Lesung aus dem Buch Genesis:
Nachdem der Mensch vom Baum gegessen hatte,
rief Gott, der HERR, ihm zu
und sprach: : Wo bist du?
Er antwortete: Ich habe deine Schritte gehört im Garten;
da geriet ich in Furcht, weil ich nackt bin,
und versteckte mich.
Darauf fragte er: Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist?
Hast du von dem Baum gegessen,
von dem ich dir geboten habe, davon nicht zu essen?
Der Mensch antwortete:
Die Frau, die du mir beigesellt hast,
sie hat mir von dem Baum gegeben.
So habe ich gegessen.
Gott, der HERR, sprach zu der Frau:
Was hast du getan?
Die Frau antwortete:
Die Schlange hat mich verführt.
So habe ich gegessen.
Da sprach Gott, der HERR, zur Schlange:
Weil du das getan hast, bist du verflucht
unter allem Vieh und allen Tieren des Feldes.
Auf dem Bauch wirst du kriechen
und Staub fressen alle Tage deines Lebens.
Und Feindschaft setze ich zwischen dir und der Frau,
zwischen deinem Nachkommen und ihrem Nachkommen.
Er trifft dich am Kopf
und du triffst ihn an der Ferse.
Der Mensch gab seiner Frau den Namen Eva,
Leben, denn sie wurde die Mutter aller Lebendigen.
(Lektionar 2018 ff. © 2024 staeko.net)
Die Erzählung vom Sündenfall des ersten Menschenpaares gipfelt in der Vertreibung der beiden aus dem wunderbaren Garten, den Gott zunächst als Lebensraum für die Menschen vorgesehen hatte und in dem die Menschen die unmittelbare Nähe und Freundschaft Gottes genießen sollten. Nachdem der Mann und die Frau, durch die Schlange verführt, von der Frucht des Baumes der Erkenntnis gegessen haben, hören sie Gott gegen den Tagwind einherschreiten (vgl. Gen 3:8). Es setzt ein Verhör ein, in dem Gott in erzieherischer Absicht (und nicht wie ein Untersuchungsrichter) den Menschen zum Eingeständnis der ungehorsamen Tat bewegen möchte, um ihn auf den rechten Weg zu führen.
Anstelle des Eingeständnisses tritt jedoch ein Entschuldigungsmechanismus seitens des Menschen. Dieser Entschuldigungsmechanismus ist nach der Scham wegen der Nacktheit (vgl. Gen 3:7) die zweite Folge der verloren gegangenen gottgegebenen Ursprünglichkeit. Der Mann schiebt die Schuld auf seine Frau, ja auf Gott selbst, weil er ihm die Frau beigestellt hat. Die Frau schiebt die Schuld auf die Schlange, die zum ungehorsamen Tun verführte. Die Entzweiung der Menschen untereinander und die Entzweiung der Menschen von Gott wird überdeutlich. Durch das Abschieben der Schuld verbaut sich der Mensch zugleich den Weg zur Umkehr und vorerst auch zur Vergebung, die durch das Kommen Gottes grundsätzlich eröffnet wäre.
Der von Gott angekündigte Kampf zwischen dem Nachwuchs der Frau und dem Nachwuchs der Schlange beschreibt den von nun andauernden Kampf zwischen den Menschen und den Mächten des Bösen, ein Kampf, in dem es um Leben und Tod geht. Der Fluch, der über die Schlange gesprochen wird, kündigt allerdings indirekt die Überwindung ihrer Macht an. Wenn der Nachwuchs der Frau den Nachwuchs der Schlange auf den Kopf trifft, dann heißt dies letztlich, dass die Schlange den Kürzeren zieht, denn ein Angriff auf die Ferse ist weniger gefährlich als ein Angriff auf den Kopf. Einer wird kommen, um dem Bösen endgültig den Garaus zu bereiten und den Menschen eine neue Zukunft zu weisen: Jesus Christus. Seine Mutter Maria, die von allem Anfang an von der Erbschuld befreit ist, wird die neue Eva sein, über welche das Böse keine Macht mehr haben wird.
Die für den Gottesdienst getroffene Auswahl bietet leider nicht die Dramatik des vollständigen Textes Gen 3,1-24 (vgl. Ungekürzte Fassung). Könnte man nicht doch der Gemeinde den Gesamttext vorstellen, um die Tragweite menschlichen Handelns zu verdeutlichen, die Folge der "Ursünde", aber auch die Verheißung und die Treue Gottes?
"Die Schlange" steht nicht für eine (weibliche) Verführungskunst, sondern ist Symbol für Baal, den syrisch-kanaanäischen Fruchtbarkeitsgott, eigentlich ein "Schlangerich". Gott tritt mit den Menschen ins Gespräch. In Folge der Übertretung fühlt sich der Mensch "bloßgestellt". Nicht die erwartete Herrschaft erwächst dem Menschen aus seiner Tat, sondern die Erkenntnis der Erbärmlichkeit. Nun tritt an Stelle des Eingeständnisses der Entschuldigungsmechanismus. Anderen, bis Gott selbst, wird die Ursache zugeschrieben (Vers 12). Was in der liebenden Schöpfung und Erhaltung, was als Gemeinschaftsraum und umsorgter Lebensraum gedacht war (Paradies), wird zum Raum der Einsamkeit, der Angst, der Verschleierung und Beschuldigung (Verse 12 und 13). Gott lässt sich auf keinen Dialog mit der Schlange ein, der fremde Götze ist kein Gesprächspartner Gottes. Ihn/sie trifft das Urteil zuerst. Dann wird das Strafurteil Gottes (im ausgelassenen Text Verse 16 bis 19) über die Menschen fortgesetzt: Lasten bei der Mutterschaft, Erfolglosigkeit der Arbeit...
Vers 20 verdeutlicht schon eine Verheißung: Gott lässt Erbarmen walten, Er ist ein Gott des Lebens, Eva wird Mutter allen Lebens. Auch dem Zorn Gottes sind Grenzen gesetzt, wo es um Leben geht. Die (ausgelassenen) folgenden Verse würden des Weiteren zeigen: Gott bekleidet den Menschen, stellt ihn nicht weiter bloß, umsorgt ihn auch in den Folgen des Falles.
Die Lesung ist aus dem Zusammenhang von Gen 3,1-24 genommen, der Erzählung von der Versuchung des Menschen, seinem Fall und seiner Vertreibung aus dem Paradies.
Der Einsatz mit Vers 9 läßt die Ursache für den psychologisch hervorragenden Dialog zwischen Gott und dem Menschen vermissen und ist für diesen Festtag nur wegen Vers 15 gewählt: die Frau, die (die Schlange) zertritt - sie ist somit auf Maria gedeutet, die "neue Eva".
Die Stelle erzählt von der "ersten Sünde", der "Erbsünde" - insofern paßt sie zum Festgeheimnis, in dem es um die ohne diese Erbsünde empfangene Maria geht.
Trotz der auf dieses Thema verkürzten Theologie aufgrund des Ausschnitts würde die Lesung des ganzen Kapitels 3,1-24 wohl zu weit führen.
Die Lesung erzählt vom Sündenfall des ersten Menschenpaares. Der Text versteht sich nicht als historischer Bericht. Vielmehr möchten die ersten Kapitel des Alten Testaments den Menschen charakterisieren, wie er von Anfang an ist. Er ist von Gott darauf angelegt, gut zu sein, wendet sich jedoch gegen diese von Gott erdachte Ordnung. Zugleich beinhaltet die Erzählung eine Beschreibung dessen, was Sünde ist, ohne daß dieses Wort darin vorkommt. Gott zieht die Menschen zur Rechenschaft. Wie in einem Gerichtsverfahren verhört er sie und spricht das Urteil.
Theologisch gesehen besteht die Sünde darin, daß der Mensch sich gegen die Ordnung Gottes wendet. Er bewirkt damit die Umkehrung der Schöpfung. Gott hat den Menschen aus Staub geschaffen. Die Folge der Sünde ist, daß er zum Staub zurückkehren wird. Psychologisch gesehen bewirkt die Sünde das Bewußtwerden seiner Nacktheit und die damit verbundene Scham. Weiteres führt die Sünde zur Entzweiung der Menschen: Der Mann belastet die Frau, die Frau redet sich auf die Schlange aus. Ökologisch gesehen bewirkt die Sünde die Entzweiung der ganzen Schöpfung. Was Gott für den Menschen geschaffen hat, wendet sich gegen den Menschen.
Martin Leitgöb (2006)
Rudolf Buschmann (2000)
Johann Pock (1998)
Hans Hütter (1996)