Lebenstanz
In dieser Nacht tanzen die Texte, die Bilder, die Sehnsüchte – und die Verheißungen! Ein Tanz des Lebens, der Freude – ganz ausgelassen. Und unbeschwert. Wie am ersten Tag! Als alles anfing.
Am 1. Tag der Schöpfung wird das Licht geschaffen. Alles wird hell. Sogar das Tohuwabohu, das Chaos. In diesem Licht grünt und wächst die Schöpfung. Mit jeder Pflanze, jedem Tier, jedem Menschen. Abgeschlossen ist nicht, was Gott angefangen hat. Mit unserer, mit seiner Welt.
Dann hören wir heute von der Prüfung Abrahams. Jetzt ist alles ganz dunkel. Entsetzen pur. Seinen Sohn soll Abraham opfern – mehr: den Träger der Verheißung Gottes. Abraham macht sich tapfer auf den Weg. Isaak stapft neben ihm. Fragend. Wo ist denn das Opfertier? Abraham ist in einer Zwickmühle. Egal, was er macht – es ist verkehrt. Gibt es da einen Ausweg? Einen Weg ins Freie? Wie komme ich mit den vielen Zweifeln zurecht, die mich gelegentlich überfallen wie ein Dämon in der Nacht? Dass Gott selbst die Situation wendet, feiern wir in dieser Nacht.
Und dann ein drittes Beispiel aus dem Reigen der Lesungen in dieser Nacht:
Gott führt sein Volk aus der Gefangenschaft in die Freiheit. Zukunft ist ein anderes Wort für Liebe. Liebe eröffnet, Liebe schenkt Zukunft. Weil Liebe auf uns – zukommt. In seiner Treue begleitet Gott Menschen in ein neues Leben. Phantastisch in den alten Bildern: in das Land, in dem Milch und Honig fließen. Ich habe den Geschmack auf der Zunge. Leben. Gefülltes Leben. Es gibt keinen Hunger mehr, keinen Mangel – und niemanden, der schlägt. Der knechtet. Der Gewalt ausübt. In diesem Land gibt es auch keine Tränen mehr – sie werden vorher abgewischt. Im letzten Buch der Bibel lesen wir von dem himmlischen Aufstand gegen die kleinen und großen Potentaten dieser Welt, die nicht nur die Welt unter sich aufteilen, die auch jede Hoffnung zunichte machen wollen. Aus Kalkül, aus Rachsucht, aus Gier. Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll.
Am 1. Tag der Schöpfung wird das Licht geschaffen. Alles wird hell.
Am 1. Tag wird Jesus von den Toten auferweckt.
Wir gehen in den ersten Tag!
Totentanz
Im Evangelium lesen wir, dass in der Morgendämmerung des ersten Tages der Woche Maria aus Magdala und die andere Maria das Grab Jesu aufsuchen. Ob sie Zeugen des Erdbebens sind? Ob sie den Engel des Herrn auf dem weggewälzten Stein sehen? Leuchtend, hell, einem Blitz gleich?
Ostern hat mit Leuchten, mit Aufleuchten zu tun. Die Nacht wird zerrissen. Buchstäblich. Sie hängt in Fetzen herunter. Schlaff, kraftlos, ohne jede Schönheit. Ich weiß: das Bild ist brüchig. Manchmal liebe ich die Nacht, weil sie so still ist, so unheimlich weit und im Mondlicht glänzend. Aber die andere Seite der Nacht sind Einsamkeit, Sorge und Klage. Menschen wälzen sich in ihrem Bett, finden keine Ruhe, fürchten den Morgen. Selbst wenn die Sonne dann aufgegangen ist, geht die Nacht weiter. Sie frisst sich in das Leben, nistet sich ein. Wie vielen Menschen mag das so gehen? Auch in dieser Nacht.
In der Nacht tanzt auch der Tod. Mit seinen vielen Schergen, Helfershelfern und Dummköpfen.
Mit Alpträumen und Trauer.
Wächter
Schauen wir uns die Wächter an. Sie wurden von Amts wegen bestellt. So klar ist nicht, was sie bewachen sollten. Einen Toten? Ich nehme die Angst der Mächtigen wahr, die auch noch nach dem Tode Jesu – das Leben, sein Leben fürchten. Die das Leben so fürchten, dass sie Wächter bestellen – und bezahlen. Hat Jesus nicht von Auferstehung geredet? Nicht auszudenken, wenn das tatsächlich wahr sein sollte.
Reden wir von den Wächtern, die wir uns heute bestellen – oder bestellen lassen.
Da sollen Kontrollgremien über den Waffenhandel befinden. Aber die Lobbys sind wie Mühlmäuse. Auf edlem Papier wachsen die Aktienkurse. Mit dem Tod lassen sich tolle Geschäfte machen. Wir setzen Statisten in Amt und Würde. Sie sind wie Wächter am Grab, Wächter an einem der vielen Gräber, in denen Menschen namenlos verschwinden. Oder als Flüchtlinge stranden.
In unseren Gesellschaften nehmen wir Hassparolen und Hassreden wahr. Sie schmeicheln sich als vernünftig ein, säen aber Misstrauen und Angst. In der Anonymität der Netze gehen die einen unter, die anderen treten mit Füßen nach anderen. Worte werden zu Totschlägern. Die Netze bergen nicht mehr, sie fangen nicht auf – sie nehmen gefangen. In ihnen tauchen auch viele Wächter auf. Wächter diskutieren nicht. Wächter haben immer Recht. Der Tod braucht viele Wächter.
Wir diskutieren über die Schere zwischen arm und reich. Sie wird wohl immer größer. Statistiken bieten ein reichhaltiges Material. Aber viele Menschen verschwinden in den Zahlen, verlieren ihr Gesicht, verlieren ihre Würde. Am Ende kann keiner dafür. Es ist die Macht des Faktischen, die längst die Herrschaft angetreten hat. Verklausuliert – und gelegentlich überraschend offen. In den Medien, in den Köpfen, wohl auch in den Herzen. Viele Wächter werden bestellt und königlich entlohnt, die Dinge nicht beim Namen zu nennen. Wächter lieben den Schatten ihrer Herren. Sie bauen sich groß auf, um ihrer Erbärmlichkeit zu entkommen. Stimmt es eigentlich, dass immer die Kohle stimmen muss?
Im Evangelium lesen wir, dass die Wächter wie tot zu Boden fallen. Sie konnten weder ihrer Rolle gerecht werden noch das Leben hindern. Deshalb muss es ein Erdbeben geben! Deshalb muss der Stein weg! Deshalb muss der Engel wie ein Blitz leuchten! Wörtlich ist das zu nehmen! Der Tod scheitert. Seine Sicherungssysteme – liegen wie tot am Boden. Jetzt reden wir von Hoffnung! Jetzt hat die Liebe das letzte Wort! Jetzt beugen wir uns nicht mehr!
Künstler haben diese Szene vielfältig, aber immer genial und grandios zu malen verstanden. Die Wächter des Todes schlafen – und Jesus erstrahlt in himmlischem Licht. Es wird hell. Am ersten Tag!
Der neue Tag
An diesem Morgen tanzen die Texte, die Bilder, die Sehnsüchte – und die Verheißungen. Der Prophet Jesaja tritt zu mir, schaut mich an – und sagt: Komm doch mit in den Reigen! Jetzt höre ich, was er sagt. Hoffnungsvoll, aber bestimmt. Verträumt, aber realistisch:
"Der Ruchlose soll seinen Weg verlassen, der Frevler seine Pläne. Er kehre um zum Herrn, damit er Erbarmen hat mit ihm, und zu unserem Gott; denn er ist groß im Verzeihen.
Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege – Spruch des Herrn.
Denn wie der Regen und der Schnee vom Himmel fällt und nicht dorthin zurückkehrt, sondern die Erde tränkt und sie zum Keimen und Sprossen bringt, wie er dem Sämann Samen gibt und Brot zum Essen, so ist es auch mit dem Wort, das meinen Mund verlässt: Es kehrt nicht leer zu mir zurück, sondern bewirkt, was ich will, und erreicht all das, wozu ich es ausgesandt habe."
Frohe Ostern!
Und der Friede Gottes,
der höher ist als unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus, unserem Herrn.