In der heutigen Lesung aus dem Hebräerbrief wird uns der Glaube des Abraham als vorbildlicher Glaube in Erinnerung gerufen. In Israel galt Abraham als das große Vorbild im Glauben. Mit ihm hatte die Geschichte des auserwählten Volkes und seiner besonderen Beziehung zu Jahwe begonnen.
Lebenswege, Umwege, Irrwege...
Auf Geheiß Gottes verlässt Abraham seine Familie, sein Vaterhaus, seine Heimat. Er vertraut seinem Gott Jahwe, der ihn in ein fremdes Land auswandern und ziehen heißt. Wie die Zukunft aussehen wird, ist Abraham unbekannt. Ihm genügt es zu wissen: Gott will, dass ich aufbreche, mich seiner Führung unterstelle und ihm anvertraue. In dieser ersten Phase des Aufbruchs ist Abrahams Glaube ohne Fehl und Tadel, großartig, bewunderungswürdig.
Aber Abraham ist auch Mensch wie wir. Die Verheißung Gottes an ihn, Stammvater eines großen Volkes zu werden, verwirklicht sich nicht unmittelbar nach dem Auszug. Zwar mehren sich Abrahams Herden, der Reichtum nimmt zu, äußerlich läuft alles glatt; doch Abraham und seine Frau Sara werden älter und älter, ohne dass sich Kindersegen einstellt. Abraham beginnt, mit Gott zu ringen, klagt ihn wiederholt an, weil Jahwe aus der Sicht Abrahams sein Versprechen nicht einlöst. Als Gott seine Verheißung erneuert, lacht Sara ungläubig und spöttisch im Hintergrund und denkt sich ihren Teil, den sie lieber nicht laut ausspricht. Auch Abrahams Glaube an Jahwe beginnt nach und nach zu bröckeln. Unsicherheit befällt ihn, in welchem Maß er Jahwe noch trauen darf. Ist sein Gott wirklich ein verlässlicher Wegbegleiter und Schützer durchs Leben?
Als Abraham mit seiner Sippe und den Herden in das Gebiet zwischen Kadesch und Schur kommt, wirft der dortige König Abimelech ein Auge auf Sara, die trotz ihres Alters noch wunderschön ist. Abraham fürchtet, dass er von Abimelech getötet wird, wenn er als Ehemann um Sara kämpft und sie nicht freiwillig dem König überlässt. So gibt Abraham Sara als seine Schwester aus und unternimmt nicht das Geringste, als Abimelech Sara zu sich holen lässt. Noch bevor jedoch König Abimelech Sara berührt hat, wird ihm von Gott im Traum mitgeteilt, dass er Sara unberührt lassen soll, weil sie Abrahams Frau sei. Auf diese Weisung Gottes im Traum hin schickt Abimelech Sara zurück mit dem bitteren Vorwurf an Abraham: Warum hast du dich nicht zu ihr als deine Frau bekannt? Warum hast du aus Angst um dein Leben so schändlich gehandelt?
Wie schon früher in seinem Leben darf und kann Abraham Gottes Schutz und Hilfe neu erfahren. Jahwe ist an seiner Seite. Er ist Abraham und Sara Helfer in der Not, mag auch sonst nicht alles so abgelaufen sein, wie er, Abraham, es sich vorgestellt und von Gott erwartet hatte. Aus der Hl. Schrift wissen wir, dass Abraham und Sara trotz aller Enttäuschungen über Jahwe ihren Weg des Glaubens nie für immer verlassen. Sie halten letztlich an Gott fest und dürfen erleben, dass Gott zu seinem Versprechen steht und es einlöst, wenn auch auf eine Weise, wie sie es sich mit ihrem menschlichen Denken nicht vorstellen konnten. Im hohen Alter, wo niemand mehr Kinder bekommt, wird ihnen Isaak geschenkt und mit ihm eine reiche Nachkommenschaft.
Den eigenen Glaubensweg in den Blick nehmen
Wenn vom Apostel Paulus den Hebräern im Brief und uns durch die heutige Lesung der Glaubensweg des Abraham und der Sara vor Augen gestellt wird, dann werden wir eingeladen, unseren eigenen Glaubensweg in den Blick zu nehmen. Wie oft gehen auch wir verzagt, mutlos, zum Teil enttäuscht oder aus Gleichgültigkeit Wege, die einem tiefen Glauben oder einem festen Vertrauen in Gott nicht entsprechen. Gott wird uns deswegen nicht gleich strafen oder sich von uns abwenden. Er möchte, dass wir zurück schauen und uns jene Situationen in Erinnerung rufen, wo wir seiner Liebe und seinem Schutz handfest begegnet sind.
- Wo wurden wir z.B. vor Schlimmem bewahrt, weil wir uns entschieden, Gottes Geboten zu folgen?
- Wo haben sich unsere Zweifel, unsere Mutlosigkeit als unberechtigt erwiesen, weil am Ende zwar alles anders kam, aber oft viel vorteilhafter und besser, als wir es uns vorgestellt hatten und von Gott erbaten?
Sich des Guten aus der Vergangenheit zu erinnern, gibt Kraft, stärkt das Vertrauen, lässt die unbekannte Zukunft entschlossener annehmen. Abraham und Sara sind keine makellosen Top-Stars im Glauben, an die wir nicht heranreichen. Es sind Menschen, die sich durch ein hartes Leben kämpfen und in ihren Glauben mehr und mehr hineinwachsen. Weil sie - trotz ihrer Einbrüche im Glauben - von Gott nicht lassen, erleben sie ihren Gott als einen, der es mit uns Menschen immer wieder versucht und der uns die Treue hält.
Gott ist da
Paulus möchte, dass auch wir diese Erfahrung der Anwesenheit Gottes in unserem Leben machen. Denn dadurch gewinnt unser Glaube an Kraft und Tiefgang. Sich gedanklich mit Gott befassen, ist gut; aber in Erfahrungen mit Gott eintreten übertrifft alle anderen Formen, durch die wir uns Gott nähern können.
Neben der Darstellung des Glaubensweges der Urahnen Abraham und Sara will Paulus uns noch auf etwas hinweisen, das Abraham und seinen Stamm auszeichnete. In der Lesung heißt es: Aufgrund des Glaubens hielt Abraham sich als Fremder im verheißenen Land auf und wohnte mit Isaak und Jakob, den Miterben der Verheißung, in Zelten; denn er erwartete die Stadt mit den festen Grundmauern, die Gott selbst geplant und gebaut hat. Den Zuhörern der damaligen Zeit war klar, dass mit der festen Stadt auf Grundmauern, die Gott gebaut hat, das himmlische Jerusalem gemeint war. Jener Ort, an den Jesus als Auferstandener uns voran ging, um uns eine Wohnung zu bereiten, ist seit Christus unser Land der Verheißung.
Das Land der Ewigkeit betreten wir mit dem Tod alle. Zu entscheiden bleibt für uns die Art und Weise unseres Wegs dorthin. Gott lädt uns ein, den Weg der Wanderschaft auf dieser Erde seinem Willen und seinen Normen zu unterstellen. Wir sollen ausziehen aus allem, was uns hindert, Jesu Weg zugehen, den er uns als den wahrhaft menschlichen aufgezeigt hat.
Mensch sein, Mensch werden
Mensch werden, immer tiefer, immer echter; aus uns jenen Menschen machen, der wir nach unseren Veranlagungen und mit Hilfe Gottes sein können;
- ein liebender, versöhnlicher, mutiger Mensch werden,
- ein Helfer und Beistand, ein Verantwortung Mittragender,
dazu sind wir von Gott und Christus angesprochen.
Menschsein heißt in den Augen Gottes:
- glücklich sein, weil wir andere froh machen konnten,
- stolz sein, weil wir Mut aufbrachten;
- frohlocken, dass wir das Gute durchgehalten haben;
- sich freuen, dass wir uns selbst besiegten;
- jubeln, dass wir Gottes Nähe und sein Erbarmen neu erfuhren.
Das ist der Weg, auf den Gott uns locken will, um uns in unserem Mensch-Sein zu fördern, um in unsere Herzen Glück und Freude zu legen und um uns einen Vorgeschmack auf das Leben im verheißenen Land der Ewigkeit zu geben.
Der Weg unseres Lebens lässt sich auf vielfältige Weise gestalten. Unterschiedlich ist, was Menschen für Glück halten und was sie anstreben. Durch seine Weisungen und das Leben Jesu hat Gott uns einen Weg gewiesen, den er für den besten hält und den er uns empfiehlt. Wo wir uns auf diesen Weg einlassen, ist uns sein Beistand zugesagt.
Mögen wir uns in Abraham und Sara wieder finden. Sie sind keine perfekt Glaubenden; aber sie lassen von ihrem Gott letztlich nicht los. Im Auf und Nieder ihres Lebens wächst ihr Glaube und die Erfahrung, dass Gott zu dem steht, was er verheißt. Möge diese Erfahrung auch die unsere werden und die Freude an und über Gott unser Leben immer wieder reich machen.
Christiane Herholz (2004)
Martin Stewen (2001)
Lopez Weißmann (1998)