1. Lesung am 2. Sonntag nach Weihnachten, Lesejahre A/B/C:
Sir 24,1-2. 8-12
Lesung aus dem Buch Jesus Sirach:
Die Weisheit lobt sich selbst,
sie rühmt sich bei ihrem Volk.
Sie öffnet ihren Mund in der Versammlung Gottes
und rühmt sich vor seinen Scharen:
Der Schöpfer des Alls gab mir Befehl;
er, der mich schuf, wußte für mein Zelt eine Ruhestätte.
Er sprach: In Jakob sollst du wohnen,
in Israel sollst du deinen Erbbesitz haben.
Vor der Zeit, am Anfang, hat er mich erschaffen,
und bis in Ewigkeit vergehe ich nicht.
Ich tat vor ihm Dienst im heiligen Zelt
und wurde dann auf dem Zion eingesetzt.
In der Stadt, die er ebenso liebt wie mich, fand ich Ruhe,
Jerusalem wurde mein Machtbereich.
Ich faßte Wurzel bei einem ruhmreichen Volk,
im Eigentum des Herrn, in seinem Erbbesitz.
Das Buch Jesus Sirach entstand um 180 v. Chr. in Jerusalem. Das wichtigste Anliegen Jesus Sirachs war, Weisheit und Gottesfurcht miteinander zu verbinden - heute würde man sagen: eine Synthese von Philosophie und Theologie. Zentrum und inhaltlicher Höhepunkt des Buches ist das 24. Kapitel. Hier wird die Weisheit "personifiziert" dargestellt: als Wesen, das selbst eine Rede hält. Sie erscheint als erstes aller Geschöpfe und als Gottes Schöpfungswerkzeug. - Aus diesem Kapitel stammt die erste Lesung.
Das Volk Israel hat in seiner mehr als tausendjährigen Geschichte seine Lebens- und Glaubenserfahrungen gesammelt. 331 vor Christus eroberten die Griechen Jerusalem und brachten ihre eigene Welt- und Lebensanschauung mit. Die Lehre der griechischen Weisen und auch die Lebenspraxis der Fremden wurden zur Auseinandersetzung nicht nur für die jüdischen Theologen, sondern auch für die Frommen. Wo finde ich Antworten auf meine Lebensfragen? Brauche ich dazu Gott und seine Propheten? Kann ich nicht in mir selber, durch mein Denken die notwendigen Antworten erkennen? Jesus Sirach gibt als Antwort: es ist Gottes Weisheit, die die Weisheit des Menschen trägt. An seiner Weisheit müssen sich die menschlichen Antworten messen.
Jesus Sirach ist einer der großen Weisheitslehrer des AT. Er ist ein Pädagoge, der Unterweisungen gibt für die Erziehung eines Kindes. Kapitel 24, Verse 1-22 stellen ein Loblied der Weisheit dar. Er läßt die Weisheit selbst sprechen (ab Vers 3). Sie erzählt von ihrer Suche nach einem Wohnort, einem Ort der Ruhe - und sie findet ihn in Jerusalem. Dort läßt sie sich nieder. Verse 13-17 schildern in schönen Bildern, wie sich die Weisheit dort breitmacht. Verse 19-22 schildert die Vorzüge, die man von ihr hat: man fällt nicht in Sünde, man hat das ewige Leben. Gewählt ist diese Stelle im Hinblick auf den "Logos" (Johannesevangelium): Die "Weisheit Gottes" wird oft als Synonym für das "Wort Gottes" verstanden und mit ähnlichen Attributen versehen.
Martin Stewen (2003)
Wolfgang Jungmayr (2000)
Johann Pock (1999)