Lesung aus dem ersten Buch der Könige.
In jenen Tagen
ging Elíja eine Tagereise weit in die Wüste hinein.
Dort setzte er sich unter einen Ginsterstrauch
und wünschte sich den Tod.
Er sagte: Nun ist es genug, Herr.
Nimm mein Leben;
denn ich bin nicht besser als meine Väter.
Dann legte er sich unter den Ginsterstrauch und schlief ein.
Doch ein Engel rührte ihn an
und sprach: Steh auf und iss!
Als er um sich blickte,
sah er neben seinem Kopf Brot,
das in glühender Asche gebacken war,
und einen Krug mit Wasser.
Er aß und trank und legte sich wieder hin.
Doch der Engel des Herrn kam zum zweiten Mal,
rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss!
Sonst ist der Weg zu weit für dich.
Da stand er auf,
aß und trank
und wanderte, durch diese Speise gestärkt,
vierzig Tage und vierzig Nächte
bis zum Gottesberg Horeb.
(Lektionar 2018 ff. © 2024 staeko.net)
Der heutige Lesungsabschnitt aus dem Ersten Buch der Könige schließt sich an eine der Sternstunden des Elija an. Auf dem Berg Karmel hatte er gezeigt, dass der Gott Israels der wahre und machtvolle Gott ist.
Im Gefühl dieses Sieges hatte Elija alle Baalspriester als Vertreter eines unterlegenen Kults hinrichten lassen. Dies brachte ihm die Feindschaft der Königin Isebel und die Verfolgung ein. Als Verfolgter verlor Elija seinen Einfluss beim Volk.
In dieser Situation will Elija nur noch sterben und sich der Verantwortung entziehen. Drei Dinge halten ihn: Brot, Wasser und die Berührung durch Gottes Engel.
Nach der so vorbereiteten Begegnung am Horeb wird für Elija die Zeit beginnen, seinen Dienst abzuschließen.
Elija ist auf der Flucht. Auf der Flucht vor der Königin Isebel, aber auch auf der Flucht vor sich selbst. Zur Vorgeschichte gehört unbedingt 1 Kön. 18. Die biblische Überlieferung verschweigt nicht, dass Elija ein wütender Prophet ist und seine Hände mit Blut befleckt.
Die Lesung setzt damit ein, dass Elija in die Wüste geht und sich den Tod wünscht. Für ihn ist es „genug“. Ein Engel rührt den schlafenden Propheten an und spricht zu ihm: Steh auf und iss! Brot und Wasser findet er, als er sich umblickt. Der Engel hat die Botschaft für ihn, einen weiten Weg vor sich zu haben. Vierzig Tage und vierzig Nächte wandert Elija zum Gottesberg, dem Horeb.
Die Szene erinnert an den Weg Israels durch die Wüste. Müdigkeit und Verzweiflung einerseits, Speisung aus dem Himmel („Manna“) andererseits. Die Zahl „vierzig“ ist mit dem Weg Israels auch fest verbunden – hier jedoch sind es Tage, nicht Jahre. Es ist eine „kleine“ Wüstenwanderung, die von Elija erzählt wird, ohne die Spuren zu verwischen, die von der größeren Israels überliefert wird.
Auf dem „Gottesberg“ begegnete Mose Jahwe, brachte ihm die Bitten seines Volkes und empfing aus seiner Hand die Gebote. Elija erscheint hier als 2. Mose. Im Evangelium von der Verklärung Jesu heißt es: „Da erschien vor ihren Augen Elija und mit ihm Mose, und sie redeten mit Jesus“ (Mk. 9,4).
Der Prophet Elija gehörte zu den leidenschaftlichsten Vertretern des Jahweglaubens und zu den härtesten Bekämpfern des Baalskultes im 9. Jahrhundert vor Christus. Baal war eine Fruchtbarkeitsgottheit, welche von der Frau des Königs von Israel, Isebel, zu dieser Zeit stark gefördert wurde. Elija hatte nach einem für ihn triumphalen Gottesurteil auf dem Berge Karmel hunderte Baalspropheten hinrichten lassen (vgl.1 Kön 18:17-40). Damit war er sowohl vor dem Königshaus wie auch vor maßgeblichen Kreisen der Gesellschaft eine mißliebige Person, Isebel trachtete ihm nach dem Leben (vgl. 1 Kön 19:1-3). Daß sich der Glaube an Jahwe als den einzigen Gott und Spender des Lebens schnell wieder im Volk breit machen würde, dafür bestand trotz allem Kampf des Propheten wenig Hoffnung.
In dieser Situation zieht sich Elija verängstigt und resigniert in die Wüste zurück. Er möchte aufgeben, ja er wünscht sich den Tod. Freilich, die Wüste wird für Elija zum Ort, an dem er neuen Antrieb erfährt. Ein Engel, ein schützender und helfender Bote Gottes, stärkt ihn mit Brot und Wasser. Es ist das erste kleine Zeichen wider die Resignation und die Hoffnungslosigkeit, wider das Überfordert- und Ausgebranntsein im heiligen Dienst.
Durch die Begegnung mit dem Gottesboten wird der Rückzug Elijas in die Wüste zu einer Pilgerreise zum Ursprung des reinen Jahweglaubens, zum Berg Horeb nämlich, an dem sich Gott einst dem Volk Israel und seinem Führer Mose geoffenbart hat. Der Zeitraum von 40 Tagen und 40 Nächten, den der Prophet zum Gottesberg unterwegs ist, gemahnt an die vierzigjährige Wüstenwanderung des Volkes Israel zwischen dem Auszug aus Ägypten und dem Einzug in das Gelobte Land. Es ist eine Zeit der geistlichen Läuterung, eine Zeit der Vorbereitung auf neues, erfüllendes Leben. Am Horeb wird sich das Geschick Elijas wenden. Er wird Gottes Gegenwart neu erfahren, freilich nicht in einem machtvollen Ereignis wie früher beim Gottesurteil am Berge Karmel, sondern in einem sanften, leisen Säuseln - wahrnehmbar kraft der Stille und Aufmerksamkeit eines für Gott offenen Herzens (vgl. 1 Kön 19,11-13).
Norbert Riebartsch (2009)
Manfred Wussow (2006)
Martin Leitgöb (2003)