Wo bleibt das Reich Gottes?
Das heutige Evangelium hat einen dunklen Hintergrund, der zu allen Zeiten aktuell ist. Jesus hat sein öffentliches Wirken mit einer großen Verheißung begonnen: "Die Zeit ist erfüllt. Das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium" (Mk 1, 15). Diese Botschaft erweckt die Hoffnung, dass nun das Reich Gottes tatsächlich anbricht und sich die Verheißungen des Alten Testamentes erfüllen, dass, um ein Beispiel zu nennen, auch die Worte des Propheten Jesaja wahr werden, die wir heute in der ersten Lesung hören:
"Wie der Regen und der Schnee vom Himmel fällt und nicht dorthin zurückkehrt, sondern die Erde tränkt und sie zum Keimen und Sprossen bringt, wie er dem Sämann Samen gibt und Brot zum Essen, so ist es mit dem Wort, das meinen Mund verlässt: Es kehrt nicht leer zu mir zurück, sondern bewirkt, was ich will, und erreicht all das, wozu ich es ausgesandt habe."
Vieles kommt anders, als erwartet. Und so manche beginnen enttäuscht zu fragen. Ist das Reich Gottes tatsächlich im Kommen? Wo bleibt die Wirksamkeit des Wortes Gottes? Das sind Fragen, die auch heute manche bedrängen.
Das ist die Situation, in die hinein Jesus das Gleichnis vom Sämann erzählt, und in der wir dieses Gleichnis hören. Jesus will uns erklären, warum das Reich Gottes so zögerlich kommt und warum das Wort Gottes so wenig Frucht bringt.
Die Wirksamkeit des Wortes Gottes
Die Wirksamkeit des Wortes Gottes hängt auch von der Beschaffenheit des Bodens ab, auf den der Same fällt. Ein Teil des Samens fällt auf den Weg, und die Vögel kommen und fressen ihn. Ein anderer Teil fällt auf felsigen Boden und ein weiterer Teil in die Dornen. ..Gott verändert den Boden nicht gewaltsam. Er respektiert die Freiheit und nimmt sozusagen dieses Schicksal des Samens in Kauf. Aber das Kommen des Reiches Gottes kann trotzdem nicht aufgehalten werden. Der Same fällt auch auf guten Boden und bringt reiche Frucht, hundertfach, sechzigfach und dreißigfach.
Das Gleichnis vom Sämann ist aber nicht nur eine Klärung der Sachverhalte. Es ist zugleich eine Mahnung an die Zuhörer, eine Ermutigung, darauf zu achten, selbst ein gutes Erdreich zu sein. So ist dieses Gleichnis auch Anlass zur Frage auf welchen Boden fällt der Same des Wortes Gottes bei uns. Fällt er auf den Weg oder auf felsigen Boden oder fällt er in die Dornen? Oder fällt er auf gutes Erdreich und bringt reiche Frucht.
Jesus erklärt uns nach dem Evangelisten Matthäus selbst, was diese Bilder zu bedeuten haben.
Seligpreisung
Das Gleichnis vom Sämann, wie es uns der Evangelist Matthäus bringt, hat noch eine weitere Dimension. Es ist verbunden mit einer Seligpreisung und einer ernsten Warnung, man kann sagen mit einem Weheruf. Jesus preist die Menschen mit offenen Herzen selig: "Ihr aber seid selig, denn eure Augen sehen und eure Ohren hören. . . ". Ihnen ist es gegeben, die Geheimnisse des Himmelreiches zu erkennen.
Bußruf
Jesus findet aber sehr strenge Worte gegen jene, deren Herz hart geworden ist, die mit ihren Ohren nur schwer hören und die ihre Augen verschließen, Für sie kann das Aussäen des Wortes zum Gericht werden, sodass sie hören, aber nicht verstehen, sehen, aber doch nicht erkennen, sodass ihnen auch das noch genommen wird, was sie haben. Es ist nicht leicht diese Worte Jesu zu verstehen. Sie sind wohl ein dringender Aufruf zur Umkehr an jene, deren Herz hart geworden ist.
Das Gleichnis vom Sämann, das so trostvoll beginnt und ermutigen will trotz allem an das Kommen des Reiches Gottes zu glauben, wird zu einem Bußruf, sich dem Wirken des Wortes Gottes nicht zu verschließen