Lesung aus der Apostelgeschichte.
Am Pfingsttag trat Petrus auf,
zusammen mit den Elf;
er erhob seine Stimme und begann zu reden:
Ihr Juden und alle Bewohner von Jerusalem!
Dies sollt ihr wissen,
achtet auf meine Worte!
Jesus, den Nazoräer,
einen Mann, den Gott vor euch beglaubigt hat
durch Machttaten, Wunder und Zeichen,
die er durch ihn in eurer Mitte getan hat, wie ihr selbst wisst -
ihn, der nach Gottes beschlossenem Willen und Vorauswissen
hingegeben wurde,
habt ihr durch die Hand von Gesetzlosen
ans Kreuz geschlagen und umgebracht.
Gott aber hat ihn von den Wehen des Todes befreit
und auferweckt;
denn es war unmöglich, dass er vom Tod festgehalten wurde.
David nämlich sagt über ihn:
Ich hatte den Herrn beständig vor Augen.
Denn er steht mir zur Rechten, dass ich nicht wanke.
Darum freute sich mein Herz
und frohlockte meine Zunge
und auch mein Leib wird in Hoffnung wohnen;
denn du gibst meine Seele nicht der Unterwelt preis,
noch lässt du deinen Frommen die Verwesung schauen.
Du hast mir die Wege zum Leben gezeigt,
du wirst mich erfüllen mit Freude vor deinem Angesicht.
Brüder,
ich darf freimütig zu euch über den Patriarchen David reden:
Er starb und wurde begraben
und sein Grabmal ist bei uns erhalten bis auf den heutigen Tag.
Da er ein Prophet war
und wusste, dass Gott ihm einen Eid geschworen hatte,
einer von seinen Nachkommen werde auf seinem Thron sitzen,
sagte er vorausschauend über die Auferstehung des Christus:
Er gab ihn nicht der Unterwelt preis
und sein Leib schaute die Verwesung nicht.
Diesen Jesus hat Gott auferweckt,
dafür sind wir alle Zeugen.
Zur Rechten Gottes erhöht,
hat er vom Vater den verheißenen Heiligen Geist empfangen
und ihn ausgegossen,
wie ihr seht und hört.
Diese Lesung aus der Apostelgeschichte gehört zur Predigt des Petrus am Pfingsttag. Ratsam ist, das ganze Kapitel zu lesen, um den Zusammenhang zu verstehen. Dass Pfingsten die "andere Seite" von Ostern ist, gehört zu den Geheimnissen, die die Schrift auf vielfältige Weise bezeugt. Der Geist, der verliehen wird, verteilt die Gaben der Auferweckung Christi auf die Kirche.
Die Predigt des Petrus stellt noch einmal – sehr einfach und eindrücklich – Leben und Geschick Jesu vor, erinnert an "machtvolle Taten, Wunder und Zeichen" und bezeugt "Gottes beschlossenen Willen und Vorauswissen2 – ohne die Schuld zu verschweigen, die Menschen auf sich geladen haben.
Im Mittelpunkt der Predigt steht die Auslegung von Psalm 16,8-11, eingeleitet mit: "David nämlich sagt über ihn". Dieser Verweis begründet die Auferstehungsbotschaft in der alttestamentlichen Überlieferung – und erlaubt gleichzeitig einen Blick in die Predigtpraxis der frühen Kirche.
Gott hat einen Eid geschworen, dass ein Nachkomme Davids auf seinem Thron sitzt: Petrus sieht das in der Auferweckung Christi in Erfüllung gegangen. In der Predigt des Petrus, wie Lukas sie überliefert, heißt es am Schluss (unsere Lesung hört vorher auf): "So wisse nun das ganze Haus Israel gewiss, dass Gott diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt, zum Herrn und Christus gemacht hat." (V. 36).
Die uns im Neuen Testament überlieferten Aussagen zur Auferstehung lassen sich vom Gesichtspunkt der Überlieferung her in zwei Gruppen einteilen.
Zum einen gibt es die Formeltraditionen, die auf eine frühe Bekenntnisbildung schließen lässt. Sie sind die frühesten Zeugnisse eines Auferstehungsglaubens. Dazu gehören die Aussagen in 1 Kor 15 (2. Lesung).
Auch in der 1. Lesung sind wohl ältere Formeltraditionen verarbeitet. Die in 1 Kor 15, 3b-5 zitierte Glaubensformel kann wegen ihres Alters und ihres Gewichts als das wichtigste Zeugnis des NT angesehen werden.
Zum anderen liegen uns die Ostererzählungen der Evangelien vor. Sie sind wesentlich jünger als die älteren Formeltraditionen. Zu diesen Erzählungen gehört auch die Emmausperikope. Hier kann man einen längeren Reflexionsprozess voraussetzen. Vermutlich sind aber auch hier ältere Traditionselemente verarbeitet. So taucht das Motiv, dass Jesus von den Jüngern beim Brotbrechen erkannt wird, auch bei Joh auf (Joh 21,12ff).
Formale Beobachtungen der Auferstehungszeugnisse lassen eine Zweigliederung erkennen. In den beiden Lesungen werden sie gegenübergestellt. Dabei wird in der Apg der Kontrast durch die Betonung des menschlichen Unheilshandelns gegenüber dem Heilshandeln Gottes unterstrichen. Schriftbeweise und Hinweise auf Zeugen sind weitere Strukturelemente, die immer wieder auftauchen.
Apg 2, 23f:
Ihn, der nach Gottes beschlossenem Willen und Vorauswissen hingegeben wurde,
habt ihr durch die Hand von Gesetzlosen ans Kreuz geschlagen und umgebracht.
Gott aber hat ihn von den Wehen des Todes befreit und auferweckt.
1 Kor 15, 4ff:
Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift
und ist begraben worden.
Er ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der Schrift,
und erschien dem Kephas, dann den Zwölf.
Die Auferstehung Jesu ist ein entscheidendes Spezifikum des Neuen Bundes. Daher werden am Ostermontag beide Lesungen aus dem Neuen Testament genommen.
Es ist die Pfingstrede und damit die Missionspredigt des Petrus an das Volk Israel, die heute bereits gelesen wird. Die Kernaussage ist die älteste Verkündigungsformel der Urgemeinde über den Tod und die Auferstehung Jesu: "Gott aber hat ihn auferweckt." (Vers 24)
Die ist durch die Zeugen verbürgt, die dem Auferstandenen begegnet sind. Petrus begnügt sich nicht damit, sondern führt ein Schriftzeugnis an. Er zitiert den Psalm 16, 8-11. Dieser Psalm wurde gebetet, wenn man sein Leben bedroht sah. Erst durch Christus, durch seinen Tod und seine Auferstehung, wird der Vollsinn dieses Psalmes deutlich, dass Gott den, der ihm treu ist, nicht der Verwesung preis gibt. Der Tod ist durch das Leben, durch die Auferstehung Jesu überwunden. Der an die Auferstehung glaubt, kann diesen Psalm beten als Ausdruck der Hoffnung.
Manfred Wussow (2006)
Christiane Herholz (2003)
Josef Kampleitner (2001)