1. Lesung vom 3. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C:
Neh 8,2-4a. 5-6. 8-10
Lesung aus dem Buch Nehemia:
Am ersten Tag des siebten Monats
brachte der Priester Esra das Gesetz vor die Versammlung;
zu ihr gehörten die Männer und die Frauen
und alle, die das Gesetz verstehen konnten.
Vom frühen Morgen bis zum Mittag las Esra
auf dem Platz vor dem Wassertor
den Männern und Frauen und denen, die es verstehen konnten,
das Gesetz vor.
Das ganze Volk lauschte auf das Buch des Gesetzes.
Der Schriftgelehrte Esra stand auf einer Kanzel aus Holz,
die man eigens dafür errichtet hatte.
Esra öffnete das Buch vor aller Augen;
denn er stand höher als das versammelte Volk.
Als er das Buch aufschlug, erhoben sich alle.
Dann pries Esra den Herrn, den großen Gott;
darauf antworteten alle mit erhobenen Händen:
Amen, amen!
Sie verneigten sich, warfen sich vor dem Herrn nieder,
mit dem Gesicht zur Erde.
Man las aus dem Buch, dem Gesetz Gottes,
in Abschnitten vor und gab dazu Erklärungen,
so daß die Leute das Vorgelesene verstehen konnten.
Der Statthalter Nehemia,
der Priester und Schriftgelehrte Esra und die Leviten,
die das Volk unterwiesen,
sagten dann zum ganzen Volk:
Heute ist ein heiliger Tag zu Ehren des Herrn, eures Gottes.
Seid nicht traurig, und weint nicht!
Alle Leute weinten nämlich,
als sie die Worte des Gesetzes hörten.
Dann sagte Esra zu ihnen:
Nun geht, haltet ein festliches Mahl,
und trinkt süßen Wein!
Schickt auch denen etwas, die selbst nichts haben;
denn heute ist ein heiliger Tag zur Ehre des Herrn.
Macht euch keine Sorgen;
denn die Freude am Herrn ist eure Stärke.
Das Buch Nehemia gehört zum Chronistenteil des Alten Testaments. In der Zeit nach dem Exil suchte Israel neu seinen Platz und seine Form. 538 vor Christus erlaubte Kyrus die Rückkehr nach Jerusalem, 515 war der Tempel wieder aufgebaut. Der Priester Esra kam von Babel nach Jerusalem, um das Gesetz zu verkünden. Es war der erneute Versuch, eine Alltagsordnung zu haben. Alltag war Alltag vor Gott, und das Gesetz gab an, was in diesem Alltag zu beachten ist: In dem Maß, wie das Gesetz als hilfreiche Lebensregel wahrgenommen wird, verbindet und ermutigt es.
Neh 8 zeigt uns Esra auf dem Höhepunkt seiner Wirksamkeit. Im 5. Monat des Jahres 458 (Esr 7,9) war der Schriftgelehrte Esra mit einer Gruppe von Juden aus Babel nach Jerusalem heimgekehrt. Er hatte vom persischen Großkönig Ataxerxes den Auftrag erhalt, der nachexilischen Gemeinde in Israel das Gesetz zu verkünden. Im 7. Monat ruft er das Volk zusammen, um in einer heiligen Versammlung den Gottesbund vom Sinai zu erneuern. Neh 8,1-12 berichtet von der Verlesung des Gesetzes, die einer Bundeserneuerung gleichkam. Im Anschluss an dieses historische Ereignis feierte man das Laubhüttenfest. Das Wort Gottes hatte am Sinai das Volk zusammengerufen und zur Gottesgemeinde gemacht. Auch die Erneuerung des Bundes geschieht durch die Verkündigung des Gesetzes. Die feierliche Entfaltung der Thora ist ein liturgischer Akt. Das ganze Volk erhebt sich, um dem Gotteswort seine Verehrung zu bezeigen. Dem Emporheben der Rolle folge ein kurzer Segensspruch, ein Lobpreis Jahwes. Darauf antwortet des Volk mit einem doppeltem Amen. Die Gesetzesworte, die Esra vorlas, macht die Leute sehr betroffen – sie weinen. Er gebietet dem Weinen und Trauern Einhalt und weist auf den festlichen Charakter des Tages hin: Freude an Jahwe haben drückt sich auch aus, indem man gut isst und trinkt. "Die Freude am Herrn ist eure Stärke" fasst die Botschaft Esras an das Volk zusammen.
Norbert Riebartsch (2004)
Feri Schermann (2001)