Die Weihe der ersten Papstkirche
Wir feiern heute den Weihetag der Lateranbasilika. Nachdem die Christenverfolgung in Rom und im römischen Reich ein Ende gefunden hatte, wurde die Lateranbasilika als erste große Basilika erbaut und 324 "zu Ehren des allerheiligsten Erlösers" eingeweiht. Sie war die erste Papst-Kirche, bis sie durch den Petersdom ersetzt wurde. Geweiht auf den Namen des Erlösers sollte sie daran erinnern, dass wir, die Getauften, um Christus geschart die lebendige Kirche bilden sollen. Christus als Eckstein, Herzmitte und lebendige Quelle sendet seine Gnade wie einen Strom in alle Länder der Erde und wendet sich an uns, seine Botschaft in alle Welt zu tragen.
Kirchen sind Erinnerungszeichen. Ihre Türme weisen unsere Blicke himmelwärts. Wie sehr eine Gemeinde innerlich lebendige Kirche ist, lässt sich allerdings nicht an der Pracht ihres Kirchengebäudes ablesen. Zur Not können wir auf Kirchen verzichten, wenn sie auch als Orte der Versammlung, der stillen Anbetung und des gemeinschaftlichen Betens und der Feier der Eucharistie von großem Wert sind.
Die Erfahrung des Propheten Ezechiel
Wie sehr es auf die innere Einstellung zum Glauben ankommt, daran soll uns die Lesung aus dem Propheten Ezechiel erinnern. Ezechiel lebte in der Zeit, da die Babylonier versuchten, Israel zu erobern. Das Nordreich fiel ihnen sehr schnell in die Hände, ebenso das Gefilde um Jerusalem. Jerusalem selbst aber konnte sich trotz wiederholter Angriffe und Belagerung Jahrzehnte lang behaupten. Das bestärkte alle Israeliten in der festen Überzeugung: Jerusalem ist uneinnehmbar. Dafür sorgt Jahwe, unser Gott.
Aus den eroberten Gebieten nahmen die Babylonier vor allem die Oberschicht als Gefangene mit ins Zweistromland. Zu ihnen gehörte auch Ezechiel. Er war ein Tempelpriester. Diese wohnten nicht alle in Jerusalem. Zur Zeit ihres Dienstes zogen sie hinauf in die Heilige Stadt, kehrten nach ihrem Dienst aber nach Hause zurück. Im Gleichnis vom "barmherzigen Samariter" begegnen wir einem Leviten und Priester, die wie Ezechiel außerhalb Jerusalems wohnten und nun auf ihrem Weg zum Tempeldienst waren.
Verschleppt nach Babylon nimmt Ezechiel seine Arbeit als Priester auf. Die Babylonier erlaubten den Israeliten, fern der Heimat in Siedlungen zusammenzuwohnen. So gab es im Exil viele jüdische Gemeinden. Ezechiel versucht seinen Landsleuten deutlich zu machen: Der Unglaube im Volk und die Abwendung von Jahwe sind der Hintergrund und die Ursache der Deportation. Und er prophezeit: Es werde noch schlimmer kommen. Denn der Glaube, Jerusalem sei uneinnehmbar, sei ein Trugschluss. Aber seine Worte fanden kein Gehör, fielen auf taube Ohren. Eine umfassende innere Umkehr wurde nicht angestrebt. Als Jerusalem dann doch eingenommen wurde und die Babylonischen Truppen den Tempel bis auf die Grundmauern zerstörten, verfielen alle in Trauer und Verzagtheit. Jahwe hat uns endgültig verlassen war ihre von großer Resignation getragene Grundstimmung.
Ein neues Herz, ein neuer Geist, neues Leben
In dieser Situation erkennt Ezechiel: Nicht das Vorhalten von Versagen und Schuld aus der Vergangenheit hilft weiter, sondern ein Neuanfang und die Belebung des Glaubens müssen in Gang kommen. So fordert er die Israeliten auf: Schafft euch ein neues Herz und einen neuen Geist! Um diesen Schritt zu unterstützen, versammelt Ezechiel die Israeliten. In ihrer Gefangenschaft haben sie nicht den Tempel, um dort zu beten und Opfer darzubringen. Aber sie können zusammenkommen, die Worte der Heiligen Schrift hören und sich neu an ihr ausrichten. Sie können gemeinsam beten, Jahwe loben und preisen auch ohne Schlacht- und Brandopfer. Ein neues Bewusstsein der Gottesverehrung, das auf Tempel und Brandopfer verzichten kann, entwickelt sich. Die Einhaltung des Sabbats als "Tag des Herrn" erfährt neue Beachtung und Bedeutung. Ein offenes, mutiges Bekenntnis zu Jahwe im heidnischen Umfeld kommt mehr und mehr zum Tragen. Die Gläubigen schließen sich eng zusammen, trösten und stärken sich gegenseitig.
Die Not der Deportierten und die Weitsicht des Ezechiel brachten letztlich einen enormen Glaubensaufschwung hervor, der in der satten Beheimatung um den Tempel wohl niemals so deutlich stattgefunden hätte. In diesem Aufbruch überkommt Ezechiel die Vision, die wir in der Lesung gehört haben. Aus dem Tempel strömt Wasser, ein Symbol für Gottes Gnade, in alle Himmelsrichtungen. Neues Leben und Aufblühen im Glauben bricht an. Beides nehmen die Israeliten bei ihrer Rückkehr mit in die Heimat, um dort darauf aufzubauen.
Neubesinnung heute
Vielleicht stehen wir bei der Entwicklung des christlichen Glaubens in unserer Zeit in einer vergleichbaren Situation wie die nach Babylon verschleppten Juden, auch wenn wir die Heimat nicht verlassen müssen. Gemeinsam mit den Juden von damals ist uns: Das Umfeld, in dem wir leben, wird längst nicht mehr von einem christlichen Milieu oder dem Glauben an Gott und der Beachtung seiner Weisungen geprägt. Darüber trauern und jammern hilft uns nicht weiter. Sich neu besinnen, den eigenen Glauben vertiefen und in ihm miteinander verbunden bleiben, das allein ist die Lösung. Auch Ezechiel ist es sicher nicht gelungen, alle Verbannten zur Erneuerung im Glauben zu bewegen. Aber Träger der Zukunft waren die zur inneren Erneuerung bereiten Gläubigen.
Warum sollen wir den Glauben daran aufgeben, aus unserer gegenwärtigen Krise gestärkt hervorzugehen? Auch wenn nicht alle mitmachen, Träger unserer Zukunft werden - wie damals - die sein, die sich der Botschaft Jesu stellen, sich um ein Wachsen in ihrem Glauben und in der Liebe mühen und sich offen als Christ bekennen. Mit diesem Bekenntnis sagen wir ja nicht, dass wir hochgradig und vorbildhaft besser sind als andere, sondern dass wir mit der Botschaft Jesu gute, ja wahrhaft heilbringende Ziele haben, um deren Verwirklichung wir uns im Vertrauen auf Gottes Hilfe bemühen wollen. Wir bekennen, dass unser Versagen zumeist in der zu geringen Hinwendung zu Gott und der ungenügenden Verbundenheit mit ihm begründet liegt. Weil wir uns damit nicht abfinden wollen, haben wir uns hier versammelt. Gottes Wort soll uns neu berühren, seine Gnade uns neu zum Guten stärken.
Ermutigen wir uns gegenseitig, uns zu unserem Glauben zu bekennen, und helfen wir einander, ihn entschlossen zu leben.
Martin Leitgöb (2008)