Die Jünger kehren zurück von ihrer "Missionsreise" und sind begeistert. Damit sie nicht ausbrennen, nimmt Jesus sie mit in die Einsamkeit. Er bewahrt sie davor, dass sie selbst Opfer "unreiner Geister" werden, dem Erfolgs- und Leistungszwang erliegen. Die Ferienzeit lädt ein, dass auch wir die »Einsamkeit« suchen, die Mitte finden und zur Ruhe kommen.
Auf Tour sein
Jesus hat seinen Jüngern die Vollmacht gegeben, die unreinen – bösen – Geister auszutreiben. Sie tummeln sich – meistens versteckt – unter den Menschen und säen Hass und Angst. Bevorzugt nisten sie sich in Herzen ein, bringen Gedanken durcheinander und tarnen sich gekonnt. Manchmal sogar als „gesunder“ Menschenverstand.
Jetzt sind die Jünger unterwegs. Markus erzählt: „Die Zwölf machten sich auf den Weg und riefen die Menschen zur Umkehr auf. Sie trieben viele Dämonen aus und salbten viele Kranke mit Öl und heilten sie.“
Für die Menschen damals sind auch Krankheiten „unreine“, „böse“ Geister – gefühlt sind Krankheiten das bis heute aber auch. Das Wort „heilen“ bringt zum Ausdruck, dass eine neue Welt beginnt, eine neue Zeit, ein neuer Anfang. Es ist eine große Aufgabe, Jesus dabei zu helfen. Gottes Reich ist nahe – Jesus hat das von Anfang an gesagt.
Sie erinnern sich? Am letzten Sonntag hörten wir davon. Wir hörten, wie Jesus seine Jünger aussendet und bevollmächtigt. Wir hörten, wie sie Anteil an dem Weg und der Sendung Jesu bekommen. Für die Jünger, einfache Leute, ist das Neuland. Eine Herausforderung, die sie noch gar nicht abschätzen können. Mit Feuereifer lassen sie sich darauf ein. Überraschenderweise haben sie sogar Erfolg. Sie haben etwas zu erzählen. Sie wachsen förmlich über sich hinaus. Den unreinen – oder bösen – Geistern wird schon ganz unheimlich. Sie verlieren ihre Masken und ihre Magie, sie werden bloßgestellt, sie werden verjagt. Ich bin ganz angetan davon: Menschen nehmen es mit den unreinen, den bösen Geistern auf! Sie bekommen dazu sogar eine Vollmacht, eine Bevollmächtigung, einen Auftrag. Und Menschen werden noch einmal neu ins Leben geschickt. Den unreinen, bösen Geistern gehört die Welt nicht!
Heute erzählt Markus, dass sich die Jünger wieder bei Jesus treffen und ihm berichten, „alles, was sie getan und gelehrt hatten.“ Alles – was alles?
Zur Ruhe kommen
Ich würde gerne mehr wissen, Mäuschen spielen. Jesus aber nimmt seine Jünger an einen einsamen Ort mit, an dem sie alleine sind und Ruhe finden. Angeblich haben sie nicht einmal Zeit gefunden zum Essen. Ich weiß zwar, dass Feuereifer so aussehen kann – ich weiß aber auch, dass Menschen ausbrennen, wenn sie sich in ihrer noch so gut gemeinten „Totalidentifikation“ vergessen. Sind die Jünger, kaum dass sie angefangen haben, schon in dieser Falle? Burnout nennt man das heute. Aus-ge-brannt. Ver-zehrt. Am Ende. Viele Menschen sind davon gezeichnet, auch – und sogar – in der Kirche. Dann noch mit der Erfahrung, alles eingesetzt, alles gegeben zu haben und doch nichts zu erreichen. Was immer das dann heißt, „nichts“ zu erreichen. Die Latten hängen hoch und lassen sich immer höher hängen. Es ist keine Kunst: der Ehrgeiz kann mich fressen. Ich kann mich fressen lassen. Viele Menschen sind in der Gefahr, sich von Erwartungen, Vorgaben und Projektionen gefangen nehmen zu lassen. Und auf der Strecke zu bleiben. Das kann in jedem Beruf, an jeder Arbeitsstelle passieren, und wird von Menschen erzählt. Hoch motiviert – und ausgenutzt. Am Ende lastet ein ungeheurer Druck auf den Schultern.
Vielleicht ist es jetzt doch gut, dass wir nicht hinter die Kulissen schauen können, die der Evangelist vor uns aufgebaut hat. Wie erfolgreich waren die Jünger denn wirklich? Oder haben sie auch mit Windmühlenflügeln gekämpft? Ohne darüber reden zu können oder zu wollen? Es gibt einen Zwang zum Erfolg, der sich schnell verwandelt in ein Monster. Mit feurigen Augen und einem Schlund so groß wie die Hölle.
Jesus nimmt seine Jünger mit in die Einsamkeit. Hier sind sie mit ihm allein. Und mit sich. Wir erfahren zwar nicht, was sie besprechen, wir ahnen aber, dass ihnen die Ruhe gut tut. Es ist eine Ruhe, die sie wieder zu sich kommen lässt und zu ihrem Auftrag! Jesu Vollmacht könnte sonst zu einem unreinen – bösen – Geist verkommen, der die Jünger auffrisst, mit Haut und Haaren.
Jetzt sehe ich die unreinen – bösen – Geister doch tatsächlich still in sich hinein lächeln. Sie haben noch einen Joker im Ärmel. Sie verwandeln die Vollmacht Jesu in einen bösen Geist, der Menschen ausnimmt, besessen und irre macht. In einem schleichenden Prozess verkehrt sich in das Gegenteil, was Jesus gesagt und gewollt hat. Die, die sich von ihm rufen lassen, verlieren sich. Nur: wer böse Geister, Dämonen, Mächte vertreibt – der darf doch nicht selbst einem bösen Geist zum Opfer fallen. Wer zur Umkehr ruft, zu einem neuen Leben einlädt, der darf doch nicht selbst in einen Abgrund stürzen. Wer die Vollmacht von Jesus hat, in seinem Namen zu handeln, der darf doch nicht an diesem Auftrag zerbrechen.
Jesus sagt: „Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus.“ Womöglich ist das der wichtigste Satz an diesem Tag. „Wo wir allein sind“ – Jesus, seine Jünger, wir. Einmal nicht mit dem Kalender im Handy, nicht schon wieder ein jour fix, heute nicht »immer erreichbar«. Nein, über Zeitmanagement reden wir jetzt nicht. Wir reden über die Sehnsucht, wieder die Quelle zu finden – bei Gott, im Herzen, im Gespräch.
Es ist die Einsamkeit, die auch Jesus immer wieder geholfen hat, seinem eigenen Weg treu zu bleiben. Der Evangelist hat an vielen Stellen verraten, was Jesus in der Einsamkeit macht: beten, beten, sich Gott öffnen, das Vertrauen auf ihn setzen, von ihm auch alles erwarten. „Herr, lehre uns beten“, haben die Jünger gesagt.
Die Mitte finden
Es ist Ferienzeit. Viele Menschen sind unterwegs. Sie haben unterschiedliche Erwartungen an die freien Tage. Manche füllen sie so aus, als wären sie auf der Arbeit, getrieben, immer auf dem Sprung. Andere nehmen und schenken sich freie Zeit, für sich, ihre Familie. Was vor Jahr und Tag kaum zu erwarten war, ist auch geschehen: »Klöster auf Zeit« wachsen. Und gepilgert wird auch wieder. Füße, Beine, der ganze Körper wird müde und der Kopf ganz leer.
Ich möchte heute auch die Frage stellen, wo und wie wir »Einsamkeit« finden. Es ist gar nicht so einfach, auch die Frage ist eher ungewöhnlich und fremdartig. Aber »Einsamkeit« muss nicht Einöde heißen. »Einsamkeit« soll auch nicht Verlassenheit meinen. »Einsamkeit« kann der Berg sein, den ich erwandere, das Buch, in das ich mich vertiefe, das Meer, an dem ich den Sonnenuntergang erlebe. »Einsamkeit« ist die Stille, in der die Routine einmal zur Ruhe kommt. Das Hamsterrad bleibt stehen. Der Lärm verebbt.
Jesus sagt: „Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus.“ Das Evangelium schenkt uns heute den Blick, die Mitte zu finden, das Gleichgewicht, das Wichtige.
Der größte und erfolgreichste Kunstgriff der unreinen – bösen – Geister ist, das Gleichgewicht kaputt zu machen und den Blick auf das Wichtige und Wesentliche zu verstellen. Allerdings keine falsche Hoffnung: Auch in der Einsamkeit wissen die unreinen Geister an ihre Leute zu kommen. Darum versammelt Jesus seine Jünger um sich. Er weiß, warum!
Am Schluss des Evangeliums hören wir, dass die Menschen Jesus nicht aus den Augen lassen. Sie finden ihn auch in der Einsamkeit. Zu Fuß laufen sie aus »allen« Städten dorthin, erzählt Markus. Jesus hat Zeit für sie. Er hat Mitleid mit ihnen. Er hat ihnen viel zu sagen. Originalton Markus: Jesus lehrt sie lange. Sie sind „wie Schafe, die keinen Hirten haben“.
Spätestens jetzt wissen die unreinen, bösen Geister, was die Stunde geschlagen hat.
Und der Friede Gottes,
der höher ist als alle Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus,
unserem Herrn.
Martin Stewen (2012)
Regina Wagner (2000)
Lorenz Walter Voith (1997)