Die Macht der Zeichen
Der neue Papst wird auf Schritt und Tritt beobachtet, welche Zeichen er setzt. Die Kommentatoren interpretieren alles, was er tut und sagt, und versuchen daraus abzulesen, welchen Weg er in der Leitung der Kirche einschlagen wird. Zeichen setzen und Zeichen interpretieren sind wichtige Elemente jeder Politik. Wie weit diese Zeichen aber auch etwas bewirken, hängt davon ab, wie weit sie mit Inhalt gefüllt werden; nicht nur vom Papst, sondern von der ganzen Kirche, die er repräsentiert.
Im Evangelium wurde uns vom Einzug Jesu in Jerusalem erzählt. Auch er setzt ganz bewusst Zeichen, um so den Menschen mitzuteilen, was er vorhat. Er reitet auf einem jungen Esel, auf dem noch kein Mensch gesessen hatte, um damit anzudeuten, dass er als Friedensbringer kommt. Politische Herrscher und Kriegsherren pflegen hoch zu Ross in eroberte Städte einzuziehen und so ihren Besitzanspruch zu dokumentieren. Die Jünger breiten ihre Kleider auf der Straße aus, loben Gott und rufen: "Gesegnet sei der König, der kommt im Namen des Herrn. Im Himmel Friede und Herrlichkeit in der Höhe!" Sie verkünden damit den Einzug eines himmlischen Königs. Der Einzug Jesu in Jerusalem hat einerseits etwas Würdevolles, Ernstes, andererseits mutet er wie eine Parodie auf die Verhaltensweisen der Mächtigen an. Politisch brisant ist er auf jeden Fall.
Jesus setzt nach seinem Einzug noch weitere provokante Zeichen: Er weint über Jerusalem, weil er ihren Untergang kommen sieht. Die Stadt ist nicht bereit, den Frieden anzunehmen, den er ihr bringen will. Er geht in den Tempel und vertreibt die Händler aus dem Vorhof des Tempels. Dass er sich damit bei den Betreibern des Tempels keine Freunde macht, ist klar. Unbeteiligten Beobachtern mag das gefallen haben. Wer hat den tieferen Sinn dieser Aktionen erkannt? Die Leute sehen nur die in diesen Zeichen enthaltenen Provokationen, nicht aber Jesu Mahnung und Einladung zur Umkehr. In der Manier der alten Propheten verlangt er von ihnen eine Entscheidung. Er wird zwar von seinen Jüngern und von seiner kleinen Anhängerschar als Messias gefeiert. Jerusalem insgesamt nimmt jedoch nicht wirklich Notiz von ihm als Messias. So kommt es, wie es kommen musste. Vom weiteren Verlauf seiner Geschichte lesen wir in der Passion.
Dem Messias heute folgen
Wir feiern Palmsonntag. In der Feier werden auch wir mit den Zeichen konfrontiert, die Jesus damals gesetzt hat und die heute die Kirche setzt durch die liturgische Feier. Diese Zeichen fordern uns auch heute noch heraus zu einer Entscheidung, ob wir diesen Jesus als Messias anerkennen und uns ihm anschließen oder ob wir ihn als ein Stück Folklore, als liebenswürdige Tradition ohne weitere Bedeutung an uns vorbei ziehen lassen.
Jesus lädt uns ein, den Frieden, den er uns bringen will, anzunehmen. Es ist ein Friede, der seinen Ursprung im Himmel hat und nicht in menschlicher Politik. Ob dieser Friede sich durchsetzt, hängt weniger vom politischen Geschick der kirchlichen Akteure ab, als vielmehr davon, ob wir - jeder einzelne von uns - seine Friedensbotschaft in uns einlassen und Jesus als Messias folgen.