Ein anderer Planet
Letzten Monat habe ich an einem Treffen der Superioren der Redemptoristen in Lateinamerika teilgenommen. Unter den Mitbrüdern war auch Pater Vicente, ein junger Provinzial aus Brasilien, der auch für die Redemptoristen in Surinam zuständig ist. Pater Vicente berichtete auch über die Mitbrüder in diesem Land und sprach dabei mit großem Enthusiasmus über die dortige Mission. Aber: Er betonte auch, wie unterschiedlich dieses Land von Brasilien sei. Einige Male wiederholte er: "Surinam ist ein anderer Planet!"
Wenn jemand aus einem benachbarten Land eine solche Aussage über dieses Land macht, so können wir uns vorstellen, dass Paramaribo und Batavia erst recht Lichtjahre von Tilburg und den Niederlanden entfernt sein müssen. Als vor 167 Jahren der junge Priester mit dem Namen Peter Donders sein Schiff in Paramaribo verließ, war Surinam für den Besucher eine wunderschöne, aber trotzdem fremde ("außerirdische") Landschaft.
Eine einzigartige Berufung
Der Ort Surinam ist nicht der einzige unübliche Teil in der Biographie von Peter Donders. Unter allen Heiligen und Seligen der Redemptoristen, ist Peerke der einzige, der erst einmal von unserer Kongregation abgelehnt worden ist. Nachdem nicht nur die Redemptoristen, sondern auch die Jesuiten und Franziskaner diesem frommen Sohn Tilburgs die Türen zugeschlagen hatten, führte ihn Gott zu der Einsicht erst einmal Diözesan-Priester zu werden und dann als Missionar nach Surinam zu gehen. Vierundzwanzig Jahre später folgten ihm die Redemptoristen in dieses ferne Land und fanden heraus, dass Peerke dort bereits im Geist unseres Gründers - des hl. Alphons - lebte. Nachdem die Redemptoristen ihn schließlich in die Kongregation aufnahmen, drückte Peerke später immer wieder seine von Herzen kommende Dankbarkeit hierfür aus; dabei sind es eigentlich wir, seine Mitbrüder, die auf Grund unserer Kurzsichtigkeit erröten müssten und diesem heiligen Mann mit Bescheidenheit begegnen müssten und mit Herzen, die bereit sind von ihm zu lernen.
Kann dieses ungewöhnliche Leben des Peter Donders, das vor über zwei Jahrhunderten in dieser Stadt begann und dann in den Wäldern, Flüssen und Plantagen Surinams gelebt wurde, uns heute noch etwas lehren? Oder sollten wir ihn und sein Leben eher wie ein schönes, aber außergewöhnliches Stück Kunst betrachten, das zwar bewundert werden will, dem aber nicht nachgeeifert werden sollte?
Ein exotischer Lebensstil?
Die wahrscheinlich grundlegendste Lehre seines Lebens ist, wie er das große Geheimnis verstand, das immer noch Frauen und Männer fasziniert: Die Möglichkeit wahrer Liebe. Peerke wusste, dass er geliebt wurde - vorurteilslos, täglich, und für immer - von dem, der "die Welt so liebte, dass er seinen einzigen Sohn hingab." (Jo 3,16) Für ihn war das Christentum nicht einfach nur ein Auflistung von Glauben oder moralischen Vorschriften; vielmehr ist es für ihn die Begegnung mit der Person Jesus Christ. Er verstand die Lehre Jesus so, dass Gott nicht nur im Gebet begegnet werden kann, sondern auch in der liebenden Hingabe zu anderen. Aus diesem Grund verstand Peerke, dass sein Leben ein Geschenk war, ein Geschenk, das seine volle Entfaltung erst in der ganzen Hingabe zu Gott und seinen Männern und Frauen erreichen sollte.
"Liebe nicht in Reden und Worten, sondern in Wahrhaftigkeit und Wahrheit"
Menschen werden niemals müde von der Liebe zu sprechen. Es ist nicht genug ins Kino zu gehen, sich eine Oper anzuhören oder große Literatur zu lesen, um zu verstehen, wie die Liebe das menschliche Wesen immer noch fasziniert. Das Leben des Seligen Peter zeigt uns, dass wirkliche Liebe nicht einfach diskutiert oder beobachtet werden kann; sie muss letztlich ganz direkt gelebt werden in den Entscheidungen und Gesten gegenüber anderen. Genauso ist es mit der Aufforderung des Apostels Johannes, die wir am Ende der ersten Lesung gehört haben: "Wir wollen nicht mit Wort und Zunge lieben, sondern in Tat und Wahrheit." (1 Jo 3, 18).
Peter Donders theoretisierte nicht über Liebe. Es scheint, als habe er nur zweiundfünfzig Briefe während seiner fünfundvierzig-jährigen Missionsarbeit in Surinam geschrieben. Peerke war ein Mann des Handelns und sein Verständnis von Liebe drückt sich vor allem in seinen Handlungen und Taten aus und nicht in hochfliegenden Worten oder komplizierten Theorien. Wir sind mit den Gemälden und Abbildungen vertraut, die versuchen die Konkretheit seiner Liebe einzufangen. Anschaulich wird Peerke dargestellt, wie er die Wunden der Lepra- Kranken verbindet oder geduldig die Einheimischen Surinams instruiert. Soweit ich weiß gibt es leider keine Bilder, die ihn bei der Ausführung anderer Ausdruckformen seiner Menschenliebe zeigen. Ich meine damit seine Zigarren und sein Akkordeonspiel. . .
Respekt
Als ich das letzte Mal die frühere Lepra Kolonie in Batavia besucht habe, zeigte einer der Mitbrüder auf einen isolierten Außenbereich des Lagers. Dort, so erklärte er, war der Ort an dem Peter rauchte. Warum er nicht in Anwesenheit der Kranken rauchte? - Während die Aufseher ständig in Anwesenheit der Kranken rauchten, um den Gestank der Kranken zu überdecken, hat Peter dies niemals getan, einfach als Zeichen des Respekts gegenüber seinen leidenden Brüdern und Schwerstern. Für ihn waren die Erkrankten Kinder Gottes, Brüder und Schwester in Jesus Christus und nicht Klienten, Teile einer Statistik oder einfach "Seelen die es zu retten galt." Seine Liebe ihnen gegenüber war respektvoll.
Kreativität
Als Peter fast 60 Jahre alt war begann er ein Apostolat zwischen den Einheimischen Surinams. Er erkannte schnell, dass die pastoralen Methoden, die in der Stadt Paramaribo oder der Lepra-Station in Batavia genutzt hatten, bei der einheimischen Bevölkerung nicht funktionieren würden. Daher suchte er nach neuen Wegen das Evangelium zu verkünden. Er fand heraus, dass Musik viele Leute anzog und er lernte das Akkordeon zu spielen. Seine Liebe zu ihnen war kreativ. Als er starb klagten die Einheimischen: "Wer wird uns jetzt das Singen beibringen?"
Die Botschaft Peerkes
Kehren wir noch einmal zu der Frage zurück, die ich vorhin in meiner Reflektion gestellt habe. Kann Peters Leben selbst heute noch bedeutsam für uns sein. Ich glaube, dass wir eine bedeutende Wandlung in seinem 77jährigen Leben entdecken können. In seinen pastoralen Arbeiten für die Armen und Verstoßenen war er zuerst von einem Gefühl motiviert worden, einen Auftrag zu haben. Schritt für Schritt fand er große Befriedigung in seinem Dienst an den Armen. Schließlich aber verstand er, dass er einer von ihnen war, ein anderer armer Mann, der zusammen mit seinen geringsten Brüdern und Schwestern unendlich von Gott geliebt war.
Diese Solidarität wurde durch die Art, wie er die zwei Gebote lebte, hervorgerufen: "An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz samt den Propheten." (Mt 22,40) Da Peerke Gott aus vollem Herzen, aus tiefster Seele und seinem ganzen Verstand liebte, fand er heraus, dass er seinen Nächsten wie sich selbst lieben muss. Seine Liebe zu Gott war einfach seine Antwort auf die Liebe, die er von Gott zuerst bekommen hatte und diese Liebe führte ihn schließlich zu der Überzeugung, dass Gott nicht nur ihn, sondern auch andere auf genau diese Art lieben müsse. Nach einem solch praktisch- gestalteten Leben fand er die tiefe Verbundenheit zu der jedes menschliche Wesen berufen ist.
Für uns, seine Mitbrüder der Kongregation des heiligsten Erlösers hat Peerke eine ganz besondere Botschaft. Können Sie sich ihn vor Ihrem geistigen Auge vorstellen, wie er an uns herantritt: lachend, mit einer zerschlissenen Klerik gekleidet und mit seinem Akkordeon über der Schulter hängend? Natürlich raucht er nicht, um unsere Gefühle nicht zu verletzen. Was sagt er zu uns? Seine Botschaft zu uns, seinen Brüdern ist: "Wenn ihr glücklich sein wollt, bleibt nahe bei Gott in dankbaren Gebeten, hört den Ruf der Armen und Verstoßenen, geht zu ihnen und die Liebe Jesus wird euch vor Freude singen lassen".
P. General Joe Tobin C.Ss.R anlässlich der Zweihundertjahrfeier der Geburt des sel. Peter Donders C.S.s.R. in Tilburg (NL) am 24. Juni 2009.
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