Der mühsame Kampf um Gerechtigkeit
Sie kennen das: die Enttäuschung oder gar das Entsetzen an einem Wahlabend über das Ergebnis der Wahl - wie können die Österreicherinnen, Kärntnerinnen, Italienerinnen (beliebig auszutauschen)... nur so gewählt haben! Wie soll denn da die Politik besser werden!?
Oder der bittere Nachgeschmack, der nach einer Fernsehsendung über Fleischproduktion, -handel und die Nahrungsmittelindustrie bleibt - das kann doch nicht wahr sein, wie ungeheuerlich mit Tieren, mit Lebensmittel umgegangen wird!
Oder nach einem Bericht über Flüchtlinge in Österreich, ihre Behandlung hier und ihre Überlebensbedingungen. Beschämend für unser Land.
Oder nach einer Notiz in der Zeitung, wonach in Bangladesh wieder eine Kleiderfabrik mitsamt vielen dort angestellten niedergebrannt ist...
Vielleicht habe ich mich ja schon informiert, bewusst eingekauft, unterschrieben, bin in Initiativen aktiv; aber jede Anstrengung, jeder Kampf um Gerechtigkeit gestaltet sich sehr mühsam, Fortschritte sind oft nur in kleinen Schritten zu erreichen; ich fühle mich klein, einsam, überfordert. Rückschläge entmutigen einfach, Verzweiflung macht sich breit.
Trauer und Klage
Wenn Visionen und Träume zerbrechen, möchte man sie einfach hinschmeißen, auf den Müll werfen. Das geht uns so im Blick auf das eigene Leben. Noch viel deutlicher wird das Unheil in der Welt im Blick auf die Menschen ringsum, in anderen Ländern (wenn man nur denkt an die Armut, Flüchtlinge, Kriege, politische Verhältnisse - wahnsinnige, für uns kaum vorstellbare Situationen) - die Welt wie sie jetzt ist und auch bisher war, ist "hinten und vorne" verletzt, irreparabel beschädigt, mit viel zu viel Blut besudelt. Situationen des Unrechts zu reparieren oder renovieren scheint sinnlos, die deutlichen Narben bleiben trotzdem. Himmel, Erde, Meer - zu viel Schreckliches ist dort schon geschehen, zu viele Menschen verletzt, Umwelt zerstört, Wunden in Natur und Menschen geschlagen, als dass es ganz wiederhergestellt werden könnte.
Manches gehört unweigerlich zum Menschsein dazu: Trauer und Klage um verlorengegangene Menschen, Lebensmöglichkeiten, verpasste Gelegenheiten; die Mühsal des Lebens von der Geburt an: jeden Tag von neuem aufstehen, zur Arbeit gehen/Arbeit suchen, Nahrung bereitstellen, sich durchkämpfen; vielfältige Krankheiten, Behinderungen; schließlich der Tod als endgültige Schwelle des Lebens, die wir nur einmal (unwiderruflich) überschreiten können - dieser Tod trennt uns von geliebten Menschen, auf lange Jahre hin, lässt uns verlassen sein, weil wir Ansprechpartner verlieren, und oft bleiben wir durch den Abschied des Todes jemandem immer etwas schuldig... Übrig sind Tränen, Tränen der Enttäuschung, der Trauer, des Versagens, der Niedergeschlagenheit.
Ist unsere letzte Möglichkeit, nach diesen bedrückenden Erfahrungen alles hinzuschmeißen? Die Hoffnung aufzugeben? Nichts mehr zu tun? Das hieße, selber ein hoffnungsloses Leben zu führen, nur noch ergeben auf das Ende zu warten und sich den Umständen auszuliefern.
Woher soll die Kraft für den täglichen Neubeginn kommen?
Ein neuer Anfang
Aus Visionen wie dieser, die im Buch Offenbarung zu lesen war: ein neuer Anfang, eine neue Erde, ein neuer Himmel, eine neue Stadt. Dieses Neue, Helle kommt von Gott her als Geschenk, ermöglicht einen echten Neubeginn. Wir sind nicht mehr gottverlassen, wie es uns heute in unseren Tagen manchmal vorkommt, sondern mit der deutlichen Präsenz und Gegenwart Gottes mitten unter uns beschenkt. Vom "ach wenn doch einer da wär" hin zu "siehst du es nicht, er ist wirklich da!" Nicht umsonst heißt unser Gott "ich bin da". Der Nachbar in dieser neuen Umgebung wird Gott selbst sein - er wird uns trösten, wird mit uns leben, solidarisch sein, mitten unter uns. Die Präsenz Gottes, die sich in Freude, Frieden und spürbarer Gegenwart äußert; auch dadurch, dass alle merkbar das Volk Gottes sind, dass man den Menschen die tätige Liebe auch ansieht.
Ein neuer Anfang, eine neue Erde, das ist wirklich das, was wir brauchen! Wir brauchen die Gewissheit, dass es einen Ort gibt oder zumindest geben wird, wo alles heil wird.
"Denn was früher war, ist vergangen", heißt es in der Offenbarung des Johannes. Was früher war, wirklich vorbei und vergangen sein zu lassen: nicht vergessen, nicht verdrängt, nicht ungeschehen, aber so, dass es mich jetzt nicht mehr verletzt, beeinträchtigt oder belastet.
Ein neuer Himmel, eine neue Erde, ein neues Leben
Wenn etwas neu ist, dann ist es heil, frisch, unbeschädigt, gut zu gebrauchen; viele haben eine kindliche Freude an neuen Sachen, sie als erste/r benutzen zu können, ihre Unversehrtheit und ihren Glanz zu spüren.
Dieser neue Ort, diese "Stadt Jerusalem", wird bei Johannes mit einer Braut verglichen. Das Bild der Braut steht für freudige Erwartung, Sinnlichkeit, Erotik, Offenheit für die gemeinsame Zukunft - und die wichtigste Zutat, das sprechendste Kennzeichen des Neuen: die Liebe - im täglichen Umgang miteinander; als bemerkenswertes Merkmal; als grundsätzliche Haltung den Menschen gegenüber.
Das Vermächtnis Jesu beim Abschied von seinen Jüngern, wie im Evangelium zu hören war, sind nicht dutzende Gebote, Vorschriften oder Dogmen. Es ist die Liebe als Lebenseinstellung. Christinnen sollen wir sein und werden, denen man die Erlösung schon jetzt ansieht. Die um das Ziel ihres Weges wissen, die davon singen und davon handeln - auf dem langen und beschwerlichen Weg.
Wo eine neue Erde, ein neuer Himmel uns jetzt schon in Augenblicken und Begegnungen geschenkt werden und gelingen, wo Solidarität, Achtung und Liebe uns verbinden, da hat sich die Vision Gottes schon eingenistet und festgesetzt in der Gegenwart, um uns kraftvoll auf dem Weg zur Erlösung hin zu begleiten.
© Mag.a Angelika Gumpenberger-Eckerstorfer
Hans Hütter (1998)
Martin Stewen (2004)