Lesung aus dem Buch Jesája.
Sagt den Verzagten: Seid stark,
fürchtet euch nicht!
Seht, euer Gott!
Die Rache kommt, die Vergeltung Gottes!
Er selbst kommt und wird euch retten.
Dann werden die Augen der Blinden aufgetan
und die Ohren der Tauben werden geöffnet.
Dann springt der Lahme wie ein Hirsch
und die Zunge des Stummen frohlockt,
denn in der Wüste sind Wasser hervorgebrochen
und Flüsse in der Steppe.
Der glühende Sand wird zum Teich
und das durstige Land zu sprudelnden Wassern.
Der Lesungstext, der Deuterojesaja zuzuordnen ist, stellt eine positive Apokalypse dar. Einmal wird geschehen, was jetzt kaum wahrzunehmen ist. In einem belagerten Jerusalem muss es eine Verheißung sein, dass Gott eingreift und es den Belagerern heimzahlt. Alles, was sich an Last ausdenken lässt, wird im neuen Jerusalem anders sein.
Zugleich bleibt dies nur das Endziel. Denn noch ist Gott nicht so in seine Welt gekommen, dass nur er das Maß der Dinge ist.
Der Text dieser Lesung ist ein kurzer Abschnitt aus der sogenannten "Jesja-Apokalypse" (das 34. Kapitel des Jesajabuches handelt vom Weltgericht und im 35. Kapitel wird das endzeitliche Heil beschrieben). Obwohl der Prophet zum Volk Gottes während dessen Verbannung in Babylonien spricht, dürfte der Text höchstwahrscheinlich aus der Zeit nach dem Exil stammen.
Das Volk Gottes ist verzagt, da die Hilfe seines Gottes ausbleibt. In diese Situation hinein wird das Gericht über die Feinde Israels und die Rettung Israels - das Kommen seines Gottes - angekündigt. Die Getreuen müssen aber tapfer und mutig sein (vgl. dazu auch: 1Kön 2,2; Dtn 11,8; Ps 46,8; Jes 12,2). Wenn Gott selbst zu seinem Volk kommt, dann bleibt das nicht ohne Folgen: er wird die Folgen der Schuld wegnehmen (Taubheit, Blindheit etc. galten in der damaligen Zeit als "Folgen" sündhaften Verhaltens, wobei die Behinderung auch aufgrund eines Vergehens vorheriger Generationen entstanden sein konnte).
Das Bild der Verwandlung der Wüste in eine fruchtbare Landschaft ist ein in der Bibel öfter vorkommendes Motiv. Es soll die Wandlung des Menschen und das Kommen des Heils auch in der Natur ausdrücken und versinnbildlichen. Dieses fruchtbare Land dient dann wiederum dem Menschen als Grundlage für ein Leben ohne jeglichen Mangel (vgl. dazu auch: Esr 3,8; Dtn 8,7-10; Ps 107,33; Jes 50,2; Jer 2,11).
Die erste Lesung ist dem Buch des Propheten Jesaja entnommen. Die Kapitel 1 bis 34, die unserem Text vorangehen, werden dem 8. Jahrhundert vor Christus zugeordnet, die Kapitel 40 bis 55 der späten Exilszeit (6. Jhdt. v. Chr.). Das Kapitel 35 will eine Art Brücke zwischen beiden Abschnitten schaffen; es hat Bezüge zu beiden Buchteilen. In gewissem Sinn ist es überzeitlich.
Der vorliegende Text (vgl. auch die Gesamtkomposition 35, 1-10) will Zuversicht wecken und Mut zusprechen. Mut zu machen ist zugleich eine Aufgabe. Der Grund der Hoffnung ist das Kommen Gottes, der sein Volk erretten wird. Diese Hoffnung wird in mehreren Kreisen von Bildern zum Ausdruck gebracht:
- Augen und Ohren werden geöffnet, Lahme und Stumme geheilt (Verse 5-6a)
- In der Wüste wecken Quellen, Bäche und Teiche neues Leben (Verse 6b-7)
- Das Ödland wird wegsam (Vers 8)
- Die Erlösten werden nicht mehr von wilden Tieren bedrängt (Vers 9)
- Die Rückkehr der Befreiten (Vers 10)
Norbert Riebartsch (2003)
Bernhard Zahrl (2000)
Hans Hütter (1997)