Dresscode
Vor einigen Jahren wurde ich von einer angesehenen und wohlhabenden Familie zu einem Fest eingeladen, das sie nicht nur in der Kirche sondern davor und danach auch noch mit dem Freundeskreis und der Großfamilie feiern wollten. Auf der Einladung war eine Bekleidungsrichtlinie, auf Neudeutsch ein "dresscode" angegeben. Als Priester hatte ich es leicht. Ich erschien im schwarzen Anzug und trug dazu ein Priesterkollar. Das musste genügen. Man sah mir auch nach, dass mein Anzug zwar sauber aber nicht mehr ganz neu und auch nicht von einem renommierten Herrenausstatter stammte. Eine alleinstehende Dame wagte es, in einem bunten Kleid aufzutreten, das offensichtlich nicht der Vorgabe entsprach. Zufällig erlebte ich mit, wie sie vom Gastgeber diskret aber bestimmt auf diesen Umstand hingewiesen wurde.
Kleider machen zwar keine Leute, sie zeigen aber die Zugehörigkeit zu einem Gesellschaftkreis an. Sie stellen eine Spielregel dar, auf die nicht nur die High Society Wert legt. Wer unter Jugendlichen nicht mit dem richtigen Markenlabel aufwarten kann, ist nicht "in" und gehört nicht dazu.
dazugehören
Um zur Kirche dazuzugehören, braucht man keine Bekleidungsrichtlinien zu erfüllen, es sei denn man will als Ordensfrau, Ordensmann oder Angehöriger des Klerus erkannt werden. Die Frage der Zugehörigkeit spielt in der Kirche jedoch unter verschiedenen anderen Gesichtspunkten eine bedeutende Rolle. Früher hat man gerne zwischen "Taufscheinchristen" und "praktizierenden Christen" unterschieden. Kriterium war die religiöse Praxis; meist reduziert auf das Mitfeiern der Sonntagsgottesdienste. Immer öfter unterscheidet man neuerdings zwischen "zahlenden Christen" und Christen, die von sich behaupten, sie seien zwar "aus der Kirchensteuer ausgetreten" aber dennoch gläubig. Wieder andere schätzen die kulturellen Aktivitäten christlicher Tradition, ohne sich näherhin kirchlich zu engagieren. Von denen, die mehr erwarten, werden sie gerne als "Kulturchristen" bezeichnet.
Die Zugehörigkeit zum Himmelreich war auch für Jesus selbst ein Thema, wie der Evangelienabschnitt, den wir heute gehört haben, erkennen lässt. Dieser zeigt, wie auch schon die Christen des ersten Jahrhunderts mit der Frage der Zugehörigkeit gerungen haben. Für sie war klar, dass die ursprünglich Eingeladenen der Einladung nicht würdig waren. Dabei dachten sie wohl an das Volk der Juden, an die Schriftgelehrten und die Pharisäer. Sich selbst sahen sie als die große Schar, die von überallher zusammengerufen worden ist und die Einladung des Königs zu schätzen weiß. Sie sehen aber in ihren eigenen Reihen Leute, die dem geforderten Dresscode nicht entsprachen und die sie der Gemeinschaft verwiesen wissen wollten.
persönlich eingeladen
Mir fallen an dieser Erzählung vor allem zwei Gesichtspunkte auf, die auch für unsere gegenwärtige Diskussion um Kirchenzugehörigkeit bedeutsam sind und uns in unserem Ringen um die Kirchenzugehörigkeit weiterhelfen können:
Zuerst geht um eine Einladung, um die Einladung zum großen himmlischen Gastmahl. Eine Einladung zu einer Hochzeit etwa ist etwas anderes als eine Einladung zu einer beliebigen Veranstaltung. Wenn ich eine persönliche Einladung ausschlage, muss ich mich gegenüber dem Einladenden rechtfertigen. Meine Beziehung zum Gastgeber steht dabei auf dem Spiel. Zu einer Veranstaltung kann ich hingehen oder nicht. Das hängt vom jeweiligen Angebot ab. Zu mancher Veranstaltung muss man vielleicht hingehen, weil ein Bekannter oder Verwandter mitwirkt. Wenn das Enkerl im Kinderchor singt, können Oma und Opa die Einladung diesen Auftritt mitzuerleben kaum ausschlagen.
Von Gott eingeladen
Unsere Gottesdienste erheben den Anspruch, mit dem himmlischen Gastmahl, zu dem uns Gott einlädt, etwas zu tun zu haben. Sie wollen - theologisch ausgedrückt - Vorwegnahme dieses himmlischen Mahles mit Gott sein. Gastgeber und Einladender ist Gott selbst, nicht der Pfarrer oder der Pfarrgemeinderat.
Wie kommt es, dass unsere Gottesdienste von vielen Menschen nur als ein Angebot auf dem großen Markt der Wochenendveranstaltungen wahrgenommen werden? Wir bemühen uns um eine ansprechende Gestaltung, um ein reichhaltiges Angebot in allen liturgischen Geschmacksichtrungen. Wir werben dafür wie unsere Mitanbieter, meistens lediglich weniger professionell. Dieses Bemühen hat zwei Seiten: Einerseits ist es notwendig und zeigt es unsere Wertschätzung, andererseits lässt es manche Menschen glauben, wir seien die Anbieter. Treten wir als Mitwirkende genügend zurück hinter den Einladenden?
Zum großen Fest eingeladen
Eine weitere wichtige Unterscheidung liegt meines Erachtens darin, dass es sich um ein Fest handelt und nicht um eine Darbietung und nicht um eine Veranstaltung. Veranstaltungen kann man besuchen, man kann an ihnen teilnehmen. Feste hingegen "müssen" gefeiert werden.
Mir scheint es kein Zufall zu sein, dass wir unsere Gottesdienst-Besucher zählen und die Gottesdienst-Teilnehmer in Statistiken erfassen. Bei einer Geburtstagsfeier mag es den Wirt interessieren, wie viele Leute er zu verköstigen hatte, für das Geburtstagskind zählt jedoch, dass "alle" da waren, sich wohlgefühlt und sich mitgefreut haben.
Miteinander feiern
Die große Herausforderung für die Kirche unserer Tage besteht meines Erachtens darin, den Menschen "an den Wegen und Zäunen" bewusst zu machen, wer sie wozu einlädt: Gott lädt uns zum großen Fest. Und wir sind Mitfeiernde und nicht Besucher, nicht Teilnehmer und nicht Anspruchsberechtigte einer kirchlichen Dienstleistung.
Wenn jeder Mitfeiernde das Seine zum Fest beiträgt, wird die Feststimmung nicht ausbleiben. In der persönlichen Beziehung zum Einladenden und in der inneren Einstellung der Mitfeiernden liegt der große Unterschied. Sie stellen in meinem Verständnis dieser biblischen Erzählung den geforderten Dresscode dar. Ohne ihn bleiben die Teilnehmer Zaungäste und werden nicht selten zu Störfaktoren des Feierns.
Es geht nicht darum, dass wir immer raffiniertere Formen von Gottesdiensten gestalten und dabei keine Mühe und keinen Aufwand scheuen. Das Entscheidende ist das Bewusstsein des Feierns und das innere Wissen, von Gott geladen zu sein.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Natürlich weiß ich gute Musik zu schätzen, natürlich ist mir wichtig, dass den Zuhörern nicht fad wird, dass Kinder in die Feier einbezogen werden. Ich finde auch Gefallen an gepflegter Kleidung, gleich ob elegant, sportlich oder leger... Feierkultur zu pflegen ist mir ein großes Anliegen. Sie ist aber nicht das Wichtigste am Gottesdienst. Es ist keine Katastrophe, wenn der Kantor einmal nicht den richtigen Ton trifft, der Chor patzt, ein Lektor falsch betont oder ein Ministrant stolpert. Auf die Einstellung kommt es an, mit der wir vor Gott da sind und in sein Fest einstimmen.