Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus
an die Gemeinde in Rom.
Schwestern und Brüder!
Gerecht gemacht also aus Glauben,
haben wir Frieden mit Gott
durch Jesus Christus, unseren Herrn.
Durch ihn haben wir auch im Glauben
den Zugang zu der Gnade erhalten,
in der wir stehen,
und rühmen uns der Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes.
Mehr noch,
wir rühmen uns ebenso der Bedrängnisse;
denn wir wissen: Bedrängnis bewirkt Geduld,
Geduld aber Bewährung,
Bewährung Hoffnung.
Die Hoffnung aber lässt nicht zugrunde gehen;
denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen
durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.
In diesem dichten Briefabschnitt argumentiert Paulus von der Gnade aus, "in der wir stehen": im Frieden mit Gott und der Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes. Präsens und Futur gehen allerdings ineinander über, lassen sich sogar austauschen.
Leitwort ist "rühmen". Paulus hat die Hoffnung im Blick und schaut, bildlich gesprochen, auf den Weg, der zum Ziel führt: Bedrängnis - Geduld - Bewährung. Das eine bewirkt das andere. Die Begriffe gehen hier nicht ineinander über und lassen sich auch nicht austauschen. Paulus formuliert eigene Erfahrungen, bietet aber den Lesern an, sich zu identifizieren. Dabei fällt auf, dass jeder Schritt seine eigene Bedeutung hat, dass Bedrängnis, Geduld und Bewährung aber gemeinsam zur Hoffnung führen.
Auffällig ist die Gewissheit: Bedrängnis führt nicht zum Lebensüberdruss, Geduld geht nicht ins Leere, Bewährung bleibt nicht folgenlos. Daraus lässt sich auch folgern, dass den Christen in Rom vor allem die Bedrängnis in ein neues Licht gerückt wird. Sie bekommt auf dem Weg zur Hoffnung sogar ihren eigenen Stellenwert.
Im Schlussteil nimmt Paulus den Anfang neu auf: Die Liebe Gottes ist ausgegossen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist. Die Liebe Gottes ist es, die Bedrängnis, Geduld und Bewährung zur Hoffnung "wirkt". Der Begriff "wirkt" ist mit dem Schöpfungsbegriff verwandt. Die Liebe schafft Hoffnung und nimmt auch die Bedrängnis mit auf ihren Weg. Wir sehen hier dem Seelsorger Paulus über die Schulter - und ins Herz.
Der Abschnitt der zweiten Lesung aus dem Römerbrief ist eine Fortführung der paulinischen Rechtfertigungslehre, die im Abschnitt zuvor (4,1-25) im alttestamentlichen Vorbild des Abraham und in 3,21-31 ihren Ausgang genommen hat. Damit wird die Klammer zu Jesus Christus geschlossen: Durch ihn erfährt der Mensch die Gerechtigkeit Gottes (Verse 1-2). Ein zweites Geschenk Gottes ist neben der Gerechtigkeit die Gnade.
Einen Zugang zum Verständnis von Gnade kann die enge etymologische Wurzel bieten: Gnade - Zugeneigtsein. Gott neigt sich demnach in seiner Gnade den Menschen zu. Durch diese Gnade wird die Liebe Gottes spürbar. Damit unterscheidet sich jene Gnade vom allgemeinen juridischen Sprachgebrauch von Gnade, wie wir ihn heute vom "Begnadigen" her kennen. In dieser Gnade stehen wir (Vers 2) und fallen aus ihr von Gott her auch nicht heraus. Wer im Glauben und in der Beziehung zu Gott feststeht, dessen Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes ist begründet.
In Vers 3 wird eine Lebensrealität der Gemeinde angesprochen: das Leiden/die Bedrängnis gehört zur christlichen Existenz, wird aber letztlich aufgehoben durch das Geschenk der Liebe Gottes vom Heiligen Geist in unseren Herzen. Der Heilige Geist stärkt die Glaubenden in ihrer Bedrängnis.
Manfred Wussow (2004)
Gabi Ceric (1998)