Menschliches, allzu Menschliches
Jeder Mensch hat auch Schattenseiten. Das ist menschlich. Niemand rechnet damit, dass ein Mensch fehlerlos ist. Manchmal allerdings wird das Menschliche einer Person allzu menschlich...
Wenn jemand trotz seiner menschlichen Schwächen sympathisch ist, sagen wir, man könne sie „gut leiden“. Das „Gut-leiden-können“ steckt sogar im Wort „sympathisch“, wenn man es wörtlich übersetzt. Das Allzu-Menschliche kann aber auch Dimensionen annehmen, die sich mit Sympathie nicht mehr ertragen lassen. Es kann die Basis für Unmenschliches werden. Bis zu einem gewissen Grad gestehen wir Schwächen zu, darüber hinaus wird es jedoch kritisch.
Das Menschliche und das Allzu-Menschliche beginnt bereits bei einem Kind. Kinder ahmen die Erwachsenen nach, nicht nur im Lobenswerten, auch in den Unarten. In einer Redensart meiner Heimat sagt man von einem Kind, das „typisch männliche“ oder „typisch weibliche“ Verhaltensweisen zu zeigen beginnt: Es ist „ein angefangenes Mannsbild“ oder „ein angefangenes Weibsbild“. Wir ahmen Gutes und Böses nach und erlernen es, schon lange bevor wir Gutes von Bösem unterscheiden können.
Die kirchliche Lehre von der Unbeleckten Empfängnis Mariens
Die Theologie benennt diese Verwicklung des Menschen in das Böse mit dem Begriff „Erbsünde“; ein Wort, das immer wieder zu vielen Missverständnissen führt. Eine weitere Quelle von Missverständnissen ist die Herleitung dieses Begriffs von der biblischen Erzählung vom Sündenfall des Menschen. Wenn man die theologische und die biologische Ebene miteinander vermengt, kommt man zu schwer nachvollziehbaren Gedankengängen.
Diese begrifflichen Schwierigkeiten machen es uns auch schwer zu verstehen, was mit der theologischen Rede von der „Unbefleckten Empfängnis“ gemeint ist. Papst Pius IX. verkündete am 8. Dezember 1854 als verbindliche Lehre der Kirche: „Die seligste Jungfrau Maria wurde im ersten Augenblick ihrer Empfängnis durch ein einzigartiges Gnadengeschenk und Vorrecht des allmächtigen Gottes im Hinblick auf die Verdienste Christi Jesu, des Erlösers des Menschengeschlechtes, rein von jedem Makel der Erbschuld bewahrt."
Mehr als eine Huldigung der Gottesmutter?
Seit der Frühzeit der Kirche – nicht erst seit Pius IX. - wird in der Kirche die Anschauung weitergegeben, Maria sei von Gott aus den menschlichen Verwicklungen in das „Allzu-Menschliche“ des Lebens herausgehalten worden. Bedeutet dies mehr als eine Verehrung und Huldigung der Gottesmutter? Hat diese Glaubenssicht auch für uns, die wir uns nach wie vor mit den menschlichen Schwächen und dem Allzu-Menschlichen abmühen müssen, eine Bedeutung?
Das Fest der Unbefleckten Empfängnis hat zunächst mit dem Advent nichts zu tun. Er fällt eher zufällig in diese Zeit hinein. Inhaltlich kann uns aber das, was den Advent ausmacht, helfen beides tiefer zu verstehen.
Ein Zeichen unserer Hoffnung
Der Advent ist eine Auseinandersetzung mit den dunklen Seiten unseres Lebens. Die äußere Dunkelheit durch die langen Nächte, die kurzen Tagen und den niedrigen Sonnenstand ist ein Bild für das Dunkle, das uns seelisch niederdrückt. Wir wollen eine gute Welt und stehen den Unmenschlichkeiten oft hilflos gegenüber. Wir wollen Frieden und Ordnung schaffen und finden aus Kriegen und der damit verbundenen Gewaltspirale nicht heraus. Wir kämpfen für eine gerechtere Verteilung der Lebensressourcen und verschlimmern gleichzeitig Ungerechtigkeiten. Wir fordern Menschenwürde und –rechte ein und entdecken täglich neue Missverhältnisse.
Woher kommt Licht in dieses Dunkel? Ist unser Kampf nicht aussichtslos? Wir erinnern uns daran, dass das Volk Gottes in seiner Geschichte lange Wegstrecken gehen musste, die es als sehr dunkel erlebte, in dem viele die Hoffnung, dass Gott sie da noch herausführen könnte, aufgegeben hatten. Wir erinnern uns daran, dass Jesus in dieses Dunkel hineingeboren wurde und den Menschen Licht gebracht hat. Wir erkennen darin einen Akt der Liebe Gottes, der uns zeigt, dass der Mensch nicht den dunklen Mächten um ihn und in ihm selbst hilflos ausgeliefert ist. Jesus und mit ihm seine Mutter Maria geben uns Hoffnung, dass unser Ringen mit den dunklen Kräften der Schöpfung nicht aussichtslos ist. Wir stehen seit Anbeginn in der Liebe Gottes.