Hinführung:
Schon das Alte Testament sieht eine enge Verbindung zwischen Israel und den Völkern. Das Heil, das Gott in Jerusalem wirkt, entwickelt große Anziehungskraft für die Nationen. Gottes Ziel ist es, dass Menschen in seinem Licht zusammenfinden - in versöhnter Vielfalt.
Lesung aus dem Buch Jesaja:
Steh auf, werde licht, Jerusalem,
denn es kommt dein Licht
und die Herrlichkeit des HERRN geht strahlend auf über dir.
Denn siehe, Finsternis bedeckt die Erde
und Dunkel die Völker,
doch über dir geht strahlend der HERR auf,
seine Herrlichkeit erscheint über dir.
Nationen wandern zu deinem Licht
und Könige zu deinem strahlenden Glanz.
Erhebe deine Augen ringsum und sieh:
Sie alle versammeln sich, kommen zu dir.
Deine Söhne kommen von fern,
deine Töchter werden auf der Hüfte sicher getragen.
Da wirst du schauen und strahlen,
dein Herz wird erbeben und sich weiten.
Denn die Fülle des Meeres wendet sich dir zu,
der Reichtum der Nationen kommt zu dir.
Eine Menge von Kamelen bedeckt dich,
Hengste aus Midian und Efa.
Aus Saba kommen sie alle,
Gold und Weihrauch bringen sie
und verkünden die Ruhmestaten des HERRN.
Der Glaube sprengt Grenzen
Wer weiß: Vielleicht ist der Autor der heutigen Lesung gerne zu früher Morgenstunde auf dem Ölberg gesessen, um die Stadt Jerusalem zu betrachten. Die tief stehende Morgensonne beginnt seinen Rücken zu wärmen und taucht die Mauern und Häuser in goldenes Licht, als würden sie von innen her zu leuchten beginnen. Da wird ihm eines Tages die Erkenntnis geschenkt: So wird es sein, wenn die Herrlichkeit Gottes über der Stadt erstrahlen wird.
Die Herrlichkeit Gottes geht auf
Er weiß, die Herrlichkeit Gottes, der Inbegriff seines Daseins, hat sich schon einmal gezeigt. Das Buch Exodus erzählt, dass sie sich zunächst auf dem Gipfel des Sinai niederließ, der in eine Wolke gehüllt war. Am Ende des Buches aber nimmt sie Wohnung inmitten des Volkes Israel, das Gott ein Heiligtum erbaut hat. Es war also ein Geschehen, das nur dem Gottesvolk zugänglich war - in der Wüste, weit weg von den Augen der Völker. Nun, so der Prophet, wird sie inmitten der Zivilisation erstrahlen, über der Stadt Jerusalem. Die Völker werden sich der Offenbarung Gottes nicht entziehen können - im Gegenteil: Sie werden von ihrem Glanz angezogen. Sie machen sich auf den Weg. Mit ihnen gehen die versprengten Kinder Israels. Wurden sie einst verschleppt, trägt man sie nun sogar sicher auf der Hüfte. War man einst gekommen, um zu plündern, ist man nun mit dem Kostbarsten, das man sich vorstellen kann, auf dem Weg. Voll Freude bebt das Herz der Mutter Jerusalem, da ihre Söhne und Töchter zurückkehren. Sie werden begleitet von den Völkern, die erkannt haben, dass der Gott Israels auch ihnen die Fülle des Lebens verheißt.
Damals in Betlehem
Wenn wir im heutigen Evangelium hören, dass Sterndeuter kommen, um Jesus mit Weihrauch, Myrrhe und Gold zu huldigen, dürfen wir davon ausgehen, dass Matthäus dabei an den Propheten Jesaja dachte. Das genau ist nämlich die Erfahrung der Gemeinde, in der er gelebt hat. Fremde, Heiden, finden zum Glauben an den einen Gott. Es beginnt sich zu erfüllen, woran Israel seit Generationen geglaubt hat und was zutiefst im Alten Testament verwurzelt ist. Das Heil, das Gott in und an Israel wirkt, ist ein Zeichen der Hoffnung für alle Völker. Der Glaube reißt Mauern nieder. Wenn Gott das Licht ist, scheint es für alle.
Und heute?
Aus diesem Grund hat der Apostel Paulus in seinen Gemeinden so eifrig für die Gemeinde in Jerusalem gesammelt. Für ihn war dies mehr als ein karitatives Unterfangen. Wenn er mit den Gaben von Menschen mit heidnischer Vergangenheit nach Jerusalem zieht, soll sichtbar werden, dass nun die Zeit gekommen ist, in der die Verheißungen Jesajas in Erfüllung gehen. Das Christentum ist nicht nur eine Religion des Wartens. Nein, wo geglaubt wird, beginnt die Hoffnung zur Erfahrung zu werden, damals wie heute.
Klaus Einspieler
© Diözese Linz. Team Bibelwerk Linz und Glaubenskommunikation
Der Teil des Jesaja-Buches, aus dem die heutige Lesung stammt wird 'Tritojesaja' genannt, womit angdeutet ist, dass nicht von einer Einheit des Buches, sondern von drei unterschiedlich entstandenen Teilen ausgegangen wird. Die Kapitel 60 bis Ende sind nach dem Babylonischen Exil entstanden. In diese Zeit fällt die Neublüte des Volkes Israel und vor allem auch der Stadt Jerusalem mit einem Tempel-Neubau. Die Tempelstadt ist in diesen Kapiteln des Jesaja-Buches direkt mit 'du' angesprochen. Die Worte der Perikope spiegeln die durch die gottgeschenkte Freiheit wiederentzündete Lebensfreude des Propheten und der Menschen.
Die Lesung ist dem Tritojesaja entnommen. Im Hintergrund steht die Heimkehr des in Babylon exilierten Volkes nach Jerusalem. Aber der neue Anfang wird nicht nüchtern erzählt, sondern in die helle und erhellende Perspektive der Geschichte Gottes mit seinem Volk gestellt.
Am Anfang steht die Aufforderung, im Licht der kommenden Herrlichkeit Jahwes hell zu sein - ungeachtet der Finsternis, die über der Erde liegt. Jahwe selbst erscheint. Hier knüpft die prophetische Botschaft an die priesterschriftliche Schöpfungsgeschichte an:
Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser. Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht (Gen 1,1-3).
Dem Volk Israel wird der 1. Tag der Schöpfung noch einmal geschenkt. Mit der Konsequenz: Völker wandern zu diesem Licht und Könige zu diesem strahlenden Glanz. Die (Welt)Geschichte wird in eine Schöpfungsgeschichte verwandelt. Israel, dezimiert, traumatisiert und deprimiert, erlebt, wie es sich in neuem Glanz sammelt und sogar die anderen Völker erhellt: als Zeichen für die ruhmreichen Taten Jahwes. Das Volk Israel bezeugt, dass Jahwe in seiner Herrlichkeit erscheint - und die Finsternis, die die Erde bedeckt, wird von Licht aufgebrochen. Das ist Hoffnung und Gewissheit in einem. Zum Neuanfang gibt es Weihrauch und Gold, Kostbarkeiten, die geradezu für verschwenderische Fülle stehen. "Du wirst es sehen, und du wirst strahlen, dein Herz bebt vor Freude und öffnet sich weit."
Die Überlieferung in Mt 2,1-12 knüpft unmittelbar an die prophetische Verheißung für Israel an. Nur: Gold, Weihrauch (und Myrrhe) werden von den Magiern dem neugeborenen König gebracht. Die antike und mittelalterliche Auslegung hat aus den Magiern in Anlehnung an Jes 60,1-6 Könige gemacht, bezogen auf die Gaben: "drei" Könige.
Der Text dieser Lesung ist vom Thema und der Gedankenführung her eng mit Jes 40 ff verbunden, ja nahezu verwandt.
Jahwe holt nach der dunklen Zeit des babylonischen Exils (538 v. Chr.) sein Volk heim. Jerusalem wird zur herrlichen und glücklichen Stadt, während die heidnische Umwelt in Not und Elend liegt. Dies wird bildlich dargestellt durch "Licht" und "Finsternis".
Die Herrlichkeit des Herrn ist so groß, dass alle Völker mit ihren Königen nach Jerusalem ziehen, um mit ihren Gaben dem Gott Israels zu huldigen; und der "Reichtum des Meeres", den diese Handelsvölker haben, ist gewaltig. Wie zu den Zeiten des Königs Salomon die Königin von Saba mit reichen Geschenken nach Jerusalem kam (vgl. 1 Kön 10), so werden auch jetzt große Karawanen aus dem nord- und südwestlichen Arabien kommen und Weihrauch und Gold mitbringen. Auch alle Israeliten, die weit verstreut in der Diaspora leben, werden kommen und die anderen Völker werden durch den Auftrag Jahwes für freies Geleit sorgen (vgl. Jes 49,22).
Bibelwerk der Diözese Linz (2025)
Martin Stewen (2010)
Manfred Wussow (2007)
Lopez Weißmann (2002)