Amateure und Profis
Die Menschen wollen nicht nur arbeiten, sondern auch feiern. Da müssen sich Fußballspieler, für die das Spiel zu einer schweren Arbeit geworden ist, mit der sie viel Geld verdienen können, abrackern, damit ihre Anhänger und Parteigänger, oft eine ganze Nation, feiern können. Menschen wollen natürlich am liebsten Erfolge feiern. Ein Fan ist, wer mit Leidenschaft oder Fanatismus Parteigänger einer Idee oder auch seiner Leute ist.
Wir dürfen Sonntag für Sonntag zusammenkommen, um unser Leben zu feiern. Dies ist mehr als eine liebe Gewohnheit. Nun, mit unserer Leidenschaft für die Idee Jesu ist es oft nicht sehr weit her. Warum eigentlich? Heute haben wir zu einem "richtigen" Gottesdienst vielfach keinen Pfarrer, sind wir zur "priesterlosen Gemeinde" degradiert. Ein Pfarrer ist von Berufs wegen sozusagen ein Parteigänger Jesu, ein Platzhalter der Sache Jesu, genauer gesagt der Kirche Jesu Christi. Und sein Wohl und Wehe hängt am Wohl und Wehe der Kirche. Wenn für Freising dieser Tage nur vier junge Männer zu Priestern geweiht werden, für Passau gar nur einer, dann ist das zu wenig.
Ich habe nichts gegen Profis. Aber Amateure sind der Sache, dass Fußball seinem Wesen nach ein Spiel ist, näher. Und die Bischöfe bedauern und zucken mit der Schulter. Manchmal kommt versteckt der Vorwurf: Da seid ihr schon selber schuld, wenn es so wenig Priester gibt. Oder ganz Linientreue stellen trotzig und vorwurfsvoll fest: im Verhältnis zu den wahrhaft und richtig Gläubigen haben wir nicht zu wenig Priester. Wir haben keinen Priestermangel, sondern Gläubigenmangel. Ja, wie soll das Verhältnis Pfarrer : Gläubige sein? Früher bekam einen Pfarrer, wer eine Pfründe für ihn geschaffen hat. Die altkatholische Kirche hat, gemessen am Kirchensteueraufkommen, zu viele Pfarrer.
Ich fürchte, wir alle haben den Fanatismus für die Sache Jesu an die Hauptamtlichen delegiert - und diese fühlen sich meist auch letztlich und allein dafür verantwortlich, nicht so sehr für die Gottesherrschaft, sondern für die Kirche, zuweilen auch für ihre eigene Sache, da sie manchmal etwas wirklichkeitsfremd meinen, ihre Sache sei automatisch und selbstverständlich das Reich Gottes. Ich denke dabei an den einen oder anderen Bischof oder groß tönenden Pfarrer, die mitunter sehr dem Jakobus oder Johannes, den Donnersöhnen, gleichen. Jesus musste sie zurückstutzen und ihre Ansichten zurechtrücken. Was Jesus mit dem "Fanatismus" - im besten Sinn des Wortes - für das Reich Gottes und die Mittel und Wege dahin meint, das musste er und müssen wir immer wieder ausjustieren.
Was wollte Jesus?
Wenn wir heute "nur" Wortgottesfeier haben, dann ist dies für mich eine Gelegenheit, aus einigen knappen Szenen abzulesen, was Jesus eigentlich wollte - und was sich im Laufe der Zeit daraus entwickelt hat.
Jesus rief zur Nachfolge. Jünger gehen mit ihm hinauf nach Jerusalem. Die Evangelisten werden berichten, dass Jesus sagt: "Wer mir nachfolgen will, der nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach!" Im Mittelalter verfasste Thomas von Kempis eine Buch - noch vor kurzer Zeit ein Bestseller der Frömmigkeitsliteratur - Imitatio Christi, Nachfolge Christi. Darin geht es um Selbstverleugnung und Kasteiung als Ersatz für die in der Regel nicht mehr gegebene Möglichkeit zum Blutzeugnis. So retten wir unsere Seele hinüber in die himmlische Freude.
Auf dem Weg hinauf nach Jerusalem wird abgeklärt, was bei Jesus für die Nachfolge wichtig ist. Nachfolge wozu? Jesus will die Gottesherrschaft. Die Welt muss so werden, wie Gott sie gedacht hat. In einer solidarischen Welt, wo alle Brüder und Schwestern sind oder werden sollen, da gilt: einer trage des anderen Last. Wirklich bisweilen ein schweres Kreuz, ein Opfer, die die eigenen Lebenskraft kostet. Geben, immer nur geben, das war ein - noch nicht emanzipiertes - Mutterleben! Das Thema ist nicht Maria von der Immerwährende Hilfe. Sicher haben wir am heutigen Tag Anlass darüber nachzudenken, wie das ist mit der Mutter Gottes und unserer Mutter, die immer und überall hilft. Dieses Fest ist heute auch zu feiern. Der tröstlichste Festgedanke ist, dass eine Mutter seiner Kinder nie vergessen wird und uns immer Hilfe genug vom Heiligtum her geschenkt wird.
Vier Szenen
Auf dem Weg nach Jerusalem hinauf soll in vier Szenen deutlich werden, worauf es Jesus ankommt:
Erste Szene, Jakobus und Johannes: Wer dich nicht aufnimmt - Strafgericht mit Feuer und Schwefel vom Himmel bei Elia? Hoppla, nicht so gach und ungestüm! - Jesus ist für das Sowohl-als-auch, nicht Entweder-oder! Die Samaritaner haben nicht den rechten Ort der Anbetung Gottes, aber auch die Priesterschaft in Jerusalem betet nicht an im Geist und in der Wahrheit. Israel ist das auserwählte Lieblingsvolk Gottes. Jesus aber nimmt die Samaritaner, also Andersgläubige in Schutz. Über niemanden Feuer und Schwefel vom Himmel! Alle sind Kinder des einen Vaters, der seine Sonne aufgehen lässt über Gerechte und Ungerechte. Wenn jemand meint, er allein ist auserwählt und im Vollbesitz von Gottes Wahrheit und Liebe, so gibt das meist Mord und Totschlag, Glaubenskriege oder Zwietracht, Angst und Not: eben all das, was das Reich Gottes nicht ist.
Zweite Szene, Ein jugendlich Begeisterter: Einer aus der Schule der Schriftgelehrten. "durch dick und dünn geh ich mit dir!" - Jesus meint: Gemach, du weißt nicht, worauf du dich einlässt. Heimatlosigkeit, Unbehaustheit wird notgedrungen dein Schicksal sein. Nachfolger müssen sich darauf gefasst machen, unbehaust und heimatlos zu sein, vogelfrei und ohne ein sicheres und sanftes Ruhekissen. Auch ist nicht gesagt, dass nur diejenigen Jesus wahrhaft nachfolgen, die Weihegewalt und Hirtenämter haben. Alle sollen ihm nachfolgen, nicht nur die, die einen Beruf daraus machen. Die sog. "böse Welt" kann es nicht verstehen, dass die vollwertigen Verkünder der Gottesherrschaft und Nachfolger der Apostel Bischofspaläste und Staatsverträge zur Absicherung ihrer Rechte und Privilegien brauchen. Da hat sich Kirche wohl zu lange in die Rolle der Ordnungsmacht für eine perfekte Gesellschaft drängen lassen.
Dritte Szene, einer, der noch zuwarten will: Einer von den 72 Jüngern meinte: Dir nachfolgen - ja schon, aber zuvor muss ich noch abwarten, bis ich meinen Eltern die Augen zugedrückt habe. Jesus: Totenkult gut und schön. Aber das Reich Gottes ist etwas, was mit Lebenden, und nicht mit Toten zu tun hat. Nachfolge kann den Totenkult ruhig vernachlässigen. Und Nachfolge nimmt wenig Rücksicht auf das Feiern der Vergangenheit, weil es eine Sache hinein in die Zukunft ist.
Vierte Szene: Abschied feiern:Eine Namenloser fragt: ich darf doch noch eine richtige Abschiedsfete feiern? Jesus: Aber das Reich Gottes liegt nicht hinter uns, sondern vor uns, deshalb bitte nicht zurückschauen! Da ist Rückschau und Nostalgie unangebracht. Nachfolge und die Verwirklichung der Gottesherrschaft muss auch nicht vorher abklären, wer nun der richtige Amtsträger mit dem allein richtigen Amtsverständnis ist.
In diesen Tagen wird von unseren Bischöfen wiederum mit großem Bedauern die Statistik beklagt: keine hundert Priester mehr in 27 deutschen Diözesen. Zu wem hat Jesus damals gesagt: Mach's wie ich, werde Priester! Zu niemandem. Hat er gesagt: haltet euch von den Frauen fern, sonst ist euer Herz nicht ganz frei für Jahwe? Nein, es hat ihm gar nichts ausgemacht, dass ihm eine Frau mit nicht sehr gutem Ruf in aller Öffentlichkeit zärtlich abgebusselt und einparfümiert hat. War das keine Gefährdung der heiligen Berufung, wie man im Haus Ratzinger in Hufschlag befürchtet hat, wenn ein Mädchen zur Unzeit, sprich wann die beiden Priesteramtskandidaten zu Haus waren, auf Besuch kommen wollte?
Was ist Berufung und Nachfolge?
Ja, was ist Berufung und Nachfolge Christi? Ist das etwas, was sich Gschaftlhuber und blauäugige Strahlemänner unter den Nagel reißen können, weil sie immer schon die Schlaueren, die ganz wenigen Auserwählten sind mit dem direkten Draht nach oben? Sie sind eben Profis! Sie sind ja doch bereit einen jeden Preis zu zahlen. Sie verlassen alles und opfern sich selbst, wenn es denn sein müsste. Bekommen ja alles hundertfach! Man wird doch rechnen dürfen... Angesichts einer Primizfeier im Chiemgau letzten Jahres wolle ich einen Regens gern fragen: Welcher Berufsstand bekommt noch so viel Vorschusslorbeeren und so viel Startkapital in harter Währung?
Im Klartext:
Machtverzicht
Ich glaube, dass bei der Nachfolge keineswegs nur einige wenige gemeint sind, die eben rasch genug zufassen. Klerus und Priesterkaste ist nichts Jesuanisches und Neutestamentliches. Das Kult-, Weihe- und Opferpriestertum ist abgeschafft. Ich glaube also nicht, dass Jesus einen privilegierten Priesterstand einrichten wollte. Er hatte doch mit den Hohenpriestern nichts als Schwierigkeiten.
Ich kann es nicht glauben, dass Jesus eine Kirche wollte, die ihre Privilegien und Schonräume mit Konkordaten absichern muss in einem Zwergstaat. Ich denke, dies sind Fehlentwicklungen - und nicht im Sinne Jesu.
Ich befürchte sehr, dass auch heute noch Kirchenmänner sehr leicht der Versuchung zur Macht erliegen. Sie sagen: Jesus ist der Herr! Und schon traten sie die Herrschaft an als seine Stellvertreter auf Erden als Fürsterzbischöfe und Prälaten. Nur wenige Konzilsväter haben zum Ausklang des II. Vatikanums den Katakombenpakt unterschrieben, ein Bekenntis zu Nachfolge in Armut.
allumfassend
Jesu himmlischer Vater lässt seine Sonne nicht über Gute und Böse aufgehen.
Wer gibt uns das Recht zu sagen, unser Gott ist allein für uns - und unsere Feinde hat er zu vernichten? Ja, was ist denn gut katholisch? Das heißt doch allumfassend und nicht ausschließlich wir und sonst niemand mehr.
Nur grölende Fußballfans in ihrem Alkoholtaumel glauben, dass nur ihre Mannschaft Fußball spielen könnte. Jesus lehrt Toleranz gegen die andersgläubigen Samaritaner. Und wir können es uns erlauben zu sagen, alle anderen sind ja nicht Kirche im eigentlichen Sinne.
Ich dachte, Apartheid und Snobismus gehörte der Vergangenheit an. Sollten wir uns nicht zusammentun und für eine Welt voller Gerechtigkeit, Friede und Harmonie mit Gottes Schöpfung arbeiten? Er wollte, dass wir mitarbeiten am Aufbau des Reich Gottes.
Die Sache Jesus betreibt, wer Hunger, Krankheit, Krieg und alle Angst minimiert. Wir können doch nicht mit unserm Glauben über andere Menschen herfallen, um sie zu unserer Wahrheit zu bekehren und für unsere Zwecke zu missbrauchen. Wer sich darin auf Jesus beruft, hat ihn aufs Gründlichste missverstanden und schlägt ihn neuerlich ans Kreuz.
teilend
Wir können nicht konsequenterweise Danksagung feiern, wenn wir nicht das, was uns Gott geschenkt und anvertraut hat, teilen; wenn wir gar nicht kommunizieren wollen auch mit den Menschen. Wenn wir im Leben nicht bereit sind, unser Brot zu brechen mit den Armen, dann ist es ein Frevel, es in kultischer heiliger Handlung zu tun.
Aber wir haben das Recht und die Pflicht, das Teilen dessen, was das Leben ausmacht, in kleinen, überschaubaren Gemeinden allsonntäglich einzuüben. Eine Gemeinde, die miteinander auf Gottes Wort hinhört, den Tod und die Auferstehung des Herrn feiernd bedenkt und Dienst an den mühseligen und beladenen Menschen tut, hat eine einmalige Würde, ist Leib Christ, sprich Kirche im vollen Sinne. Ihr Haupt ist Christus, der auferstan-dene und fortlebende Herr. Und wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit. Da dürfen wir uns nicht länger an die lange Gängelleine nehmen lassen.
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Die Menschen verlassen die Kirche wie Touristen und Leichtmatrosen ein sinkendes Schiff. Sie müssen den Eindruck haben, dass sie ja eh nur als Kirchensteuerzahler gefragt sind, sonst haben sie keine Stimme. Träger der Seelsorge ist die ganze Gemeinde, aber die hat man entmündigt. Ist denn Zölibat noch ein auf die Endzeit verweisendes Zeichen? Versteht es denn heute noch jemand so? Haben die Oberhirten da irgend einen Respekt vor der Würde ihrer Mitarbeiter und vor den ihnen Anvertrauten?
Der Glaube kommt doch vom Hören. Wenigsten meint dies Paulus. Warum sind Papst und Bischöfe gegenüber dem Volk Gottes taub? Ich fürchte, sie hören nicht hin auf das, was Gott den Menschen sagen will durch die Zeichen der Zeit. Und was "der Geist Gottes heute den Gemeinden sagt." (7x in Offb) Sie wollen Feste feiern in Reminiszenz - und nicht den Blick gerichtet auf das kommende Reich Gottes. Wir sollten den ach so guten alten, sprich feudal-imperiale Zeiten in keiner Weise nachjammern. Sie hatten mit Jesu Ausrichtung nach Jerusalem und seinem Weg nichts, aber wirklich gar nichts zu tun.
Abraham ging im Glauben voran, hinein auch in eine ungewisse Zukunft. Der Glaube verdunstet angeblich, andere verwechseln Glaube mit einem im Brauchtum überkommenen Fronleichnahmszug und meinen deshalb überheblich: Gott sei Dank ist der Glaube bei uns noch zu Hause. Ja, die Folklore ist auch bei uns zu Hause in gleicher Weise, so dass Touristen sie kaum auseinander kennen können. Die so jammern, sollten ihre Beschleunigerrolle für den Glaubensverlust zur Kenntnis nehmen. Wenn Kirche Selbstzweck geworden ist und nicht die Bewegung, die mit dem Reich Gottes hier und heute anfängt, dann werden diejenigen, die in prophetischer Weise dem Zug voraus sind wie ein Eugen Drewermann, die Krücken und Korsette wegschmeißen und ohne Hilfsmittel und kirchlich rationierte Gnadenmittel ans Ziel gelangen.
Jesus predigte das Reich Gottes. Gekommen aber ist eine vom Klerus dominierte Kirche. Jesus scheint mir jedoch kein Kleriker gewesen zu sein, sondern einer, der uns Menschen in allem gleich wurde, ohne Talar und Kollar.
Wolfgang Dettenkofer - HWDKHA(at)t-online.de
Manfred Wussow (2007)
Wolfgang Jungmayr (2001)
Josef Kampleitner (1998)