Viele Wege führen zum Gottesglauben
Die vielen Versuche, religiöse Weltbilder durch wissenschaftliche zu ersetzen wollen nicht so recht gelingen. Eine Vielzahl von menschlichen Erfahrungen führt zur Ahnung einer hinter allem stehenden Göttlichkeit.
Die einen sind überwältigt von den immer neuen "Wundern der Natur" und sagen sich, es muss "etwas Höheres" geben. Auch Wissenschaftler kommen aus dem Staunen nicht heraus, wenn sie die Welt in ihre chemischen und physikalischen Bestandteile zerlegen. Sie haben entdeckt, dass auch Atome nicht "atomoi" (giechisch, auf Deutsch "unteilbar") sind, und sind dabei auf Zusammenhänge gestoßen, die die alten Grenzen zwischen Materie und Geist verschwimmen lassen. Ähnlich ergeht es jenen, die in den Kosmos hinausschauen und nach Erklärungen für sein sich immer weiter Ausdehnen suchen. Natürlich führen all diese Beobachtungen nicht schnurgerade zum Gottes- und Schöpfungsglauben, oder liefern gar "Gottesbeweise". Sie lassen uns aber staunen und fragen.
Zum faszinierten Staunen und oft zu persönlicher innerer Erschütterung kann man auch auf anderen Wegen kommen. Mütter erzählen, dass sie sich dem Göttlichen verbunden fühlten, als sie nach den Strapazen der Geburt ihr Kind in den Armen hielten. Andere sind zutiefst betroffen von der Erfahrung, in einer schwierigen Situation durch eine höhere Macht geführt worden zu sein und sie wollen sich nicht mit der Erklärung "Zufall" abfinden.
Viele Menschen begeben sich auf die Suche nach spiritueller Tiefe für ihr Leben. Sie üben Meditation, Yoga, Tantra oder suchen Kontemplation nach Anleitungen alter Meister der Mystik. Sie entdecken das Göttliche in sich und geben ihm unterschiedliche Namen und Beschreibungen.
Der Weg der Läuterung der Gottesvorstellungen
Manche Christen geraten in Panik, wenn sie davon hören, verbieten sich und anderen solche Erfahrungen, weil sie ihre eigene Glaubenstradition dadurch gefährdet sehen. Ich sehe nur Anlass vor 1 Gefahr zu warnen: Die eigene persönliche Erfahrung nicht auch kritisch zu hinterfragen und eine eigene Religion, bzw. einen Religionsersatz daraus zu machen sowie in einem weiteren Schritt dafür zu kämpfen und zu missionieren.
Jede dieser Erfahrungen kann Menschen zu Gott hinführen, muss aber auch den Weg der Läuterung gehen. Am eindrücklichsten wird uns dies in der biblischen Erzählung von der Gotteserfahrung des Propheten Elija vor Augen geführt. Auf dem Höhepunkt seines Prophetenlebens, als er durch einen offensichtlichen Gottesbeweis über die Baalsanhänger triumphiert, muss er zur Kenntnis nehmen, dass Gott ganz anders ist. Auf dem Gottesberg Horeb gibt Gott ihm zu verstehen: Gott ist nicht im Sturm, nicht im Feuer, nicht im Erdbeben . . .
Bis die Christen zur Ausformulierung ihres Glaubensbekenntnisses gekommen sind, mussten auch sie einen Weg der Läuterung ihrer Gottesvorstellungen gehen. Erst nach langen heftigen Auseinandersetzungen haben sie ihre Gottesvorstellung als Glauben an 1 Gott in 3 Personen definiert.
Aus der jüdischen Tradition haben sie den Glauben an den 1 Gott, der alles erschaffen hat, übernommen. Hinzu kam die Gewissheit, dass dieser Gott sie aus der Unterdrückung der Ägypter befreit und sie zu seinem Volk gemacht hat. Auch das Volk Israel musste im Laufe seiner Geschichte viele engführende Gottesvorstellungen zurücklassen und lernen: "Gott ist ganz anders". Besonders einschneidend war für sie der Zusammenbruch des von Saul und David begründeten Königtums und des babylonischen Exils.
Neue Gotteserfahrungen
Es sind aber auch ganz neue Gotteserfahrungen hinzu gekommen. Im Auftreten Jesu machten seine Anhänger und einige Personen darüber hinaus die Erfahrung: "Wahrhaftig, dieser Mensch ist Gottes Sohn!".Bezeichnenderweise lässt Markus dies den römischen, d.h. heidnischen Hauptmann, die die Hinrichtung Jesu beaufsichtigte, aussprechen. Im Rückblick auf das Leben Jesu entdeckten seine Jüngerinnen und Jünger immer deutlicher, dass in Jesu Art zu leben, zu reden und zu handeln, sich Göttliches manifestierte. Diese Überzeugung fand in der Rede vom "Sohn Gottes" seinen Ausdruck und seine Ausfaltung.
Doch damit nicht genug. Nach seinem Tod machten seine Anhänger die Erfahrung: Er lebt weiter in neuer Weise. Er wirkt weiter durch seinen Geist. Die Christen empfanden dies als ganz neue Epoche des Gottesglaubens. Da sich mittlerweile dieser Bewegung immer mehr Menschen aus dem multikulturellen Raum der römisch-griechischen Welt angeschlossen hatte, ergab sich die Notwendigkeit, ihre gesammelten Gotteserfahrungen in einer alle vereinenden Formel zum Ausdruck zu bringen, wie wir sie in den beiden großen Glaubensbekenntnissen überliefert bekommen haben.
Dreifaltigkeit heute
Wir feiern heute das Fest der Heiligsten Dreifaltigkeit. Ist es mehr als eine historische Reminiszenz? Hat diese überlieferte Glaubensformel auch heute noch Bedeutung? Für mich wird darin der Raum abgesteckt, innerhalb dessen sich das christliche Reden von Gott bewegen kann.
Zunächst fordert mich das Bekenntnis zum 1 Gott in 3 Personen auf, die vielen Erfahrungsmöglichkeiten des Göttliches, die wir auch heute machen, einerseits ernst zu nehmen und andererseits kritisch zu diskutieren. Ich finde die Vielfalt, mit der wir heute konfrontiert sind, ungemein inspirierend. Doch auch wir haben hinsichtlich unserer Gottesvorstellungen einen Weg der Läuterung nötig. Ich bin z. B. den Anhängern eines "wissenschaftlichen" Weltbildes dankbar, die darauf aufmerksam machen, dass ein einfältiger (!) Kreationismus (Schöpfungsglaube) zu kurz greift. Zugleich bin ich aber sicher, dass die Schöpfer der biblischen Schöpfungserzählungen alles andere als naive Kreationisten waren. Sie haben in einer literarisch unübertroffenen Weise ihren Glauben, dass diese Welt von einem unfassbaren und unbegreiflichen Gott ins Dasein gerufen worden ist, zum Ausdruck gebracht. Umgekehrt kreide ich ihnen an, dass manche ihre naturwissenschaftlichen Einsichten und Standpunkte zu einer Glaubenslehre hochstilisieren.
Ich bin überzeugt, dass jede Glaubens- und Gotteserfahrung einen kleinen Ausschnitt des großen und überwältigenden Geheimnisses Gottes zum Ausdruck bringt. Die jüdisch christliche Tradition lehrt mich aber: Gott ist immer noch viel größer und er ist jenseits jeder menschlichen Vorstellung.
Einen wichtigen Gegenpol zum alles übersteigenden Geheimnis Gottes finden wir im Glauben an die Göttlichkeit und Gottessohnschaft Jesu. Johannes lässt ihn sagen: "Wer mich sieht, sieht den Vater". In Jesus wird anschaubar, wie der Glaube an Gott im konkreten Leben Gestalt gewinnen kann. Wer seine persönliche Gotteserfahrung in eine persönliche Lebensgestaltung einfließen lassen und umsetzen will, kommt an der Person Jesu nicht vorbei. Er hat uns einen Maßstab vorgegeben, mit dem sich jeder religiös lebende Mensch früher oder später auseinandersetzen muss.
Gott ist aber nicht nur eine geschichtliche Größe, die das gesamt Dasein geschaffen und den Kosmos bis jetzt gelenkt hat. Der Geist Gottes lenkt auch in der Gegenwart und in der Zukunft das, was er geschaffen hat. Damit rechne ich, darauf vertraue ich.
Gott begegnen
Ein bedeutsamer Aspekt des christlichen Gottesbildes ist die Vorstellung, dass Gott Person ist, bzw. dass uns Gott in 3 Personen begegnet. Dass ich als Person einem anderen Menschen begegnen kann, dass ich lieben kann und mich geliebt erleben kann, gehört für mich zur dichtesten Erfahrung des Menschseins. Ein Gott, der dies nicht könnte, wäre für mich kleiner als der Mensch. Dass Gott dem Menschen nicht nur als unfassbares Mysterium gegenübertritt sondern auch als Person mit ihm spricht und ihn liebt, macht einen wesentlichen Teil meines christlichen Gottesbildes aus.
Das Fest der Heiligsten Dreifaltigkeit lädt ein, sich über Gott Gedanken zu machen, das eigene Gottesbild zu überprüfen und es vielleicht auch zu erweitern. Es lädt aber auch ein, mit diesem Gott in Kontakt zu treten, mit ihm zu reden und ihm zu begegnen.