Lesung aus dem ersten Johannesbrief.
Geliebte,
wir wollen einander lieben;
denn die Liebe ist aus Gott
und jeder, der liebt, stammt von Gott
und erkennt Gott.
Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt;
denn Gott ist Liebe.
Darin offenbarte sich die Liebe Gottes unter uns,
dass Gott seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat,
damit wir durch ihn leben.
Darin besteht die Liebe:
Nicht dass wir Gott geliebt haben,
sondern dass er uns geliebt
und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat.
Der Kernsatz „Gott ist die Liebe.“ (Vers 8b) ist hier nicht als eingrenzende Definition von Gott gemeint, sondern als Unterscheidungskriterium: Wer keine Liebe übt, verfehlt Gott, ist fern von ihm und damit fern vom wahren Leben (Vers 8a). Jeder dagegen, der liebt, gehört zu Gott und lebt schon in dessen Nähe; so werden alle aufgefordert, einander zu lieben (Vers 7). Dass Liebe das Wesen Gottes ausmacht, wurde in seinem Sohn Jesus „offenbart“ (Vers 9), nämlich sichtbar, hörbar und greifbar. Durch ihn wird für die Menschen Angenommensein, Befreiung und damit wahres Leben erfahrbar. Die Liebe Gottes zu den Menschen geht immer schon der Liebe der Menschen zu ihm oder zueinander voraus (Vers 10a). Aus diesem Wissen und dieser Erfahrung sind Christen aufgefordert, einander so zu lieben, wie Jesus es vorgelebt hat. Diese Botschaft wirkt befreiend auf solche Menschen, die aufgrund ihrer religiösen Sozialisation oder anerzogenem Leistungsdenken meinen, sich Gottes Liebe erst durch die eigene Nächstenliebe verdienen zu müssen oder zu können. © Claudia Simonis-Hippel, in: Bernhard Krautter/Franz-Josef Ortkemper (Hg.), Gottes Volk Lesejahr B 4/2012, Verlag Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 2012, S. 109-119.
Der 1. Johannesbrief ist eigentlich eine Kampfschrift gegen die Irrlehrer in den eigenen johanneischen Gemeinden und dürfte zwischen 90 und 100 nach Chr. entstanden sein. Nachdem in den Versen 1 Joh. 4,1-6 die Unterscheidung zwischen dem Geist der Wahrheit und dem Geist des Irrtums von den treuen Gemeindemitgliedern eingefordert wird, stellt Johannes nun die Bruderliebe in den Zusammenhang mit der Liebe Gottes. Die gegenseitige Liebe der Christen wurzelt in Gott und ist von Gottes eigenem Lieben getragen. Nicht wir sind es, die den Beginn dieser Liebe gemacht und das Ausströmen der Liebe eingeleitet haben, Gott hat den Anfang gesetzt. Und weil Gott selbst die Liebe ist, kann jemand, der nicht liebt, die Liebe - und somit auch Gott - nicht erkennen. Anteilhabe durch die Liebe ist deshalb gleichzeitig Teilhabe an der Gemeinschaft mit Gott. Von Ewigkeit her ist Gott ein Liebender, er liebt seinen Sohn und er verströmt seine Liebe auch unter uns und in uns Menschen.
Wir hören den Beginn des ersten Johannesbriefes - verfasst gegen Ende des 1. Jahrhunderts für christliche Gemeinden. Im Brief geht es um die Bewährung im Glauben. Vorausgesetzt ist, dass die Menschen sich bereits zum Christentum bekennen und sich bekehrt haben. Eine der großen Fragen ist die Umsetzung des Glaubens im Leben. Dazu gibt die zweite Lesung einige Hinweise: In knappen Worten wird eine Theorie des gelebten Glaubens mit aller Konsequenz dargelegt: Begründung des Schreibens ist die vollkommene Freude, aus der wir als Christen berufen sind zu leben. Die Botschaft der Freude ist das Licht Gottes. Wenn die Menschen aus diesem Glauben heraus leben, dann sind sie nicht der Finsternis, sondern dem Licht des Lebens zugewandt. Die Christen sollen leben als "Kinder des Lichtes, und nicht der Finsternis". Die Tatsache unserer Sünden bleibt – selbst als Christen sind wir sündige Menschen. Was aber wesentlich ist: dass wir in unserer Sünde Jesus Christus gegenüberstehen, der uns treu und gerecht ist. Die Lesung ist somit eine Aufforderung zur Wahrhaftigkeit im Glauben, die sich bewährt im Leben
Claudia Simonis-Hippel (2012)
Wolfgang Jungmayr (2003)
Gabi Ceric (2000)