1. Lesung vom 2. Fastensonntag, Lesejahr A:
Gen 12,1-4a
Lesung aus dem Buch Genesis:
In jenen Tagen
sprach der Herr zu Abram:
Zieh weg aus deinem Land,
von deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus
in das Land, das ich dir zeigen werde.
Ich werde dich zu einem großen Volk machen,
dich segnen und deinen Namen groß machen.
Ein Segen sollst du sein.
Ich will segnen, die dich segnen;
wer dich verwünscht, den will ich verfluchen.
Durch dich sollen alle Geschlechter der Erde Segen erlangen.
Da zog Abram weg,
wie der Herr ihm gesagt hatte.
Die alttestamentliche Lesung stammt aus dem Buch Genesis, dem ersten Buch der Bibel. Nach der so genannten Urgeschichte bildet der Text von der Berufung Abrahams aus Ur in Chaldäa dort in mehrfacher Hinsicht einen Anfang: Es ist der Anfang des so genannten Abraham-Zyklus, es ist damit auch der Anfang der Erzählungen von den Patriarchen und der Anfang der Geschichte Gottes mit seinem Volk Israel überhaupt.
Die Perikope stellt den Beginnn der Abrahamserzählung (Gen 12-25) dar. Gen 11,27-32 war der Übergang von der Urgeschichte zu den Vätererzählungen. Die größere Einheit ist 12,1-9 (Verheißung an Abraham und Wanderung). Die Verse 1 bis 3 bilden die theologische Einleitung dazu mit der Betonung auf der Verheißung. Den Rahmen bilden der Befehl Gottes zum Aufbruch (Vers 1) und die Ausführung durch Abraham (Vers 4a). Die Weisung zum Aufbruch soll Abraham (einen Nomaden, der das Wandern gewohnt war!) aus einer Notsituation retten bzw. vor Not bewahren. Die 3 Kreise, aus denen er aufbricht (Land - Verwandtschaft - Vaterhaus) zeigen den völligen Neuanfang. Im Zentrum der Verheißung steht der Segen (Verse 2-3) mit der Steigerung: Abraham (2), alle, die mit Abraham in Berührung kommen (3a) und schließlich die ganze Menschheit (3b). Die Grundverheißung "Ich will dich segnen" meint nicht eine einzelne Aktion, sondern einen steten Prozeß; "barak" = "segnen" meint: Kraft der Fruchtbarkeit, des Wachsens, des Gelingens - als ständige Haltung Gottes zu Abraham. Weil Abraham gesegnet wird, kann er auch zum Segen für andere werden - ja noch weiter: das Verhalten der Menschen gegenüber A.bewirkt für sie Fluch oder Segen.
Der Text der Lesung leitet die Patriarchengeschichte des Buches Genesis ein. Man hat in diesem Erzählkomplex (Gen 12-50) die Überlieferungen und Sagen einzelner Halbnomadenverbände über jene Personen zusammengestellt, die als Stammväter betrachtet wurden und historisch wohl in der Zeit zwischen 1500 und 1200 v. Chr. zu situieren sind. Abraham (hier in der Form Abram) war der Stammvater eines dieser Verbände. Er wird in der Patriarchengeschichte aber nicht nur als der Urvater eines Stammes gesehen, sondern als der Ahnherr des ganzen Volkes Israel schlechthin. Sein Name bedeutet soviel wie "Mein Vater ist erhaben". In den der Lesung vorangehenden Kapiteln des Buches Genesis ist der "Fluch" ein zentrales Motiv. Unser Text erzählt nun vom fulminanten Beginn der Segensgeschichte Gottes. Abraham selbst erfährt Segen, aber er soll auch zum Exponenten dieses Segens werden. Durch ihn (und damit durch ganz Israel) sollen sowohl die nähere Mitwelt als auch die fremden Völker das Heilswirken Gottes erfahren. Die Segensgeschichte kann beginnen, da Abraham den Aufbruch aus dem Gewohnten in unbekanntes Neuland wagt, sein Leben radikal ändert und es an den Ruf Gottes bindet. Die Erzählung wird zur permanenten Herausforderung für Israel: Entsprechen wir noch dem verkündeten Willen Gottes? Handeln wir so, daß wir den anderen Völkern ein Segen sind?
Martin Stewen (2005)
Johann Pock (1999)
Martin Leitgöb (1996)