Lesung aus dem Buch Deuteronomium.
Mose sprach zum Volk:
Einen Propheten wie mich wird dir der Herr, dein Gott,
aus deiner Mitte, unter deinen Brüdern, erstehen lassen.
Auf ihn sollt ihr hören.
Der Herr wird ihn als Erfüllung von allem erstehen lassen,
worum du am Horeb, am Tag der Versammlung,
den Herrn, deinen Gott, gebeten hast,
als du sagtest:
Ich kann die donnernde Stimme des Herrn, meines Gottes,
nicht noch einmal hören
und dieses große Feuer nicht noch einmal sehen,
ohne dass ich sterbe.
Damals sagte der Herr zu mir:
Was sie von dir verlangen, ist recht.
Einen Propheten wie dich
will ich ihnen mitten unter ihren Brüdern erstehen lassen.
Ich will ihm meine Worte in den Mund legen
und er wird ihnen alles sagen, was ich ihm gebiete.
Den aber, der nicht auf meine Worte hört,
die der Prophet in meinem Namen verkünden wird,
ziehe ich selbst zur Rechenschaft.
Doch ein Prophet,
der sich anmaßt,
in meinem Namen ein Wort zu verkünden,
dessen Verkündigung ich ihm nicht geboten habe,
oder der im Namen anderer Götter spricht,
ein solcher Prophet soll sterben.
Der Abschnitt, dem die Lesung entnommen ist, stellt die Ordnung für das Prophetenamt in Israel vor und folgt im Buch Deuteronomium auf die Verordnungen, die das Königtum und das Priestertum regeln. Zusammen bilden sie eine Art Verfassung der drei wichtigsten Ämter in Israel. Das ganze Buch ist als Mose-Rede konzipiert. Während andere Gesetzessammlungen (das Bundesbuch in Exodus und das Heiligkeitsgesetz in Levitikus) als direkte Rede Gottes formuliert sind, spricht im Deuteronomium Mose. Er wurde als Mittler eingesetzt, weil das Volk die direkte Rede Gottes nicht ertragen konnte. Die Gesetze des Deuteronomium sind "gepredigtes Recht". Entstanden sind diese Texte in der Königszeit oder gar noch später. Sie spiegeln jedenfalls die Verhältnisse einer späteren Epoche wider. Die Bestimmungen über das Prophetenamt lassen sich in zwei Abschnitte teilen: Die Verse 9 bis 14 verbieten religiöse Praktiken wie sie im Umfeld Israels üblich waren: Zauberei, Wahrsagerei usw. Das Prophetenamt Israels unterscheidet sich von diesen grundlegend. Der von Jahwe eingesetzte Prophet spricht im Auftrag Jahwes. Er verkündet, was Jahwe ihm zu verkündigen gibt, während die Zauberer und Hellseher der Umwelt Israels den Willen Gottes zu deuten versuchen. In den Versen 15 bis 22 wird das Prophetenamt Israels in positiver Weise beschrieben. Es wird in der Weise ausgeübt, wie Mose es vorgelebt hat. Später wurde diese Zusage auf einen endzeitlichen messianischen Propheten bezogen. Das vom Propheten Ausgesagte gilt aber grundsätzlich. Das Volk Gottes braucht keine Hellseher, Stern- und Zukunftsdeuter. Ihm wurde das Gesetz Gottes ein für allemal verkündet. Der Prophet Jahwes ist Künder des Gottesrechts.
Hans Hütter (2000)