Hoffnung und Resignation
Was hat der dritte Diener so falsch gemacht, dass er so gnadenlos in die Finsternis geworfen wird? Kann man ihn nicht auch ein bisschen verstehen? Er fühlt sich überfordert, hat Angst vor seinem Herrn. Er versucht, vor der Verantwortung zu fliehen, indem er den Sack Geld vergräbt. Immerhin erhält er so den Wert, wenn er ihn auch nicht vermehrt.
Die anderen beiden Diener versuchen, mit dem anvertrauten Geld einen Gewinn zu erwirtschaften. Sie haben Ideen und setzen diese Ideen um, sichtlich mit Erfolg. Die Möglichkeiten, etwas Positives zu gestalten, stehen für sie im Vordergrund.
Der dritte Diener hat Angst. Er hat hauptsächlich die Möglichkeiten des Scheiterns vor Augen. Sie lähmen ihn so sehr, dass er sich außerstande sieht, mit dem anvertrauten Geld kreativ umzugehen.
Hoffnung bei dem ersten und zweiten Diener, und Resignation bei dem dritten, diese beiden Pole machen für mich die Spannung dieser Geschichte aus.
Was stärkt die Hoffnung und was hilft gegen Resignation? Diese Frage ist besonders dann aktuell, wenn die Lebensverhältnisse schwierig werden. Solange alle vom Aufschwung begeistert sind, ist es leicht, zuversichtlich zu sein. Wenn aber dunkle Wolken aufziehen, dann sind Hoffnungszeichen besonders gefragt. Sie sind wie Wasserbäche, die erschlaffenden Pflänzchen zu neuer Kraft verhelfen und zu neuem Wachstum. Hoffnungszeichen können zu Leitsternen werden, die Orientierung bieten, wenn die nächsten Schritte noch im Dunkeln liegen.
Die Hoffnung ist ganz eng mit dem Glauben verbunden.
Die Hoffnung gehört neben dem Glauben und der Liebe zu den drei christlichen Kardinaltugenden, die immer wieder im Zusammenhang genannt werden. Papst Benedikt hat vor genau einem Jahr dem Thema "Hoffnung" eine eigene Enzyklika gewidmet.
Die Hoffnung ist ganz eng mit dem christlichen Glauben verbunden. Oder anders ausgedrückt: Der christliche Glaube möchte in uns Menschen die Hoffnungskräfte stärken. Und das nicht nur deshalb, weil es sich als hoffnungsvoller Mensch leichter leben lässt, sondern weil wir einen Grund zur Hoffnung haben. Gott selber möchte uns Zukunft und Hoffnung schenken. Der Eröffnungsvers zum heutigen Sonntag steht textlich im unmittelbaren Zusammenhang mit der Zusage: Ich will euch Zukunft und Hoffnung geben. Das ist unsere Perspektive. Auf diese Zusage dürfen wir bauen: Zukunft und Hoffnung, umgeben von der Liebe Gottes.
Weil uns diese Zusage von Gott geschenkt ist, bekommen auch die ganz konkreten Hoffnungen unseres persönlichen Lebens einen Sinn: Die Hoffnung, sinnvoll leben zu können, die Hoffnung, ganz persönlich wahrgenommen zu werden, die Hoffnung, gestalten zu können, von Menschen umgeben zu sein, mit denen man die Hoffnung teilen kann. . . so viele Hoffnungen tragen wir in unseren Herzen. . . Diese Hoffnungen brauchen nicht ins Leere zu laufen. Es sind keine Hirngespinste, die nur im Traum ihre Berechtigung haben. Diese Hoffnungen dürfen sich an dem Versprechen Gottes orientieren: Ich will euch Zukunft und Hoffnung schenken.
Unsere Hoffnung braucht immer wieder neue Nahrung.
Unsere Hoffnung braucht immer wieder neue Nahrung. Immer wieder neu erinnern wir uns in Geschichten und Liedern an das, was uns zugesagt worden ist. Immer wieder neu feiern wir das Geheimnis der Eucharistie. Immer wieder neu dürfen wir erleben, wie Menschen durch das Sakrament der Taufe in die Gemeinschaft Gottes und die Gemeinschaft der Kirche aufgenommen werden. Wir hören die Zusage Gottes: Du bist gemeint. Es ist gut, dass du da bist. Dein Leben steht unter meinem Schutz. Heil und Barmherzigkeit soll dir zuteil werden. Und wenn du dunkle Täler zu durchschreiten hast, so werde ich, dein Gott, dennoch an deiner Seite bleiben.
Die Hoffnung wachzuhalten - bei uns und auch bei anderen -, das ist eine immer wieder neue Aufgabe. Jedem und jeder tut es gut, daran erinnert zu werden, dass es sich lohnt, immer wieder neu den Kopf zu erheben und neu anzupacken. Es ist ermutigend zu erleben, wenn die eigenen Anstrengungen nicht ins Leere laufen. Und wenn es mal nicht so gelingen will, wenn es Rückschläge gibt, so lohnt es sich dennoch, wieder aufzustehen. Menschen, die durch tiefe Täler gegangen sind, erzählen, dass sie gerade in den dunklen Zeiten ihres Lebens viel Kraft bekommen haben, dass die Erfahrung des Durchhaltens ihnen auch in der Zukunft weitergeholfen hat.
Diese innere Hoffnung hätte ich auch dem dritten Diener in dem Gleichnis gewünscht, dem Mann, der ganz verängstigt und ohne Hoffnung das ihm anvertraute Geld vergraben hat, statt mit ihm etwas zu gestalten und Gewinn zu erzielen. Er hatte wie auch die anderen Diener Geld anvertraut bekommen, aber er hatte die Hoffnung, die die anderen beiden erfüllte, nicht für sich gelten lassen, er hatte sich nicht von der Zuversicht anstecken lassen.
Hoffnungszeichen
Hoffnungszeichen gab es damals und gibt es heute in vielfältiger Form. Nicht immer sind sie so deutlich zu erkennen. Aber wenn wir danach suchen, werden wir Hoffnungszeichen entdecken können. Manchmal müssen wir beharrlich suchen, aber unser Suchen wird nicht vergeblich sein. Manchmal werden wir ihnen vielleicht an einem Ort begegnen, an dem wir sie nicht erwartet hätten… Und es ist gut, wenn wir uns bei der Suche nach Hoffnungszeichen gegenseitig unterstützen, wenn wir auf dunklen Wegstrecken einander zur Seite stehen und miteinander warten, bis ein neues Licht am Horizont auftaucht.
Heute sind wir hier zusammen und feiern unsere Hoffnung. Wir feiern das, was uns geschenkt ist, die Gemeinschaft mit Gott und die Gemeinschaft untereinander. (Und wir freuen uns darüber, dass auch an diesem Tag Menschen durch die Taufe in die Gemeinschaft der Kirche aufgenommen werden, dass Gott immer wieder neu die Geschichte mit uns Menschen beginnt.) Ein Hoffnungszeichen für heute und auch für die kommende Zeit.