2. Lesung vom 3. Fastensonntag, Lesejahr B:
1 Kor 1,22-25
Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Korinther:
Schwestern und Brüder!
Die Juden fordern Zeichen,
die Griechen suchen Weisheit.
Wir dagegen verkündigen Christus als den Gekreuzigten:
für Juden ein empörendes Ärgernis,
für Heiden eine Torheit,
für die Berufenen aber, Juden wie Griechen, Christus,
Gottes Kraft und Gottes Weisheit.
Denn das Törichte an Gott ist weiser als die Menschen,
und das Schwache an Gott ist stärker als die Menschen.
In 1 Kor 1 wird den jüdischen Zeichenforderungen und der griechischen Philosophie - immerhin dem intelektuellen Standard der Zeit - das Wort vom Kreuz gegenübergestellt und als "wahre" Weisheit verkündigt: als Gottes Kraft und als Gottes Weisheit. Im Schlusssatz, mit "denn" eingeführt, wird Gottes Torheit und Schwäche von der Klugheit und Stärke der Menschen abgehoben. Nietzsche konnte die "Umwertung der Werte", die er vor Augen hatte, hier finden.
Paulus verkündigt Christus als den Gekreuzigten. Das ist der Leitsatz. Die Reaktion, die Paulus kennt, bewegt sich zwischen Verärgerung und Unverständnis. Die Gruppen werden von ihm genannt: Juden und Griechen. Beide machen je auf ihre Weise Bekanntschaft mit dem, was Paulus nicht nur verkündigt, sondern als der Weisheit letzter Schluss bezeugt. Für Paulus ist der schändliche Tod am Kreuz die Offenbarung Gottes schlechthin. Wer sich bisher darauf verließ, zu wissen, wer Gott ist, wird enttäuscht.
Ist Gott schwach? Leidensfähig? Die Vorstellungen, die Menschen sich von ihm machen, zeigen ihn überlegen und abgehoben. Am Kreuz zerbrechen die Bilder, die ihn festlegen. Aber auch die Bilder, die Menschen von sich machen. Dazu gehören auch die Vorstellungen von Größe und Stärke überhaupt.
Das "Wechselspiel", das in 1 Kor 1 die Argumentation trägt, hat Dietrich Bonhoeffer in seinem Gedicht "Christen und Heiden" übersetzt:
Menschen gehen zu Gott in ihrer Not,
flehen um Hilfe, bitten um Glück und Brot
um Errettung aus Krankheit, Schuld und Tod.
So tun sie alle, Christen und Heiden.
Menschen gehen zu Gott in Seiner Not,
finden ihn arm, geschmäht, ohne Obdach und Brot,
sehn ihn verschlungen von Sünde, Schwachheit und Tod.
Christen stehen bei Gott in Seinen Leiden.
Gott geht zu allen Menschen in ihrer Not,
sättigt den Leib und die Seele mit Seinem Brot,
stirbt für Christen und Heiden den Kreuzestod,
und vergibt ihnen beiden.
Nach jüdischer Auffassung wird die Welt in Juden und Griechen, also in Glaubende und Nichtglaubende aufgeteilt, in dem Gottesvolk Zugehörende oder nicht. Die Griechen teilen wiederum in Griechen und Barbaren auf. Alle Menschheitsgruppen suchen Beweise für göttliche Wahrheiten.
Göttliche Machterweise werden im jüdischen Bereich zum Messiasbeweis gefordert. Dies beinhaltet den Sieg über die Feinde und die zu errichtende Gottesherrschaft. Dem gekreuzigten Jesus bleibt diese Legitimation versagt. Folglich kann er nicht der Messias sein.
Die Griechen versuchen über innerste Zusammenhänge der Welt zum Göttlichen vorzudringen. Aber selbst die besten Einsichten lassen nicht zum Erkennen der Versöhnungstat Gottes mit der Welt durch den Kreuzestod vordringen.
Somit ist es klar, dass ein Gekreuzigter eben nur ein Gescheiteter sein kann, weit entfernt von messianischen Erfolgstaten. Genauso wenig einleuchtend ist der Verbrechertod als Weg zum Heil. Der Kreuzestod als grausamste Verbrecherstrafe steht eben der antiken Götterwelt diametral entgegen.
Paulus geht es in diesem Zusammenhang beiden Seiten gegenüber aufzuzeigen, dass sie den Kreuzestod eben nur nach ihren eigenen Kriterien beurteilen. Der Kreuzestod Jesu durchkreuzt die die alte Welt bestimmenden Kriterien. Dieser Welt setzt Paulus die Berufenen gegenüber und er spitzt alles auf das Kreuz hin zu.
Gott offenbart sich nicht nur in seiner Schöpfung und in seinen Heilstaten, sondern gerade auch im Kreuzestod Jesu. In der Auferstehung erweist sich die Bestätigung dafür, nämlich, dass im Kreuz die Weisheit Gottes Sünde und Tod überwindet.
Gott selbst ist im Kreuzestod Jesu mit seiner Kraft und Weisheit am Werk. Darin zeigt sich Gottes Überlegenheit allem menschlichen Denken gegenüber, sowie grundsätzlich allen Geschöpfen gegenüber.
Im Jüdischen wird die Weisheit rein von Gott her gesehen, akzeptiert und erwartet. Dazu ist eben noch als interessant anzumerken, dass Paulus dies ablöst und sogar dahin kommt, dass Gott sogar soweit geht, diese den Menschen zu geben. Demnach ist Gott so groß, dass er den Menschen die Freiheit gibt, diese in Folge sogar gegen ihn, also gegen Gott zu verwenden.
(Es sollten 1 Kor 1,18-25 gelesen werden!)
Anschließend an die Klärung, dass es keine Parteiungen geben darf aufgrund dessen, der die einzelnen getauft hat (1,10-17), kommt Paulus zu seinem Hauptthema: der Predigt vom Kreuz (1,18-25). Denn die Rede vom Kreuz ist der springende Punkt: An ihm scheiden sich die Geister. Denn sich im Kreuz, in der Erniedrigung zu offenbaren, das widerspricht sowohl den Juden: Sie wollen Zeichen sehen; aber auch den Griechen: sie hätten gern einen Messias, der die Welt durch Vernunft und Weisheit rettet. Gott aber offenbart seine Macht in der Ohnmacht, seine Weisheit in der Torheit des Kreuzes.
Und so macht Gott nun durch dieses Kreuz die selig, die glauben (Vers 21). Weil der Glaube sein Vertrauen auf Gott setzt und nicht auf etwas, was durch äußerste Steigerung von dem, was Menschen möglich ist, geschieht. Die Weisheit in dieser Torheit ist aber, dass Gott durch diesen Umweg über die Torheit des Kreuzes, durch den schweren Gang Jesu in den Tod, die menschliche Sünde und den Tod besiegt hat. Indem Gott sich nicht menschlicher Logik angepasst hat, hat er den Kreislauf der Sünde durchbrochen.
Manfred Wussow (2006)
Alfons Jestl (2003)
Johann Pock (2000)