Heilsgeschichte
Weihnachten sind uns in den einzelnen Evangelien viele bewegende und sehr zu Herzen gehende Bilder von der Liebe Gottes zu uns vorgestellt worden: die schlichte Geburt des Sohnes Gottes, die Hirten und die Engel, der Stern, der die Weisen aus dem Morgenland führt und leitet. Im Vergleich zu diesen Bildern begegnet uns das heutige Evangelium zwar feierlich, sonst aber eher nüchtern. Johannes hat einen so ganz anderen Stil als die übrigen biblischen Berichterstatter. Der vierte Evangelist kleidet seine Darstellung vom Eintreten Jesu in unsere Welt in eine hoch theologische Sprache, die wie ein Gedicht klingt, aber nur schwer zu verstehen ist. Was will uns der Evangelist sagen?
Johannes holt weit aus. Ihm ist es wichtig, die Geburt Jesu in die gesamte Heilsgeschichte Gottes mit uns Menschen zu stellen. Darum beginnt er mit der Erschaffung des Universums durch Gott: Am Anfang war das Wort. Johannes möchte, dass wir im Blick auf die Geburt unseres Erlösers Jesus Christus uns daran erinnern, dass Gottes Größe nicht erst in der Menschwerdung Jesu sichtbar wird und für uns zum Tragen kommt. In Gott hat alles Seiende seinen Ursprung. Gott sprach und alles ward. Und wenn der Evangelist von »dem Wort« spricht, das aus Gott hervorging, dann sollen wir uns die Größe dieses Gottes vorstellen. Er muss nicht lange und immer wieder befehlen oder diktieren, nicht alles neu regeln, leiten und lenken. Ein einziges Wort aus seinem Munde genügt, und alles wird. Dabei ist alles, was wird, ausgestattet mit Weisheit und Klugheit, Schönheit, Pracht und Majestät, mit geheimnisvollem Leben und vielfältigem Wandel.
Mensch werden nach Gottes Plan
In diesem Wort, das am Anfang von Gott ausgeht, ist auch unser Sein bereits eingeschlossen. Keiner von uns ist zufällig auf dieser Welt. Unser Werden ist eingebettet in die Schöpfung Gottes von allem Anfang an. Nichts ist geworden ohne seinen Willen. Alles Seiende wurde und wird durch das Wort Gottes am Anfang. Dabei ist jeder von uns ein Geheimnis. Jeder hat Würde und Wert in sich, weil er aus Gott, aus Gottes Wort hervorgegangen ist. In uns steckt also Göttliches, das es zu entdecken gilt. Je mehr uns dies gelingt, je mehr wir uns des Göttlichen in uns bewusst sind und es zur Wirkung bringen, indem wir dem Wesen Jesu ähnlich werden, umso mehr und tiefer werden wir Mensch nach Gottes Plan.
Die Krönung des göttlichen Wirkens und Schaffens durch ein einziges Wort ist die Menschwerdung seines Sohnes. Er geht von Gott aus, nimmt menschliche Gestalt an, wird Fleisch von unserem Fleisch. Die Menschwerdung Jesu, so will Johannes sagen, ist nicht ein Nachtrag, ist Gott nicht erst später zusätzlich eingefallen. Nein, sie ist geplant von allem Anfang an. Gott will für uns Menschen nicht ein totales Geheimnis, ein völlig Unbekannter bleiben. Er will sich sichtbar machen für uns Menschen in seiner Liebe und uns durch die Menschwerdung seines Sohnes zeigen, welchen Wert wir für ihn haben.
Allen, die dieses Handeln Gottes erahnen und begreifen, geht ein Licht auf. Sie werden in Jesus die Mensch gewordene Liebe Gottes erkennen. Ein Strahl der Freude und des Glücks wird sie erfassen. Sie werden fähig, in den Bereich des Göttlichen einzutauchen, um Gnade und Segen zu empfangen, wodurch sie erleuchtete Kinder Gottes werden, die nicht ablehnen, was Gott zu unserem Heil tut. So empfangen sie Gnade über Gnade.
Sich Gott und seiner Herrlichkeit öffnen
Der Evangelist Johannes lädt uns mit seinem Evangelium ein, bei der Betrachtung der Geburt Jesu nicht nur auf Christus zu schauen, sondern Gott als Ganzen in den Blick zu nehmen:
- Seine Größe und Erhabenheit,
- sein machtvolles Wirken als Schöpfer und Lenker der Geschichte,
- seinen Anteil und sein Mitwirken am Heilswerk Jesu.
Weihnachten sollen wir nach Johannes nicht nur als den Geburtstag Jesu feiern, sondern auch als den großen Gedenktag an Gott, aus dem alles Seiende hervorgeht und in dessen Gnade alles Seiende ruht. Ohne das Wort Gottes am Anfang gäbe es keine Menschwerdung Jesu. Diesen Zusammenhang sollen wir bedenken am Geburtstag Jesu zu Weihnachten, aber auch sonst, wenn wir auf Jesu Leben und Wirken schauen.
Öffnen wir uns unserem Gott und seiner Herrlichkeit, nehmen wir ihn in uns auf, damit in uns sein Licht aufleuchte in der Freude darüber, dass auch wir zu seinem Eigentum zählen, geschaffen durch sein Wort am Anfang, durch das alles wurde. Feiern wir sehr bewusst, besonders in jeder hl. Messe, die umfassende Liebe und Größe Gottes, in die wir tief eingeschlossen sind. Öffnen wir unsere Herzen diesem großen Geheimnis.