Weihnachten - Fest der Nähe Gottes
"Alle Jahre wieder kommt das Christuskind..." heißt es in einem Weihnachtslied. Alle Jahre wieder werde ich in Diskussionen um die Historizität der biblischen Weihnachtserzählungen verwickelt. Es ist nur schwer zu vermitteln, dass die allseits bekannten Weihnachtserzählungen der Evangelisten Lukas und Matthäus mit Geschichtsschreibung, wie wir sie gewohnt sind, nicht zusammenpassen. Sicher ist, dass Jesus als Mensch aus Fleisch und Blut auf die Welt gekommen ist und gelebt hat. Im Rückblick bieten die Evangelisten hoch konzentrierte theologische Deutungen dieses kaum zu leugnenden Faktums. Sie sind zutiefst davon überzeugt, dass Jesus von Nazareth der von Gott gesandte und lange erwartete Messias ist und in einer "normalen" menschlichen Geburt Mensch geworden ist.
Gemeinsamer Nenner dieser Theologien ist die Überzeugung, dass uns in der Person Jesu Gott selbst nahe gekommen ist. Der unfassbare, unbegreifliche, unendlich große Gott, der sich jeder Beschreibung entzieht, hat konkrete menschliche Gestalt angenommen. Er ist als Mensch sichtbar, fassbar und angreifbar geworden. In diesem Sinne ist Weihnachten das Fest der Nähe Gottes.
Gott ist mit uns - auch im neuen Jahr
Es ist kein Zufall, dass das Neujahrsfest gleich auf das Weihnachtsfest folgt. Mit der Geburt des Messias beginnen die Christen die Kalenderjahre neu zu zählen. Eine Woche nach dem jährlichen Geburtsfest Jesu lassen sie jeweils ein neues Jahr beginnen.
Übergänge sind immer von Gefühlen der Unsicherheit begleitet. Es heißt Abschied zu nehmen vom Bekannten und hineingehen in eine Zukunft, von der wir nicht wissen, was sie uns bringen wird. In dieser Ungewissheit tut uns die Gewissheit der Nähe Gottes gut. Sie stärkt unser Vertrauen, dass auch die Zukunft gut werden kann. "Ist Gott für uns, wer ist dann gegen uns?" (Röm 8,31) schreibt der Apostel Paulus an die Römer. Mit diesem Wissen können wir zuversichtlich dem Kommenden entgegengehen.
Die Kirche hat den Neujahrstag zum Fest der Gottesmutter Maria erklärt. Die Beweggründe dafür sind vielschichtig. Für viele Christen ist Maria zum Symbol der Nähe Gottes geworden. Schließlich hat sie selbst ihr Ja zur Gottesmutterschaft im Vertrauen auf die Nähe Gottes gegeben. Wie sie sich auf die Ungewissheiten ihrer Gottesmutterschaft eingelassen hat, können auch wir den Unwägbarkeiten des Kommenden entgegengehen.
Gottesbeziehung konkret gestalten
Die Zusage der Nähe Gottes, wie sie uns in der Menschwerdung Gottes gegeben ist, fordert uns aber auch heraus. Sie ruft uns, Gott zu antworten, sein Angebot des Mit-uns-gehens anzunehmen oder zu ignorieren. - Wie weit lassen wir Gott an uns heran? Wie viel Nähe gestehen wir ihm zu? Wie nahe wollen wir Gott kommen?
Das eigene Leben als ein Leben in der Gegenwart Gottes zu gestalten, ist die große Herausforderung einer christlichen Spiritualität. Gott bietet uns seine Freundschaft an. Er lädt uns ein, eine persönliche Beziehung zu ihm aufzubauen. Welche Gestalt diese Beziehung zu Gott annehmen kann, lässt unserer Phantasie und Gestaltungskraft einen großen Spielraum. Es gibt keine einheitliche christliche Spiritualität. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich viele Formen des Umgangs mit Gott herausgebildet: eine Vielzahl von Gebetsformen, eine reiche religiöse Symbol- und Zeichensprache, Bräuche, Rituale, Sakramente sowie Formen der Nachahmung und Nachfolge Jesu in tätiger Nächstenliebe.
In Jesus ist die Liebe Gottes konkret geworden: sichtbar und angreifbar. Menschen, die ihm nahe oder mit ihm in Berührung gekommen sind, wurden geheilt, fühlten sich erlöst, lobten und priesen Gott...
Das neue Jahr bietet uns Gelegenheit, auch unserer Gottesbeziehung eine ganz persönliche und individuelle Gestalt zu geben.