Fragen lohnt sich
Auf längeren Autofahrten bin ich schon öfter auf die Rundfunksendung "Kinderuni" gestoßen. Dazu wird jeweils eine kleine Runde von Kindern eingeladen, Experten zu einem bestimmten Thema Fragen stellen. Diese beantworten die Fragen in einer altersgemäßen Sprache. Spannend ist für mich immer, auf welche Fragen die wissbegierigen Kinderuniteilnehmer kommen.
Als ich so alt war wie diese Kinder, stellten nur die Lehrer Fragen, die ich richtig zu beantworten hatte. Erst im Gymnasium hatte ich auch Lehrer, die Fragen zuließen. Doch ich erinnere mich auch an die Befürchtung, dass meine Fragen als dumm abqualifiziert werden könnten. Sehr dankbar bin ich meinen Lehrern an der Universität, die uns ermutigten, Fragen zu stellen und auch theologische Lehrmeinungen zu hinterfragen und so der Wahrheit auf die Spur zu kommen. Nicht alle meine Studienkollegen und vor allem nicht alle älteren Mitbrüder schätzten diesen Zugang zur Theologie. Einige hatten die Befürchtung, dass das Genau-wissen-wollen vom Glauben wegführen könnte.
Mittlerweile haben höchste kirchliche Autoritäten klargestellt, dass Glaube und Wissenschaft einander nicht ausschließen. Papst Benedikt XVI. hat immer wieder betont, dass sich unser Glauben kritischen Fragen der übrigen Wissenschaften stellen müsse. Er selbst hat kritische Fragen gestellt, selbst wenn es politisch nicht opportun war.
Thomas will es genau wissen
Im Evangelium begegnete uns heute der Apostel Thomas, der ganz zu Unrecht den Spitznamen "der Ungläubige" bekommen hat. Es ist schon bezeichnend, dass er nicht dabei war, als Jesus den Jüngern am Ostertag zum ersten Mal erschienen ist. Offenbar ist er auch sonst eigene Wege gegangen. Er ist skeptisch und weiß darum, wie schnell Menschen bereit sind, von etwas überzeugt zu sein, allein weil es "alle" sagen. Er will es genau wissen. Als Jesus ihm eine Woche später gegenübertritt und ihm anbietet, die Finger in seine Wunden zu legen und seine Hand in die offene Seitenwunde, geht er in die Knie und bekennt "mein Herr und mein Gott". Offen bleibt, ob er wirklich die Wunden berührt hat oder ob ihm nicht die Begegnung mit dem Auferstandenen genügt hat.
Glauben und Wissen
Für mich ist in dieser Erzählung das Verhältnis von Wissen und Glauben bildhaft dargestellt. Es ist gut, wenn Menschen, die glauben wollen, kritische und heikle Fragen stellen, und wenn Fachleute diesen Fragen sorgfältig nachgehen. Das Fragen und das Beantworten von Glaubensfragen allein führt aber noch nicht zum Glauben, denn es gibt verschiedene Weisen des Glaubens. Z.B. glaube ich etwas, solange ich es nicht besser weiß. Das ist aber kein Glaube im existentiellen Sinn. Im "mein Herr und mein Gott" steckt viel mehr drinnen: Es enthält das Bekenntnis zu einer Person, der er vertrauensvoll folgen will. Dieser persönliche Akt geht über ein Glauben als "für wahr halten" weit hinaus. Dies ist eine persönliche Entscheidung, an die ich durch kritisches Fragen und Suchen zwar herangeführt werden kann, das Glauben ist jedoch ein eigener Akt. Ein Glauben in diesem Sinn kann nicht bewiesen werden und entzieht sich der Logik der Wissenschaften.
Der Glaube des "für wahr Haltens" hingegen ist ein weites Feld, auf dem sich viele große und kleine Geister tummeln. Es ist spannend und lohnend, sich damit zu beschäftigen. Es gehört dazu jedoch neben Intelligenz auch eine gewisse Redlichkeit. Immer wieder melden sich Menschen zu Wort, die nicht nur "alles" wissen, sondern vor allem alles besser wissen. Mit ihnen ist schwer zu diskutieren. Rund um das Osterfest werden sie von Medien gerne eingeladen, ihre Thesen darzulegen, weil dies meist mehr Interesse weckt als eine redliche Diskussion.
"Selig, die nicht sehen und doch glauben"
Und wie können Menschen damit umgehen, denen das alles zu kompliziert und zu hoch ist? Sie können sich am Wort des Auferstandenen anhalten: "Selig sind, die nicht sehen und doch glauben". Sie lassen sich von der Glaubwürdigkeit des Jesus von Nazareth überzeugen. Sie halten sich an das, was dieser Mensch gelebt, gesagt und ausgestrahlt hat. Zwar müssen sie damit rechnen, dass sie von einigen Zeitgenossen dafür ein wenig belächelt werden. Wenn sie jedoch selbst ein redliches und glaubwürdiges Leben führen, dürfen sie sich der Hochachtung wirklich "Weiser und Kluger" sicher sein.