Nie vollauf zufrieden
Wir Menschen sind seltsame Wesen. Irgendwie sind wir mit uns selber nie ganz zufrieden. Immer wollen wir mehr, etwas Anderes, Neues, Größeres. Ein Schriftsteller hat das einmal so ausgedrückt: "So reich waren wir nie wie heute; so habgierig aber waren wir auch nie wie heute. So satt waren wir nie wie heute; so unersättlich waren wir aber auch nie wie heute. So versichert waren wir nie wie heute; so unsicher aber waren wir auch nie wie heute".
Warum ist das so? Warum sind wir nie ganz zufrieden mit dem, was wir sind und haben? Warum wollen wir immer mehr und Besseres? Weil wir für Besseres geschaffen und zu Größerem berufen sind. In uns Menschen steckt in der Tat das Verlangen nach dem Ganzen und Endgültigen, nach dem, was vollkommen ist und nicht mehr übertroffen werden kann.
Gleichzeitig müssen wir aber auch immer wieder - und oft schmerzlich - die Erfahrung machen, dass wir dieses Endgültige und Vollkommene nie mit eigenen Kräften erreichen können. Wir können uns noch so mühen, Reichtum anzuhäufen. Meist gelingt es nicht und wo es gelingt, da hat sich mit dem Reichtum noch lange nicht das Glück eingestellt. Wir können uns noch so sehr absichern gegen Unfall und Krankheit: irgendwann erwischt es uns trotzdem. Selbst wenn wir alle Ratschläge der Medizin und der Gesundheitsapostel anwenden, um gesund zu sein und das Leben zu verlängern, geht unser Leben dennoch unweigerlich dem Verfall und dem Tod entgegen, also dem Gegenteil von dem, was wir anstreben.
Es gelingt uns also nie, aus uns heraus ganz das zu erreichen, was wir eigentlich wollen. Immer werden Wünsche offen bleiben. Darum werden wir nie vollauf zufrieden sein mit dem, was wir sind und haben. Und solange das so ist, wird immer in uns das Verlangen da sein nach etwas, das noch besser, noch gelungener, noch abgerundeter sein soll.
Die Suche nach dem Himmelreich als Selbstverwirklichung
Nun sagt uns heute das Evangelium: Mensch, wenn Du dich so nach einem vollkommenen Glück sehnst, dann läufst du mit diesem Verlangen nicht ins Leere. Dieses Vollkommene, das durch nichts mehr übertroffen werden kann, das gibt es. Es gibt einen Schatz, für den es sich lohnt, alles andere herzugeben. Es gibt eine Perle, die wertvoller ist als alles, was man mit ihr vergleichen könnte. Dieser Schatz, diese Perle - das ist das Himmelreich. Das ist das, was Gott uns schenkt und Jesus uns nahe gebracht hat. Nur in Gott und seinem Reich können wir das finden, wonach wir uns letztlich sehnen. "Allein Gott genügt", hat die Hl. Theresia von Avila gesagt. Gott allein erfüllt unser Verlangen endgültig.
Nun gibt es nicht wenige Menschen, die meinen, der Glaube an Gott würde unser Verlangen unterdrücken und uns vom wirklichen Leben entfremden. Immer wieder will man uns einreden, wer auf Gott höre und nach seinen Geboten lebe, der würde vieles vom Leben verpassen, so jemand könne gar nicht richtig sich selbst verwirklichen. Doch wenn wir unvoreingenommen nachdenken, müssen wir sagen: das Gegenteil ist wahr. Wer sich selbst verwirklichen will ohne Gott, wird immer irgendwann ins Leere laufen. Denn nur Gott ist groß genug, um die Sehnsucht des Menschen nach dem Vollkommenen erfüllen zu können. Nur mit dem Glauben wird uns jenes Kostbare und Große zugänglich, das Gott bereits als Wunsch und Verlangen in unsere Herzen hineingelegt hat.
Wie groß und überreich das ist, wozu wir Menschen letztlich bestimmt sind, das hat die Lesung heute so ausgedrückt: wir sind berufen, an Wesen und Gestalt Jesu teilzuhaben; wir sind auserwählt, bei Gott verherrlicht zu werden. Deshalb lohnt es sich, für diesen Schatz und diese Perle, für das Himmelreich freudig alles andere herzugeben. Deshalb lohnt es sich, den Glauben zum Mittelpunkt des Lebens zu machen, denn mit dem Glauben erreichen wir jenes Glück, das wir zutiefst ersehnen und jene Größe, zu der wir letztlich bestimmt sind.