Immer näher
Kabul 6989 km,
Palästina 4395 km,
Mosul 4304 km,
Damaskus 4040 km,
Aleppo 3743 km,
Istanbul 2525 km,
Nizza 1380 km,
München 705 km,
Paris 648 km,
Ansbach 514 km,
Würzburg 431 km…
(Entfernungen evtl. im Kirchenraum sichtbar machen)
Wir haben die Nachrichten gehört und die Bilder gesehen. Wir waren betroffen, Menschen taten uns leid. Aber es war weit weg. Was sollten wir auch tun? Der Krieg! Der Islam! Er war uns fremd und er ist uns fremd! Aber nun rückt es auf einmal näher: München, Ansbach und Würzburg. Nur noch wenige hundert Kilometer. Und wer sagt uns, dass es nicht heute oder morgen oder nächste Woche auch in Rheine passiert.
Angst
Es macht sich Angst breit. Eine Angst, vor der wir uns bis jetzt schützen konnten. Eine Angst, mit der viele Menschen auf dieser Welt jeden Tag in einem noch viel größeren Ausmaß leben müssen. Eine Angst, die nicht auszuhalten ist. Wenn wir das bei uns spüren, können wir vielleicht etwas von dem nachempfinden, was Menschen aushalten müssen.
Auf diesem Hintergrund lese ich das Evangelium vom heutigen Sonntag. „Ich bin gekommen um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen. Meint ihr, ich bin gekommen um Frieden auf die Erde zu bringen? Nein sage ich euch, sondern Spaltung.“
Gewalt
Was sagt er da? Was passiert da? - Ich erinnere mich an ein Gespräch, das auf einmal sehr hitzig, fast aggressiv wurde. Jemand forderte sehr klar, Religionen müssten alle abgeschafft werden, das einzige was sie tun ist Menschen zu radikalisieren, weil sie sich in ihren Ansprüchen immer für die einzig richtige und die einzig wahre halten und dies dann mit allen Mitteln durchsetzen. Uns allen ist sicherlich auch noch der Satz vertraut: Außerhalb der katholischen Kirche kein Heil.
Und weiter hieß es dann: Religionen stiften Menschen zur Gewalt an, weil sie Menschen die anders glauben, Menschen die anders leben, Menschen die andere Werte haben als minderwertig ansehen und bekehren wollen. Das Ganze eskaliert zurzeit im Bild, das der Islam gegenwärtig bietet: Ungläubige dürfen, ja sollen sogar getötet werden, weil der Koran oder weil Allah es angeblich so will.
Und haben wir nicht auch als Christen in früheren Jahrhunderten genauso gehandelt. Wie viele Menschen sind bei der Missionierung Afrikas oder Lateinamerikas getötet worden und die Unruhen in Nordirland sind nur wenige Jahre alt.
Strukturelle Gewalt
Papst Franziskus hat in einem sehr eindrücklichen Apell vor einigen Tagen davor gewarnt den Islam mit Gewalt und Terrorismus gleichzusetzen. Der IS ist nicht der Islam und wahrscheinlich stehen viele Muslime dessen Gewaltexzessen mit der gleichen Ohnmacht gegenüber wie wir. Der Papst sagt dann noch einmal deutlich: Wer von Gewalt im Islam spricht, der muss auch von der Gewalt sprechen, die von Katholiken ausgeht. Da gibt jemand ein großes Beispiel, er zeigt nicht mit dem Finger auf andere und hält sich selber für gut. Er steigt einer einseitigen Schwarz-Weiß-Malerei aus.
Papst Franziskus prangert den Fundamentalismus in allen Religionen in seiner zerstörerischen Art an. Da sind wir als Christen nicht besser als andere, auch wenn unsere Methoden nicht mehr so heftig sind. Und er benennt weiter, dass die Ursache vieler fundamentalistischer Strömungen, seien sie nun politisch oder religiös, mangelnde Zukunftsaussichten vor allem junger Menschen in Europa und überall auf der Welt sind. Hier geschieht Gewalt, eine strukturelle Gewalt, an der wir alle unseren Anteil haben. Das wird noch einmal deutlich daran, dass viele der Attentäter nicht aus arabischen Ländern kommen, sondern hier bei uns leben und groß geworden sind. Es sind auch unsere Jugendlichen und wir alle haben unsere Welt so mitgestaltet, wie wir sie jetzt vorfinden.
Sorge für Gerechtigkeit
Zurück zum Evangelium: Jesus weiß, dass Menschen in Streit geraten, auch Menschen, die sich vertrauen und dass es auch durch seine Person dazu kommen kann. Und da, wo wir anderer Meinung sind, müssen wir uns auch streiten dürfen, aber und das wird auch im Kontext der christlichen Botschaft deutlich: Als Menschen, als Christen, Muslime, Juden und Atheisten haben wir den anderen in seiner Würde zu achten, wir können ihm unseren Glauben und unsere Meinung anbieten, verordnen können wir sie ihm nicht. Was am Ende dem Heil dient ist uns allen verborgen und bleibt Gabe Gottes.
Das kann uns gelassen machen. Und es gilt, wer von Glauben spricht, muss auch davon sprechen, wie gerechte Lebensbedingungen für alle Menschen geschaffen werden können. Ich möchte in einer Welt leben, die demokratisch und plural ist, in der Staat und Religion getrennt sind, in der wir uns gegenseitig akzeptieren, unabhängig von dem, was wir glauben, in der jeder für sich und sein Leben sorgen kann.