Autoritätsverlust
Mit der Einführung des Christkönigsfestes 1925 wollte Papst Pius XI. die Menschen dazu führen, die Königsherrschaft Christi anzuerkennen. Zugleich war es seine Absicht, dem Geist der Zeit entgegen zu wirken, der sich bemerkbar machte in der Säkularisierung des Lebens, im Abbau der bisher maßgebenden Autoritäten in Kirche und Gesellschaft sowie im Verlust christlicher Wertvorstellungen. Als Absage an den totalen Anspruch des Faschismus erhielt dann das Christkönigsfest einen hohen Erlebnis- und Zeugniswert. So habe ich es selber noch erlebt als überzeugter, von meinen Eltern gegen die Nazis geimpfter junger Christ. Den kirchlichen Stellenwert von damals und später in der Aufbruchbewegung nach dem Zweiten Weltkrieg mit seinen Christkönigs- und Bekenntnissonntagen besitzt das Christkönigsfest nicht mehr.
Ein Herr - anders als die Herren dieser Welt
Was sagt uns noch der Titel König, nachdem Könige und Königinnen keine Macht mehr haben? Ihr Einfluss auf das politische Leben ist geschwunden. Die Macht und Herrschaft der gekrönten Häupter ist auf andere übergegangen - auf ungekrönte Häupter in demokratischen oder undemokratischen Regierungsformen. In Jesus wollte Gott ganz anders Herr sein als die Herren dieser Welt. Auch anders als es die gesalbten Könige Israels waren, etwa David, von dessen Salbung zum König wir heute im 2. Buch Samuel gehört haben.
In Jesus wurde das, was wir Herrschaft nennen, völlig auf den Kopf gestellt. Er wurde den Menschen ausgeliefert, wurde von ihnen verhöhnt und ans Kreuz geschlagen. Die ihm feindlich gesonnenen Leute, die unter dem Kreuz standen, die führenden Männer des Volkes, verlachten ihn. Andern habe er geholfen. Wenn er der erwählte Messias Gottes sei, dann solle er sich jetzt selber helfen. Die Soldaten stimmten in dieses Hohnlied ein. Er sei doch der König der Juden, wie auf der Tafel über dem Kreuz zu lesen ist.
In der Passionsgeschichte bei Matthäus hören wir, dass die Hohenpriester und Ältesten spotteten und sagten: "Er ist doch der König von Israel. Er soll vom Kreuz herabsteigen, dann werden wir an ihn glauben. Er hat auf Gott vertraut: der soll ihn jetzt retten, wenn er an ihm Gefallen hat; er hat doch gesagt. Ich bin Gottes Sohn" (Mt 27,42 f.). Gott hat ihn nicht vom Kreuz herabgeholt, um ihn als den von ihm gesandten Messias zu bestätigen, ihn als seinen Sohn zu offenbaren.
Der Weg Jesu
Versetzen wir uns einmal in die Situation der anderen Menschen, die unter dem Kreuz gestanden haben - Maria, die Frauen, Johannes. Sie konnten noch nicht ahnen, wie Gott Jesus aus dem Tod erretten werde, und ob er das tun werde.
Hätten nicht auch wir, anders als seine Widersacher, inständig gehofft, dass er nicht am Kreuz sterben würde? Hätten nicht auch wir gehofft, dass in dieser letzten schrecklichen Stunde, die Jesus erleiden musste, Gott seine Macht erweisen werde? So dass diejenigen, die ihn verurteilt haben, ihn anerkennen mussten als den, der gekommen ist, in Israel und in der Menschheit das Reich Gottes aufzurichten. Doch nichts dergleichen geschah. Selbst die Jünger Jesu, seine engsten Freunde begriffen ihn nicht mehr. Mit den Frauen stand als einziger Mann Johannes unter dem Kreuz seines Herrn.
Als glaubende Menschen erkennen wir im Nachhinein, im Licht des Osterglaubens, wie die Geschichte Gottes mit Jesus ausgegangen ist. Wir glauben, dass er der Kyrios, der Herr, ist. Dass in ihm das Reich Gottes, seine Königsherrschaft in dieser Welt angebrochen ist. Dass er der König des neuen Gottesvolkes ist.
Bei unserem Glauben an den Auferstandenen und an den von Gott erhöhten Herrn sollten wir uns jedoch immer vergegenwärtigen, welchen Weg Jesus gegangen ist. Jesus selber brauchte Zeit, um den Weg ganz unten durch zu Ende zu gehen. Als Petrus ihn davon abringen wollte, sagt er zu ihm. Geh weg von mir, du willst mich zu Fall bringen. Du willst, dass ich ein irdisches Reich herbeiführe, einen Gottesstaat. Doch Jesus hatte erkannt, dass dies nicht sein Weg sein kann. Er musste den Weg der Gewaltlosigkeit bis zu Ende gehen, und sei es, dass dies für ihn der gewaltsame Tod bedeutet.
Auf ihn treffen die Worte im vierten Gottesknechtlied bei Jesaja zu: "Er wurde misshandelt und niedergedrückt, aber er tat seinen Mund nicht auf" Jes 53,7). Jesus ist auf seinem Leidensweg Gott treu geblieben, der allmächtig sein will in der Ohnmacht der Liebe. In den Augen der Menschen ist diese Ohnmacht Schwachheit.
Das Ärgernis des Kreuzes
"Die Juden", schreibt Paulus, "fordern Zeichen, die Griechen suchen Weisheit. Wir dagegen verkündigen Christus, den Gekreuzigten: für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit, für die Berufenen aber, Juden wie Griechen, Christus, Gottes Kraft und Weisheit. Denn das Törichte an Gott ist weiser als die Menschen, und das Schwache an Gott ist stärker als die Menschen" (1 Kor 1,22-24).
Über die als Ohnmacht erscheinende Liebe schreibt Dietrich Bonhoeffer: "Gott lässt sich von der Welt herausdrängen an das Kreuz. Gott ist ohnmächtig und schwach in der Welt. Und gerade so und nur so ist er bei uns." Jesus bleibt Herr, anders, als es Menschen sich vorstellen. Er wurde inthronisiert zum König mit der Dornenkrone, gekrönt zum Kreuzesmessias.
Das älteste Lied, das Christen gesungen haben, von Paulus in seinen Brief an die Philipper aufgenommen, bekundet dies so: "Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrige sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen, damit alle im Himmel, auf der der Erde und unter der Erde ihre Knie beugen vor dem Namen Jesu und jeder Mund bekennt: »Jesus Christus ist der Herr« - zur Ehre Gottes, des Vaters." (Phil 2,6-11)
"Du kommst als Diener aller,
lebst als Mensch unter Menschen
und wirst durch deine wehrlos-verwundbare
Liebe ein verlassener letzter Mensch.
Du wählst die Karriere nach unten,
durchbrichst das uralte Schema
von Herren und Knechten,
erntest dafür Spott und Hohn,
bis zum bitteren Ende.
Du trägst die Dornen,
die Schläge ins Gesicht
das Unrecht, das Kreuz,
damit für uns Unerträgliches
und Unsägliches
tragbar werden.
Du gehst den Weg des Verlierers,
des Verrats, des Scheiterns,
der gebundenen Hände,
des schweigenden Leidens,
den Kreuzweg als Königsweg.
Du erlöst die Menschen
zwischen der überheblichen
Verachtung des einen
und der reuigen Bitte
des anderen Schächers.
Du versöhnst die Welt
im Kampf auf Leben und Tod,
zwischen Erbarmen und Härte
durch den Sieg der Auferstehung.
Du ziehst alle an dich
als der Erhöhte,
der durch die Erniedrigung gegangen
und dessen Herrschaft
nicht von dieser Welt ist.
Du wirst wiederkommen
in deiner Macht als König,
damit wir dort sind,
wo auch du bist,
für eine ganze Ewigkeit
in königlicher Würde."
(Paul Weismantel)
Norbert Riebartsch (2010)
Manfred Wussow (2004)
Lorenz Walter Voith (1998)