Martin Luther
2017 jährt sich zum 500. Mal, dass Martin Luther mit seinen Forderungen nach einer Reform der Kirche an die Öffentlichkeit getreten ist. Er nahm Anstoß an einer Reihe von Missständen und forderte darüber hinaus eine Erneuerung ein, die er durch den Wandel der Zeit für überfällig hielt. Leider kam es zum Auseinanderbrechen der Kirche bis hin zu unseligen Kriegen, in denen sich Menschen verbissen bekämpften, weil sie den einzig wahren Glauben für sich beanspruchten. Rückblickend tun wir uns schwer, so gravierende Unterschiede in den Auffassungen auszumachen, die so heftige Auseinandersetzungen rechtfertigen könnten. Reformen großer Organisationen gelingen selten kontinuierlich. Oft führen sie zum Bruch.
Johannes der Täufer und Jesus von Nazareth
Im Evangelium begegneten uns auch zwei Reformer. Johannes der Täufer hat die Menschen zur Umkehr aufgerufen. Ihm ging es vor allem um eine moralische Erneuerung. Die Rückkehr zu den alten Werten war sein großes Anliegen. Er fand ein breites Echo in den unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten. Als Zeichen der Umkehr ließ er sie im Jordan untertauchen und so zeichenhaft ihr altes Leben abwaschen. Sogar Pharisäer und Sadduzäer, die führenden religiösen Gruppierungen des damaligen Judentums, kamen um diesen Ritus an sich vollziehen zu lassen. Johannes hatte jedoch Sorge, dass deren Umkehr nicht tief genug ging und ohne konkrete Früchte bleiben könnte. Er sah sich einerseits in der Tradition der alten Propheten, andererseits am Beginn einer Erneuerungsbewegung. Er kündigte einen Erneuer an, der mit Heiligem Geist und Feuer taufen werde.
Auch Jesus reiht sich ein, um sich von Johannes taufen zu lassen. Johannes erkennt in ihm den Größeren, der mit Geist und Feuer taufen wird, und wehrt ab. Doch Jesus besteht darauf, wie die anderen mit dem Wasser des Jordan getauft zu werden. Sein Tauferlebnis geht aber über den normalerweise vollzogenen Vorgang hinaus: Er sieht den Geist Gottes auf sich herabkommen und hört eine Stimme, die ihm zusichert: "Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe."
Worin liegt der Unterschied?
Wie wir aus dem weiteren Verlauf der Jesusgeschichte erfahren, geht seine Reform über die Vorstellungen des Johannes hinaus. Er will mehr als eine moralische Erneuerung, mehr als eine Rückkehr zu den alten Werten. Er ist getrieben und geführt vom Geist Gottes. Er will eine geistige Erneuerung, eine Durchdringung des ganzen Lebens mit dem Geist Gottes. Eine moralische Erneuerung und moralische Integrität ist für ihn die Basis einer geistigen Erneuerung. Ihm geht es um eine neue Gottesbeziehung, eine innige Verbindung mit Gott, die mehr ist als die althergebrachte Gottesfurcht. Wer seine Geisttaufe empfängt, wird Tochter oder Sohn Gottes, Kind Gottes, wird wie Jesus erfüllt vom Heiligen Geist Gottes.
Beide Reformer sind auf erbitterten Widerstand gestoßen. Johannes kam unter die Räder des politischen Regimes, das von moralischer Erneuerung nichts wissen wollte, Jesus unter die der religiösen Instanzen, für die eine geistige Erneuerung undenkbar war.
Unvermeidlicher Kampf der Religionen?
Mittlerweile sind 2000 Jahre vergangen. Die Vielfalt der Bekenntnisse und Religionen ist noch größer geworden als zur Zeit Jesu und viel komplizierter als zur Zeit Luthers. Einfache suchende Menschen blicken oft nicht mehr durch und sehen nur mehr nebensächliche Unterschiede. Nicht wenige begnüge sich damit, ein guter Mensch sein zu wollen, und wenden sich von den Religionen ab.
Wie kann man aber miteinander leben, ohne sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen? Ist der Kampf um die bessere Religion unvermeidlich?
Jesus schlug Johannes vor, sich auf die Gerechtigkeit zu besinnen, die Gott fordert. Daraus spricht der Geist Gottes, der Jesus beseelt. Ein gemeinsames Suchen nach der Gerechtigkeit, wie sie Gott fordert, könnte auch heute die Basis für ein friedliches Nebeneinander und Miteinander der verschiedenen Religionen und Konfessionen sein.
Als mit dem Heiligen Geist Getaufte stehen wir in der Tradition des Jesus von Nazareth. Ein Leben aus dem Geiste Jesu ermöglicht uns, auch neue, noch nie dagewesene Aufgaben und Fragestellungen zu bewältigen. Er befähigt uns, auch neue Wege zu gehen.
Dies setzt allerdings voraus, dass wir uns auf den Geist Jesu einlassen und den Geist Jesu in uns einlassen. Ein Christsein, das sich mit der Pflege alter Traditionen begnügt, wird den gegenwärtigen Herausforderungen nicht gewachsen sein.