Die Erwählung Davids zum König
In der alttestamentlichen Lesung des heutigen Sonntags wird uns berichtet, wie Gott David erwählt, König des Volkes Israel zu sein. Jahwe bedient sich dabei seines treuen Dieners Samuel. Dieser begreift und erkennt Gottes Absichten, weil er in enger Verbindung zu Gott steht. In der Bibel wird eigens erwähnt, dass der Prophet sich immer wieder mit Gott bespricht. Nur dadurch erfährt der Prophet den Willen Gottes. Denn Gottes Pläne weichen gelegentlich vom menschlichen Denken ab.
Nach Betlehem zur Familie Isai geschickt, trifft Samuel auf Eliab, den ältesten Sohn des Isai. In damaliger Zeit war der älteste Sohn immer der, der den Vorrang genoss, was Ämter und Posten betraf, zumal wenn damit auch noch Würde und Ansehen verbunden war. Außerdem muss Eliab ein stattlicher Bursche gewesen sein. Denn Samuel ist auf Anhieb so sehr von ihm beeindruckt, dass er ihn für den hält, den er im Namen Jahwes zum König salben soll. Aber Jahwe teilt Samuel mit, dass seine Kriterien anders sind als die der Menschen, nach denen er den einzelnen beurteilt und auswählt. In der Bibel hieß es: "Der Herr sagte zu Samuel: sieh nicht auf sein Aussehen und seine Gestalt. Der Mensch sieht, was vor den Augen ist, der Herr aber sieht das Herz."
Gott sieht auf das Herz
Weil es das Herz ist, auf das Gott schaut, hat er keine Schwierigkeiten den Jüngsten der Söhne des Isai, David, als künftigen König zu erwählen. Mit der Wahl des jüngsten Sohnes, der nicht einmal anwesend ist, wird ein zweites Kriterium Gottes sichtbar: Er erwählt für seine Aufgaben oft Kleine aus dem Hintergrund, die von Menschen überhaupt nicht in die Auswahl einbezogen würden.
Der Hinweis auf dieses Handeln Gottes war Israel zu allen Zeiten wichtig. Gott vermag durch Kleine, die aber Herz haben, Großes zu vollbringen. So besiegt der Hirtenjunge David den Riesen Goliat. Israel, das kleinste aller Völker, erwählt sich Jahwe als sein auserwähltes Volk. Aus Betlehem, einer der kleinsten und ganz unbedeutenden Städte Palästinas, geht David als gefeierter König und später Jesus als Erlöser hervor. Maria, die Unbekannte, und nicht eine Prinzessin oder Königin wird Mutter des Herrn. Zu seinen Jüngern und Aposteln beruft Jesus nicht Priester oder geschulte Schriftgelehrte, sondern Fischer und Zöllner. Gott ist nicht gegen die Großen, die Gelehrten oder Angesehenen. Sie fallen bei der Auswahl nicht automatisch durch. Wenn sie Herz mitbringen und die Bereitschaft, auf Gottes Pläne einzugehen, sind auch sie Gott immer willkommen und werden von ihm Aufträge erhalten.
Groß durch die Gnade Gottes
Was die Kleinen, und Menschen überhaupt, groß und stark macht, ist letztlich und vor allem die Gnade Gottes. Zeichen hierfür ist die Salbung. Wie schon rein natürliches Öl die Haut geschmeidig und kräftig machen kann, so ist es vergleichbar mit der Gnade, die über uns ausgegossen wird. Sie kommt zur Wirkung, wenn wir sie nicht einfach an uns abfließen lassen. Gottes Gnade muss uns unter die Haut gehen, muss uns innerlich geschmeidig und für Gottes Willen verfügbar machen. Dann gehören wir zu denen, auf die Gott ganz sicher zugeht.
Die Botschaft der heutigen Lesung ist wahrhaft eine Froh-Botschaft. Jeder von uns, so will uns der Text sagen, darf damit rechnen, dass Gott ihn zu einem Werkzeug für seine Pläne einsetzen möchte. "Herz haben" das ist das Entscheidende. Körperliche Gestalt, Stärke, Begabungen, Talente sind eine Beigabe und Bereicherung, für Gott aber nur zweit- oder drittrangig.
Wie Gott auswählt
Um Gottes Willen und Auftrag für unser Leben und unseren Alltag zu erkennen, kann uns Samuel als Vorbild dienen. Er bespricht sich mit Gott. Zu einem Gespräch mit Gott gehört die Frage: Was erwartest du von mir, Gott? - in meiner Lebenssituation, in meinem Alter als Jugendlicher, Erwachsener, älterer Mensch, dann weiter in meinem Umfeld, an meinem Arbeitsplatz, in den Kreisen und Wirkungsfeldern, in denen ich tätig bin. Bei unserem Suchen und Fragen schickt uns Gott zuweilen so etwas wie einen Propheten in der Form eines Hinweises, damit wir Wichtiges nicht übersehen oder ausklammern.
Solche Hinweise können sein: Anstöße und Gedanken aus einem Gespräch oder einer Diskussion, Anregungen durch einen Artikel oder ein Buch, frohe aber auch beklemmende Ereignisse, Situationen, die uns ins Staunen versetzen, Hoffnungen, Träume, Leid und Not, denen wir begegnen oder die wir selbst erfahren. Wo unser Herz mit Gott verbunden ist, werden wir - darauf dürfen wir fest vertrauen - die richtigen Antworten finden auf unsere Frage: Was erwartest du, Gott, ganz konkret von mir?
Im Blick darauf, dass Gott oft das Kleine für seine Pläne erwählt, sollten wir noch Folgendes bedenken. Berichte, Biographien, Bücher zeichnen oft nur dann etwas auf, wenn aus dem Kleinen etwas ganz Großes geworden ist. Der Nachteil dabei ist, dass so vieles, was im Kleinen und Verborgenen des Alltags bewusst als Wille Gottes angestrebt und getan wird, sehr oft unerwähnt bleibt. Dabei ist die Treue und das Wirken im Kleinen von ungeheurem Wert, damit liebevolle und hilfsbereite Atmosphäre ins Leben kommt. Wir sollten uns heute wieder einmal deutlich vor Augen führen, welch enorme Bedeutung die Treue zu Gottes Willen für uns gerade auch im Kleinen und Alltäglichen hat. Aus den unendlich vielen Beispielen, die man hier anführen und aufzählen könnte z.B. im Blick auf Familie, Kranke, Behinderte, Freunde, Bekannte, Gemeinde, möchte ich nur ein Beispiel herausgreifen, den Bereich Nachbarschaft, und damit unsere Überlegungen zum Thema "Auf das Herz kommt es an" beschließen.
Manchmal kommt einer bei mir vorbei
mit leeren Händen
und beschenkt mich dennoch reichlich
mit seiner Liebe und seinem Frohsinn
Manchmal kommt einer,
der spürt sofort, was mit mir los ist,
und bleibt,
bis ich mich wieder gefangen habe
Manchmal kommt einer
nur mal so bis an die Haustür,
weil er sich sorgt und nach mir sehen will
Manchmal kommt einer,
der sich bei mir ausspricht,
weil er mir zutraut,
dass ich verschwiegen bin
Manchmal kommt einer
einfach weil er sich bei mir wohlfühlt
oder sich von mir trösten lassen will
Jedes Mal, wenn so einer von ihnen zu mir kommt,
verbreitet sich um mich
ein Stück Himmel und Seligkeit.
Maria Wachtler (2002)
Alfons Jestl (1999)
Reinhard Gruber (1996)