Warum feiern wir Weihnachten?
Zu den festen Ritualen der Medien an großen christlichen Feiertagen gehören Umfragen in Fußgängerzonen und auf Weihnachtsmärkten. Oft nur mit einer simplen Frage: Warum feiern wir dieses Fest: Weihnachten, Ostern usw. So auch auf einem norddeutschen Weihnachtsmarkt vor einigen Tagen. „Es war doch schon immer so!“ „Wann soll man sonst Party machen!“ „Damit man ein paar freie Tage hat!“ Einer erinnerte sich schwach: „Da war doch was mit diesem Jesus. Feiern wir nicht Weihnachten, weil Jesus gestorben ist!“
Ob es auch „richtige“ Antworten gegeben hat, wurde in dem Beitrag nicht gezeigt. Hängen geblieben bin ich bei der auf den ersten Blick falschen Antwort: „Weil Jesus gestorben ist!“ Seit es Menschen auf Erden gibt, sind zig Milliarden geboren worden. Warum feiern wir auch mehr als 2000 Jahre später gerade den Geburtstag dieses Kindes immer noch so groß und festlich?
Und da kommen wir tatsächlich um die Antwort des Mannes der Umfrage nicht herum. Das Licht in der Krippe ist die aufgehende Sonne des Ostermorgens. Das Kind in der Krippe hat durch sein Leiden und Sterben den Tod besiegt und ist zur Herrlichkeit der Auferstehung gelangt. Nur im Licht der Auferstehung können wir gläubig erfassen, dass im Kind von Bethlehem Gott selbst Mensch geworden ist.
Unterbrechung des weihnachtlichen Gefühlshaushaltes
Insofern kann ich dann doch etwas gelassener auf die zunächst ziemlich ruppige Unterbrechung des weihnachtlichen Gefühlshaushaltes schauen, die mir die Kirche mit dem Gedenken an den Märtyrertod des Stefanus heute am Tag nach Weihnachten zumutet.
Wenn Weihnachten für mich mehr sein soll als ein gemütliches Familienfest mit Party, Essen, Trinken und freien Tagen, kann dieser Gedenktag eine Hilfe sein, das Geheimnis von Weihnachten tiefer erfassen zu können. Gott wird Mensch, um mir seine Freundschaft und Liebe anzubieten. Wenn ich dieses Beziehungsangebot Gottes annehme, verbinde ich mich unwiderruflich mit dem Lebensschicksal dieses Kindes. Unverbrüchlich begleitet mich diese Liebesbeziehung Gottes durch mein Leben.
Liebesbeziehung Gottes
Ich spüre seine Nähe und Liebe in meinem Leben immer dann, wenn ich mich in Krisensituationen von ihm getragen weiß. In Momenten der eigenen Schuld seine Vergebung erfahre. In Zeiten der Unsicherheit oder sogar Orientierungslosigkeit den Halt nicht verliere und auf einem festen Fundament stehen darf. Ich spüre seine Nähe dort, wo ich geliebt werde und Liebe schenken darf. In denen ich mich dankbar auf meine Freundschaften verlassen kann.
Ich werde immer dann unruhig und beginne an dieser Liebesbeziehung mit Gott zu zweifeln, wenn ich seine Nähe und Liebe nicht spüren kann. Dann beginne ich mich zu fragen: Warum? Warum lässt Gott das zu? Wo bist Du in meinem Leben? Warum lässt Du mich allein?
Zu einer Beziehung gehören aber immer zwei. Gott lädt mich ein, in solchen Zweifeln trotzdem an seiner Seite zu bleiben. Sich eben nicht abzuwenden und ihn allein zu lassen. Manchmal mutet er mir zu, mich zu ihm zu bekennen. Vor den Menschen Zeugnis für ihn abzulegen: Am Arbeitsplatz. Beim Stammtisch. Im Freundeskreis. Im politischen oder gesellschaftlichen Engagement. In meinem Leben eben.
Beziehungspflege
Das Aufbauen und Pflegen einer solchen Beziehung ist ein lebenslanger Prozess. Mit allen Höhen und Tiefen, die wir auch aus unserem menschlichen Leben kennen. Aber es macht Sinn, sich auf das Liebesangebot des Kindes von Bethlehem einzulassen. Wir haben eben in der Lesung aus der Apostelgeschichte das Sterben des Stefanus miterleben können. Aber die Erzählung beleuchtet auch die Früchte dieser Liebesbeziehung Gottes mit dem Menschen.
Stefanus blickt zum Himmel und sieht die Herrlichkeit Gottes, so erzählt der Text. Ich darf schon jetzt über das irdische Leben hinaus schauen in eine andere Dimension hinein. Wir nennen sie „Paradies“ oder „Himmel“.Es verändert meine Art zu leben, wenn ich über dieses Leben hinaus blicken darf.
Stefanus betet im Moment seines Sterbens: „Herr Jesus, nimm meinen Geist auf!“ Niemand weiß, was genau in der dunklen Nacht mit mir geschehen wird. Sterben macht Angst. Stefanus geht in diese dunkle Nacht a mit Hoffnung und Zuversicht hinein. Ich lerne aus diesem Text: Auch ich darf einmal mit dieser Zuversicht sterben.
Gott gibt Kraft zur Versöhnung
In meiner Begleitung von Todkranken und Sterbenden erfahre ich immer wieder, dass die allermeisten Menschen versöhnt und mich sich und den Menschen im Reinen sein wollen, wenn sie diese Welt verlassen. Ich sehe an Stefanus, wie sehr Gott mir diese Kraft zur Versöhnung schenkt und ermöglicht. Von seinen Feinden gesteinigt, kann er noch um Vergebung für sie bitten. Ich darf die Hoffnung haben, einmal nicht im Unfrieden zu gehen, sondern versöhnt mit Gott, den Menschen und mir selbst an die Tür des Paradieses zu treten.
Ja, es stimmt tatsächlich: Weihnachten hat etwas mit diesem Jesus und seinem Sterben zu tun. Aber weil das Licht in der Krippe eben die aufgehende Sonne des Ostermorgens ist, dürfen wir die Atmosphäre der weihnachtlichen Tage auch weiterhin genießen: In den Begegnungen in unseren Familien und mit unseren Freunden, im gemeinsamen Essen und Trinken und auch in der Erholung, die uns die freien Tage der Weihnachtszeit ermöglichen.
Bemerkung zur Liturgie:
In der Weihnachtsoktav wird das Credo in der Heiligen Messe nicht gesprochen. Es bietet sich aber ein „Lied nach der Predigt“ an: z.B. GL 236 (Es kommt ein Schiff geladen …), hier besonders die Strophen 4 - 6!