicht, was die Hirten sagen. Schade! Vielleicht eine einfache Hirtengeschichte? Eine Finde-Geschichte? Denn die Hirten suchten jeden Tag ihre Schafe und fanden sie. Unter Gestrüpp, in unwegsamen Gelände, irgendwo steckengeblieben. Täglich Brot. Oft genug überraschend. Denn Wölfe fragen nicht, wohin ein Schaf gehört, die Diebe auch nicht. Jedenfalls, Lukas ist in seinem Element, staunen die Leute über das, was sie von den Hirten erzählt bekommen. Ein Wunder! Hirten finden Gehör! Das war nicht jeden Tag so. Eigentlich nie. Hirten sind Pack. Sie haben nichts zu sagen. Und wenn sie etwas sagen, ist es nicht wahr. Als Zeugen taugen sie nicht. Es ist besser, sich nicht auf sie zu berufen. Besser, sie links liegen zu lassen. Jetzt: Staunen! Staunen. Es ist wie ein neuer Anfang in einer alten Welt. Die, die nichts zu sagen haben, verwandeln mit ihrem Wort die Welt. Und die, die das große Wort führen, lernen bei ihnen das Staunen. Maria hat das übrigens gewusst. Und in ihrem Magnificat besungen:
„Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen“ (Lk. 1,52)
Ein gefundenes Herz
Maria hat in dieser Geschichte ihr Herz gefunden! Sie bewahrt alle diese Worte. Sie bewahrt in ihrem Herzen, was sie gehört, was sie gesehen hat! Ist Ihnen auch aufgefallen, dass die Engel zu den Hirten kommen, die Hirten zu Maria (und Josef und dem Kind)? Es ist eine Nachrichtenkette – und Maria steht an ihrem Ende. Wenn die Hirten nicht gekommen wären, wäre der Stall ein Stall, die Krippe eine Krippe, das Kind ein Kind, Maria eine Mutter und Josef ein Vater. Ihre Geschichte wäre nie erzählt worden. Sie wäre verschwunden. Mit oder ohne Augustus. Über den Stall hängen wir zwar gerne einen Stern oder einen Engel, aber in der Geschichte bleibt der Stall dunkel, einsam und verlassen. Darum erzählen wir von der Nacht, von dem geöffneten Himmel, von dem Lobgesang der Engel, von den Hirten. Wir erzählen eine Finde-Geschichte. Die Engel finden die Hirten, die Hirten Maria und Josef und das Kind, Und das Kind findet sie alle.
In einem „Weihnachtsspecial“ „Mary, did you know“, von Lea, Esther, Fritz und Björn musiziert, heißt es:
Maria, ahntest du, dass dein kleiner Sohn einst über Wasser gehen wird?
Hast du es geahnt, dass dein kleiner Sohn unsere Kinder retten wird,
dass dein Kind, dem du Leben gabst, dir neues Leben gibt,
dein Kind, das du getragen, dich einmal tragen wird?
Maria, ahntest du, dass durch deinen Sohn die Blinden sehen werden?
Hast du es geahnt, dass durch deinen Sohn Sturm und Wellen schweigen,
dass dein Kind mit den Engeln wohnt, dort, wo Gott selber thront?
Und wenn du ihn küsst, dann küsst du in Gottes Angesicht.
Die Blinden sehen, die Tauben hören, die Toten stehen auf.
Der Lahme geht, der Stumme spricht und preist den Herrn der Herren.
Maria, ahntest du, dass durch deinen Sohn die ganze Welt gemacht ist?
Hast du es geahnt, dass durch deinen Sohn die Völkerwelt regiert wird?
Ahntest du, dass dein kleiner Sohn als Lamm die Sünde trägt?
Denn das Kind auf deinen Armen ist Gott, der Herr!
www.youtube.com/watch
Wer etwas sucht und gefunden hat, ist glücklich. Wer gesucht wurde, wer gefunden wurde, ist zu Hause. Fröhliche Weihnachten!
Und der Friede Gottes,
der höher ist als unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus,
unserem Herrn.