Lesung aus dem Buch Jeremia.
In den Tagen Joschijas, des Königs von Juda,
erging das Wort des HERRN an mich:
Noch ehe ich dich im Mutterleib formte,
habe ich dich ausersehen,
noch ehe du aus dem Mutterschoß hervorkamst,
habe ich dich geheiligt,
zum Propheten für die Völker habe ich dich bestimmt.
Du aber gürte dich,
tritt vor sie hin
und verkünde ihnen alles, was ich dir auftrage!
Erschrick nicht vor ihnen,
sonst setze ich dich vor ihren Augen in Schrecken!
Siehe, ich selbst mache dich heute zur befestigten Stadt,
zur eisernen Säule
und zur bronzenen Mauer gegen das ganze Land,
gegen die Könige, Beamten und Priester von Juda
und gegen die Bürger des Landes.
Mögen sie dich bekämpfen,
sie werden dich nicht bezwingen;
denn ich bin mit dir, um dich zu retten -
Spruch des HERRN.
Die Lesung, leider nicht glücklich gestückelt, berichtet von der Berufung des Propheten Jeremia und der ihm zugesprochenen Verheißung. Erwählt schon vor Zeugung und Geburt, wird er zur "befestigten Stadt", zur "eisernen Säule" und zur "ehernen Mauer" - aber: beschrieben wird nicht nur die feste Position des von Jahwe berufenen Propheten, auf die er sich selbst nichts einbilden kann und will, sondern auch seine "Gegnerschaft" ("gegen das ganze Land" - wie eine Burg), immerhin Könige, Beamten, Priester, ja, auch die Bürger des Landes. Das Wort Jahwes trägt den Propheten - und der Prophet redet nicht in seinem eigenen Namen. Hervorgehoben ist nicht nur die Beistandszusicherung, sondern auch der Auftrag, Prophet für die Völker zu sein.
Die erste Lesung beschreibt die Berufung des Propheten Jeremia. Er wurde um 645 v. Chr. in einer Priesterfamilie nahe Jerusalem geboren. Sein Leben fiel in eine politisch äußerst spannungsgeladene Epoche. Jeremia wurde 627 v. Chr. zum Propheten berufen. Er erlebte den Aufstieg Judas, die hoffnungsvolle Zeit der religiösen Reformen unter König Joschija, den Wankelmut und die falsche Einschätzung der folgenden Könige bis hin zur Unterwerfung des Reiches durch die Babylonier. Jeremia war von jeher dazu berufen, die Botschaft des Herrn seinem treulosen Volk zu verkünden. "Reiße aus und zerstöre, vernichte und verheere" (Jer 1,10). Jeremias Aufgabe erstreckte sich also über mehr als 40 Jahre, "bis Jerusalem weggeführt wurde" (Vers 3), als Nebukadnezar 586 v. Chr. die Stadt zerstörte.
Zwei wesentliche Gedanken beherrschen diesen kurzen Abschnitt der heutigen Lesung:
1. Die Betonung, dass die Einsetzung des Propheten von jeher von Gott geplant war.
2. Der Hinweis, dass das göttliche Wort ausreicht, ihn für jede künftige Lage zu bestärken.
Jeremia ist ein Prophet, der stets in Zwiesprache mit Gott ist und der sich immer wieder selbst hinterfragt. Er ist zu Gefühlen fähig und spricht sie Gott gegenüber immer wieder aus. So sehen wir gleich am Beginn seiner Berufung die Bedenken wegen seiner Jugend. Aber sein Einwand wird nicht angenommen, denn die Autorität eines Propheten liegt nicht in seiner Person selbst, sondern in der göttlichen Sendung (Vers 7a), im göttlichen Wort (Vers 7b) und der göttlichen Gegenwart (Vers 8).
Zur Verdeutlichung der Botschaft gab Gott Jeremia zwei Visionen. In der ersten bat er den Propheten zu beschreiben, was er sehe. In der Vision vom Mandelzweig ist ein Wortspiel versteckt: Mandel (hebr. schaged) und wachen über (hebr. schoged). Der Mandelbaum ist der erste, der im Frühling erwacht. Ebenso ist Jahwe immer wachsam und sein Wort geht seinem Handeln voraus. In der zweiten Vision sah Jeremia nach Norden hin einen siedenden Kessel, dessen siedender Inhalt sich nach Süden zu ergießen drohte. (Ein Hinweis auf Babylon und die Zerstörung Jerusalems).
Ebenso wie Vers 5 die Auserwählung Jeremias, noch ehe er im Mutterschoß geformt war, angibt, ebenso betont nun Vers 17 den notwendigen Gehorsam. Der Herr des Wortes wird Jeremia unbezwingbar machen in allen Auseinandersetzungen mit Juda.
Die Berufung des Propheten Jeremia wird in das Jahr 626 vor Christi Geburt datiert. Das Wort JHWHs "geschieht" gleichsam an Jeremia, der verborgene Gott wird durch sein Wort anwesend und tätig.
Jeremia hat bei seiner Erwählung keine Vision, da er bereits vor seiner Geburt von Gott als Prophet auserwählt worden ist. Aufgrund dieser Erwählung gehört Jeremia - biblisch gesprochen - nicht mehr sich selbst, sondern Gott und muss der "Mund Gottes" für die Völker werden. Dieser Auftrag wird dem sensiblen und schwachen Jeremia Probleme bereiten und der Gehorsam Gott gegenüber wird ihm schwer fallen (Jer 20,7ff.).
Übergroß wird auch der Widerstand gegen die Botschaft des Propheten werden. Gott wird durch ihn gegen den Tempel, den König, die Staatsbeamten, das Volk etc. sprechen. Versuche, Jeremia zu töten, werden da nicht ausbleiben. Niemand wird Jeremia jedoch in diesen Situationen beistehen. Er ist völlig alleine und nur JHWH alleine wird ihm seine Rettung ermöglichen. Jeremias Leben wird eine Teilnahme am Leiden Gottes werden, der die Menschen liebt –aber von diesen allzu oft zurückgewiesen wird.
Manfred Wussow (2007)
Maria Wachtler (2004)
Bernhard Zahrl (2001)