Lesung aus der Offenbarung des Johannes.
Die Stimme aus dem Himmel sprach:
Ds sind meine beiden Zeugen
Sie sind die zwei Ölbäume und die zwei Leuchter,
die vor dem Herrn der Erde stehen.
Wenn ihnen jemand Schaden zufügen will,
schlägt Feuer aus ihrem Mund und verzehrt ihre Feinde;
so muss jeder sterben, der ihnen schaden will.
Sie haben Macht, den Himmel zu verschließen,
damit kein Regen fällt
in den Tagen ihres Wirkens als Propheten.
Sie haben auch Macht,
das Wasser in Blut zu verwandeln
und die Erde zu schlagen mit allen möglichen Plagen,
sooft sie wollen.
Wenn sie ihren Auftrag als Zeugen erfüllt haben,
wird das Tier, das aus dem Abgrund heraufsteigt,
Krieg mit ihnen führen, sie besiegen und töten.
Und ihre Leichen bleiben auf der Straße der großen Stadt liegen.
Diese Stadt heißt, geistlich verstanden: Sodom und Ägypten;
dort wurde auch ihr Herr gekreuzigt.
Menschen aus allen Völkern und Stämmen,
Sprachen und Nationen werden ihre Leichen dort sehen,
dreieinhalb Tage lang;
sie werden nicht zulassen,
dass die Leichen in einem Grab bestattet werden.
Und die Bewohner der Erde freuen sich darüber,
beglückwünschen sich und schicken sich gegenseitig Geschenke;
denn die beiden Propheten hatten die Bewohner der Erde gequält.
Aber nach den dreieinhalb Tagen
kam von Gott her wieder Lebensgeist in sie
und sie stellten sich wieder auf ihre Füße.
Da überfiel alle, die sie sahen, große Angst.
Und sie hörten eine laute Stimme vom Himmel her,
die ihnen zurief: Kommt herauf!
Vor den Augen ihrer Feinde stiegen sie in der Wolke zum Himmel hinauf.
Die Offenbarung des Johannes, ein Trostbuch in der Verfolgungszeit, zeichnet am Beginn der heutigen Perikope das Bild von der siebenten Posaune. Sie verkündet die Herrschaft Gottes, die so sicher kommt, dass jetzt schon der Sieg in Jubel- und Dankliedern gefeiert werden kann. Die Danklieder sind aus Schriftzitaten aus dem Alten Testament zusammengesetzt.
Nun wird das Ende angekündigt. Jesus herrscht als König über die ganze Welt. Die Lade, die früher verborgen war, ist nun für alle sichtbar (19). Nun steht der Zugang zu Gott offen.
Im Kapitel 12-14, dem Kernstück des Buches, werden treibende Kräfte in der Geschichte gezeigt. Die hier vorgelegte Deutung der Geschichte geht nicht von den innerweltlichen Ursachen aus, wie es allgemein geschieht. Die Kirche muß sich in ihrer Geschichte mit Satan und seinem Treiben in der Welt auseinandersetzen. Der Ausgang dieses Kampfes ist der Sieg über Satan. Die Kirche wird befreit, wenngleich ihre Situation in der letzten Zeit aussichtslos erscheint. Am Ende wird das Lamm und sein Gefolge siegreich sein.
Die beiden Gegner (12,1-6) werden gezeigt: eine Frau von Überirdischer Hoheit, das Gottesvolk - ein Drache, die gottfeindliche Macht mit unermesslicher Kraft, Satan. Die Geburt des männlichen Kindes, des messianischen Weltherrschers, konnte aber nicht verhindert werden. Der Messias wird zu Gott entrückt (Himmelfahrt). Die Frau, die Kirche, wird von Gott trotz aller Not der Drangsalszeit (1260 Tage - dreieinhalb Jahre - Zeit des Antichrist) bewahrt. Mit der Menschwerdung Jesu hat der Entscheidungskampf zwischen Gott und Satan um die Herrschaft über die Welt begonnen.
Der siegreiche Ausgang in diesem Kampf wurde schon in einem himmlischen Kampf vorgebildet. Der Erzengel Michael, der das Gottesvolk beschützt, und seine Engel besiegten Satan. Ein Hymnus besingt die Wende.
Die erste Lesung beinhaltet einen Auszug aus dem letzten Buch der Hl. Schrift, der Offenbarung (auch "Apokalypse"; genannt; griech.: apokálypsis = Enthüllung). Der Verfasser dieses Buches, der sich Johannes nennt (wahrscheinlich nicht identisch mit dem Apostel Johannes), schrieb dieses Werk gegen Ende der Regierungszeit des römischen Kaisers Domitian (ca. 81-96 n. Chr.). Der Verfasser rechnet damit, daß der Zwang zur göttlichen Verehrung des Kaisers in nächster Zukunft zu einer schweren Verfolgung der Kirche führen wird. Das Buch der Offenbarung gilt als erste selbständige christliche Apokalypse. Die Offenbarung vollzieht sich durch "Visionen" und "Auditionen", also durch das Schauen und Hören von himmlischen Botschaften.
Was für das Buch im allgemeinen gilt, läßt auch zu unserer Perikope sagen: Der Verfasser verwendet Bilder, Symbole und allegorische Szenen, um sein Hauptthema, den bevorstehenden Triumph der Herrschaft Gottes zu verdeutlichen. Jener endgültige Sieg Gottes, der dann auch am Schluß unseres Ausschnittes thematisiert wird (vgl. Offb 12,10ab). Allen Erwartungen nach möchte der Verfasser jedoch keine Voraussagen über den Gang der Welt- und Kirchengeschichte machen. Ebensowenig ist es seine Intention, das mit der baldigen Wiederkunft Christi verbundene Geschehen in seinem Ablauf genau zu beschreiben.
Die Perikope beginnt mit der Beschreibung, daß etwas Unerhörtes passiert. Es geschehen Dinge, die noch nie stattgefunden haben. Die geheimnisvolle Bundeslade, in der das göttliche Gesetz aufbewahrt wird und die so ein Zeugnis für die Gegenwart Gottes gibt, wird für alle sichtbar. Sonst durfte nach jüdischer Tradition nur der Hohepriester alljährlich am Versöhnungstag das Allerheiligste sehen.
Dann beschreibt der Verfasser das Erscheinen von Zeichen am Himmel. Zunächst wird eine gewaltige frauliche Figur skizziert. Hier sind unterschiedliche Interpretationen möglich. Mit dem Hinweis auf die Schwangerschaft der Frau und der Geburt eines Kindes lassen sich deutliche Parallelen zu Maria und ihrem Sohn Jesus, dem Christus erkennen.
Dieses Bild könnte aber auch auf das Volk Gottes, die Kirche angewandt werden. Die zwölf Sterne stehen somit als Sinnbild für die zwölf Stämme Israels oder (wenn man dies neutestamentlich deuten möchte) für den Zwölferkreis der Apostel. Aus dieser Sichtweise sind die Geburtswehen weniger von der leiblichen Geburt des Messiaskindes zu verstehen als von den Leiden des Volkes Gottes im Verlauf seiner Geschichte.
Das Erscheinen des Drachen ist ein Bild für das Zerstörerische, Feindliche, Dämonische und Tödliche, das scheinbar vor niemanden und nichts Halt macht. Selbst das Leben des Kindes ist von der Drachengestalt bedroht. Und doch ist die Macht des Drachens begrenzt. Er kann keinen Einfluß über das Kind gewinnen, da es von Gott erhöht wird. Hier wird offensichtlich Bezug genommen auf das universale Heilsgeschehen in Jesus Christus.
Das Wüstenmotiv, welches dann noch aufscheint, erinnert deutlich an die Wüstenwanderung des Volkes Israel. Kann aber auch wieder neutestamentlich auf den Kirche bezogen werden, die sich in Verfolgungszeiten aus der Öffentlichkeit zurückziehen muß und eine Zeitspanne höchster Not und Lebensgefahr allein durch die Hilfe Gottes durchstehen kann. Der rettende Sieg durch die Macht und Herrschaft Gottes bleibt ihr jedoch für alle Zeit sicher.
Bernd Michael Pawellek
Die Kapitel 12 - 14 gehören zu den Kernstücken der Offenbarung des Johannes. Der erste Teil dieses Kernstückes wird heute vorgelesen.
Der Text ist durchdrungen von mythischen Bildern. Hintergrund sind die konkreten Erfahrungen der christlichen Gemeinden (Verfolgung durch den römischen Staat; Vergöttlichung des römischen Kaisers usw. ...). Trotz aller schweren Bedrängnis soll und kann die Gemeinde zuversichtlich bleiben; der Sieg gehört Gott und dem Christus.
Das Bild der Himmelskönigin (mit Sonne bekleidet, auf einer Mondsichel stehend, am Haupt eine Krone von 12 Sternen) stammt aus der astralreligiösen Welt (vgl. auch die göttliche Mutter Ägyptens, Isis).
Im Judentum wurde den Gestirnen - im Gegensatz zu den anderen Völkern rundherum - keine göttliche Würde zuerkannt. Sonne, Mond und Sterne sind also für Johannes nur der Schmuck der Frau. Die Zwölfzahl deutet wohl darauf hin, daß sie das Gottesvolk der zwölf Stämme repräsentieren. Völker und Stämme wurden im alten Orient vielfach in Frauengestalt versinnbildlicht.
Die Frau am Himmel ist schwanger - sie soll den Messias gebären. Da dieser kein anderer als Jesus von Nazareth ist, könnte es nahe liegen, in der Himmelskönigin Maria, die Mutter Jesu, zu erkennen und sie als die mit der Sonne bekleidete Frau zu verehren.
In diesem Sinne hat besonders die mittelalterliche Kirche das Bild verstanden und Maria als Himmelskönigin dargestellt
Die Exegeten sehen in der Frau aber eher das wahre Israel, das Gottesvolk des Alten und Neuen Bundes, aus dem Christus gekommen ist.
Die alten, oder die chaotischen Mächte der Welt verkörpern auch das Bild des Drachens. Sie streiten als Widersacher gegen Gott. Das Bild vom Kampf des Drachens gegen die gebärende Frau findet sich in verschiedensten Kulturen, so auch in den griechischen Mythen.
Für den Seher ist die Frau das wahre Israel und das Kind der Messias. Mit dem Kommen Jesu Christi hat der letzte Kampf begonnen. In dieser letzten Zeit wird aber auch der besondere Schutz Gottes zugesagt.
Maria Wachtler (2002)
Gastautor*in (1999)
Lorenz Walter Voith (1998)