Papst Franziskus in Palästina
In der Aufregung rund um die Wahlen der Abgeordneten zum Europäischen Parlament ist ein Ereignis, das für mich nicht minder wichtig war, in den Medien beinahe untergegangen: Die Reise Papst Franziskus‘ nach Palästina. Vielleicht war dieses Zusammenfallen sogar ein Vorteil, denn die Medien beobachten und berichten über religiöse und kirchliche Themen mit den Augen der Politik und der Marktwirtschaft. Die theologische Dimension spielt bestenfalls am Rande eine Rolle.
Anlass der Reise war eine Begegnung mit dem Oberhaupt der griechisch-orthodoxen Kirche, Bartholomäus I von Konstatninopel, in Erinnerung an die historische Begegnung zwischen Papst Paul VI. und Patriarch Athenagoras vor 50 Jahren. Ein derartiges Treffen in Palästina führt unweigerlich auch zu Begegnungen mit Vertretern des Judentums und des Islam wie auch mit den politischen Akteuren der Region. Alle diese Facetten und Nuancen zu meistern, ist eine eminente Herausforderung. Dabei geht es nicht so sehr darum, die Position der Christen auf dem "Markt der Religionen und Konfessionen" vorteilhaft zu präsentieren als vielmehr die Sendung der Christen und ihr Selbstverständnis als Jünger Jesu glaubwürdig darzustellen.
Vollendung der Sendung Jesu
Im Evangelium hörten wir einen weiteren Abschnitt aus den johannäischen Abschiedsreden Jesu. In diesen reflektiert Jesus seine eigene Sendung in diese Welt. Er versteht sich als der vom Vater ausgehende Sohn, der gekommen ist, den Vater zu verherrlichen, indem er den Menschen ewiges Leben bringt. Am Ende seiner irdischen Lebenszeit sieht er für sich diese Sendung erfüllt. Er kehrt heim zum Vater, denn die innige Gemeinschaft mit ihm ist das letzte Ziel seiner Sendung. Die Jünger haben erkannt, dass er vom Vater ausgeht und haben durch ihn Gott erkannt und das, was dieser mit allen Menschen vorhat. Die Jünger, die durch den Umgang mit Jesus seine Sichtweise übernommen haben, bleiben in der Welt und setzen fort, was Jesus selbst begonnen hat.
In dieser Abschiedsrede Jesu ist auch die Sendung der Kirche auf den Punkt gebracht. An erster Stelle geht es ihr um das Erkennen Gottes und dessen, was er mit der ganzen Schöpfung vorhat. Die Christen sollen teilhaben an seiner Liebe als Empfangende und Gebende. Das ist ewiges Leben und dadurch wird Gott verherrlicht.
Die Sendung der Jünger Jesu
Wie schwierig dies im Konkreten ist, sehen wir, wenn wir diese Gedanken auf die Alltagsrealität beziehen. Gerade in Palästina prallen die gegensätzlichen Interessen verschiedener Nationalitäten, Religionen und Konfessionen aufeinander. Gibt es eine Kraft, die in diesem vielschichtigen Gefüge eine gemeinsame Zukunft ermöglichen kann? Der Glaube an einen liebenden Gott könnte Hass und Misstrauen abbauen helfen und zu einer inneren und äußeren Abrüstung führen.
Was die Vielfalt und Vielschichtigkeit der Interessen betrifft, ist Palästina ein Abbild der ganzen Welt. Um ähnliche Spannungen und Konflikte geht es auch an den übrigen Brennpunkten der Welt. Hier den Geist Jesu, sein Denken und seine Umgangsweise mit den Menschen, ins Spiel der Kräfte zu bringen, ist Aufgabe der Jünger Jesu heute. Papst Franziskus geht uns darin vorbildhaft voran. Wir sind gefordert als Nachahmer, nicht als Zuschauer, die bequem vom Wohnzimmer aus verfolgen, was der Papst zustande bringt.
Auf spannungsgeladene Interessensgegensätze treffen wir auch in unserer nächsten Umgebung. Europa trägt den Anspruch eine Gemeinschaft zu sein im Namen. Sie funktioniert ganz gut, solange man aus dem gemeinsamen Topf etwas holen kann. Die Meinungen gehen jedoch auseinander, sobald Solidarität gefragt ist und Opfer für die Schwächeren notwendig werden. Auf der Ebene der einzelnen Nationalstaaten ist das nicht viel anders.
Gegensätzliche Interessen hemmen auch das Wachstum innerhalb der Kirchen. Die Nachfahren der Zöllner, Sünder, Pharisäer, Zeloten und Sadduzäer tun sich auch heute noch schwer, miteinander zu reden, miteinander zu beten und Gott zu loben.
Die Rückbesinnung auf unser Ziel, auf die Sendung, die wir von Jesus übernommen haben, ist höchst aktuell. In der Lesung aus der Apostelgeschichte haben wir gehört, dass die Jünger nach der Himmelfahrt Jesu sich zusammengesetzt und miteinander um den verheißenen Geist als Begleiter und Beistand gebetet haben. Bitten wir ihn, dass er uns auf die richtige Spur führt, auf die Gott uns führen will.