Gott vor die Tür gestellt
Konfessionslose.ch - unter dieser Webadresse verbirgt sich die Homepage der Partei all jener, die als explizit Kirchenferne in den Ring des diesjährigen Wahlkampfes einsteigen und für eine Trennung von Staat und Kirche kämpfen. Solch eine Homepage und ihr Anliegen reizen einen Theologen ja nun schon. Ich kann es nicht lassen und schaue also genauer hin. Und finde bald die interessanten Stichworte.
Wie etwa gehen Konfessionslose mit dem Wert des Lebens um? Und lese unter dem Stichwort 'Abtreibung' nach. Da wird dafür gekämpft, dass Abtreibungen von Krankenkassen bezahlt werden, weil das mit Behandlungen von Krankheiten wie AIDS, Herzinfarkt und Burn-out schließlich auch geschieht. Heranwachsendes Leben als Krankheit? So also sieht ein Menschenbild aus, wenn gott-frei politisiert wird. Man darf staunen. Oder durchaus auch entsetzt sein.
Die Religion soll sich ins Private zurückziehen, der Staat wird ohne den Gott Jesu Christi und seine Botschaft gemacht: Schwangerschaft als Krankheit, Präimplantationsdiagnostik zum Ausschluss angeblich lebensunwerten Lebens, der Mensch als das Maß aller Dinge - eine Grusel-Fiktion wird - mal wieder - realpolitische Vorstellung. Jetzt muss man sie nur noch wählen.
Aber warum auch nicht: "Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört” - wir haben es vernommen. Fordert diese Politik vielleicht einfach nur die konsequente Umsetzung des heutigen Evangeliums?
Jesus - ein Staatsfeind?
Ist Jesus selbst denn gar ein Gegner seines Gottes im Staat? Die Frage hat als Voraussetzung, dass sich Religion und Staatsgebilde überhaupt verbrüdern können - dem hingegen stellt Jesus aber eine klare Absage entgegen: Gelebtes Gottesbekenntnis und Treue zum Staat sind nicht zwei gleichwertige Alternativen, von denen man eine wählt. Vielmehr sind religiöse Menschen Teile eines Staates. Diese Lehre erteilt Jesus seinen Feinden, die versuchten, Jesu religiöse Treue gegen seine Staatstreue auszuspielen. Jesus macht den Zuhörern klar, dass sie das Verhältnis von Religion und Staat in einem völlig falschen Licht darstellen. Seine Forderung an die Führenden aus der Synagogengemeinde lautet dann auf den Punkt gebracht so: Gestaltet diesen Staat mit eurem Gott, aber macht den Staat und seine Regierenden nicht zu euren Götzen!
Gottesstaat? Gott im Staat?
Seit der Niederschrift des Evangeliums, das wir eben hörten, ist nun viel Zeit vergangen: Die Verhältnisse zwischen den christlichen Kirchen und den Staatsgebilden haben sich verändert. Viele Beispiele der Geschichte belegen, dass dieses Ineinander von Kirche und Staat längst nicht immer geglückt ist. Staatliche Machthaber, die zugleich religiöse Führer waren, haben sehr viel Unheil gebracht. Es ist wohlbekannt, dass immer noch Vertreter der heutigen Kirchen sich in der Gesellschaft an der Botschaft vom Heil vergehen und ihr entgegen handeln.
Diese dunklen Seiten des Christentums können aber nicht verschleiern, dass die christliche Botschaft das Fundament moderner Sozialstaaten darstellt, in denen auch die Schwächsten - selbst die Ungeborenen und die Sterbenden - viele Hoffnungen auf geglücktes Leben von Anfang bis Ende haben dürfen. Man mag Stichworte wie Solidarität, Option für die Armen, Bewahrung der Schöpfung humanistische Werte nennen: Ohne die christliche Botschaft am Horizont droht diesen Werte in postmoderner Zeit eine Relativierung bis zur Unkenntlichkeit: Es gilt dann das, was gerade passt und en vogue ist - alles kann in Frage, alles kann zur Diskussion gestellt werden. Nicht auszudenken, wenn solch ein relativierendes Denken und Verhalten mal auf den Wert des Lebens an sich trifft.
Wenn aufgrund gewachsener historischer Umstände christliche Gemeinschaften das Angebot machen können, Werte in einer Gesellschaft aufzuzeigen, zu erklären und vorzuleben, ist das letztendlich auch für eine ganze säkulare Gesellschaft in heutiger Zeit von unschätzbaren Vorteil. Für Christinnen und Christen gründen diese Werte in ihrem Gott, der letztendlicher Dreh- und Angelpunkt alles Lebendigen ist. Der Prophet Jesaja lässt in der heutigen Lesung den König Kyros über diesen Gott erfahren: "Ich bin der Herr, und sonst niemand; außer mir gibt es keinen Gott.” (Jes 45,5). Eine Gesellschaft, die meint, diesen Gott in die kleinen Kämmerchen des Privaten einsperren zu können, droht, der Unmenschlichkeit zu verfallen. Beispiele der Geschichte und aus der heutigen Welt zeigen das überdeutlich auf.
Christliches Zeugnis und staatsbürgerliche Verantwortung heute
Wer aber sind denn nun eigentlich jene, denen aufgetragen ist, diesen Gott als Maßstab alles Lebendigen in dieser Welt sichtbar und spürbar zu machen? Im heutigen Evangelium bleiben sie unsichtbar - dort sind es die Freundinnen und Freunde Jesu, die stille Zeugen des Geschehens werden. Ihnen dürfte in der Situation deutlich geworden sein, dass die Führenden der Synagogengemeinschaft ihre Religion dem Staat verkauft haben: Das entlarvt Jesus auf eindringliche Weise. Der Gott des Alten und des Neuen Bunds drohte, von den weltlichen Mächten aufgekauft zu werden. Sie, die Jüngerinnen und Jüngern, sahen nun ihren Herrn und sich selbst berufen, einzustehen für Gottes Kraft in damaliger Zeit.
Und heute? Heute stehen wir in der Nachfolge Jesu und das ist uns aufgegeben: einzustehen für diesen Gott aller Lebendigen und seine Botschaft durch unser Vorleben und durch unsere Taten dieser Welt bekannt zu machen. Unsere Kirchen als Institutionen tun das in ihren - meistens vertraglich geregelten - Partnerschaften mit den staatlichen Gemeinschaften - aber jeder einzelne Christ ist dazu ebenfalls berufen. Und zu solch einem christlichen Handeln in dieser Welt gehört nicht zuletzt auch, genau hinzusehen, wen man etwa auch durch seine Wählerstimme in eine politische Verantwortung ruft: Ist dabei dem Leben gedient oder nicht?