Die biblischen Lesungen wurden mit freundlicher Genehmigung der Ständigen Kommission für die Herausgabe der gemeinsamen liturgischen Bücher im deutschen Sprachgebiet den Lektionaren 2018 ff entnommen. - © 2024 staeko.net. - vgl. Impressum.
Die Katholischen Bibelwerke in Deutschland, Österreich und Schweiz stellen auf ihren Webseiten ausführliche Kommentare und Anleitungen zum Lesen der biblischen Lesungen für Sonn- und Feiertage zum Download im PDF-Format zur Verfügung. Mit freundlicher Genehmigung der Katholischen Bibelwerke übernehmen wir die Kurzeinleitungen zu den Lesungen.
Predigten vom 26. Dez. 2024 - 26. Dezember: hl. Stephanus (Fest)
06. Jan. 2025
Erscheinung des Herrn, Dreikönig (A/B/C)
05. Jan. 2025
2. Sonntag nach Weihnachten (A/B/C)
01. Jan. 2025
Neujahr - Fest der Gottesmutter Maria (A/B/C)
31. Dez. 2024
31. Dezember: Jahresschluss (Sonst.)
29. Dez. 2024
Fest der hl. Familie (C)
26. Dez. 2024
26. Dezember: hl. Stephanus (Fest)
Einführungen zu den Gottesdienstlesungen - Ltg 0
Lesung - Apg 6,8-10; 7,54-60
Lesung aus der Apostelgeschichte
In jenen Tagen
tat Stephanus aber,
voll Gnade und Kraft,
Wunder und große Zeichen unter dem Volk.
Doch einige von der sogenannten Synagoge der Libertiner
und Kyrenäer und Alexandriner
und Leute aus Kilikien und der Provinz Asien
erhoben sich, um mit Stephanus zu streiten;
aber sie konnten der Weisheit und dem Geist, mit dem er sprach,
nicht widerstehen.
Als sie seine Rede hörten,
waren sie in ihren Herzen aufs Äußerste über ihn empört
und knirschten mit den Zähnen gegen ihn.
Er aber, erfüllt vom Heiligen Geist,
blickte zum Himmel empor,
sah die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen
und rief:
Siehe, ich sehe den Himmel offen
und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen.
Da erhoben sie ein lautes Geschrei,
hielten sich die Ohren zu,
stürmten einmütig auf ihn los,
trieben ihn zur Stadt hinaus und steinigten ihn.
Die Zeugen legten ihre Kleider
zu Füßen eines jungen Mannes nieder, der Saulus hieß.
So steinigten sie Stephanus;
er aber betete
und rief: Herr Jesus, nimm meinen Geist auf!
Dann sank er in die Knie und schrie laut:
Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an!
Nach diesen Worten starb er.
Das griechische Wort stéphanos bezeichnet den aus Zweigen (oftmals aus Palmzweigen) geflochtenen "Kranz des Siegers", der bei den antiken Wettkämpfen dem Sieger überreicht und aufgesetzt wurde. Im Hintergrund dieser Ehrung steht wahrscheinlich der strahlende Leuchtkranz der Sonne, die so genannte corona. Verschiedentlich wurde der Kranz auch als Zeichen der Priester- oder Beamtenwürde getragen. Manchmal bekam der so Ausgezeichnete den Namen stephanos, der in späterer Zeit allgemein zu einem Vornamen geworden ist.
Stephanus begegnet uns erstmals im sechsten Kapitel der Apostelgeschichte als führender Mann der Hellenisten innerhalb der Urgemeinde. Bei ihnen wird es sich um Juden gehandelt haben, die in der weltweiten Diaspora geboren worden und aufgewachsen waren, aber später - aus welchen Gründen auch immer - in das "Land der Väter" gezogen sind. Ihre Muttersprache war das Griechische, der aramäischen Umgangssprache in Palästina waren sie nur begrenzt mächtig. Apg 6,1-8 zeigt uns, dass es Zwistigkeiten zwischen den Hellenisten und den aus Palästina stammenden Juden, den so genannten Hebräern, gegeben hat.
Stephanus wird als jüdischer Hellenist wohl ebenfalls aus der Diaspora nach Palästina gekommen sein. Es kann angenommen werden, dass seine Heimat das ägyptische Alexandrien gewesen ist - manche Aspekte der Stephanusrede (Apg 7,2-53) sprechen nach Meinung der Exegeten dafür. Neben seiner Tätigkeit als Armenpfleger in der Urgemeinde fand er Gelegenheit, diesen seinen Bekannten das Evangelium zu verkünden.
Stephanus wurde durch seine hellenistischen Widersacher denunziert und ebenso wie bei der Passion Christi treten gegen ihn falsche Zeugen auf, welche ihm Aussagen gegen Moses, Gott, den Tempel und das Gesetz nachsagen. Von der Menge wird er vor den Hohen Rat gebracht und muss sich vor diesem verteidigen. Die Einzelheiten dieses Prozesses, bzw. dieses Geschehens, liegen für uns völlig im Dunkeln. Der lukanische Bericht schwankt zwischen der Schilderung eines ordentlichen Verfahrens und Lynchjustiz hin und her. Jedenfalls wird der Angeklagte in seiner Verteidigungsrede unterbrochen, vor die Stadt gebracht und dort gesteinigt. Interessant ist das "kleine Detail am Rande": hier taucht, historisch gesehen, Paulus erstmals im Neuen Testament auf.
Stephanus stirbt betend und mit einer Vision des erhöhten Herrn vor Augen. Selbst im Tode wollte er Jesus ähnlich sein und betet daher für seine Mörder. Die Tatsache, dass auch "angesehene" Bürger Jerusalems bei seinem Begräbnis anwesend waren, könnte dafür sprechen, dass er doch nicht rechtmäßig verurteilt worden ist.
In seiner Verteidigungsrede, die einer damaligen Synagogenpredigt nicht unähnlich ist, geht Stephanus ausführlich auf die Geschichte Israels im Blick auf sein Gottesverhältnis und auf Gottes Treue zu seinem Volk trotz vielfacher Untreue Israels ein. Er hebt hervor, dass Gottes Heil seit jeher nicht an den Tempel gebunden war. Diese distanzierte Haltung zum Tempelkult findet sich schon bei den alttestamentlichen Propheten, aber auch bei Jesus und im zeitgenössischen Judentum der Diaspora, das wegen seiner großen geographischen Entfernung zu Jerusalem andere Formen der "Frömmigkeitsausübung" finden musste, die den Opferkult im Tempel ersetzen konnten.
In Alexandria, der vermutlichen Heimat des Stephanus, hatte man längst die hermeneutischen Methoden der Spiritualisierung und der Allegorese entwickelt. Der alexandrinische Philosoph Philo, ein Zeitgenosse des Stephanus, hat sie in seinen Kommentaren zu alttestamentlichen Texten zur Blüte gebracht. Bei Stephanus kommen noch die heilsgeschichtliche Sicht der Gottesgeschichte mit Israel und eine recht urtümliche Christologie dazu. Vor allem mit seiner Vision des erhöhten Jesus in unmittelbarer Nähe Gottes dürfte Stephanus absolut nicht in das religiöse Weltbild der jüdischen Theologen gepasst haben und so wird es annäherungsweise erklärlich, weshalb er auf schärfste Kritik stieß und letztlich hingerichtet wurde.
Stephanus, einer der sieben urkirchlichen "Diakone", die zum Dienst am Tisch der Armen eingesetzt waren, wird als Mann voll Kraft und Hl. Geist geschildert. Das öffentliche Wirken des Heiligen wird mit Wundern berichtet. Doch seine Worte, seine Predigt, wird ihm zum Verhängnis. Vor dem Hohen Rat wird er unter dem Zeugnis falscher Zeugen wegen drei Punkten angeklagt:
- Er stelle die Gültigkeit des jüdischen Gesetzes in Frage.
- Er wende sich gegen den Tempel.
- Er lästere Gott.
Stephanus selbst verteidigt sich in der längsten Rede der Apostelgeschichte (7:1- 53), aber seine Worte verwandeln sich zur Anklage seiner Ankläger und Richter.
Im Zentrum steht ein Überblick über die Geschichte des Volkes Israel. Die in einer Vision gegebene Bestätigung der Richtigkeit dessen, was Stephanus gesagt hatte, empört die Zuhörer. Diese Rede reizt die Zuhörer aufs höchste, so dass sie ihn gleich richten, wie die in seiner Verteidigung angeführten Gottesmänner.
In einem Akt der Lynchjustiz wird Stephanus zum ersten Märtyrer.
Lukas, der als Verfasser der Apostelgeschichte gilt, schildert die Hinrichtung des Diakons mit vielen Parallelen zur Kreuzigung Jesu. Außerhalb der Stadtmauern wird an ihm die jüdische Art der Hinrichtung (Steinigung) vollzogen. Die Worte des sterbenden Stephanus erinnern an die letzten Worte Jesu am Kreuz.
Das Martyrium des Heiligen markierte eine Wende in der Geschichte des jungen Christentums und war das Signal zur ersten größeren Christenverfolgung. Die Gemeinde von Jerusalem zersplitterte sich, was dazu beitrug, dass sich die Botschaft Jesu über die Grenzen der Stadt hinaus verbreitete.
Der heutigen Lesung geht die Wahl der ersten 7 Diakone voraus (6,1-7) und damit wird ein neues, dem Kreis der Zwölf untergeordnetes Gemeindeamt geschaffen. Diakonie war aber, wie an Stephanus (Apg 6,8 - 7,53) zu sehen ist, von Anfang an auch Teilnahme an der Verkündigungsaufgabe der Apostel.
Der Stephanusprozess erinnert an den Prozess Jesu, in dem gleichfalls von falschen Zeugen die Anklage erhoben wurde, Jesus stellte den Tempel als den einzigen Ort der Gottesbegegnung in Frage. Der Vorwurf, das alttestamentliche Gesetz als überholt abzutun, verbindet Stephanus mit seinem "Nachfolger" Paulus (Apg 21,28).
Die Rede des Stephanus (Apg 7,1-53) wird in der heutigen Lesung übersprungen (vgl. "ungekürzte Fassung"). Stephanus reagiert mit einer langen Rede auf die Vorwürfe. Er greift auf die Geschichte Israels zurück um zu zeigen, dass das Volk Israel nie bereit war, den Heilswillen Gottes anzuerkennen. Israel hat immer das abgelehnt, was Gottes Wille war. Die Kreuzigung des Gerechten (d. h. des Messias) ist daher – wie auch die Hinrichtung des Stephanus - nur eine Folge der immerzu widersätzlichen Haltung Israels gegen die Heilstaten Gottes.
Stephanus hat seine Richter der Empörung gegen Gott, der Übertretung des Gesetzes und des Messiasmordes angeklagt (51-53). Die Umkehrung der Gerichtssituation wird durch das Bekenntnis, Jesus stehe als der Menschensohn zur Rechten Gottes, ins Unerträgliche gesteigert.
Antwortpsalm - Ps 31,3b-4. 6. 8. 16-17
Kv: Herr, in deine Hände lege ich meinen Geist. – Kv
(oder GL 308,1)
Sei mir ein schützender Fels,
ein festes Haus, mich zu retten!
Denn du bist mein Fels und meine Festung;
um deines Namens willen wirst du mich führen und leiten. - Kv
In deine Hand lege ich voll Vertrauen meinen Geist;
du hast mich erlöst, HERR, du Gott der Treue.
Ich will jubeln und deiner Huld mich freuen;
denn du hast mein Elend angesehn.
du kanntest die Ängste meiner Seele. - Kv
In deiner Hand steht meine Zeit;
entreiß mich der Hand meiner Feinde und Verfolger!
Lass dein Angesicht leuchten über deinem Knecht,
hilf mir in deiner Huld! - Kv
Ruf vor dem Evangelium - Ps 118,26a. 27a
Halleluja. Halleluja.
Gesegnet sei, der kommt im Namen des Herrn.
Gott, der Herr, erleuchte uns.
Halleluja.
Evangelium - Mt 10,17-22
Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus.
In jener Zeit sprach jesus zu seinen Jüngern:
Nehmt euch aber vor den Menschen in Acht!
Denn sie werden euch an die Gerichte ausliefern
und in ihren Synagogen auspeitschen.
Ihr werdet um meinetwillen
vor Statthalter und Könige geführt werden,
ihnen und den Heiden zum Zeugnis.
Wenn sie euch aber ausliefern,
macht euch keine Sorgen, wie und was ihr reden sollt;
denn es wird euch in jener Stunde eingegeben,
was ihr sagen sollt.
Nicht ihr werdet dann reden,
sondern der Geist eures Vaters wird durch euch reden.
Der Bruder wird den Bruder dem Tod ausliefern
und der Vater das Kind
und Kinder werden sich gegen die Eltern auflehnen
und sie in den Tod schicken.
Und ihr werdet um meines Namens willen
von allen gehasst werden;
wer aber bis zum Ende standhaft bleibt,
der wird gerettet.
Bernhard Zahrl (2002)
Josef Kampleitner (2000)
Reinhard Gruber (2001)
Der Text des Evangeliums stammt aus der so genannten "Aussendungsrede" (Mt 9,35 - 11,1). Matthäus komponierte hierbei aus überlieferten Worten Jesu eine eigene Rede zusammen. Adressaten dieser Rede sind nicht allein die Jünger Jesu sondern gleichsam alle Christinnen und Christen. Dass es sich dabei um keine authentische Rede Jesu handeln kann, wird beispielsweise an der Formulierung "... und in ihren Synagogen auspeitschen..." deutlich, denn Jesus selbst hätte nie von "ihren" Synagogen gesprochen. Vielmehr hat der Autor hier bereits die Zeit der ersten Verfolgungen und Anfeindungen vor Augen.
Das Kennzeichen für das Leben der Jünger ist nach dem Evangeliumstext die Verfolgung. Die Verfolgung droht den Jüngern dabei von verschiedenen Seiten: Mitmenschen, Familie, Repräsentanten des jeweils herrschenden Systems etc..
Die heutige Perikope ist aus der Aussendungsrede (9,35 - 11,1) genommen. Mattäus stellt aus Worten Jesu, die bei verschiedenen Gelegenheiten gesprochen wurden, eine Aussendungsrede zusammen. Sie ist nicht allein an die zwölf Apostel gerichtet, manches gilt für alle ChristenInnen ("JüngerInnen").
Der heutige Evangeliumsabschnitt befasst sich mit dem Los der Jünger, wobei nur der 1. Teil (10,17-22 von 10,16–39) gelesen wird. Das Jüngerlos ist die Verfolgung. Die Jünger werden ohne irdische Macht in eine Welt der Feinde geschickt, die Ausrüstung sind das "Ich" Jesu und die kluge Zurückhaltung. Die Verfolgung droht gleich von mehreren Seiten: durch jüdische und heidnische Obrigkeiten, aber auch von eigenen Familien.
Die Jünger Christi können aber nicht ausgerottet werden. Sie sollen um die Geborgenheit im Geist Vaters wissen und das ist ihre Rettung.
Immer wieder hat Jesus seine Jünger darauf hingewiesen, was sie von den Menschen zu erwarten haben, aber auch, was sie - wenn sie treu sind - von Gott zu erwarten haben. Die "Welt" wird ihr Tun und Wirken nicht anerkennen, doch Gott sie "entschädigen" und ihnen Ewiges Leben schenken. In der Stunde der Entscheidung, dann „wenn es darauf ankommt", wird der Hl. Geist selbst, ihre Worte formen und ihnen die "Sprache abnehmen". Im Zusammenhang mit dem Gedächtnis des hl. Stephanus sind die Worte mehr als prophetisch: Die eigenen Angehörigen werden einen verleugnen, aber Gott, der Herr, bleibt treu und sendet seinen Beistand, den Heiligen Geist.
Der Geist Gottes redet zur Welt auch in der Verfolgung
Ein harter Kontrast
Die Freude der Weihnachtsbotschaft möchte ich zusammenfassen mit den Worten: „Seht doch die Menschen, sie kommen, und der Himmel ist offen!“ Es ist wunderbar, wenn die Welt durch das Zeugnis der Menschen vom Reich Gottes beseelt wird. Allerdings sind die Sätze, mit denen das Evangelium des Festes des hl. Stephanus beginnen, dazu ein harter Kontrast, wenn es da heißt: „Nehmt euch vor den Menschen in Acht! Denn sie werden euch an die Gerichte ausliefern…“ (Mt 10,17).
In diesem Matthäustext werden wir mit den historischen Ereignissen, die sich nach dem Jahr 70 unserer Zeitrechnung in den verschiedenen jüdischen Gemeinden abgespielt haben, konfrontiert.
Das römische Heer erobert im Jahre 70 n. Chr. nach langer Belagerung Jerusalem und zerstört den Tempel in Jerusalem. Der Tempel war für das jüdische Volk die Mitte, das Heiligste, das rituelle Zentrum! Dieses Zentrum gab es nun nicht mehr. Die Folgen waren katastrophal:
Zerstreuung der jüdischen Bevölkerung, Streit unter den verschiedenen „Synagogen“ (diese werden in Mehrzahl genannt, die Synagoge gab es nicht) und den jeweiligen jüdischen Gemeinden. Allzu viel wurde durcheinandergebracht, die Mitte, die bisher das jüdische Volk zusammenhielt, sie ist weg, Chaos breitet sich aus.
Mut für eine chaotische Zeit
Das alles klingt im Text des Matthäus nach, dessen Verkündigung auch Jahre nach der Zerstörung des Tempels davon geprägt war. Dieses epochale Ereignis im Judentum, diese historische Wirklichkeit, muss „mitgelesen“ werden, um zu verstehen, was Matthäus hier seiner Gemeinde sagen möchte. Matthäus fügt mit Blick zurück in die Vergangenheit Statthalter und Könige ein. Diese gab es schon zur Zeit Jesu nicht mehr, und schon gar nicht in der nachjesuanischen Zeit. Die Zeit, in der Matthäus seiner Gemeinde von Jesus erzählt, ist von Verfolgung und Zerstörung geprägt. In dieser Atmosphäre lässt Matthäus in dieser Perikope auch Jesus auftreten.
Vor diesem Hintergrund sind die einleitenden Worte der Perikope „Nehmt euch vor den Menschen in Acht!“ zu deuten, zu lesen. Die wesentliche und bestimmende Botschaft Jesu, dass Gottes gerechte Welt schon unter uns ist, gerät unter diesen gewaltigen, machtvollen, erschreckenden Worten fast ins Abseits, wäre da nicht die Erinnerung an den „Geist des Vaters“, der hinausführt aus der Katastrophe. "Nicht ihr werdet dann reden, sondern der Geist eures Vaters wird durch euch reden."
In diesem Zusammenhang tut es gut, sich an die Schöpfungserzählung aus dem Buch Genesis zu erinnern. Am Anfang herrschte das Urchaos: „Die Erde war wüst und wirr und Finsternis lag über der Urflut“ (Gen 1,2a). Doch: "…und Gottes Geist schwebte über dem Wasser". Hier hören wir von dem Geist des Vaters, der durch euch „reden“ wird.
Der Geist Gottes redet zur Welt durch seine Jünger und Jüngerinnen
Dies gibt Jesus seinen Jünger/Jüngerinnen als Vertrauensbasis, als Hoffnungsbild mit auf den Weg. In diesem Hoffnungsbild werden auch die Erfahrungen von Leid und Elend in der Schöpfung nicht ausgeklammert. Das Göttliche ist da hinein verwoben, Himmel und Erde sind erfüllt davon. Er, der Geist Gottes, ist in dieser Welt zu gegen. Jesu Botschaft gibt Zeugnis davon, vom Geist des Vaters, der beständiger Begleiter ist. Das wird den Jüngern und Jüngerinnen in der sogenannten Aussendungsrede zugesagt: „Gottes Geist wird durch euch reden!“ Er stärkt euch in eurem Bemühen! Also geht, damit Gottes gerechte Welt, Gottes Reich, die Menschen aufrichtet, in ihnen die Hoffnung auf ein gewaltfreies Zusammenleben nährt, wieder Mut macht. Diese Botschaft soll Platz haben in der Verkündigung vom Reich Gottes. Dafür tragen wir Verantwortung.
Wer in Mitverantwortung, in Solidarität mit dieser Welt lebt, wird sich einsetzen für ein Leben in Gerechtigkeit. Das heißt, sich für ein gewaltfreies Zusammenleben der Menschen einzusetzen, es im Geiste Gottes, im Geiste des Reiches Gottes, in Wort und im Tun zu gestalten.
Weihnachten ist erst ein Anfang
Weihnachtstöne
Weihnachten, das Fest der Freude und des Friedens. Die Weihnachtsfreude hat in großartiger Weise Johann Sebastian Bach in seinem „Jauchzet frohlocket“ zum Ausdruck gebracht. Wenn ich diesen Anfang des Weihnachtsoratoriums gehört habe, dann weiß ich, jetzt ist Weihnachten und dieses Weihnachten ist unumkehrbar. Gott ist Mensch geworden und er liebt mich mit ewiger Liebe. Im fünften Teil des Weihnachtsoratoriums heißt es in einem wunderbaren Terzett: „Sopran: Ach, wann wird die Zeit erscheinen? Tenor: Ach, wann kommt der Trost der Seinen?“
Ich habe mich immer gewundert, warum nach der der zu überbietenden Weihnachtsfreude die eher meditativ resignierenden Fragen auftauchen: „Ach, wann wird die Zeit erscheinen? Ach, wann kommt der Trost der Seinen?“ Als ich mir den Handlungsverlauf näher ansah, war mir klar, warum plötzlich diese Fragen auftauchen. Mit dem fünften Teil tauchen Herodes und die Weisen aus dem Morgenland auf und damit die Gefahr, dass der Neuanfang im Keim erstickt würde.
Auch heute gibt es so vieles, was die Weihnacht übertönt und zu ersticken droht. Der Krieg den Putin unrechtmäßig gegen die Ukraine führt, Corona, die Zerstörung der Erde und die unzähligen privaten Schwierigkeiten und Katastrophen kommen hinzu. Gerade als Gläubige müssen wir fragen: „Ach, wann wird die Zeit erscheinen? Ach, wann kommt der Trost der Seinen?“
Noch vieles offen
Vor Jahren stand in einer Boulevardzeitung am Zweiten Weihnachtstag in großen Lettern „Der Weihnachtsmord“. Typisch, dachte ich, selbst an Weihnachten müssen solche schrecklichen Nachrichten als Aufmacher dienen, um die Auflage zu steigern. Doch noch während ich zur Messe ging, kam mir der Gedanke, dass Gott uns in der Feier des zweiten Weihnachtstages genau dieses Grauen, den Mord an Stephanus zumutet. Gott will uns nicht in der Rührseligkeit eines Weihnachtsidylls belassen, sondern er will daraus herausreißen in die brutale und herzlose Realität der Welt. Gibt es hier nicht eine Entsprechung zum Auftreten des Herodes in der Weihnachtsgeschichte. Fast habe ich den Eindruck, neben dem Heil des Universums ist auch das Böse allgegenwärtig und es schlägt grausam zu, der Mord an den unschuldigen Kindern, der Mord an Stephanus. Wenn wir uns den Tod des Stephanus anschauen, dann entdecken wir Parallelen zum Tod Jesu. Wie Jesus vergibt Stephanus den Feinden und übergibt seinen Geist der ewigen Liebe Gottes.
Die Kirche mutet uns diesen harten Schritt zu, weil es der Wirklichkeit entspricht. Stephanus erinnert uns an den Tod Jesu und der Tod Jesu verweist uns zur Geburt Jesu und darüber hinaus bis zum Anfang der Schöpfung. Krippe und Tod gehören zusammen. In diesem Zusammenfallen von Leben und Tod und Auferstehung gehört das „schon“ und das „noch nicht“. Das ist die Grundspannung, die uns zerreißt und erlöst. Wir sind schon erlöst, durch das Heilshandeln Gottes und zugleich noch nicht, weil die Wiederkunft Christi noch aussteht.
Weihnachten in die Welt tragen
Weihnachten ist ein Skandal. Weihnachten fordert uns heraus, das Kind zu beherbergen in unserer Wohnung und in unserem Herzen. Das Kind sind alle Notleidenden nah und fern. „Ausländer raus“ oder „Wir helfen nur Deutschen“ usw. passen nicht zu Weihnachten. Wenn wir durch Wort und Tat die Liebe nicht verteidigen und zur Geltung bringen, dann erlischt das Licht der Weihnacht. Politikaktivisten haben einmal das C der CDU abmontiert und es überall dorthin gebracht, wo das C, die christliche Gesinnung notwendig ist. Wäre das nicht auch eine Anregung für uns Christen? Wir tragen das Kind zu allen, die es nötig haben, zu den Flüchtlingen, in die Ukraine, nach China, zu den Arbeits- und Heimatlosen. Ich wünsche uns zu dieser Lebensaufgabe alle Kraft und allen Mut.
Mut sich zu Christus zu bekennen
Zeuge des Glaubens
Wir hören einen ersten Abschnitt über den unfairen Prozess gegen Stephanus:
Stephanus aber, voll Gnade und Kraft, tat Wunder und große Zeichen unter dem Volk. Doch einige von der sogenannten Synagoge der Libertiner und Zyrenäer und Alexandriner und Leute aus Zilizien und der Provinz Asien erhoben sich, um mit Stephanus zu streiten; aber sie konnten der Weisheit und dem Geist, mit dem er sprach, nicht widerstehen.
Da stifteten sie Männer zu der Aussage an: Wir haben gehört, wie er gegen Mose und Gott lästerte. Sie hetzten das Volk, die Ältesten und die Schriftgelehrten auf, drangen auf ihn ein, packten ihn und schleppten ihn vor den Hohen Rat. Und sie brachten falsche Zeugen bei. (Apg 6,8-13a).
Was wir hier über Stephanus gehört haben, reißt uns aus der Weihnachtsstimmung heraus und versetzt uns in die Karwoche. Die Sätze über Stephanus weisen mehrere Parallelen zum Leben Jesu auf. Das beginnt bei den Streitgesprächen und endet mit dem gleichen einzigartigen Verzeihen: „Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an.“
Wir dürfen davon ausgehen, dass Stephanus als Diakon nicht nur Almosen verteilte, sondern auch Partei ergriff für die Ärmsten und für mehr Gerechtigkeit eintrat. Dabei standen ihm Zeichen und Wunder zur Seite.
Wie seinen Herrn und Meister ziehen die Gegner den Stephanus mit falschen Vorwürfen vor Gericht. Selbst die Anklage, Stephanus würde nicht dem Gesetz des Mose folgen und den Tempel ablehnen, klingt wie gegen Jesus.
Stephanus wird beschuldigt, das Gesetz des Mose und seine Bräuche ändern und den Tempel zerstören zu wollen. Nichts davon stimmt. Vielmehr nimmt Stephanus die Thora, die hl. Schrift der Juden, sehr ernst und bezieht sie ausführlich in seine Rede vor dem Hohen Rat ein. Stephanus bleibt genauso wie Christus nicht beim Altgewohnten stehen, sondern baut darauf auf und führt weiter.
In Kenntnis der Heiligen Schriften
Wir hören den zweiten Teil der Lesung aus der Apostelgeschichte mit Auszügen aus der Rede des heiligen Stephanus:
Stephanus begann seine Rede: Brüder und Väter, hört mich an! Der Gott der Herrlichkeit erschien unserem Vater Abraham und sagte zu ihm: Zieh weg aus deinem Land in ein Gebiet, das ich dir zeigen werde. Und Gott verhieß ihm viele Nachkommen.
Dann geht Stephanus kurz ein auf die 400 Jahre Knechtschaft Israels in Ägypten. Für Zeiten des Ungehorsams und Glaubensabfall musste Israel büßen und auch die Unterdrücker in Ägypten wurden mit Plagen bestraft.
Stephanus schildert, wie Mose das Volk Israel aus Ägypten führte. Verehrung des goldenen Kalbes und Murren auf der Wüstenwanderung kennzeichnen das wankelmütige Volk.
Die Worte des Stephanus münden in den Vorwurf: Eure Väter haben sich dem Heiligen Geist widersetzt und auch ihr bleibt halsstarrig und seid um keinen Deut besser. (Apg 7,1-53)
Der Vorwurf des Stephanus wirkt deswegen besonders schwer, weil seine Gegner die Thora kennen sollten. Welchen Propheten haben eure Väter nicht verfolgt? Sie haben die getötet, die die Ankunft des Gerechten geweissagt haben, dessen Verräter und Mörder ihr jetzt geworden seid. Letztlich wirft Stephanus ihnen vor, sich wider besseres Wissen gegen das Gesetz des Mose gestellt zu haben.
Es ist zu wenig, sich im Besitz des Wortes Gottes zu wissen. Viel wichtiger ist es, aus dem Geist der hl. Schrift zu leben. Diakon Stephanus kannte die biblischen Aussagen sehr gut. Er hatte Mut bewiesen, den gekreuzigten und auferstandenen Christus als den wahren Messias zu verkünden, auch wenn die führenden Juden nicht an Christus glaubten. Stephanus hat die Vorwürfe seiner Gegner geschickt entkräftet. Als sie im fairen Streiten dem Stephanus nicht beikommen konnten, hielten sie sich die Ohren zu, wurden laut und gingen auf ihn los.
Harte Wahrheiten anhören zu können, sich von ihnen herausfordern zu lassen, zeugt von einem reifen Charakter. Letztlich ist dies eine unumgängliche Voraussetzung sich zu bekehren und Fortschritte zu machen.
Bereit zu sterben
Wir hören nun den dritten Teil der Lesung über die Steinigung des heiligen Stephanus:
Als sie das hörten, waren sie aufs äußerste über ihn empört und knirschten mit den Zähnen. Er aber, erfüllt vom Heiligen Geist, blickte zum Himmel empor, sah die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen und rief: Ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen. Da erhoben sie ein lautes Geschrei, hielten sich die Ohren zu, stürmten gemeinsam auf ihn los, trieben ihn zur Stadt hinaus und steinigten ihn. Die Zeugen legten ihre Kleider zu Füßen eines jungen Mannes nieder, der Saulus hieß. Stephanus aber betete: Herr Jesus, nimm meinen Geist auf! Dann sank er in die Knie und schrie laut: Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an! Nach diesen Worten starb er. (Apg 7,54 - 8,1a).
Auf die Rede des Stephanus findet die Menge keine andere Antwort als Zähneknirschen, Tumult und Gewalt. Wo Argumente und Einsicht über Bord geworfen werden, ist die Gewalt nicht mehr weit.
Als Stephanus Jesus bei Gott erhöht sieht, wird die Wut noch größer. Er schaut Gott im Himmel und nicht im Tempel, was die Gegner als weitere Provokation empfinden. Stephanus sieht Jesus zur Rechten Gottes stehen. Vor ihm, dem endzeitlichen Richter, bezeugt der Gekreuzigte und Auferstandene die Worte des Stephanus. Das treibt die Wut der Gegner auf die Spitze und drängt sie zur Steinigung.
Leider entdecken wir solche Schritte bis hin zur Gewalt in sehr vielen vor allem politischen Karrieren. Diese Blutspur zieht sich bis in unsere Gegenwart. Schreiendes Unrecht wächst, wo Wahrheiten verdreht werden, wo man Konkurrenten mit falschen Anschuldigungen klein macht. Hitler hatte bereits bei seinen ersten Auftritten Anfang der 20ger Jahre einen Sicherheitsdienst, der jeden, der zu widersprechen wagte, aus dem Saal entfernte.
Der Wille, Macht auszuüben steckt mehr oder weniger in uns allen, ob gegenüber dem Partner oder der Partnerin, gegenüber den Kindern; ob im Beruf, am Arbeitsplatz oder in der Schule. Fake News, Mopping, Verdächtigungen, Zurückhalten von Informationen und schrittweise Isolierung sind auch heute noch wirksame Mittel, die eigene Macht auf Kosten anderer zu stärken.
Verfolgte Christen
Der Stephanustag ist vor einigen Jahren zum Gebetstag für verfolgte und bedrängte Christen erklärt worden. Es gab noch nie so viele Christen, die wegen ihres Glaubens in Gefängnissen schmachten oder getötet werden, wie heute.
Bitten wir den heiligen Stephanus um tiefere Verwurzelung in Christus, damit auch wir uns mutig zu Christus bekennen. Mit Christus können wir am meisten zu Freiheit und Friede beitragen nicht nur in der Weihnachtszeit.
Sternstunde
Sternstunden der Menschheit
Wenn Sie in Fernsehzeitschriften blättern, fallen Berichte über Sternstunden der Menschheit auf. Häufig sind das Filme der Wissenschaftsredaktionen. Sie beschreiben die Entwicklung von Tieren oder Landschaften. Immer wieder kommt auch ein Part: „So fing es wahrscheinlich an.“
Sternstunden gibt es auch in der Sparte der Unterhaltungsfilme. Im richtigen Moment trifft der Held des Films auf Menschen in Not. Diesen Menschen wird übel mitgespielt. Diese Menschen werden verfolgt. Aber der Held ist da – und es läuft meist auf ein Happy End hinaus. Der Ausklang des Films lässt ahnen: Diese Menschen werden für die Zukunft ihrer Familie ein Segen sein.
Die Sternstunde des Stephanus
Für Stephanus war es anders. Seine Sternstunde war seine letzte Stunde. Sein Tod war beschlossene Sache. Die Art der Tötung war allen bekannt. Ein Zurück hätte es nur geben können durch einen Widerruf. Das aber war nicht möglich. Die Diskussionen mit den Vertretern der Synagoge hatten ja gezeigt: „Dieser Mann redet aus Gott.“
In dieser Situation kommt es zu seiner Vision. Die gibt ihm Sicherheit und Antwort. Er kann spüren: Ich habe auf das Richtige gehofft. Gut, dass ich dabei bleiben kann.
Eine Sternstunde für Christengemeinden
Sein Zeugnis war eine Sternstunde für Christengemeinden, die Menschen zu sich eingeladen haben. Sie mussten bekennen und gleichzeitig befürchten, verfolgt zu werden. Wie konnten sie mit ihrem Wunsch zum Bekenntnis und ihrer Angst umgehen? Wie konnten sie sich schützen und doch dem Reich Gottes mehr Raum geben? Die Geschichte des Stephanus zeigte ihnen: „Gott steht uns bei. Er verlässt uns nicht. Das gibt uns Mut.“
Im Evangelium der Heiligen Nacht wurde den Hirten und uns gesagt: „Fürchtet Euch nicht. Der Heiland ist geboren!“ Diese verängstigten Menschen, die sich keinen Reim auf all das machen konnten, schauten und glaubten.“ Das Geschehen rund um Stephanus ist eigentlich gleich.
Stephanus und Weihnachten
Die weihnachtliche Freude soll nicht gestört werden durch das Fest des Märtyrers Stephanus. Vielmehr sollte suchenden Menschen gesagt werden: Die Märtyrer stehen für einen Menschen ein, den Gott gesandt hat, damit wir mit ihm und durch ihn wachsen.
Christus-Begeisterung formte Stephanus
Weihnachten, das Fest der Liebe Gottes
Am zweiten Weihnachtstag wird uns von der Liturgie her das Martyrium des Diakons Stephanus vor Augen gestellt. Auf den ersten Blick erscheint dies nicht sehr feinfühlig. Mitten in den Jubel über die Geburt Jesu und in die Weihnachtsfreude hinein werden wir mit negativer Lebensrealität konfrontiert: Verurteilung und Hinrichtung wegen des Glaubens. Wir dürfen davon ausgehen, dass die Liturgen, die die Texte für das Kirchenjahr zusammengestellt haben, uns nicht die Freude am Weihnachtsfest verderben wollten, sondern eine pastorale Absicht verfolgt haben.
Wenn wir nicht wachsam sind, geraten wir leicht in die Gefahr, das Anliegen von Weihnachten mit der Zeit mehr und mehr abklingen zu lassen. In der Menschwerdung Jesu hat Gott das ungeheure Ausmaß seiner Liebe zu uns Menschen sichtbar werden lassen. Und von dieser Liebe weicht Jesus ein Leben lang keinen Zentimeter ab, obwohl sie ihm ein hohes Maß an menschlichem Leid einbrachte. Machen wir uns bewusst: Es gibt keine ärmlichere Geburt eines Menschen auf dieser Erde als die Geburt Jesu: Es gibt keinen schmachvolleren Tod zur Zeit Jesu als die Kreuzigung. Sie war den Schwerstverbrechern vorbehalten als Ausdruck der Schande. Jesus durchlebt also ein Höchstmaß an Armut und Schmähung. Dennoch wich er von der Liebe nicht ab. Dieses Verhalten Jesu sollen wir Weihnachten us vor Augen halten und in Freude darüber aufjubeln. Denn nur wenn wir uns in Staunen und Freude vom Leben Jesu begeistern lassen, wird in uns die Sehnsucht wachsen, an der Liebe selbst dann festzuhalten, selbst wenn uns Unrecht und Leid angetan wird.
In welches Ausmaß an Liebe Begeisterung führen kann, zeigt uns Stephanus. In seinem Herzen gibt es keinen anhaltenden Groll auf seine Gegner, Zorn oder Rachegedanken. Das zeugt nicht von Schwäche. Stephanus lässt sich von niemanden einschüchtern. Vor den Ältesten des jüdischen Gerichts hält er eine flammende Rede, in der er begeistert von Christus spricht und Zeugnis für ihn ablegt. Diese Begeisterung des Stephanus sollen wir uns vor Augen halten. Denn lebendiger Glaube benötigt Begeisterung und Festhalten an der Liebe. Nicht Traurigkeit über die Steinigung des Stephanus soll uns heute erfassen, sondern Hochachtung und Bewunderung darüber, welch enorme Kraft die Einstimmung auf die Liebe Gottes dem Stephanus brachte.
Gelebte Nachfolge Jesu
Schon in der Urkirche galt Stephanus als ein Musterbeispiel für gelebte Liebe und gelebte Nachfolge Jesu. Was wir von Stephanus, seinem Leben und Wirken wissen, ist uns in einer Form überliefert, die ihn als Abbild Christi zeichnet:
- Wie Jesus ist Stephanus voll Kraft und Gnade.
- Er wirkt Wunder und große Zeichen unter dem Volk.
- Obwohl bei den meisten Menschen beliebt, finden sich Gegner, die den Streit mit ihm suchen.
- Da sie seinem Geist und seiner Weisheit nicht widerstehen können, hetzen sie die Menge gegen ihn auf und schleppen ihn schließlich vor den Hohen Rat, die jüdischen Gerichtsbehörde.
- Dort lassen sie falsche Zeugen gegen ihn auftreten.
- Stephanus lässt sich nicht einschüchtern. In einer gewaltigen Rede bezeugt er vor den Ratsherren – und damit vor dem ganzen jüdischen Volk – Christus als den von Gott gesandten Messias.
- Wütend und zornig über die Worte des Stephanus richten sie ihn hin durch Steinigung.
Sterbend vergibt Stephanus seinen Peinigern und betet für sie.
Stephanus ein Abbild Jesu
Fast parallel und spiegelgleich verläuft das Leben des Stephanus mit dem Leben Jesu. Und nicht von ungefähr gipfelt das Ende des Märtyrers im Gebet Jesu am Kreuz: Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an. Dieser Satz enthält das Leitmotiv, unter das Stephanus sein gesamtes Leben stellte: Jene Liebe, die selbst den ärgsten Feind nicht ausklammert. Die Liebe prägte sein Denken, formte sein Wesen und bestimmte sein Handeln.
Stephanus ein Abbild Jesu, ein Vorbild für alle, die den Namen Christi tragen. Dieses Bild sollen wir vor Augen haben. Mit diesem Bild sollen wir in den Tagen nach Weihnachten aufbrechen in unseren Alltag und in das neue Jahr hinein.
Keiner, der sich nun im Stillen sagt „Das schaffe ich doch nie, ich bin kein Stephanus!“, soll resignieren oder aufgeben. Vielmehr möge er neu in die Krippe schauen auf den, von dem ja auch Stephanus seine Kraft bezog. Auch wenn wir keine großen Heiligen aus uns machen und uns nicht in allen Lebenslagen bewähren, so ist dennoch jedes kleine Werk unserer Liebe wertvoll und wichtig. Lassen wir uns durch weihnachtliche Besinnung auf Jesus, Stephanus und deren Leben immer neu bewegen zu einer Begeisterung, die über Weihnachten hinaus anhält und die im Laufe unseres Lebens immer stärker wird.
Wozu uns der Glaube an die Liebe Gottes befähigt
Freud und Leid
Freud und Leid liegen oft nahe beieinander. Wenn z.B. in einer Familie ein freudiges Ereignis wie eine Geburt oder ein Jubiläum von einem Todesfall in der Verwandtschaft überschattet wird. Geburt und Tod, wie passt das zusammen? Zu Weihnachten feiern wir beides hintereinander.
Vor einigen Tagen begegnete ich einer jungen Frau, die aus einem islamischen Staat geflohen und nach ihrer Ankunft in Europa eine christliche Kirche eingetreten ist. In dieser neuen Gemeinschaft konnte sie als Frau aufleben. Gleichzeitig muss sie den Religionsübertritt streng geheim halten, da sie befürchtet, dass fanatische Landsleute oder Verwandte sie deshalb ermorden könnten. Religiöser Fanatismus ist heute mindestens ebenso aktuell wie zur Zeit des hl. Stephanus, dessen Fest wir heute begehen.
Religiöse Konflikte
Die Apostelgeschichte erzählt uns von heftigen Auseinandersetzungen derer, die wie Stephanus dem neuen Weg Jesu folgten, mit ihrer jüdischen, römischen oder griechischen Herkunftsumgebung. Stephanus verteidigt seinen Schritt gegenüber Angehörigen der Synagoge der Libertiner, Kyrenäer, Alexandriner und Leuten aus Kilikien und der Provinz Asien (gemeint ist das heutige Kleinasien). Seit der Auflösung des jüdischen Königtums lebten Juden zerstreut in allen größeren Städten des römischen Reiches. Durch ihre strenge Beachtung religiöser Vorschriften hoben sie sich von den übrigen Bewohnern ab. Meist integrierten sie sich nicht und so kam es häufig zu Spannungen einerseits mit der Umgebung, andererseits innerhalb der unterschiedlichen spirituellen Strömungen in der eigenen Gruppe. Gerade diese lebten die jüdischen Lebensgewohnheiten besonders streng und erwarteten dies auch von allen anderen Juden.
Was damals geschah, ist in vielem mit unserer gegenwärtigen Immigrantenproblematik vergleichbar. Oft fühlen wir uns hin- und hergerissen. Wir bewundern einerseits Leute, wie sie für ihren Glauben einstehen und ihn auch nach außen hin zeigen, andererseits lehnen wir Fanatismus und religiöse Intoleranz ab. Religionstoleranz ist auch bei uns eine verhältnismäßig junge Errungenschaft, die sich religiöse Minderheiten in der Neuzeit erst mühsam erstritten haben. Heute herrscht bei uns eher religiöse Gleichgültigkeit. Diese darf nicht mit Toleranz gleichgesetzt werden. Wünschenswert wäre eine echte inhaltliche Auseinandersetzung der Gläubigen mit Nichtgläubigen und Andersgläubigen, bei der man jeweils gegensätzliche Meinungen respektiert.
Stephanus wird dafür gelobt, dass er seine Überzeugung freimütig darlegte. Als seine Gegner sich ihm gegenüber nicht mehr gewachsen fühlten, griffen sie zur Gewalt. – Sind wir diesbezüglich heute schon wesentlich weiter? Mit Verbotsgesetzen einerseits und Gewaltexzessen andererseits kommen wir einander nicht näher.
Zeitgemäßes Glaubenszeugnis
Die zeitliche Nähe des Festes des hl. Stephanus und des Weihnachtsfestes kann uns dabei eine Hilfe sein. Gott wählte einen anderen Weg, um die Menschen von sich zu überzeugen: Er wurde ein kleines Kind und tauchte ein in jene Kultur und Religion, die er erneuern wollte. Jesus sah sich als junger Mann unter den verschiedenen religiösen Strömungen seiner Zeit um und setzte sich mit ihnen auseinander. Er lehnte Gewalt ab und kämpfte mit den "Waffen" des Geistes. Ihm war klar, dass die Botschaft eines liebenden Gottes nicht mit Gewaltanwendung vereinbar war. Er vertraute darauf, dass der Geist Gottes stärker ist und sich auf lange Sicht durchsetzen werde. Daran hielt er fest, auch als es sein Leben kostete. Stephanus und viele andere Christen folgten ihm darin – bis heute.
Woran mangelt es uns europäischen Christen heute? Wir haben noch nicht gelernt zeitgemäß von unserem Glauben Zeugnis abzulegen. In der Vergangenheit hat es genügt, das zu tun, was christlicher Brauch war. Wir haben meist nicht gelernt, über unseren Glauben zu reden. In Glaubensgesprächen landen wir sehr schnell dabei, was die anderen tun sollten, und stellen Forderungen auf, wie alle leben sollten. Wir glauben zu wissen, was wahr und richtig ist und verteidigen das als den christlichen Glauben. Schwer tun wir uns, einander mitzuteilen, welche Hoffnung wir persönlich haben, um es mit den Worten des Apostels Paulus auszudrücken, was mein persönliches Leben mit Sinn erfüllt, was mir seelisch Kraft gibt, mit welcher Perspektive ich in die Zukunft gehe, warum ich so lebe und nicht anders.
Weihnachten ist das Fest der Liebe Gottes. Dieser Liebe verdanken wir unser Dasein, diese Liebe kann unser Leben mit Befriedigung ausfüllen, das Wissen um diese Liebe lässt uns zuversichtlich in die Zukunft schauen – sogar angesichts des Todes. Das alles führt uns Stephanus vor Augen.
Stephanus, ein furchtloser Zeuge Christi
Zwei Feiertage, die zusammengehören
Heiligenfeste werden normalerweise an deren Todestag gefeiert. Von Stephanus haben wir zwar eine eindrucksvolle Erzählung von seinem Tod. Wann das genau war, wissen wir genauso wenig, wie wir den Geburtstag Jesu kennen. Beide Feiertage sind willkürlich festgelegt. Aber unsere christlichen Vorfahren haben sich dabei etwas gedacht. Die beiden Feiertage umspannen die ganze Welt- und Menschheitsgeschichte. Gestern haben wir gehört, dass Christus vom Anfang an noch vor aller Schöpfung da war. Mit seiner Geburt als Mensch ist er in unsere vergängliche Welt eingetreten. Im Bericht über den Tod des Stephanus sieht dieser den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen. Dieses Bild ist nach Visionen vom Ende der Welt ausgestaltet, wie wir sie etwa beim Propheten Daniel vorfinden. Es verweist auf das Ende der Welt und die Wiederkunft Christi als Richter und Vollender.
Weihnachten und das Fest des hl. Stephanus gehören zusammen. Durch den Glauben an Jesus Christus haben wir eine ganz neue Sicht der Welt und ihrer Geschichte. Wir wissen sie von der Weisheit und vom Geist Gottes gelenkt. Die jungen religiösen Fanatiker, die Stephanus gesteinigt haben, konnten seiner Sichtweise nichts entgegenhalten. Es heißt: "...aber die konnten der Weisheit und dem Geist, mit dem er sprach, nicht widerstehen" (Apg 6,10).
Widerstand und Ablehnung
Jesus ist als Friedensbringer in die Welt gekommen, ist damit aber von Anfang an auf erbitterten Widerstand gestoßen. Die politischen Machthaber haben sich von ihm bedroht gefühlt. Die Namen Herodes und Pilatus stehen stellvertretend für alle römischen Machthaber der ersten Jahrhunderte des Christentums. Sie alle haben dafür gesorgt, dass sich die neue Weltsicht der Christen nicht durchsetzt. Auch die religiösen Führer der damaligen Zeit, angefangen von den Tempelpriestern bis hin zu den Pharisäern haben keinen Platz für diese neue Lehre gesehen. Ihre fanatischen Anhänger wollten dafür Sorge tragen, dass diese Reformbewegung nicht weiter um sich greift.
Die Erzählung von der Ermordung des Stephanus zeigt, dass die Weisheit und der Geist Gottes, wie sie von Jesus in die Welt hineingetragen worden sind, stärker sind als die Furcht vor dem Tod. Sie lassen sich von niemand aufhalten.
Wirksames Zeugnis
Die Erfahrung von Widerstand, Ablehnung aber auch Stärke haben die Christen durch die Jahrhunderte hindurch immer wieder gemacht. Für ihre christliche Weltsicht sind auch heute Menschen bereit mit ihrem Leben einzustehen. Sie lassen sich nicht durch Verfolgung und Unterdrückung davon abhalten, für ihren Glauben Zeugnis abzulegen.
Wir europäischen Christen leben in dem Gefühl, dass ein Zeugnis für Christus nicht mehr so viel verlangt. Aber vielleicht liegt das auch nur daran, dass wir nur halbherzig für die Weisheit und den Geist Gottes eintreten und uns die Leidenschaft des hl. Stephanus abhanden gekommen ist. Damit meine ich nicht, dass wir uns ein Beispiel an religiösen Fanatikern nehmen sollten. Wir sollten uns aber fragen, ob wir uns als Jünger Jesu verstehen, die wie Stephanus in die Fußstapfen Jesu treten, oder eher als Religionskonsumenten, die die Angebote der Religionen für ihr seelisches Wohlbefinden nutzen. Viele fragen sich: was habe ich vom Christsein? und nur wenige fragen: was bewirkt mein Christsein? Am Ende wundern sie sich, dass Christsein heute so wenig bewirkt.
Vorbilder wie der hl. Stephanus fordern uns heraus, darüber nachzudenken, was wir aus dem Erbe Christi machen. Die Weihnachtsfeiertage sind eine gute Zeit dafür.
Stephanus
Warum feiern wir Weihnachten?
Zu den festen Ritualen der Medien an großen christlichen Feiertagen gehören Umfragen in Fußgängerzonen und auf Weihnachtsmärkten. Oft nur mit einer simplen Frage: Warum feiern wir dieses Fest: Weihnachten, Ostern usw. So auch auf einem norddeutschen Weihnachtsmarkt vor einigen Tagen. „Es war doch schon immer so!“ „Wann soll man sonst Party machen!“ „Damit man ein paar freie Tage hat!“ Einer erinnerte sich schwach: „Da war doch was mit diesem Jesus. Feiern wir nicht Weihnachten, weil Jesus gestorben ist!“
Ob es auch „richtige“ Antworten gegeben hat, wurde in dem Beitrag nicht gezeigt. Hängen geblieben bin ich bei der auf den ersten Blick falschen Antwort: „Weil Jesus gestorben ist!“ Seit es Menschen auf Erden gibt, sind zig Milliarden geboren worden. Warum feiern wir auch mehr als 2000 Jahre später gerade den Geburtstag dieses Kindes immer noch so groß und festlich?
Und da kommen wir tatsächlich um die Antwort des Mannes der Umfrage nicht herum. Das Licht in der Krippe ist die aufgehende Sonne des Ostermorgens. Das Kind in der Krippe hat durch sein Leiden und Sterben den Tod besiegt und ist zur Herrlichkeit der Auferstehung gelangt. Nur im Licht der Auferstehung können wir gläubig erfassen, dass im Kind von Bethlehem Gott selbst Mensch geworden ist.
Unterbrechung des weihnachtlichen Gefühlshaushaltes
Insofern kann ich dann doch etwas gelassener auf die zunächst ziemlich ruppige Unterbrechung des weihnachtlichen Gefühlshaushaltes schauen, die mir die Kirche mit dem Gedenken an den Märtyrertod des Stefanus heute am Tag nach Weihnachten zumutet.
Wenn Weihnachten für mich mehr sein soll als ein gemütliches Familienfest mit Party, Essen, Trinken und freien Tagen, kann dieser Gedenktag eine Hilfe sein, das Geheimnis von Weihnachten tiefer erfassen zu können. Gott wird Mensch, um mir seine Freundschaft und Liebe anzubieten. Wenn ich dieses Beziehungsangebot Gottes annehme, verbinde ich mich unwiderruflich mit dem Lebensschicksal dieses Kindes. Unverbrüchlich begleitet mich diese Liebesbeziehung Gottes durch mein Leben.
Liebesbeziehung Gottes
Ich spüre seine Nähe und Liebe in meinem Leben immer dann, wenn ich mich in Krisensituationen von ihm getragen weiß. In Momenten der eigenen Schuld seine Vergebung erfahre. In Zeiten der Unsicherheit oder sogar Orientierungslosigkeit den Halt nicht verliere und auf einem festen Fundament stehen darf. Ich spüre seine Nähe dort, wo ich geliebt werde und Liebe schenken darf. In denen ich mich dankbar auf meine Freundschaften verlassen kann.
Ich werde immer dann unruhig und beginne an dieser Liebesbeziehung mit Gott zu zweifeln, wenn ich seine Nähe und Liebe nicht spüren kann. Dann beginne ich mich zu fragen: Warum? Warum lässt Gott das zu? Wo bist Du in meinem Leben? Warum lässt Du mich allein?
Zu einer Beziehung gehören aber immer zwei. Gott lädt mich ein, in solchen Zweifeln trotzdem an seiner Seite zu bleiben. Sich eben nicht abzuwenden und ihn allein zu lassen. Manchmal mutet er mir zu, mich zu ihm zu bekennen. Vor den Menschen Zeugnis für ihn abzulegen: Am Arbeitsplatz. Beim Stammtisch. Im Freundeskreis. Im politischen oder gesellschaftlichen Engagement. In meinem Leben eben.
Beziehungspflege
Das Aufbauen und Pflegen einer solchen Beziehung ist ein lebenslanger Prozess. Mit allen Höhen und Tiefen, die wir auch aus unserem menschlichen Leben kennen. Aber es macht Sinn, sich auf das Liebesangebot des Kindes von Bethlehem einzulassen. Wir haben eben in der Lesung aus der Apostelgeschichte das Sterben des Stefanus miterleben können. Aber die Erzählung beleuchtet auch die Früchte dieser Liebesbeziehung Gottes mit dem Menschen.
Stefanus blickt zum Himmel und sieht die Herrlichkeit Gottes, so erzählt der Text. Ich darf schon jetzt über das irdische Leben hinaus schauen in eine andere Dimension hinein. Wir nennen sie „Paradies“ oder „Himmel“.Es verändert meine Art zu leben, wenn ich über dieses Leben hinaus blicken darf.
Stefanus betet im Moment seines Sterbens: „Herr Jesus, nimm meinen Geist auf!“ Niemand weiß, was genau in der dunklen Nacht mit mir geschehen wird. Sterben macht Angst. Stefanus geht in diese dunkle Nacht a mit Hoffnung und Zuversicht hinein. Ich lerne aus diesem Text: Auch ich darf einmal mit dieser Zuversicht sterben.
Gott gibt Kraft zur Versöhnung
In meiner Begleitung von Todkranken und Sterbenden erfahre ich immer wieder, dass die allermeisten Menschen versöhnt und mich sich und den Menschen im Reinen sein wollen, wenn sie diese Welt verlassen. Ich sehe an Stefanus, wie sehr Gott mir diese Kraft zur Versöhnung schenkt und ermöglicht. Von seinen Feinden gesteinigt, kann er noch um Vergebung für sie bitten. Ich darf die Hoffnung haben, einmal nicht im Unfrieden zu gehen, sondern versöhnt mit Gott, den Menschen und mir selbst an die Tür des Paradieses zu treten.
Ja, es stimmt tatsächlich: Weihnachten hat etwas mit diesem Jesus und seinem Sterben zu tun. Aber weil das Licht in der Krippe eben die aufgehende Sonne des Ostermorgens ist, dürfen wir die Atmosphäre der weihnachtlichen Tage auch weiterhin genießen: In den Begegnungen in unseren Familien und mit unseren Freunden, im gemeinsamen Essen und Trinken und auch in der Erholung, die uns die freien Tage der Weihnachtszeit ermöglichen.
Bemerkung zur Liturgie:
In der Weihnachtsoktav wird das Credo in der Heiligen Messe nicht gesprochen. Es bietet sich aber ein „Lied nach der Predigt“ an: z.B. GL 236 (Es kommt ein Schiff geladen …), hier besonders die Strophen 4 - 6!
In der Mitte Jesus
Gegensätze
Der gestrige Tag ist ein Weihnachtstag und auch der heutige Tag ist ein Weihnachtstag. Gestern sprach für das neugeborne Kind die Schar der Engel. Heute spricht ein junger Erwachsener für Jesus Christus mit Weisheit und heiligem Geist. Gestern sangen die Engel vom Frieden auf Erden.
Heute wird ein junger Bursch in einen Streit verwickelt. Gestern eilten die Hirten zum Kind nach Bethlehem. Heute empören sich Menschen über die Botschaft vom Retter Jesus aufs äußerste. Die Hirten erzählten, was sie von der Geburt des Retters Jesus Christus gehört und gesehen hatten. Stephanus bezeugt, dass der Gekreuzigte und Auferstandene Jesus der Messias von Israel ist.
Gestern war das wunderbar und sorgte für Erstaunen, fast für eine Idylle. Heute ist es lebensgefährlich und für Stephanus tut sich eine schwere Krise auf Leben und Tod auf.
Gestern sangen die Engel: Fürchtet Euch nicht! Heute verkündet einer die Botschaft furchtlos und riskiert alles. Gestern feierten wir die Geburt des Kindes, das sich ein Volk nach Gottes Willen formen wird. Heute stirbt einer, der geformt ist nach Jesu Lehre und Vorbild. Gestern kam der Erlöser, der uns aus der Sündennot errettet, heute wird einer umgebracht, gesteinigt für diesen Retter.
Die Hirten erzählten, wo ihnen Gott begegnet ist. Beginnst Du damit heute zu erzählen, wo Dir Gott begegnet ist? Maria wusste nicht, was das alles bedeutete, sie betete und dachte darüber nach. Betest Du im Vertrauen auf den Geist wie Stephanus und stehst auch öffentlich zu deinem Glauben als Glied der Kirche?
In der Spur Jesu bleiben
Anfänge des Christentums im Donauraum
Dieses Fest gibt einen mehrfachen Anlass nachzudenken, nachdem hoffentlich die Hektik der letzten Tage abgeflaut und es wirklich still geworden ist - nicht nur aus Gründen der Erschöpfung und Verdauungsmüdigkeit.
Die kirchengeschichtliche Sichtweise: „Historia magistra vitae“- Die Geschichte als Lehrmeisterin des Lebens. Sie erwächst aus der Einsicht, dass immer eine Generation vorher die Grundlage für unsere weitere Existenz schafft. Die Anfänge des Christentums im späteren Gebiet der Diözese Passau lassen sich in den Christenverfolgungen um die Wende vom 3. auf das 4. Jhdt. nachweisen.
Im 8. Jhdt. entsteht im bayrischen Raum eine selbstständige Landeskirche u. a. auch die Diözese Passau, die in ihrer Größe bis ins heutige Ungarn (bis zur Raab) reichte mit einem Flächenausmaß von 42 000 km². Bistümer erhielten ihre Namen entweder von Aposteln, Märtyrern oder großen heiligen Männern. Stephanus, als erster Märtyrer und Blutzeuge, ist Patron der Domkirche Passau und des Domkapitels. Von dort ausgehend wurden weitere 26 Kirchen im Bistum Passau dem heiligen Stephanus geweiht. Aufgrund der großen Ausdehnung erhielten auch der Wiener Stephansdom und der Dom von Esztergom (Ungarn) diesen Namen. Auch in unserem österreichischen Gebiet gibt es einige Stephanskirchen etwa in Tulln oder in Baden bei Wien. Auch der erste christliche König von Ungarn nannte sich Stephan mit dem späteren Zusatz „der Heilige“.
Anfänge des Christentums in Jerusalem
Eine andere Sichtweise ist die bibeltheologische: Die Lesung aus der Apostelgeschichte- sozusagen „Urkunde der jungen Kirche“ – sieht Stephanus vor dem Synhedrium, also dem Hohen Rat als religiös-politische Behörde. Er wird angeklagt, er lästere gegen den heiligen Ort, gegen den Tempel, gegen das Gesetz Mose. Es geht dabei um innerjüdisch-christliche Streitereien: hebräische Juden (Einheimische) gegen hellenistische Juden (Ausländer, also griechische Juden). Das ist der erste Teil dieser Lesung aus der Apostelgeschichte.
Im zweiten Teil erfahren wir, wie sich der Diakon Stephanus verteidigt: Er wirft dem Hohen Rat, dem Synhedrium vor, Jahwe, also Gott, den Menschen zu entziehen und weist dabei darauf hin, dass das Volk jahrelang durch die Wüste gewandert ist und Jahwe gleichsam im Zelt „mitmarschiert“, also Gott ist unter den Menschen. Jetzt aber wird er durch den steinernen Tempel den Menschen entzogen auch durch Tempelwachen, durch die Priesterschaft, durch 613 Gebote und Verbote, die den Zugang zu Jahwe fast unmöglich machen, selbst der Hohepriester darf nur ein einziges Mal im Jahr das Allerheiligste betreten.
In diesem Abschnitt erfahren wir auch von der Wut auf den Stephanus, gleichzeitig aber auch von seinem mutigen Zeugnis. Er spricht aus, dass durch Menschen die Beziehung zu Gott blockiert wird. Er relativiert den Tempel. Die Gemeinde von Menschen ist wichtiger als dieses Steingebäude, auch wenn es noch so prachtvoll ist.
Stephanus gibt ein Beispiel dafür, wie man Konflikte löst: keinesfalls Gewalt gegen Gewalt. Saulus sagt aber JA zu dieser tödlichen Verletzung.
Ein innerjüdischer Konflikt
Lukas legt die Geschichte des Volkes Israel mit all seinen Vorzügen, aber auch mit seinen Schwächen dar. Die Konflikte waren so enorm, dass man nicht mehr zurück konnte. Der Tempelbau zeigt: Religion und Politik können nicht voneinander getrennt werden. Auch die junge Kirche kann, selbstverständlich auch die gegenwärtige und zukünftige kann, vor allem dann, wenn es um die Ausgegrenzten geht, um Witwen und Waisen nie apolitisch werden. Da würde sie ihren Auftrag verfehlen. Wenn sich Geld und Macht über Gebühr in die eigentlichen Glaubensinhalte einmischen, geht die Beziehung zu Gott verloren. Es besteht die Gefahr einer Ideologisierung.
Stephanus sah „den Himmel offen“. Er ist für die damaligen Amtsträger - in manchen Kreisen bis heute - tödliche Konkurrenz: Wir sind die Einzigen, sonst niemand. Die Angst vor Macht- und Prestigeverlust ist sehr groß.
„Offener Himmel“ bedeutet auch: Man sieht kein Ende, wo der Himmel aufhört - Anflug von Unendlichkeit. Ich kann die Grenze nicht feststellen, weil sie der Horizont setzt.
In der Spur Jesu bleiben
Wut macht sprachlos, unberechenbar. Schlimm, wenn es im inneren Bereich zur Spaltung kommt. Es war ein innerchristlicher, typischer Kirchen- und Gemeindekonflikt. Stephanus ist in der Spur Jesu. Er antwortet nicht mit Gewalt. Er betet für seine Feinde und vergibt ihnen, ohne die Tat selbst zu entschuldigen. Ein gutes Beispiel für Feindesliebe. Der Himmel: ein Zeichen grenzenloser Liebe. Wir werden sehr oft auf Grenzen verwiesen, teilweise setzen auch wir sie selber, wie diese Lesung zeigt - unnötigerweise durch Gesetze, Vorschriften, die keinen Nutzen bringen, sondern nur belasten. „Legteinander keine Lasten auf!“
Weihnachten, ein Fest der Wärme und Liebe, aber auch ein Fest, das uns zeigt, wie eng Leben und Tod, Liebe und Hass beieinanderliegen. In der Spur Jesu bleiben bis in den Tod fordert sehr viel von uns. Mit Gottes Hilfe werden wir auch die größten Hürden des Lebens schaffen.
Der Stephanus-Prozess - Kollateralschaden oder Wesensmerkmal des Heilsgeschichte?
Die Störung der Engel
Immer am zweiten Feiertag erleben wir den Prozess des ersten Märtyrers Stephanus. Ein Konfliktfall der frühen Kirche, der sich in einem heiklen Umfeld abspielte. Stephanus war Jude und Christ zugleich, außerdem griechischsprachiger Herkunft und somit nicht gebürtig aus dem Heiligen Land. Als Fremde hatten solche Einwohner in Jerusalem kein Anrecht darauf, im Falle irgendeiner sozialen Schwierigkeit Unterstützung durch die Jerusalemer Tempelgemeinde oder durch die anderen Synagogengemeinden zu erfahren, wenn sie diesen Gemeinden wegen ihres neuen Christseins nicht angehören wollten. Aus diesem Umstand heraus entwickelte sich unter den ersten Christen fremder Herkunft also die Notwendigkeit, ein Sozialsystem zu entwickeln, mit dem man den Bedürftigen entgegen kam, die durch die sozialen Netze der Stadt Jerusalem durchfielen. Man legte diese Aufgabe innerhalb der frühen christlichen Gemeinde in die Hände von sieben Männern, welche „von gutem Ruf und erfüllt von Geist und Weisheit“ waren, wie das in der Apostelgeschichte heißt. Ihr Dienst war zugleich von geistlicher wie von sozialer Art: Zum einen trugen sie die Frohe Botschaft und das Eucharistiesakrament aus der Versammlung der Gläubigen zu jenen, die an der Versammlung nicht teilnehmen konnten, zum anderen schauten sie nach deren Bedürfnissen. Somit kamen die Diakone natürlich auch mit Notstand, Ungerechtigkeit und anderen Missständen in Kontakt und nahmen daran Anteil.
Vor diesem Hintergrund ist der Konflikt des Stephanus zu vermuten, der eh als sehr kritischer Kopf gegenüber den Synagogengemeinden Jerusalems galt. Als getaufter Jude ausländischer Herkunft wagte er den anstrengenden Spagat zwischen den alten religiösen Traditionen der Juden, der neuen Art der aufblühenden christlichen Religion und der Kultur seiner Herkunft. Die Spannung, die darin lag, kann man fast im Raum spüren. Und als sich diese Spannung dann einmal wieder entlud, kam es zu dem Prozess, von dessen tödlichen Ausgang wir hörten. Politische Konflikte und persönlicher Krach wurden also anscheinend schon sehr früh zu Markenzeichen der christlichen Gemeinschaft. - Und nicht der Friede.
Tradition verpflichtet
Wir Christinnen und Christen sind dem treu geblieben - bis heute. Die Kirchengeschichte ist durchzogen von Hass und Krieg - quer durch alle Konfessionen. Wenn auch in unseren Tagen keine Kreuzzüge mehr zu Pferde und in voller Rüstung stattfinden, gibt es sie dennoch. Die Moderne verlegt diesen Kampf - in unseren Breiten zumindest - lieber in die Medien, mit Vorliebe ins Internet. Ein Beispiel bietet sich gerade in diesem Jahr in schon fast aufdringlicher Weise an: die Person des Nachfolgers des hl. Petrus. Wetterten bis zu seinem Rücktritt liberale Kreise in Kirche und Welt gegen Papst Benedikt und seine Fans, sind es heute jene, die bewahren wollen, die kritisch das Wirken von Papst Franziskus kommentieren. In den Ortskirchen, in unseren Bistümern und in unseren Gemeinden fühlen sich heute jene bestätigt, die immer schon den Wandel wollten, und sie lassen das »die Anderen« - oftmals versehen mit reichlich Häme - auch wissen. Medial wurden damals und werden heute die Ungeliebten gleichsam zur Stadt hinaus getrieben - Steine in Form von bösester Kritik fliegen niedrig. Wir Christinnen und Christen sind unseren Anfängen wahrhaft treu geblieben.
Das Wagnis der Ehrlichkeit
Bevor wir uns nun zurücklehnen und als fromme Christenmenschen aber doch den Frieden beschwören, der an diesem Weihnachtsfest die Botschaft der Engel ausmacht und der doch so dringendst notwendig ist, stellt sich die Frage: Warum ist das denn eigentlich bei uns immer so anders, als es sein sollte? - Eine erlösende Antwort darauf könnte sein: Weil wir Christinnen und Christen in keinem einzigen unserer Lebensvollzüge irgendetwas Anderes und schon gar nicht etwas Besseres sind als Nichtchristinnen und Nichtchristen in dieser Welt. Wir sind genauso unfriedlich wie alle anderen Menschen auch. Die Friedensbotschaft des Kindes in der Krippe ist uns wohl ein Auftrag - und unzählige Beispiele von Menschen zeigen auf, wie wir dem immer wieder im Kleinen wie im Großen auch gerecht geworden sind. Dennoch gibt es keinen Anlass zu Hochmut - es bleibt noch viel zu tun, weil auch sehr viel schief gegangen ist und immer noch schief geht.
Christliche Konsequenz
Statt nun unsere Friedlosigkeit, die mit der Entstehung unserer Glaubensgemeinschaft einher geht, ständig zu verteufeln und zu verdrängen, indem wir mit den Lippen Besserung geloben und mit den Füssen diese Absicht treten, erscheint es doch viel schöpferischer, einmal ehrlich zu fragen: Und nun? Wohl wissend: Es wird richtig schwierig.
Ein erster Schritt zu einem konstruktiven Frieden könnte in Anerkennung der Tatsache bestehen, dass es ohne andere Menschen um mich herum nicht geht. Egal, was uns an Konflikten umgibt: Einen Friedensweg kann ich nicht allein gehen - das wird spätestens dann deutlich, wenn ich die Beispiele der großen Friedensstifter etwa der Moderne näher anschaue: Ob Nelson Mandela, Mahatma Ghandi und andere - sie alle sind ihren Weg nicht allein gegangen, sondern sie haben immer wieder die Beziehung zu jenen gesucht, die für den Frieden unabdingbar sind. Ihr großes Verdienst: Sie hatten keine ideologischen Barrieren im Kopf, sondern sind vorbehaltlos auf alle zugegangen.
Und noch etwas fällt auf: Den genannten Friedensstiftern folgte stets wieder eine lange Spur des Unfriedens. Auch das zeigt: Der Friede braucht den steten Neuanfang - und Friede, die Eintracht zwischen den Menschen wird immer bruchstückhaft bleiben. Dem einen Frieden folgt mit Sicherheit der nächste Konflikt.
Packen wir’s an
Wenn die Engel der Heiligen Nacht Frieden auf Erden verkünden, sind uns Menschen Maßstäbe gesetzt. Mit diesem Horizont im Blick dürfen wir aber dennoch nicht unsere menschliche Wirklichkeit aus dem Auge verlieren, - jene Wirklichkeit, die auch den Hl. Stephanus das Leben gekostet hat, die vor Beispielen des Unfriedens, der Konflikte und des Hasses nur so strotzt. Vielmehr sind wir aufgerufen uns, immer wieder neu mit Mut und Phantasie auf den Weg hin zu einer friedvolleren Welt zu machen. Und die Friedenbotschaft des Weihnachtsfestes lädt uns dazu ein - jedes Jahr neu.
Was uns Jesus mitgebracht hat
Kampfplatz Religion?
"Wes das Herz voll ist, geht der Mund über", heißt es im Sprichwort. So scheint es auch bei Stephanus gewesen zu sein. Neubekehrte sind oft kämpferisch. Ihr Herz ist übervoll. Interessant ist das Umfeld, in dem sich die Auseinandersetzungen abspielen. Zunächst kam es zu Spannungen innerhalb der Jerusalemer Christengemeinde. Die Bedürftigen der griechischsprachigen aus der Diaspora zugezogene Juden, kamen gegenüber den einheimischen zu kurz. Stephanus ist einer von den sieben Diakonen, die eingesetzt wurden, um für die gerechte Verteilung der gemeinsamen Mittel zu sorgen. Seinem Namen nach war er selbst griechischsprachiger Herkunft.
Die Auseinandersetzung nach seiner Predigt spielen sich auch vorwiegend zwischen Mitgliedern der griechischsprachigen Juden ab. Zu ihnen gehört auch Saulus. Sie alle sind jung und bereit für ihre religiöse Überzeugung zu kämpfen. Sprache und Religion sind für Menschen, die dabei sind ihre Identität zu festigen, attraktive Tummelplätze - auch heute noch.
Aber zeigt sich gerade darin nicht die gefährliche Seite von Religion? Junge Menschen suchen sich durch Religion und Weltanschauung zu profilieren und sind bereit, dafür zu kämpfen; zunächst mit Worten, aber die Eskalation liegt nahe. Ist das nicht eine Schwachstelle aller Religionen? Wie können wir dem begegnen? Wie können wir als Christen damit umgehen?
Jesus ein Friedenskönig?
Jesus selbst hat für seine Überzeugung gekämpft. In Streitgesprächen mit seinen Gegnern hat er seine Sichtweise geschärft und dargelegt. "Ich aber sage euch...!" (Mt 5), ist ein Schlüsselsatz der Bergpredigt. Von Jesus werden auch Sätze überliefert wie "Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen. Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert." (Mt 10,34). Ist uns damit nicht schon ein grundsätzliches Problem in die Wiege des Christentums gelegt?
Jesus war aber auch überzeugter Pazifist. Er sagt zu dem Jünger, der ihn bei seiner Gefangennahme mit dem Schwert verteidigen will: "Steck dein Schwert in die Scheide; denn alle, die zum Schwert greifen, werden durch das Schwert umkommen." (Mt 26,52). Pilatus gegenüber betonte er, dass sein Reich nicht von dieser Welt sei und dass für ihn kein Heer kämpfen werde...
Der Friedenskönig, dessen Geburt wir gestern gefeiert haben und der zum Zeichen seiner Friedfertigkeit auf dem Fohlen einer Eselin in Jerusalem eingezogen ist, bringt kein harmloses Weichspülprogramm. Seine Botschaft will Bekehrung, fordert Umkehr und provoziert Widerstand.
Das Beispiel des Stephanus
Die Botschaft Jesu führt nicht zwangsläufig zu einer Mission mit Feuer und Schwert. Sie ist aber immer wieder in diese Richtung missverstanden worden. Stephanus ist ein hervorragendes Beispiel für die Gratwanderung, die uns Christen in der Nachfolge Jesu abverlangt wird. Seine jungen Kontrahenten spüren sehr genau, wohin die Botschaft Jesu führt. Sie fürchten, dass er, Jesus, "diese Stätte" (Apg 6,14) - gemeint ist wohl der Tempel als Ort der Gottesverehrung - zerstören und die überlieferten Bräuche ändern werde. Dies wollen sie verhindern, indem sie Stephanus zu Tode bringen. Stephanus hingegen tritt in die Fußstapfen Jesu, indem er im Sterben noch betet: "Herr Jesus, nimm meinen Geist auf! Dann sank er in die Knie und schrie laut: Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an!" (Apg 7,59 f).
Mission heute?
Wie aber können wir die Botschaft Jesu heute authentisch leben und weitergeben, ohne dabei in die Gewaltfalle zu tappen? Dabei reicht es nicht, dass wir das Schwert durch subtilere Formen von Gewalt ersetzen; durch kulturelle Überlegenheit etwa.
Im Laufe meines Missionarslebens - die Ordensgemeinschaft der Redemptoristen sieht "Mission" als ihre Hauptaufgabe - bin ich zum Schluss gekommen, dass Mission bei mir selbst beginnen muss. Wer sich von der Botschaft Jesu prägen lassen will, muss sich täglich neu dem Anspruch dieser Botschaft aussetzen und seine Lebensweise von dieser Botschaft her in Frage stellen lassen. Er/sie muss sich selbst evangelisieren und evangelisieren lassen.
Das ist gar nicht so einfach. Denn solange im Leben alles glatt geht, gleitet der Anspruch der Frohen Botschaft an mir ab, wie der Regen am Regenschutz. Unter die Oberfläche gelangt die Kraft des Evangeliums meist erst dort, wo die glatte Oberfläche unseres Lebens Risse bekommen hat; etwa durch Schicksalsschläge, durch Scheitern, durch Erfahrung der eigenen Ohnmacht... Hier kann durch die Kraft des Geistes Neues entstehen.
Selbstevangelisierung
Der Evangelisierungsauftrag der Kirche ist für mich vor allem ein Auftrag zur täglichen Selbstevangelisierung. An uns selbst spüren wir, wie resistent ein jeder gegen Veränderung ist. Das gilt nicht nur für den einzelnen Christen, das gilt auch für geistliche Gemeinschaften wie Orden oder Pfarrgemeinden. Das gilt für alle christlichen Gliederungen bis hinauf in die hierarchischen Spitzen...
Haben wir aber nicht den Auftrag, das Evangelium in die ganze Welt hinauszutragen? Wir können wir dann andere evangelisieren?
Ich für meinen Teil bin zum Schluss gekommen, dass ich andere Menschen nicht evangelisieren kann. Was ich dazu beitragen kann, ist lediglich ihnen zeigen, wie ich Bibel lese, wie ich versuche, mich dem Anspruch des Evangeliums zu stellen. Ich lade in Gemeinden ein, gemeinsam die Bibel zu lesen und sich darüber auszutauschen, was uns der Geist Gottes durch das Lesen der Frohen Botschaft sagt. Und ich habe begonnen darauf zu vertrauen, dass dies genügt. Das Weitere tut der Geist Gottes. Er evangelisiert.
Vor zwei Jahren stieg ich auf dem Rückweg aus dem Urlaub in einen Fernzug ein. In dem Abteil, in dem ich Platz fand, saß bereits ein junger Mann mit einem großen Rucksack über sich in der Gepäckablage. Er las in einem abgegriffenen dicken englischsprachigen Buch. Zwei Plätze wurden dann noch von Frauen eingenommen. Die eine trug ein Ordenskleid, die andere war wohl eine Mitschwester in Zivilkleidung. Nach einigen Minuten legte der junge Mann sein Buch weg und fragte, ob von uns jemand eine Bibel bei sich habe. Er fand die Lektüre seines Buches nicht mehr interessant genug. Es sei immer das Gleiche, was er da lese. Da niemand von uns eine Bibel dabei hatte, bot ich ihm an, er könne die Bibel auf meinem Laptop lesen. - Dank "Predigtforum" begleitet mich mein Laptop auch im Urlaub... - Er nahm das Angebot gerne an. Ich startete das Bibelprogramm und suchte den Beginn des Markusevangeliums. Er begann zu lesen. Es dauerte nicht lange und wir fanden uns mitten in einem Gespräch, was diese Erzählungen für uns heute bedeuten könnten. Dabei zeigte sich, dass er bisher mit Bibellesen noch kaum Erfahrung hatte.
"Mensch vor der Krippe, bist du bereit, mir nachzufolgen?"
Kalte Dusche
Am 2. Weihnachtstag stellt uns die Kirche vor eine anspruchsvolle Aufgabe. Sie stellt uns die Frage, inwieweit wir dem Kind in der Krippe, Jesus Christus, folgen wollen.
Wie eine kalte Dusche mitten in die Gemütlichkeit dieser weihnachtlichen Tage wirkt das Fest des Hl.Stephanus und die gehörten Texte des Neuen Testamentes. Eine kalte Dusche ernüchtert, kann darum auch heilsam und befreiend sein. Im Evangelium warnt Jesus seine Jünger hellsichtig, dass sie sich vor den Menschen in Acht nehmen sollen, weil sie diese vor Gericht bringen und in den Synagogen auspeitschen werden.
Diese knallharte Aufforderung zur Wachsamkeit vor den Menschen wird uns ausgerechnet am Tag nach Weihnachten zugemutet, an dem uns die Botschaft von der Menschenfreundlichkeit Gottes verkündet worden ist, und was wir in den Weihnachtsliedern auch heute besingen, die Ehre Gottes und den Menschen Frieden. Wie verträgt sich das miteinander? Die Ausrufung einer Menschenfreundlichkeit von Gott her, der ja aus dieser Freundlichkeit und Liebe selbst Mensch wird in Jesus Christus, und die Warnung Jesu: nehmt euch vor den Menschen in Acht?
In den Fußstapfen Jesu
Exemplarisch stellt sie uns einen Menschen vor Augen, der als Diakon gewählt und als streitbarer Ansprechpartner der Zeitgenossen sich in die Fußstapfen Jesu begibt. Angefeindet. Opfer einer Hetzkampagne (vgl. Apg 6,11-14). Und doch wortgewaltig und überzeugend. In seiner feurigen Rede (Anmerkung: diese ist in der Leseordnung ausklammert; vgl. Apg 7,1-53) führt Stephanus aus, wie sehr das Gottesvolk immer wieder die Rettergestalten, die Gott ihnen schickt, ablehnt - und damit auch das Heilsangebot Gottes.
Stephanus schenkt seinen Zuhörern nichts. Er nimmt sich kein Blatt vor den Mund, was durchaus damals so üblich war. Er bezeichnet sie als "Halsstarrige, die sich mit Herz und Ohr immer wieder dem Heiligen Geist widersetzen" (vgl. Apg, 7,51). Er nennt sie Verräter und Mörder. Kein Wunder also, dass diese aufs äußerste über ihn empört waren. Die Spaltung zwischen Judentum und urchristlichen Gemeinde ist im Gange.
Der Hörer wird bemerkt haben, dass es Parallelen zwischen dem Weg Jesu von seiner Verurteilung bis zu seinem Kreuz gibt. Der Verfasser der Apostelgeschichte, Lukas, hat dies sehr bewusst so konstruiert. Hier geht es tatsächlich um die Nachfolge Jesu. Bis zu seinem bitteren Ende.
Aus der Idylle in die Realität
Die Krippe ist der Ort, wo die Hoffnung zur Welt gekommen ist. Der Ort, an dem das Licht der Welt geboren worden ist. Der Ort aber auch der Entscheidung: Mensch, der du vor mir stehst, bist du bereit, mir nachzufolgen? Auch dann, wenn die Kerzen auf dem Christbraum erloschen sind? Auch dann, wenn es für dich ungemütlich wird, du angefragt wirst, manchmal auch belächelt oder gar runtergemacht wirst, weil du dich mit Eifer für mich und Gottes Reich einsetzt?
Mensch, der du vor mir stehst, oder möchtest du dich lieber mit einer oberflächlichen Beziehung mit mir begnügen? So im Sinne: Nützt es nichts, so schadet es nichts. Du bist Christ, weil alle Christen sind. Aber dich und dein Leben berührt das wenig. - Bist du so einer?
Stephanus hatte einen starken Glauben. Doch er war auch erfüllt vom Heiligen Geist, voll Gnade und Kraft. So weiß es zumindest der Verfasser der Apostelgeschichte, Lukas, über ihn auszurichten. Das ist der Grund, warum Stephanus zu einem solchen Zeugnis fähig war.
"... worin auch immer Gottes Macht bestehen mag, der erste Aspekt Gottes ist niemals der des absoluten Herrn, des Allmächtigen. Vielmehr ist es jener Gott, der sich auf unsere menschliche Ebene begibt und sich Grenzen auferlegt." (Jacques Ellul: Anarchy and Christianity) zitiert der Autor in seinem Roman "Die Hütte". Dieser menschgewordene Gott, der sich selbst Grenzen auferlegt, führt den Menschen an seine Grenzen und mutet ihm diese zu.
"Macht euch keine Sorgen, wie und was ihr reden sollt."
(Mt 10,19)
Das heutige Fest holt uns wieder in die Lebensrealität. Es gibt Widerstand. Es gibt Menschen, die mit einem Böses im Sinn haben. Es gibt Momente der ungerechten Behandlung, sogar des Gerichtes. Vielleicht kennen auch wir das aus unseren eigenen Erfahrungen. Zwischen den Zeilen können wir aber von einem großen Vertrauen lesen. Vertrauen, dass, was auch immer auf einen zukommt, und sei es das Gericht oder der zu erwartende Tod wie bei dem Heiligen dieses Tages oder was auch immer, was Angst macht oder uns meinen lässt, am Ende zu sein, dass da einer längst schon mit seiner Hilfe, dem Geist eures Vaters, wird er im Evangelium von Jesus genannt, entgegengekommen ist. Darin erweist sich erst recht die Menschenfreundlichkeit Gottes. Sie führt uns aus der Enge in die Weite. Und dank diesem Geist sind wir zu Großem befähigt.
Einladung zur Tiefe im Glauben
Der Heilige Stephanus wurde für viele zu einem Vorbild im Glauben. Viele tragen seinen Namen. Und auch viele andere sind seinem Vorbild in der Nachfolge Jesu bis in den Tod gefolgt. Unzählige in der Kirchengeschichte bis in unsere Zeitgeschichte.
Das Fest des Heiligen Stephanus ist Einladung, mit dem Glauben an Jesus in die Tiefe zu gehen und sich herausfordern zu lassen. Es rüttelt wach und lässt auch uns vielleicht fragen, wo der Heilige Geist in einem selbst am Wirken ist und wozu er uns befähigt, wenn wir uns mit vollem Eifer für eine gute Sache, für den Zusammenhalt in der Familie, für Versöhnung zwischen Streitenden, für die Armen, für das Leben, für die frohe Botschaft einsetzen.
Die Minarette und der hl. Stephanus
"Fürchtet euch nicht”
Die Schweiz kennt jeder als ein Land, das für gewöhnlich auf dem internationalen Parkett nicht viel von sich reden macht, schon gar nicht negativ. Man hat vielleicht ein paar Ideen oder Ferienerinnerungen, wenn man an diese Nicht-EU-Insel denkt, aber das war’s für gewöhnlich auch schon. Seit ein paar Wochen hingegen ist die Schweiz nun in aller Munde - auch wenn ich meine, nicht aus rühmlichen Anlass.
Was ist passiert? Anfangs des Jahres 2006 gab es aus verschiedenen Kreisen Widerstand gegen Baugesuche für Minarette auf bestehenden muslimischen Gebetsräumlichkeiten in drei Schweizer Gemeinden und gegen den Plan für den Bau eines Islamischen Zentrums in Bern. Der Streit spitzte sich zu bis hin zur Lancierung einer Initiative mit dem Titel "Gegen den Bau von Minaretten”.
Am 1. Mai 2007 wurde die eidgenössische Volksinitiative offiziell gestartet. Lanciert wurde sie von Politikern zweier rechter Parteien und verschiedener Komitees. Im Juli 2008 reichten Vertreterinnen und Vertreter des InitiativKomitees weit über 100.000 gültige Unterschriften in Bern ein. Damit musste das Anliegen vor das Stimmvolk: Die Vorlage kam bekanntlich am 29. November 2009 zur Abstimmung und wurde von 57,5 % der Abstimmenden angenommen.
"Der Bau von Minaretten ist verboten” - um diesen kurzen knappen Satz, der neu nun in der Bundesverfassung stehen wird, brennt seitdem international eine heftige Kontroverse. Schon an dem Sonntagnachmittag waren weltweit die Nachrichtenkanäle von diesem Thema beherrscht.
Umfragen auf den Straßen europäischer Großstädte und durch Meinungsforschungsinstitute zeigen ständig neu, dass auch in manchem anderen Land eine Abstimmung ähnlich wie in der Schweiz ausgegangen wäre, gäbe es dort diese poltitischen Instrumente.
Das Kind im Brunnen
Besonders erschüttert die Schweiz nun, dass Vorhersagen der Meinungsforscher vor Monaten und bis kurz vor der Abtsimmung zunächst einmal ganz anders ausgesehen haben, und nun fragt man sich weit herum: Wie konnte das passieren - die Analysen kochen hoch.
Eines beherrscht dabei die Diskussion: der Begriff der Angst. Wenn sich mal in einem Gespräch jemand outet als einer, der der Initiative zugestimmt hat - und das geschieht meist nur sehr zaghaft -, hört man schnell von ganz merkwürdigen Ängsten, die bei genauem Anschauen seltenst einen vernünftigen Grund haben. Sie sind aber trotzdem da. Also muss die Politik nun dringendst mit ihnen rechnen.
Was macht aber diese Angst aus? Objektiv gesehen erkenne ich nichts am Islam hier in Europa, was mich ängstigen müsste. Und noch mehr: Die Botschaft der Engel an die Hirten in der Heiligen Nacht beginnt mit dem Zuruf "Fürchtet euch nicht” - Worte, die nicht nur den Hirten von damals gegolten haben. Was ist los? Ein Hinweis kann uns weiterführen, den Sie vielleicht kennen.
Am 2.12.09 schrieb Franz Josef Wagner, Chef-Kolumnist der Bild-Zeitung, folgende Zeilen:
"Liebe Minarette, ich fühle mich nicht von Euch bedroht. Bedroht fühle ich mich von unseren leeren, einsamen, christlichen Kirchen, von Klassenzimmern ohne Kreuze, Religionsunterricht als Hobby. Grotesk, dass das Bundesverfassungsgericht entscheiden musste, dass der Sonntag der ‘Arbeitsruhe und seelischer Erhebung’ gehört. Die Moscheen sind voll, unsere Kirchen sind leer. Unser Gott ist die Toleranz, die Diskussion, die Konferenz, die Konfliktforschung.
[...] Ich habe Angst, dass unsere Kirchen Ruinen werden, unsere Pfarrer arbeitslos und die Bibel bei Ebay verramscht wird. Ich habe keine Angst vor Minaretten, ich habe Angst, dass unser Gott in Deutschland ein Fremder wird."
Und Schweizer dürfen diese Sorge für ihr Land ruhig teilen.
Fade geworden?
Das Problem ist - auf den Punkt gebracht - nicht die Stärke des Islams in Europa, sondern eine vielerorts auszumachende Schwäche des Christentums. Es reicht nicht, das Christentum als Kulturträger anzuerkennen, unseren Lebensraum das "christliche Abendland" zu nennen oder christliche Parteien zu wählen. Das Christentum ist zu allererst eine Botschaft, die jede/n einzelne/n Getaufte/n dazu beruft, selbst "Salz der Erde", "Licht der Welt" zu sein. Das lässt sich nicht delegieren.
Wenn wir diese Verantwortung grundlegend und wirklich wahrnehmen, wenn wir bereit sind, Jesu Streben nach einem Reich der Gerechtigkeit und des Friedens mit Hirn und Herz zu erfassen, werden wir mit Hoffnung und Zuversicht, kurz: mit Selbstvertrauen beschenkt. Dann braucht niemand Angst zu haben. Und schon gar nicht vor einer Religion, die sich auf dieselben Stammväter beruft wie das Christentum.
Stephanus macht’s vor
Wir feiern heute das Fest des Hl. Stephanus. Unmittelbar nach den zumeist schönen stimmungsvollen Weihnachtstagen kommt gleich blutiger Ernst in die Verkündigung der Frohbotschaft. Und diese große Nähe von neuem Leben und Märtyrertod führt uns überdeutlich vor Augen: In der Nachfolge Jesu Christi zu stehen, sein Leben im Licht der Frohbotschaft zu sehen, ist eben nichts für die leichte Schulter, sondern Herausforderung an unsere Existenz.
Aber erst daraus erwächst, was für das Christentum hier und heute wichtig ist: nicht eine christliche Leitkultur eines Landes, nicht christliche Politik einer Partei, sondern zuerst christliches Selbstbewusstsein eines jeden Einzelnen.
Im alttestamentlichen Psalm 31 heißt es: "In deine Hände lege ich voll Vertrauen meinen Geist; du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott." Wer die Meinung des Psalmisten wie der hl. Stephanus im Herzen trägt, der hat keine Angst vor dem Fremden, der weiß, dass das christliche Abendland nicht auf den Schultern politischer Interessenten, sondern in Gottes Händen ruht.
Wer aus christlicher Hoffnung und Zuversicht selbstbewusst ist, der kann Fremdes anschauen, zulassen, als bereichernd erfahren, weil ihm nichts genommen werden kann.
Wer aus christlicher Hoffnung und Zuversicht selbstbewusst ist, baut voller Tatendrang mit an diesem Reich Gottes des Friedens und der Gerechtigkeit, das hier auf Erden schon erfahrbar sein soll.
Wer aus christlicher Hoffnung und Zuversicht selbstbewusst ist, hat Ideen und Visionen, wie es weitergehen kann. Stephanus rief den Umstehenenden sein Bekenntnis zu: "Ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen." - Und was sehen Sie?
Stephanus verdirbt uns die Weihnachtsstimmung
Berühmt werden ist ja gut und recht. . .
Lieber Stephanus, ich muss dir schon gratulieren. Du bist der erste Martyrer der Kirchengeschichte und bis heute berühmt. Überall bist du in Erinnerung geblieben. Nicht schlecht - zuerst predigen und dann sagen: Ich sehen den Himmel offen - das hat seine Wirkung sicher nicht verfehlt.
Aber sag mal ehrlich: Hast du es da nicht ein bisschen übertrieben mit deinem Frommsein? Berühmt werden ist ja gut und recht - aber sich deshalb gleich steinigen zu lassen? Und Jesus- na ja wir glauben ja alle an ihn. Aber deshalb die anderen gleich so provozieren? Du hast doch gemerkt, dass du keine Chance hattest, deine Gegner zu bekehren. Die waren viel zu eingefahren und zu stur. Du musstest doch damit rechnen umgebracht zu werden. Aber du warst selbst so stolz und stur. Du wolltest es ihnen und den Aposteln, die sonst die Helden waren und Euch Diakonen die Arbeit mit den Asozialen überlassen hatten, mal zeigen. Oder? Gib's doch zu. Und das ging dann daneben und hat dich dein Leben gekostet. - So war's doch, oder?
. . .aber bitte nichts übertreiben
Weißt du, mich hat die Erfahrung Besseres gelehrt: Das Wichtigste ist eben, den Mund nicht zu weit aufzumachen. Es ist unsinnig, sich zu viel für etwas einzusetzen. Man darf sich nicht übertrieben engagieren. Ein bisschen christlich sein ist o.k. Es beruhigt das Gewissen. Aber ja sich nicht auf zu viel einlassen. Das hättest du bei Jesus ja wohl schon merken können. Wenn du dich zu weit einlässt, hast du bald selbst das Kreuz am Hals. Aber wem sag ich das! Du hast es ja selbst gemerkt. Jesus hat das übrigens ja auch zugegeben: Wer mir nachfolgen will, der nehme sein Kreuz auf sich, heißt es in der Bibel.
Im Grunde, unter uns gesagt, ist er gefährlich. Man sollte seinen Kindern nicht zu viel von seinen Ideen sagen. Sonst kommen sie auf den Gedanken, das auch noch zu glauben. Und dann ist es aus mit allem, was gute Erziehung ist. Dann demonstrieren sie für die Asylanten, nehmen schlechtbezahlte Berufe im sozialen Bereich, machen sich mit diesem Gerede von Gott in der Schule lächerlich und so geht es fort.
Also, ehrlich, bei aller Achtung vor deinem Mut, aber an die Konsequenzen, die dein Beispiel bis heute gibt, hast du wohl nicht gedacht. Du verführst die Leichtgläubigen.
Stephanus verdirbt uns die Weihnachtsstimmung
Und uns verdirbst du unser ganzes Weihnachtsfest. Bisher war es so gemütlich, überall Lieder vom Frieden auf Erden, vom kleinen Heilandkind und den netten Sachen. Man schenkt sich was, und wenn man die Kinder mit ihrem teuren Spielzeug sieht, vergisst man das Leid auf der Welt.
Und heute deine grässliche Geschichte vom Mord. Du verdirbst uns die Stimmung! Und das alles nur, weil du den Mund zu weit aufgemacht hast. Und weil du zu viel an Jesus geglaubt hast. Ich sag dir ja: Christlich sein ist o.k. Aber man braucht es ja nicht übertreiben. Alles mit Maß und Ziel. Und vor allem ohne Leidenschaft. Leidenschaft verleitet nur dazu, etwas zu verändern - und wie das ausgeht, das hast du ja selbst gespürt.
Hast du das eigentlich echt geglaubt, was du gesagt hast? Dass du den Himmel offen siehst und so was? Hast du wirklich geglaubt, dass du auferstehen wirst? Tot ist schließlich tot, oder?
Wenn alle so handelten wie Stephanus?
Aber eines muss ich zugeben: Du hast wenigstens gewusst, was du willst. Und einen Sinn in deinem Leben gespürt. Denn manchmal wüsste ich schon auch gerne, was das alles hier soll, bei uns. Manchmal wäre ich auch gerne wirklich von etwas überzeugt. Manchmal überlege ich, was passieren würde, wenn du uns alle hier in der Kirche verführen könntest, auch so verrückt zu werden, wie du.
Aber wetten, das schaffst du nicht.
Also, nichts für ungut.
Viele Grüße, oder besser: Hochachtungsvoll,
Deine. . .
Weihnachtsbilanz
Alle Jahre wieder feiern wir mit einer gewissen Hingabe Weihnachten. Selbst wenn sich jemand vorgenommen hat, dieses Jahr mache ich den Weihnachtsrummel nicht mehr mit, wird es ihm/ihr kaum gelungen sein, sich dem Sog des Festes angekurbelt durch Weihnachtsbeleuchtung, weihnachtliche Musik, Weihnachtsmarkt und weihnachtlichem Kaufrausch gänzlich zu entziehen.
Was bleibt von Weihnachten?
Am zweiten Weihnachtsfeiertag legt sich fast schon von selbst nahe, Bilanz zu ziehen. Was leibt von Weihnachten? Mit Sicherheit bleiben überschüssige Kalorien – in gegessener und in ungegessener Form. Wohin mit den vielen Weihnachtskeksen?. Auch sonst wurde längst nicht alles aufgegessen, was für das Fest hergerichtet worden ist. Der Weihnachtsbaum wird's noch ein paar Tage aushalten. Die übrigen Reste vom Feste warten geduldig auf die Müllabfuhr…
Auf der positiven Seite bleiben ein paar Geschenke, die wirklich freuen, einige, die noch weiterverwertet werden können, Gutscheine, die noch eingelöst werden müssen. . .
Und gab es dazwischen nicht das eine oder andere wohltuende Gespräch mit Angehörigen, das ohne den alljährlichen Anlass nicht zustande gekommen wäre? Schließlich war da auch noch der Besuch von Kindern und Enkelkindern oder der überraschende Besuch von Freunden, die ja sonst so beschäftigt sind, dass man sie selten zu sehen bekommt.
Und was bleibt vom eigentlichen Fest?
Die Musik des Festgottesdienstes und der diversen Weihnachtsfeiern ist verklungen, der Inhalt der Ansprachen ist wie die Predigt bei den meisten in der Müdigkeit oder im Alkohol untergegangen. Vielleicht weiß der Redner selbst noch, welchen interessanten Gedanken er dem Festgeheimnis in diesem Jahr hat abgewinnen können. . .
Trotzdem bleibt die Frage: Wo bin ich dem Erlöser, dem Retter der Welt begegnet? Wo habe ich ihn entdeckt? Oder bin ich ihm ausgewichen? "Alles nur Mythen…" Hat er in meinem Leben etwas verändert? Oder noch grundsätzlicher gefragt: Ist durch das Weihnachtsfest, das die Christen Jahr für Jahr feiern, in der Welt etwas anders geworden?
Die Bilanz der Liturgie
Auch die Liturgie zieht am zweiten Weihnachtstag ohne Illusionen und ohne Beschönigung Bilanz. Im Evangelium haben wir sogar aus dem Mund Jesu gehört, dass vieles bleibt, wie es ist, und dass wir uns darüber nicht wundern sollen: Brüder werden einander dem Tod ausliefern und Väter ihre Kinder, und die Kinder werden sich gegen die Eltern auflehnen und sie in den Tod schicken. . . Das sind Gegensätze zwischen den Menschen, von denen die Medien ohnehin Tag für Tag berichten. Manche sind erst durch das Auftreten Jesu zu einem Konflikt geworden. Die vielen Religionsbekenntnisse vertreten in Glaubensfragen unterschiedliche Auffassungen und ihre eifrigsten Anhänger fühlen sich berufen, diese mit gnadenloser Härte durchzusetzen. Dazu hätten wir Jesus nicht gebraucht.
In der Lesung haben wir von einem jungen Jesusanhänger namens Stephanus gehört. Voller Begeisterung tritt er für den neuen Weg ein, den Jesus eingeleitet hat. Er nimmt sich kein Blatt vor den Mund, provoziert Widerspruch, verletzt mit seinen Worten die Gegner, lässt die Geschichte eskalieren und wird schließlich von der aufgebrachten Menge ermordet. Berichte dieser Art sind uns auch aus der Gegenwart vertraut. – Was ist anders?
Die Geschichte des Stephanus ist exemplarisch für das, was durch das Leben und Wirken Jesu ausgelöst worden ist: Sein neues Gottesbild und die Konsequenzen, die er daraus für seine Lebensweise zieht, führen zu einer neuen Sichtweise der Geschichte Gottes mit den Menschen und zu einer neuen Gottesbeziehung der Anhänger dieses neuen Weges. Der Inhalt der Predigt des Stephanus, in der er dies vor seinen Zuhörern ausbreitet, wurde in der Lesung aus Rücksicht auf die Ungeduld vieler Mitfeiernder ausgelassen.
Das Loch im Himmel
Das Neue an dieser Sichtweise wird in einem Bild zusammengefasst: Stephanus sieht in seinem Sterben den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes sitzen. Durch die Geburt, das Leben, Sterben, Auferstehen und Himmelfahrt Jesu ist jene Decke, die Himmel und Erde auseinanderhält, aufgerissen worden. Sie ist durchlässig geworden. Himmel und Erde sind näher zusammengerückt. Göttliches und Menschliches können nicht mehr so konsequent wie bis dahin getrennt und auseinander gehalten werden.
Was bleibt vom Weihnachtsfest? Kurz und bildhaft ausgedrückt: Das Loch im Himmel. Himmel und Erde, Geist und Fleisch in der Sprechweise des Evangelisten Johannes, gehören zusammen und dürfen auf Dauer nicht mehr getrennt betrachtet werden.
Und Ihre Bilanz?
So gesehen hat es sich für Sie vielleicht doch gelohnt, dieses Fest zu feiern. Ist nicht in all den Bemühungen, das Fest schön und friedlich werden zu lassen, es mit allen Sinnen zu genießen, auch viel von jener Liebe enthalten, die uns der Erlöser Jesus Christus ans Herz gelegt hat? Liebe geht eben durch den Magen, nimmt den Umweg über Geschenke und bedient sich ritueller Wiederholungen, bis sie ankommt. Oft ist sie so unbeholfen, tollpatschig und für Außenstehende lächerlich, dass sie leicht übersehen wird.
Zum zweiten Weihnachtsfeiertag wünsche ich Ihnen ein wenig zeit, all das, was sich in den letzten Tagen angehäuft hat an Geschenken, Erfahrungen und Begegnungen zu sortieren, den Inhalt von der Verpackung zu trennen und in Ruhe zu genießen, was Ihnen Ihre Lieben vermitteln wollten. Und ich vertraue darauf, dass Ihnen damit der Himmel ein Stück näher gekommen ist.
Gott befähigt zum Zeugnis
Zu Weihnachten brechen viele Fragen auf. Eine dieser Fragen lautet: Wie kann die Botschaft von Weihnachten verkündet werden, so dass die Menschen an Jesus und den Gott Jesu Christi glauben können? Diese Frage betrifft nicht nur die Prediger, sie betrifft alle Christen, die den Glauben an Jesus weiter geben sollen.
Der hl. Stephanus scheint dafür die besten Voraussetzungen zu haben. Er ist "ein Mann von gutem Ruf, voll Geist und Weisheit". Er ist von den Aposteln "unter dem Beifall der ganzen Gemeinde" dazu beauftragt. Er wirkt "voll Gnade und Kraft Wunder und große Zeichen unter dem Volk". Er ist ein großartiger Redner. Von dem Hohen Rat angeklagt, erscheint ihnen "sein Gesicht wie das Gesicht eines Engels". Und unter dem Geschrei seiner Gegner, unmittelbar vor seiner Steinigung "blickt er zum Himmel empor und sieht die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen".
Stephanus ist der ideale Verkünder der Botschaft von Weihnachten. Er war zweifellos für viele der Wegbereiter zum Glauben an Jesus und an den Gott Jesu Christi. In ihm war "der suchende Gott mit heißem Herzen unterwegs". Und trotzdem stößt seine Predigt auf massiven Widerstand. Zuerst sind es vor allem Juden aus der Diaspora; aber diese hetzen auch das Volk, die Ältesten und die Schriftgelehrten auf. Sie klagen Stephanus an. Sie beschuldigen ihn gegen Mose und gegen Gott zu lästern und gegen den Tempel, den heiligen Ort, und gegen das Gesetz zu reden.
Die Auseinandersetzung steigert sich. Die Gegner des Stephanus sind aufs äußerste empört. Sie knirschen mit den Zähnen, sie stürmen auf ihn los, um ihn zu steinigen.
Bereitschaft, die Weihnachtsbotschaft anzunehmen
Alfred Delp, der kurz vor seiner Hinrichtung im Gefängnis zu Weihnachten 1944 intensiv über die religiöse Situation seiner Zeit nachdenkt, stellt folgende Frage: "Warum spricht die richtigste und ordentlichste Predigt den einen an, den anderen nicht? Warum gibt es ganze Geschlechter und Zeiten, die einfach strukturmäßig außerhalb der Ansprechbarkeit durch Gott leben? Warum gibt es Menschen und Zeiten, die das herrlichste Wunder, der zwingendste Beweis aus Führung und Fügung, die härteste Buße und das unerbittlichste Gericht nicht bewegen und nicht anrühren?" (S.90)
Die Verkündigung kann nur dann das Ziel erreichen, wenn der Hörer in einer richtigen geistigen Verfassung ist, wenn er fähig und willig ist, das Wort Gottes anzunehmen.
Und Alfred Delp meditiert im Angesicht des Todes die Menschen um die Krippe und die Gestalten um das Weihnachtsfest, um herauszufinden, worin diese Verfassung besteht, die zum Glauben befähigt. Zu den Gestalten um das Weihnachtsfest zählt er auch den hl. Stephanus. Der hl. Stephanus hat die Botschaft von Weihnachten begriffen. Er kann uns Vorbild sein in der Annahme dieser Botschaft und in der Weitergabe des Glaubens.
Alfred Delp beschreibt dies mit folgenden Worten: "Seine Gestalt steht werbend und in klaren Umrissen am Horizont. Er hatte begriffen, dass durch die Begegnung mit Christus, durch das Wunder der Heiligen Nacht das Menschentum auf eine neue Ebene gehoben, zu neuer Kraft befähigt, zu neuem Zeugnis berufen sei. Das Bisherige genügt nicht mehr …
Seit Weihnachten ist der suchende Gott mit heißem Herzen unterwegs …
Und das ist zugleich seine Botschaft an uns und sein Gericht über uns. Lasst uns aus der Gewöhnlichkeit herausspringen. In der Nähe Gottes gilt das nicht mehr. Gott wird uns wandeln und zum Zeugnis befähigen, wenn wir durch den Ernst der Hingabe ihn rufen". (S.99)
"Seit Weihnachten ist der suchende Gott mit heißem Herzen unterwegs". Er sucht auch uns und will auch durch uns suchend unterwegs sein.
- Liedvorschläge1
Hans Hütter
Lieder:
GL 236: Es kommt ein Schiff geladen
GL 243: Es ist ein Ros entsprungen
GL 245: Menschen, die ihr wart verloren
GL 247: Lobt Gott, ihr Christen alle gleich
GL 251: Jauchzet ihr Himmel
GL 252: Gelobet seist du, Jesu Christ, dass du Mensch geboren bist
GL 254: Du Kind, zu dieser heilgen Zeit
GL 256: Ich steh an deiner Krippen hier (Bach)
GL 362: Jesus Christ, you are my life
GL 546: Christus, du Licht vom wahren Licht
GL 552: Herr, mach mich stark im Mut, der dich bekennt
GL Ö806: Ich steh an deiner Krippe hier (Luther)
GL Ö807: Der Heiland ist geboren
GL Ö809: In tiefer Nacht trifft uns die Kunde
Psalmen und Kehrverse:
75,1: Ich schreie zu dir, o Herr. Meine Zuflucht bist du - Mit Psalm 142 - III.
GL 308,1: Vater, in deine Hände empfehle ich meinen Geist - Mit Psalm 24 (GL 38,2) - IV.
GL 55: Jubelt ihr Lande, dem Herrn, alle Enden der Erde schauen Gottes Heil - Mit Psalm 98 - VIII.
GL 244: Halleluja... - Mit Psalm 72 (GL 635,5) - V.
GL 255: Das Wort wurde Fleisch und wohnte bei uns - Mit Psalm 98 (GL 55,2) oder mit Psalm 96 (GL 635,8) - VIII.
GL 635,6: Der Himmel freue sich, die Erde frohlocke, denn der Herr ist uns geboren, Halleluja - Mit Psalm 96 - VIII.
GL Ö800: Alle Enden der Erde schauen Gottes Heil - Mit Psalm 98 (GL 55,2) oder mit Psalm 96 (GL 635,8) - VIII.
GL Ö805,1: Ein Licht ging strahlend auf: Geboren ist der Herr - Mit Psalm 95 (GL 53,2) oder Psalm 121 (GL 67,2) - VI.
GL Ö805,3: Unser Heiland ist geborn, nun sind wir nicht mehr verlorn - Mit Psalm 95 (GL 53,2) oder Psalm 121 (GL 67,2) - VI.
GL Ö808: Hodie Christus natus est, hodie Salvator apparuit - Mit Psalm 95 (GL 53,2) oder Psalm 121 (GL 67,2) - VI.
- Einleitung7
Ludwig Götz (2021)
Es mag verwundern, dass unmittelbar nach Weihnachten das Fest eines Märtyrers, eines Zeugen für Christus, begangen wird. Aber gerade dadurch wird uns vor Augen geführt, dass in keinem anderen Heil zu finden ist als im menschgewordenen Gottessohn. Das Christuskind in der Krippe ist mehr als Stimmung und Idylle. Stephanus war einer der sieben Diakone der christlichen Urgemeinde in Jerusalem. In Streitgesprächen vertrat er das Evangelium Jesu Christi. Auch vor dem Hohen Rat zu Jerusalem hatte er den Mut, sich zu Christus, dem Auferstandenen, zu bekennen. Deshalb stieß er auf Widerstand und wurde gesteinigt.
Wenn wir unser Leben neben Christus und Stephanus stellen, erkennen wir, wie weit wir hinter ihnen zurückbleiben. Im Kyrie öffnen wir uns dem Erbarmen Gottes:
Norbert Riebartsch (2020)
Viele fragen sich: „Warum muss denn auf die Freude und den Glanz von Weihnachten gleich ein Märtyrerfest gelegt werden?“ Die schlichte Antwort darauf lautet: „Das Fest des Stephanus war eher!“
Die frühen Christen feierten schon Stephanus und andere Märtyrer als Zeugen ihres Glaubens. Erst viel später hatten sie die Möglichkeit, das Jahr nach christlicher Sicht zu gestalten. Sie sahen Christus als das Licht für die Welt und wählten als Geburtsfest einen Tag in der Nähe der Wintersonnenwende.
Christus erlebten sie als Licht für die Menschen. Sein Tun machte Mut, seine Worte fanden Antwort – damals wie hoffentlich auch heute.
Ihn bitten wir:
Klemens Nodewald (2019)
Heute begehen wir den Gedenktag des Hl. Stephanus. Nicht so sehr sein Martyrium als vielmehr sein Leben der Liebe und Begeisterung von Christus wird uns in der Apostelgeschichte vor Augen geführt. Wahrscheinlich kann keiner von uns so eindeutig die Liebe zu Christus leben wie dieser Martyrer. Aber resignieren müssen wir deshalb nicht. Bitten wir ihn vielmehr in diesem Gottesdienst, dass er uns beistehe und durch seine Fürbitte Kraft zur Liebe verleihe.
Hans Hütter (2017)
Am zweiten Weihnachtstag schaut die Kirche auf Stephanus, ihren ersten Märtyrer. Er ist der Erste, der seinen Glauben an den Erlöser der Welt mit seinem Leben bezahlen musste.
Die romantische Seite des Weihnachtsfestes darf uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass Jesus Christus mit einem ernsten Anliegen in die Welt gekommen ist. Er ist Mensch geworden, um der Welt ein menschlicheres Gesicht zu geben, das von der Liebe Gottes inspiriert ist. Mit diesem Programm stößt er aber auch auf Widerstand. Diesen haben die Christen der ersten Generationen erfahren. Aber auch heute werden mehr Menschen denn je wegen ihres Bekenntnisses zu Christus verfolgt.
Den Widerstand, das Leben nach dem Geist Jesu umzugestalten, spüren wir trotz aller Entschiedenheit auch in uns selbst.
Wir treten vor den Herrn hin und bitten ihn um Erbarmen.
Bernd Kösling (2016)
Gerne erinnere ich mich zurück an die atmosphärisch dichte Adventszeit der vergangenen Wochen sowie an die festlichen Gottesdienste am Heiligen Abend und gestern am Weihnachtstag. Umso größer ist die Unterbrechung dieses Gefühlshaushaltes heute am Fest des Heiligen Stefanus. Er wird als erster Märtyrer der noch jungen Kirche verehrt. Die Erzählung der Apostelgeschichte schildert die Umstände seines Martyriums.
Eine solche Unterbrechung der weihnachtlichen Stimmung kann aber auch eine Hilfe sein, den Blick auf die zu lenken, denen auch an diesen Festtagen nicht nach Lachen zumute ist: den Einsamen und Kranken, den verfolgten Menschen auf der Welt. Den Familien, in denen sich in den letzten Tagen der Weihnachtsfriede nicht eingestellt hat. Wir wollen sie nicht vergessen und heute am Gedenktag des ersten Märtyrers unserer Kirche besonders für sie beten.
Rufen wir den Herrn um sein Erbarmen an:
Martin Stewen (2013)
Dem Frieden der Weihnacht folgt gerad der Unfriede menschlicher Realität auf dem Fuß. Aber vielleicht ist ja die Konfrontation mit dieser Realität auch schon ein Stück Frohbotschaft. Der heutige Festtag des Hl. Stephanus lädt uns ein, sich dem ein wenig zu nähern.
Rufen wir um Gottes Erbarmen:
Gabi Ceric (2011)
Das Stille-Nacht ist verklungen. Die Hirten sind längst heimgegangen. Die Weisen noch im Kommen. In der neuen Krippe des Stiftes Wilten bei Innsbruck haben sich auch zwei Heilige dazugesellt. In der Liturgie unserer Kirche hat der erste Märtyrer, der Heilige Stephanus, zeitlich ganz nahe an der Krippe seinen Platz gefunden. Wenn Gott auf die Welt kommt, wenn Jesus in das Leben der Menschen tritt, dann hinterlässt dies Spuren. Besinnen wir uns und gehen wir auf Spurensuche bei und in uns: Wo finde ich meinen Platz an der Krippe des Herrn?
- Kyrie6
Ludwig Götz (2021)
Herr Jesus Christus,
du hast den hl. Stephanus mit Gnade und Glaubenskraft erfüllt.
Herr, erbarme dich.
Du hast ihn die Herrlichkeit Gottes schauen lassen.
Christus, erbarme dich.
Du hast ihm die Fähigkeit gegeben,
für dich in den Tod zu gehen und für seine Peiniger zu beten.
Herr, erbarme dich.
Norbert Riebartsch (2020)
Herr Jesus,
Licht im Dunkel unserer Zeit.
Kyrie, eleison.
In deiner Nachfolge wandte sich Stephanus den Armen seiner Zeit zu.
Christe, eleison.
In deiner Liebe fand ein Saulus zur Berufung seines Lebens.
Kyrie, eleison.
Der Gott, der zu uns gekommen ist, lasse uns unsere Schuld nach und führe uns zu unserem Platz in seiner Liebe und seinem Licht. - Amen.
Klemens Nodewald (2019)
Herr Jesus Christus,
du rufst uns Menschen auf, dir mit Hingabe und Kraft nachzufolgen.
Herr, erbarme dich.
Du willst, dass wir uns nicht bekämpfen,
sondern versöhnt und im Frieden miteinander leben.
Christus, erbarme dich.
Im Hl. Stephanus hast du uns ein Vorbild und einen Fürsprecher gegeben.
Herr, erbarme dich.
Es erbarme sich unser der gütige und barmherzige Herr.
Er stärke auch uns zu einem Leben der Liebe und Versöhnung. – Amen.
Hans Hütter (2017)
Herr, Jesus Christus,
du bist gekommen,
um uns die Frohe Botschaft von der Liebe Gottes zu bringen.
Herr, erbarme dich.
Du bist in deiner Liebe zu den Menschen bis ans Äußerste gegangen
und hast dich selbst nicht geschont.
Christus, erbarme dich.
Du lädst uns ein, dir nachzufolgen.
Herr, erbarme dich.
Martin Stewen (2013)
Herr Jesus Christus,
mit deiner Ankunft haben Engel Frieden für eine friedlose Welt verkündet.
Herr, erbarme dich.
Du aber lässt die Menschen wissen:
"Ich bin gekommen um Feuer auf die Erde zu werfen".
Christus, erbarme dich.
Du lädst uns ein,
vor der Wirklichkeit menschlicher Schwächen nicht zu erstarren,
sondern kraftvoll die Welt zu gestalten
Herr, erbarme dich.
Der gute Gott erbarme sich unser,
er befreie uns von Schuld und Sünde
und führe uns in seinen ewigen Frieden.
Gabi Ceric (2011)
Herr Jesus,
in dir hat Gottes Liebe Hand und Fuß bekommen.
Herr, erbarme dich.
Herr Jesus,
du dich kann der Mensch erkennen, wie nahe Gott ist.
Christus, erbarme dich.
Herr Jesus,
du rufst die Menschen zur Nachfolge.
Herr, erbarme dich.
- Tagesgebet1
Messbuch - TG Stephanus: das Beispiel des heiligen Stephanus nachahmen
Allmächtiger Gott,
wir ehren am heutigen Fest
den ersten Märtyrer deiner Kirche.
Gib, dass auch wir unsere Feinde lieben
und so das Beispiel
des heiligen Stephanus nachahmen,
der sterbend für seine Verfolger gebetet hat.
Darum bitten wir durch Jesus Christus.
MB Hl. Stephanus
- Eröffnungsgebet2
Norbert Riebartsch (2020) - EG Riebartsch: Stephanus
Gott und Vater,
das Leben deines Sohnes
hatte Momente von Freude und von Schmerz,
von Einsamkeit und Gemeinschaft.
Lass uns deine Gemeinschaft spüren
und rühre uns an in unserer Einsamkeit,
damit wir den Menschen sagen können:
Gott ist mit uns.
Darum bitten wir durch Jesus Christus…
Martin Stewen (2013)
Guter Gott,
wir haben uns am Festtag des Hl. Stephanus versammelt.
Wir werden Zeuginnen und Zeugen,
wie deinem Boten Unrecht getan wird.
Gib uns die Kraft, den Mut zu fassen,
für immer mehr Frieden und Gerechtigkeit einzutreten,
weil dein Sohn uns in seiner Menschwerdung
Frieden verheißen hat.
Um dies bitten wir dich durch ihn,
Jesus Christus...
- Fürbitten14
Renate Witzani (2023)
Jesus, das Kind in der Krippe, weist uns den Weg zum Vater und erschließt uns den Sinn, als Christinnen und Christen zu leben.
Durch Jesus lasst uns den Vater bitten:
Für alle jene Menschen, die zum Diakonenamt in der Kirche berufen sind und ihr Leben in den Dienst an der Kirche stellen.
Für die vielen Menschen weltweit, die aufgrund ihres Glaubens verfolgt werden und dabei besonders des Beistands deines Geistes bedürfen.
Für alle, die sich hier bei uns oder in den verschiedenen Krisengebieten in caritativen Projekten engagieren und so das Überleben vieler ermöglichen oder erleichtern.
Für uns selbst um den Mut, den Weg zu gehen, auf dem wir zu dir, dem Ziel unseres Lebens, finden.
Für unsere Verstorbenen, mit denen und für die wir erhoffen, dass der Himmel für sie offensteht.
Denn dir Gott, unser Vater, glauben wir, dass du uns als deine Kinder liebst.
Dir danken wir dafür heute und alle Tage unseres Lebens. - Amen.
Michael Lehmler (2022)
Herr und Bruder Jesus Christus, damit die Freude und der Friede der Weihnacht nachklingen,
vertrauen wir Dir unsere Fürbitten an.
Herr und Bruder, in den Tagen nach Weihnachten, gedenken wir deiner engsten Gefährten, wie des Heiligen Stephanus.
Wir bitten für alle, die um Ihres Glaubens willen verfolgt werden.
Christus, höre uns! - Christus, erhöre uns!
Herr und Bruder, mit großer Brutalität führt Russland einen ungerechten Krieg gegen die Ukraine.
Wir bitten für alle Notleidenden und um Frieden dort und allüberall.
Herr und Bruder, in vielen Ländern der Welt herrschen Ungerechtigkeit und Willkür. Wir bitten Dich für die unterdrückten Frauen im Iran und für alle, die wegen ihres es für die Freiheit mit dem Leben bedroht werden.
Herr und Bruder, die Schöpfung seufzt und stöhnt, weil sie durch uns so zerstört ist.
Wir bitten für alle Umweltaktivisten und für alle, die sich für die Bewahrung Schöpfung einsetzen.
Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist…
Renate Witzani (2022)
Den offenen Himmel interpretieren wir als Zuwendung Gottes. Er ist ein Zeichen dafür, was uns an ungeahnten Möglichkeiten offensteht.
In unseren Bitten vertrauen wir uns Gottes Segen an:
Für eine Kirche als Gemeinschaft, die sich mutig und vertrauensvoll deinem Geist und deiner Weisheit öffnet.
Für eine Gesellschaft, die es wagt, überkommene Vorstellungen über Bord zu werfen und nach zeitgemäßen Formen des Mit- und Füreinander sucht.
Für die vielen Menschen unserer Tage, die gewaltsam getötet werden, weil sie gegen Fanatismus in Religionen und politischen Systemen auftreten.
Für alle jene, die durch ihre Tätigkeit in der Krankenpflege, in Einrichtungen für Obdachlose und den diversen Beratungsstellen anderen Wege aus ihrer Not weisen und ihnen Hoffnung schenken.
Für alle Sterbenden um die Hoffnung auf einen offenen Himmel und die Aufnehme in die Schar deiner Heiligen.
Mit dem hl. Stephanus und allen Glaubenszeugen der vergangenen Jahrhunderte rühmen wir dich und danken dir jetzt und allezeit. - Amen.
Ludwig Götz (2021)
Lasset uns zu Gott beten, der uns in Jesus Christus entgegenkommt mit seiner ganzen Liebe, der uns aber auch zum Zeugnis herausfordert:
Befähige alle Christen, denen die Glaubensfreiheit eingeschränkt wird, auf deinen Beistand zu vertrauen und dich zu bekennen.
Gib uns Mut und Entschlossenheit, in deinem Geiste zu handeln, wenn in unserer Umgebung Unrecht und Gewalt übermächtig zu werden drohen.
Lass uns für dich werben; mehr durch ein vorbildliches Leben als durch Worte.
Lass die Glaubenden wachsen in der Beziehung zu dir, dass sie für ihre Mitmenschen wertvoller werden können.
Hilf den Sterbenden, dass sie ihren letzten Weg in der Hoffnung auf dich gut bewältigen.
Herr und Gott, erfülle uns mit deinem Geist.
Lass uns wie Stephanus deine Zeugen sein an dem Platz, an dem wir stehen.
Darum bitten wir dich durch Christus, unseren Herrn. - Amen.
Norbert Riebartsch (2020)
Herr Jesus,
dich sah Stephanus, als er litt.
Wir hoffen darauf auch für die Leidenden unserer Tage und bitten:
V/A: Zeige deine Gegenwart
Der Frieden der Heiligen Nacht ist in manchen Gegenden sehr brüchig.
Für die dort Lebenden bitten wir:
Menschen werden verfolgt, weil sie ihren Glauben an dich bezeugen.
Für sie bitten wir:
Getötete Menschen hinterlassen Angehörige, die an dir zweifeln können.
Für ihre Familien bitten wir:
Das Weihnachtsfest in diesem Jahr müssen manche Menschen einsam verbringen.
Für sie bitten wir:
Stephanus wird als Heiliger verehrt, viele Glaubenszeugen bleiben namenlos. Du kennst ihre Namen und ihre Lebensgeschichte.
Sie sind bei dir und für sie bitten wir:
Wir hoffen, dass auch wir einmal in deiner Liebe für immer verbleiben. - Amen.
Klemens Nodewald (2019)
Herr Jesus Christus,
du bist das Licht, das uns den Weg weist,
du bist die Kraft, in der wir über uns hinauswachsen können.
Auf Fürsprache des hl. Stephanus bitten wir dich:
Stehe allen bei, die wegen ihres Bekenntnisses zu Gott oder wegen der Ausübung ihrer Religion verfolgt, verspottet oder benachteiligt werden.
Christus, höre uns…
Ermutige alle Christen, zu ihrem Glauben zu stehen und ihn zu bekennen, auch wenn ihnen dadurch Nachteile entstehen.
Hilf allen Menschen, sich vor Fehlurteilen und schnellen Verurteilungen anderer zu hüten.
Lass uns in unserer weihnachtlichen Stimmung nicht vergessen, dass die Botschaft von der Menschwerdung und Liebe Gottes uns prägen und verändern soll.
Nimm die Verstorbenen auf in die Gemeinschaft mit dir und allen Heiligen.
Herr Jesus Christus,
es war die von dir geschenkte Gnade, aus der sich Stephanus bewähren konnte.
Wir danken dir für alle Kräfte, die du in uns hineingelegt hast und die du uns schenkst.
Wirke du in uns, heute und alle Tage unseres Lebens. – Amen.
Renate Witzani (2018)
Jesus Christus hat uns den Himmel eröffnet
und uns neues Leben geschenkt.
Durch ihn lasst uns den Vater bitten:
Dein Geist leite und lenke uns,
damit das Amt des Diakonats in den heutigen Nöten der Kirche fruchtbar wird.
Dein Geist leite und lenke alle,
die aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Religionszugehörigkeit verfolgt und getötet werden.
Dein Geist leite und lenke uns,
damit nicht Radikalismus und Mobilisierung von Massen unsere demokratischen Werte zerstören.
Dein Geist lenke und leite uns
in den schwierigen Situationen unseres Lebens, in denen wir selbst nicht mehr weiterwissen.
Dein Geist lenke uns leite uns alle
in unserer Sterbestunde.
Denn dein Geist lässt uns auch in Not und Leid einen Sinn erkennen und schenkt uns Hoffnung.
Dafür danken wir dir jetzt und allezeit. - Amen.
Hans Hütter (2017)
Am Fest des heiligen Stephanus
bringen wir unsere Bitten vor Gott.
Wir beten für alle, die um ihres Glaubens willen verfolgt werden.
Schenke ihnen Kraft aus ihrer Verbundenheit mit dir.
Wir beten für alle jungen Christen, die auf der Suche sind,
ihrem Glauben eine zeitgemäße Gestalt zu geben.
Wecke ihre Kreativität durch deinen Heiligen Geist.
Wir beten für alle Getauften.
Lass sie immer mehr hineinwachsen in die Geisteshaltung,
aus der heraus Jesus gelebt und gewirkt hat.
Für alle Christen, die nach Wegen suchen,
wie sie ihren Glauben anderen Menschen weitergeben können.
Schenke ihnen Vertrauen in das Wirken deines Geistes.
Für unsere Verstorbenen.
Lass sie bei dir Heimat und Geborgenheit finden.
Guter Gott und Vater,
in Jesus von Nazareth hat deine Liebe menschliche Gestalt angenommen.
Sie wirkt auch in unsere gegenwärtige Welt hinein.
Wir danken dir dafür und preisen dich. Amen.
Renate Witzani (2017)
Wenn wir in der Feier von der Geburt des göttlichen Kindes Jesus als unseren Retter und Erlöser erkannt haben, dann hat das Folgen für unser Leben. Auch wir sind, wie der hl. Stephanus, aufgerufen, uns an Christus und seinem Leben zu orientieren.
Um seinen Beistand dazu, lasst uns bitten:
Um deinen Geist und Beistand für den zukünftigen Weg der Welt- und Ortskirchen insbesondere für unsere Diözese.
Um Weitsicht und diplomatisches Feingefühl für die Verantwortungsträger in unserer globalisierten Welt, damit vorerst überschaubare Konflikte nicht überdimensional anwachsen.
Um den Geist der Unterscheidung bei allen pastoralen Änderungen, damit die Verkündigung deiner Botschaft durch das christliche Leben deiner Gemeinden vor Ort erhalten bleibt.
Um Mut, um in unseren Gesprächen und den Situationen unseres Alltags davon zu sprechen, was unseren persönlichen Glauben ausmacht.
Um die Aufnahme unserer Verstorbenen in deinen weit geöffneten Himmel.
Mit dem hl. Stephanus, der vom Geist erfüllt, die Herrlichkeit Gottes und dich, Jesus, zu seiner Rechten stehend gesehen hat, rühmen wir dich und preisen dich jetzt und allezeit. - Amen.
Bernd Kösling (2016)
Gott du unser Vater.
In der Geburt deines Sohnes bist Du uns nahe gekommen
und bietest uns deine Freundschaft und Liebe an.
Dich, den nahen Gott, bitten wir:
Für die Diakone unserer Kirche, die besonders an den Rändern der Gesellschaft für die Armen und Benachteiligten da sind.
Für die Einsamen und Kranken, die sich an diesem Weihnachtsfest nicht freuen können und unter der Last ihres Lebens leiden.
Für die verfolgten Christen und Christinnen überall auf der Welt, denen du das Bekenntnis ihres Glaubens unter Lebensgefahr zumutest, ihnen aber auch Kraft für dieses Zeugnis gibst.
Für das glaubwürdige Lebenszeugnis der hier versammelten Christen und Christinnen, die wir in Freiheit und Sicherheit leben dürfen.
Für unsere Toten, die trotz Angst und Ungewissheit mit großer Hoffnung und Zuversicht in die Nacht des Todes gegangen sind.
Im Lebenszeugnis des Heiligen Stefanus erkennen wir die Kraft,
die du den Menschen schenkst, die dich lieben.
Dafür danken wir heute, jetzt und in Ewigkeit. – Amen.
Renate Witzani (2016)
Gott, du bist uns näher als unsere Sorgen und Konflikte,
die wir mit uns herumtragen.
Von deinem Geist sind wir gehalten und geführt.
In diesem Geist lasst uns beten:
Dein Geist leite Papst Franziskus und die Bischöfe,
die Zeichen der Zeit zu erkennen
und mutig und furchtlos notwendige Wege zu beschreiten.
Dein Geist stärke alle verfolgten Christen.
Er lasse auch uns alle Möglichkeiten wahrnehmen, um ihnen zu helfen.
Dein Geist bewege uns, dass wir durch unser Leben mit und für die Menschen in unserer Nähe sie für deine Botschaft begeistern.
Dein Geist erfülle uns, wenn wir zu dir beten und deine Nähe suchen.
Dein Geist tröste alle, die um liebe Verstorbene trauern.
Denn wie der hl. Stephanus Zeugnis von dir und seinem Glauben an dich gegeben hat, sind auch wir aufgerufen, hinaus zu gehen und deine Botschaft so zu verkündigen, dass sie denen Hoffnung schenkt, die noch nicht an dich glauben können.
Deine Hilfe erbitten wir dazu durch Jesus, der unter uns Menschen gelebt hat. - Amen.
Renate Witzani (2015)
Der Weg Jesu und seiner Schwestern und Brüder ist vorgezeichnet.
Wer sich in aller Freiheit für die ewige Wahrheit entscheidet,
braucht auf seinem Weg den Beistand des Heiligen Geistes,
der uns stärkt, führt uns leitet.
In diesem Geist lasst uns gemeinsam beten:
Für die verfolgten Christen in den Ländern des Nahen Ostens und Asiens.
Beschenke sie mit der Kraft und Stärke deines Geistes.
Für alle, die meinen aufgrund ihrer eigenen Glaubensüberzeugung andere verfolgen und töten zu müssen.
Wandle ihre Herzen und schenke ihnen Toleranz und Mitgefühl.
Für alle, die in unserem Staat für die Rechtsprechung, unsere Gesetze und deren Befolgung Verantwortung tragen.
Erfülle sie mit dem Geist der Weisheit und des Rates.
Für alle, die mit anderen im Unfrieden leben.
Lass sie den ersten Schritt zur Versöhnung wagen.
Für alle Sterbenden in den Krankenhäuser, in ihrem gewohnten Lebensbereich, auf den Straßen oder den Kriegsschauplätzen dieser Erde und alle Verstorbenen.
Zeige ihnen deinen geöffneten Himmel.
Ewiger Gott!
Dich preisen wir durch Jesus Christus,
den menschgewordenen und uns immer nahen Gott,
und den Heiligen Geist jetzt und in Ewigkeit. - Amen.
Martin Stewen (2013)
Auf die Fürsprache des Diakons Stephanus legen wir dir, guter Gott,
unsere Anliegen in die Hände
und bitten dich voll Vertrauen:
Wir beten für Menschen überall auf der Welt,
die unter ungerechter Rechtsprechung und Willkür leiden:
Stell ihnen Menschen an ihre Seite,
die für Recht und Ordnung eintreten.
Wir beten für all jene, die versuchen,
Frieden in der Friedlosigkeit dieser Welt zu stiften,
und die dabei immer wieder an Grenzen stoßen:
Schenke ihnen weiterhin Beharrlichkeit und Ausdauer.
Wir beten für Menschen, denen daran gelegen ist,
Systeme des Unrechts zu erhalten und zu fördern:
"Rechne ihnen diese Sünde nicht an."
Wir beten für Kinder und Jugendliche,
die an so vielen Orten in der Welt in Situationen von Schutzlosigkeit und Unrecht aufwachsen.
Sei du mit ihnen und führe sie auf einen Weg gelingenden Lebens.
Wir beten für unsere Verstorbenen,
denen du alles begangene Unrecht vergibst
und die du für erlittenes Unrecht auf ewig entschädigen willst:
Schenke ihnen einen Platz in deinem Reich.
So wir bitten wir, o Gott, durch Christus unseren Herrn.
Gabi Ceric (2011)
Gott und Vater,
in der Geburt Jesu hast du der Welt gezeigt,
dass du das Angesicht der Welt erneuern kannst und willst.
Wir bitten dich:
Für die Christenheit, die in diesen Tagen und Wochen die Geburt Christi feiert:
dass die Botschaft des Friedens die Herzen der Menschen berühre
und dazu verhelfe, in gegenseitiger Achtung voneinander zu sprechen
und miteinander zu leben.
Für alle Menschen, die für ihre Überzeugungen eintreten und Unrecht beim Namen nennen:
dass sie Worte finden, die die Menschen verstehen,
und mit ihrem Handeln zum Nachahmen ermutigen.
Für die verfolgten Christen:
dass sie nicht den Mut verlieren und immer wieder Wege finden,
den Glauben zu feiern und zu leben.
Für jene Menschen, die sich einen tiefen Glauben wünschen:
um gute und verantwortungsvolle geistliche Begleiter an ihrer Seite.
Für alle getauften Christinnen und Christen:
Erwecke in ihnen wie im Hl. Stephanus das Feuer deines Geistes
und schenke ihnen Mut, auch in unangenehmen Situationen ihrem Glauben treu zu bleiben.
Du, Herr, schenkst neues Leben.
Erwecke deine Kirche
und fange bei uns in dieser Stunde an. Amen.
- Gabengebet1
Messbuch - GG hl. Stephanus: nimm unsere Gaben an
Herr, unser Gott, schau gütig auf dein Volk,
das mit Freude und Hingabe
den Festtag des heiligen Stephanus feiert,
und nimm unsere Gaben an.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.
MB Hl. Stephanus
- Gebet zur Gabenbereitung1
Martin Stewen (2013)
Gütiger Gott,
am Fest des Hl. Diakons Stephanus
haben wir den Tisch mit deinen Gaben gedeckt.
Unsere Mahlgemeinschaft möge uns ermutigen,
dass wir uns auch nach jenen umschauen,
die in Hunger und Durst, Unrecht und Unfrieden
kaum zu überleben wissen.
Das erbitten wir durch Jesus Christus,
unseren Bruder und Herrn.
- Lobpreis1
Hans Hütter (2019) - glaubwürdigen Zeugen deiner schöpferischen Liebe
Kehrvers:
Die Freude an Gott ist unsere Kraft, Halleluja. Halleluja..
(ÖGL 980)
Großer und menschenfreundlicher Gott,
es ist recht, dass wir dir danken und dich preisen
für den neuen Weg, den uns Jesus gewiesen hat,
und durch den er das Angesicht der Erde erneuert hat.
Kehrvers
Wir danken dir für die Wahrheit,
die du durch Jesus aufs neue geoffenbart hast;
Durch sie hast du gezeigt, wie sehr du deine Geschöpfe liebst.
Kehrvers
Wir danken dir und preisen dich für das neue Leben,
das du der Menschheit in Jesus von Nazareth geschenkt hast.
Kehrvers
Wir danken dir für alle Menschen,
die mit Geist und Leidenschaft
für dich und deinen Sohn Zeugnis abgelegt haben.
Kehrvers
Wir danken dir für alle Menschen,
die unsere oft verfahrene Welt durch ihr mutiges Beispiel
aus Irrwegen und Sackgassen herausgeführt haben.
Kehrvers
Wir danken dir, dass dein Geist auch heute
Menschen zu glaubwürdigen Zeugen deiner schöpferischen Liebe
und deiner Menschenfreundlichkeit macht.
Wir danken dir für die Menschen, die ihr Leben einsetzen,
um deine Frohe Botschaft allen Menschen bekannt zu machen.
Kehrvers
Mit allen Engeln und Heiligen stimmen wir ein
in das Lob der ganzen Schöpfung und singen:
Danklied, z. B.: Lobt Gott, ihr Christen alle gleich (GL 247)
- Präfation1
Messbuch - Präfation Weihnachten 3: Der wunderbare Tausch
In Wahrheit ist es würdig und recht,
dir, allmächtiger Vater, zu danken
und dein Erbarmen zu rühmen
durch unseren Herrn Jesus Christus.
Durch ihn schaffst du den Menschen neu
und schenkst ihm ewige Ehre.
Denn einen wunderbaren Tausch hast du vollzogen:
dein göttliches Wort wurde ein sterblicher Mensch,
und wir sterbliche Menschen
empfangen in Christus dein göttliches Leben.
Darum preisen wir dich mit allen Chören der Engel
und singen vereint mit ihnen
das Lob deiner Herrlichkeit:
Heilig ...
MB Weihnachten 3
- Einleitung zum Vater unser1
Norbert Riebartsch (2020)
Stephanus sah den Himmel offen und darin Gottes Herrlichkeit.
Wir rufen zu Gott mit den Worten Jesu:
Vater Unser…
- Friedensgebet1
Norbert Riebartsch (2020)
Herr Jesus,
Stephanus hat wie du noch im Tod an Vergebung und Frieden gedacht.
Frieden war auch das erste Wort der Engel an Weihnachten.
Wir bitten dich, der du die Fülle des Friedens bist:
Schaue nicht auf unsere Sünden…
- Mahlspruch1
Bibel
Der Herr spricht:
Wer sein Leben um meinetwillen verliert,
wird es gewinnen.
Oder:
Die Menge steinigte den Stephanus.
Er aber betete und rief: Herr Jesus, nimm meinen Geist auf.
(Apg 7,59)
- Meditation2
Helene Renner (2020)
Eben erst
sind wir bei der Krippe angekommen.
Eben erst
haben wir staunend das Wunder gesehen.
Eben erst
haben wir voll Freude gejubelt.
Und nun, Herr,
sollen wir gehen dich zu bezeugen.
Nun sollen wir den Menschen sagen:
Gott ist mit uns!
Nun sollen wir standhaft sein und mutig,
sollen uns nicht mundtot machen lassen
von denen, die dir nicht glauben.
Gott ist mit uns
Er erfüllt uns, wie Stephanus,
mit Glauben und Heiligem Geist.
Er schenkt Kraft und Mut,
er ist Weg und Ziel.
Ihm dürfen wir vertrauen.
Gott ist mit uns -
seit Weihnachten
wissen wir das neu.
Gabi Ceric (2011)
Wenn ich nicht weiß, wie weiter
Wenn mir Mut fehlt
Wenn mir Worte fehlen
Dann hast du, o Herr, mir zugesagt
dass der Geist des Vaters
mir den Weg zeigen wird
mir meine Verzagtheit nimmt
mich reden lässt
Wenn ich kraftlos bin
Wenn ich eingeengt werde
Wenn ich nach Leben hungere
Dann schenkst du, o Herr, mich dir selbst
in diesem kleinen Stück Brot
Lebensquelle
ganz klein
und doch so gross
Schon einmal warst du ganz klein
damals in der Krippe
und wurdest uns zum Heiland
ganz groß
Geheimnis des Glaubens
aus dem ich nun lebe
hier und jetzt
Dank dir
- Schlussgebet1
Messbuch - SG Stephanus: das Beispiel eines unerschrockenen Glaubenszeugen
Herr, unser Gott,
wir danken dir
für die Gnade dieser festlichen Tage.
In der Geburt deines Sohnes
schenkst du uns das Heil;
im Sterben des heiligen Stephanus
zeigst du uns das Beispiel
eines unerschrockenen Glaubenszeugen.
Wir bitten dich:
Stärke unsere Bereitschaft,
deinen Sohn, unseren Herrn Jesus Christus,
standhaft zu bekennen,
der mit dir lebt und herrscht in alle Ewigkeit.
MB Hl. Stephanus
- Gebet zum Abschluss2
Norbert Riebartsch (2020) - SG Riebartsch: Stephanus
Gott und Vater,
du hast uns an Weihnachten deinen Sohn geschenkt,
um uns den Himmel wieder zu öffnen.
Du hast Stephanus den offenen Himmel gezeigt
und ihm darin Platz gegeben.
In dieser Feier hast du uns heute ahnen lassen,
wie uns das Mahl deines Sohnes beschenkt.
Für all das danken wir dir
durch ihn unseren Herrn. - Amen.
Martin Stewen (2013)
Barmherziger Gott
du hast uns in dieser Feier bestärkt und ermutigt,
unser Leben im Licht deiner Botschaft
friedvoll und gut zu gestalten.
Nicht immer wird das gelingen, -
Scheitern ist inbegriffen.
Begleite du uns aber auch da hindurch
mit deinem Segen und
sei mit uns auf den Wegen des Neubeginns.
Dazu erbitten wir deinen Segen
in Jesus Christus unserem Bruder und Herrn.
- Segen1
Norbert Riebartsch (2020)
Stephanus schaute Gott in seinem Sterben.
Gott schenke euch seine Nähe und seinen Segen. - Amen.
Christus wurde das Geschenk für die Menschen in allen Zeiten seines Lebens.
Er beschenke euch mit seiner Kraft und seinem Segen. - Amen.
Gottes Geist gibt den Verfolgten die Worte ein, die sie brauchen.
Er beschenke durch euer Wort unsere Welt und gebe euch seinen Segen. - Amen.
Und der Segen des allmächtigen Gottes,
des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes
erfülle euch an diesem Tag. - Amen.
Das Fest des hl. Stephanus
Der Dom zu St. Stephan in Wien
Unsere Domkirche hat heute Namenstag. Sie übernimmt den Namen von der wesentlich älteren Domkirche St. Stephan in Passau, weil wir ursprünglich ein Teil der Diözese Passau waren. So wie wir alle oder die meisten von uns Namenstag feiern, begehen wir auch die Geburtstage festlich. Für die Erzdiözese Wien ist das der 23. April 1147. Die Pfarre St. Stephan ist nochmals um zehn Jahre älter mit ihrem Pfarrer Eberhard, der auch in Wiener Sagen namentlich genannt wird.
Stephanus, der Märtyrer
Stephanus war einer der sieben Diakone, hellenistischer Herkunft. Seit dem Jahr 560 befinden sich seine Reliquien in Rom in der Kirche Sankt Laurentius vor den Mauern. Als Diakon wirkte er in Jerusalem für die Armen. Er war der erste Märtyrer, ein Mann „voll Weisheit und Heiligem Geist“, der Verleumdungen ausgesetzt war und einer Lynchjustiz zum Opfer fiel, also keinem gerichtlichen Verfahren.
Was erregte die Menschen so, dass er zu Tode kam? Er kritisierte den Tempelkult wegen großer Abweichungen durch heidnische Einflüsse, worauf ihm seine Gegner Gotteslästerung vorwarfen und ihn durch Steinigung töteten. Seine Verteidigungsrede nützte nichts.
Einen Tag nach dem Geburtsfest Jesu erinnern wir uns an sein Martyrium. Leben und Tod liegen oft eng nebeneinander. Hier zeigt aber das Blut noch eine besondere Symbolik. Blut als göttliches Lebenselement und Träger der Geistigkeit. „Blut ist ein besonderer Saft“, lässt Mephisto zu Faust sagen, als dieser den Vertrag des Teufels mit seinem Blut unterschreiben soll. Die Texte dieses Festtags sprechen die Thematik der Verleumdung und Niedertracht an, die bis zum Tod führen können, und mahnen auch uns, vorsichtig mit Vorurteilen umzugehen. Stephanus bietet ein beinahe übermenschliches Beispiel dafür, Vergebung auszusprechen, wo man eher zu Rachegelüsten neigt.
Das Amt des Diakons
Heute erneuern im Stephansdom die Diakone der Erzdiözese Wien ihr Weiheversprechen. Diese Fragen, die der Bischof dabei an die Diakone stellt, zeigen die Wesensmerkmale dieser Weihe. Die Diakone antworten darauf jedes Mal: „Ich bin bereit“. Der Bischof fragt die anwesenden Diakone: Seid ihr bereit, den Schatz des Glaubens treu zu hüte und diesen Glauben gemäß dem Evangelium und der Überlieferung der Kirche in Wort und Tat zu verkünden? Seid ihr bereit, den Armen und Kranken beizustehen und den Heimatlosen und Notleidenden zu helfen?
Seit dem II. Vatikanum (1962-1965) wurde das ständige Diakonat gleichsam „wiederbelebt“ und nach langen Überlegungen der Bischöfe und des Papstes zur eigenen Weihestufe erklärt. Bis dato wurde die Diakonenweihe lediglich als Durchgangsstufe zur Priesterweihe erteilt. Seit dieser Neuerung ist das ständige Diakonat auch verheirateten Männern zugänglich. Papst Franziskus lässt nun überprüfen, ob dieser Weiheschritt auch für Frauen möglich wäre. Zu wünschen wäre es! In der Erzdiözese Wien hat erstmals Kardinal König am 26. Dezember1970 verheiratete Männer zu Diakonen geweiht. Kardinal Schönborn erinnert sich gerne daran, dass am 27. Dezember 1970 er in der Dominikanerkirche zum Priester geweiht wurde.
Beten wir heute besonders für unsere Diakone, dass sie ihren Dienst weiterhin mit Freude tun und wie ihr großes Vorbild, der hl. Stephanus, mit Eifer die Frohe Botschaft verkünden.
© Beatrix Senft 2023.
Stephanustag
Am 26. Dezember begeht die katholische Kirche das Fest des hl. Stephanus: Er gilt als der erste Märtyrer des Christentums. Die Tradition reicht bis in das 4. Jahrhundert zurück. Bezugsgröße ist in der Bibel die Apostelgeschichte: Apg 6,8-10, Apg 7,54-60.
Am Stephanustag begeht die katholische Kirche in Deutschland in Erinnerung an den ersten Märtyrer den „Gebetstag für verfolgte und bedrängte Christen“. In den Gottesdiensten am zweiten Weihnachtstag soll insbesondere der Glaubensgeschwister gedacht werden, die vielerorts in der Welt Opfer von Ausgrenzung und Unterdrückung sind. Mit dem Gebetstag bringt die Kirche zugleich das Bekenntnis zur Religionsfreiheit aller Menschen zum Ausdruck. Er ist Teil der von der Deutschen Bischofskonferenz 2003 gegründeten Initiative „Solidarität mit verfolgten und bedrängten Christen in unserer Zeit“, mit der die deutschen Bischöfe in den Kirchengemeinden, aber auch in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit auf die Diskriminierung und Drangsalierung von Christen in verschiedenen Teilen der Welt aufmerksam machen wollen.
www.dbk.de
Gebet für verfolgte und bedrängte Christen
Überall auf der Welt bekennen sich Menschen zu Gott, der in Jesus Christus selbst Mensch geworden ist. Doch in vielen Ländern werden Christen in ihrem Glauben behindert, um Jesu willen benachteiligt oder verfolgt.
Daher bitten wir:
Wir bitten für die Brüder und Schwestern,
die wegen ihres Glaubens benachteiligt und verfolgt werden:
Gib ihnen Kraft,
damit sie in ihrer Bedrängnis die Hoffnung nicht verlieren.
Wir bitten auch für die Verfolger:
Öffne ihr Herz für das Leid, das sie anderen antun.
Lass sie dich in den Opfern ihres Handelns erkennen.
Wir bitten für alle, die aus religiösen, politischen
oder rassistischen Gründen verfolgt werden:
Sieh auf das Unrecht, das ihnen widerfährt,
und schenke ihnen deine Nähe.
Wir bitten auch für uns und unsere Gemeinden:
Stärke unseren Glauben durch das Zeugnis
unserer bedrängten Brüder und Schwestern.
Mach uns empfindsam für die Not aller Unterdrückten
und entschieden im Einsatz gegen jedes Unrecht.
Wir bitten für alle, die mit dem Opfer ihres Lebens
Zeugnis für dich abgelegt haben:
Lass sie deine Herrlichkeit schauen.
Gott unser Vater,
im Gebet tragen wir das Leiden der Verfolgten vor dich
und die Klage derer, denen die Sprache genommen wurde.
Wir vertrauen auf dein Erbarmen und preisen deine Güte
durch Christus unseren Herrn und Gott.
Eine Initiative der Deutschen Bischofskonferenz www.dbk.de.
stephanus
s teine
t od -
e s
p rasselt der
h ass - du
a ber gehst
n icht
u nter - du
s iehst die sonne
Michael Lehmler
unbesiegbare liebe
noch strahlen licht und glanz
da hagelt es schon hass und tod
das kind hat uns kaum erblickt
da spürt es das entfesselte nein
ohnmächtig liebt gott uns ganz
die wut der menschen ist maßlos
die steine zerfetzen alle gnade
du liegst blutüberströmt danieder
der himmel öffnet sich für uns
stephanus zeigt uns den weg
gott krönt unseren lebenslauf
mit seiner unbesiegbaren liebe
Michael Lehmler
Bekennermut
An einem Karfreitag wurde der alte Husarengeneral von Ziethen zur Tafel Friedrichs des Großen geladen. Der General aber ging an diesem Tag zum Abendmahl. Er ließ sich deshalb beim König entschuldigen. Nicht lange danach lud ihn der König wieder ein:
»Nun, Ziethen, wie ist Ihm das Abendmahl am Karfreitag bekommen? Hat Er den Leib und das Blut Christi auch ordentlich verdaut?« Alles lachte. Ziethen aber stand auf, trat vor den König und sprach mit fester Stimme:
»Eure königliche Majestät wissen, dass ich im Krieg keine Gefahr gescheut habe. Wenn's nütze ist und mein König befiehlt, so lege ich mein graues Haupt zu seinen Füßen. Aber es gibt einen über uns, der ist mehr als Eure königliche Majestät. Das ist der Heiland der Welt. Den Heiligen lasse ich nicht antasten und verhöhnen; denn auf ihm beruht mein Glaube, mein Trost und meine Hoffnung im Leben und im Sterben.«
Allgemeine Bestürzung im Saal.
Der König aber stand auf und sagte bewegt: »Glücklicher Ziethen! Ich habe allen Respekt vor deinem Glauben. Es soll nicht wieder vorkommen.«
Aus: Axel Kühner, Überlebensgeschichten für jeden Tag. Verlag Aussaat 2001.
Im Glauben standgehalten
Das Gesicht des alten Mannes ist von einem über 80jährigen bewegten Leben gezeichnet. Der Bischof einer Diözese in China gehört zu den eindrucksvollsten heutigen Zeugen für die Kraft des Evangeliums. Menschen wie ihm verdankt es die Kirche, dass sich - fast 25 Jahre nach der Kulturrevolution - wieder viele junge Menschen in China zu Christus bekennen. Damals war eine entsetzliche Welle der Gewalt gegen alle vermeintlichen Feinde und Gegner des radikalen Kommunismus durch das Land gefegt. Auch alle Religionen sollten zerstört werden. Bibeln und christliche Bücher wurden verbrannt. Viele Christen verloren wegen ihres Glaubens das Leben, andere wurden jahre-, jahrzehntelang eingesperrt, zur Zwangsarbeit in Lager geschickt.
Auch die Kathedrale dieses alten Bischofs wurde gestürmt, verwüstet und entweiht. Als Höhepunkt des barbarischen Schauspiels ließen sich die Roten Garden etwas Besonderes einfallen. Auf der Treppe, die zur Kathedrale führte, zwangen sie dem Bischof einen schweren Schlagstock in die Hand. Sie befahlen ihm, eigenhändig die Madonnenfigur der verwüsteten Kirche zu zertrümmern. Der tiefgläubige Bischof schleuderte den Stock weg mit den Worten: „Ihr könnt alles zerschlagen und vernichten, auch mich. Aber meinen Glauben könnt ihr nicht zerstören.“ Der Mut dieses Christen brachte ihn ins Gefängnis. Er überlebte. Heute wird der schwerkranke Mann von vielen Menschen in China verehrt und bewundert. Sie lieben ihn wie einen Vater. Die Marienstatue steht wieder auf ihrem gewohnten Platz in der neu restaurierten Kirche.
Bernd Kaut, Missio Aachen.
Pater Rupert Mayer
Von 1954- an verschärfen die Nationalsozialisten den Kampf gegen die Kirche. Unter den Predigthörern von Pater Rupert Mayer sitzen Spitzel und berichten jedes verdächtige Wort weiter.
Gegen die Verleumdungen setzt sich Pater R. Mayer entschieden zur Wehr. Man drohte ihm mit Gefängnis. Doch P. Mayer predigte mutig weiter. Daraufhin wurde er eingesperrt. Man bot ihm die Freiheit wieder an unter der Bedingung, dass er nicht mehr predige. Darauf antwortete Pater Mayer: "Das kommt gar nicht in Frage."
Als Gefangener verfasst er folgende Erklärung:
"Ich erkläre, dass ich im Falle meiner Freilassung - trotz des gegen mich verhängten Redeverbotes - nach wie vor, sowohl in den Kirchen Münchens, als auch im übrigen Bayern, aus grundsätzlichen Erwägungen heraus predigen werde. Ich erkläre insbesondere, dass ich auch in Zukunft von der Kanzel herab in der bisherigen Form die Kirche gegen Angriffe mit aller Entschiedenheit, Offenheit und Schärfe, aber ohne persönlichen Angriff verteidigen werde... "
Aus: Christian Feldmann: Die Wahrheit muss gesagt werden. Rupert Mayer, Leben im Widerstand. Verlag Herder Freiburg Basel Wien 1987.
Menschen, die mir freundlich sind
Menschen, die mir freundlich begegnen, nenne ich nicht gleich meine Freunde.
(…)
Und doch können wir immer wieder diese gute Erfahrung machen: Bei diesem Zusammensein fand wirklich Begegnung statt.
Inneres Berührtwerden, weil es gelungen ist, aus Worthülsen auszusteigen, den Small-Talk zu durchbrechen und stattdessen sich etwas für unterwegs mitzugeben:
Ein interessanter neuer Gedanke, ein Fenster zu einem Leben, das nicht meins ist.
Aus: Claudia Filker; Freunde sind so kostbar Johannis Verlag Lahr 2001.
Nimm Platz
Ja, ich lade dich ein, mein Freund,
in meinem Leben Platz zu nehmen.
Ich gebe zu, der Platz ist begrenzt.
Nicht jeden lasse ich so weit vor.
Sei bei mir zu Haus mit deinen
Gedanken und Gefühlen.
Entscheide, was du mit mir teilen möchtest.
Aus: Claudia Filker; Freunde sind so kostbar Johannis Verlag Lahr 2001.
Speichen am Rad der Zeit
Der Dichter Ernst Wiechert schrieb 1939 über seine Erfahrungen im KZ Buchenwald: „Ich habe nur am Tor gestanden und auf die dunkle Bühne geblickt… Aber die Speichen des schrecklichen Rades begannen sich schon zu drehen, und Blut und Grauen tropften aus ihrem blitzenden Kreis.“
Speichen des schrecklichen Rades – das waren alle, wenn einmal vom SS-Apparat erfasst. Speichen am Rad der Zeit.
Aus: Adalbert Ludwig Balling, Reinhard Abeln; Speichen am Rad der Zeit. Priester in Dachau. Herderverlag Freiburg – Basel – Wien 1985.
Weihnachten 44
Seh ich Bilder
Von Geschlagenen, Geschundenen,
muss ich an die Männer
im gestreiften Sträflingskitteln
denken.
Der Aufseher brachte sie an Weihnachten
in mein Elternhaus.
Der Betrieb war geschlossen.
Dort sollten sie arbeiten.
Jetzt saßen sie an unserem Tisch.
(…)
Sie froren, waren hungrig, gedemütigt.
Wir teilten mit ihnen das wenige Brot
den Kaffee, die Milch
Das Verbotene machte uns
tagelang Angst.
Aus: Theresia Hauser; Du hast mich geführt. Sich betend erinnern Herderverlag Freiburg – Basel – Wien 1991.
Stephanuslied
Stephanus
Du legst in unsre Dunkelheit,
Christus, deine Herrlichkeit.
Mit Schöpfermacht trägst du das All
und schenkst dich uns als Kind im Stall.
Ehre sei Gott!
Auf deinem Weg, der so begann,
geht uns Stephanus voran,
der Erste, der durch Leid und Tod
der Welt das Christuszeichen bot.
Ehre sei Gott!
Er diente deinen Armen treu.
Er gab Zeugnis ohne Scheu.
Er machte deinen Namen groß,
und sehend teilte er dein Los.
Ehre sei Gott!
Geheimnis, Ziel und Maß der Zeit,
sei uns nah im Erdenstreit!
Wie Stephanus den Kranz gewann,
nimm uns und unsre Gaben an.
Ehre sei Gott!
Peter Gerloff auf: glauben-singen.de/Stephanus_.htm
Was ist Christenverfolgung?
Die Verfolgung der Christen ist die systematische Diskriminierung und existentielle Bedrohung durch Staat und/oder Gesellschaft – nur ihres Glaubens wegen.
mehr...
Hinrich Schorling, Pastor in Witten und Jugendpastor in Rheinland-Westfalen.
Der Glaube ist auch Widerstand
Wir danken Gott dem Allmächtigen,
Daß er uns erneut seinen Sohn Jesus Christus
Gesandt, den Erlöser von einer Weltgeschichte
In menschenverachtenden Gesellschaften.
Denn als wären wir auf der Flucht
Vereinzelt und ohne Plan
Setzt Er uns Zeichen der Hoffnung und des Zweifels
Um wieder zurückzufinden
Zur Dennoch-Liebe und zur Trotz-Geduld.
Allein (aber mit ihm) sind wir stärker
Denn alle Macht des öffentlichen Lebens.
Durch unseren Glauben und seine Wahrheit
Sind wir gefeit vor allen mafiosen Organisationen
Und können den Zynikern das Kreuz als Krone getrost
Und in aller Ruhe entgegenhalten.
Denn der Glaube an Jesus Christus,
Das ist auch der Zweifel an den sogenannten
Wirklichkeiten die uns täglich verkauft werden,
Um die Wahrheit und das Elend weltweit zu verschleiern.
Der Glaube ist auch Widerstand und noch immer
Utopie und Zukunft durch Jesus Christus, einzig und allein
Durch Jesus Christus das Kind,
Das wir heute an die Hand nehmen
Und das uns morgen in die Arme nehmen wird.
Aus: Hans Dieter Hüsch, Das kleine Weihnachtsbuch. tvd-Verlag Düsseldorf 1999.
Stephanitag: Deutsche Katholiken beten für verfolgte Christen
"Gebetstags für verfolgte und bedrängte Christen" wird am 26. Dezember begangen - Gebetstexte und Dossier präsentiert.
Bonn, 15.12.2015 (KAP/KNA) Die Situation der Christen in Syrien steht in diesem Jahr im Mittelpunkt des "Gebetstags für verfolgte und bedrängte Christen", den die katholische Kirche in Deutschland am Stephanitag (26. Dezember) begeht. In den Gottesdiensten solle besonders der Christen gedacht werden, die weltweit Opfer von Ausgrenzung und Unterdrückung seien, teilte die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) am Dienstag in Bonn mit. Der Gedenktag findet jeweils am Fest des heiligen Stephanus statt, der laut Bibel der erste Märtyrer des Christentums war. Die DBK stellt Gebetstexte und ein Dossier zur Verfügung.
Mit Blick auf die anhaltenden Christenverfolgungen im Nahen Osten und weltweit betont die DBK, die von Verfolgung und Gewalt betroffenen Christen sollten wissen, dass "wir sie nicht vergessen, dass wir ihnen nahe sind und dass wir inständig beten, dass dieser unerträglichen Brutalität, deren Opfer sie sind, bald ein Ende gemacht werde".
Der Gebetstag am 26. Dezember ist Teil der 2003 gegründeten Initiative "Solidarität mit verfolgten und bedrängten Christen in unserer Zeit", mit der die deutschen Bischöfe verstärkt auf die Diskriminierung und Verfolgung von Christen in verschiedenen Teilen der Welt aufmerksam machen wollen. Dies geschieht durch ein jährlich herausgegebenes Informationsheft, Gespräche mit politisch Verantwortlichen in Deutschland, Besuche von Bischöfen aus bedrängten Ortskirchen, Fürbitten sowie der Bereitstellung von vierteljährlich wechselnden Gebetsmeinungen. Darüber hinaus wird die DBK gemeinsam mit der Evangelischen Kirche in Deutschland 2016 den zweiten "Ökumenischen Bericht zur Lage der Religionsfreiheit von Christen weltweit" vorlegen, der als wissenschaftliche Studie die Situation von Christen beleuchtet.
Copyright 2015 Katholische Presseagentur KATHPRESS, Wien, Österreich - (www.kathpress.at) Alle Rechte vorbehalten.
Nur ein Traum?
Ein Engel verkündet einem jüdischen Mädchen:
Du wirst die Mutter des Erlösers sein.
Sie vertraut der Stimme und stellt ihr Leben in seinen Dienst.
Nur ein Traum?
Ein jüdischer Mann erfährt, dass seine Verlobte schwanger ist.
Er glaubt an den Heiligen Geist, steht zu seiner Verlobten
und wird dem Kind ein guter Vater in allen Schwierigkeiten.
Nur ein Traum?
Ein Mann aus einem unterdrückten Volk
geht für seine Überzeugungen ins Gefängnis,
er ist bereit, sein Leben zu geben, kommt frei,
wird Präsident und zum Symbol des Friedens.
Nur ein Traum?
Eine Glaubensgemeinschaft schaut nicht mehr zuerst
auf das Trennende zwischen Konfessionen und Religionen,
auf Regeln und Gebote, sondern darauf,
dass der Glaube Freude und Befreiung bedeutet.
Nur ein Traum?
Ein Engel verkündet die Geburt eines Kindes,
das allen Menschen ohne Unterschied das Heil bringen will.
Mächtige werden vom Thron gestürzt, und Schwache erhöht.
Kein Traum
sondern der Beginn einer neuen Zeit.
(Johann Pock, Weihnachten 2013)
Die ganze Sendung Jesu
Das Zeugnis, das der Herr von sich selbst gibt und das der hl. Lukas in seinem Evangelium niedergelegt hat: "Ich muss die Frohbotschaft vom Reiche Gottes verkünden", hat ohne Zweifel eine große Bedeutung, denn es erklärt mit einem Wort die ganze Sendung Jesu: "Dazu bin ich gesandt worden". Diese Worte erhalten ihren vollen Sinn, wenn man sie mit den vorhergehenden Versen zusammen sieht, wo eben Christus auf sich selbst das Wort des Propheten Jesaja anwendet: "Der Geist des Herrn ruht auf mir, denn er hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, den Armen die Frohbotschaft zu bringen" .
Von Stadt zu Stadt, vor allem den ärmsten, zur Aufnahme oft bereitesten Menschen die Frohbotschaft von der Erfüllung der Verheißungen und des Bundes zu bringen, der von Gott angeboten wird, das ist die Aufgabe, für die Jesus nach seinen eigenen Worten vom Vater gesandt worden ist. Alle Gesichtspunkte seines Mysteriums - die Menschwerdung selbst, die Wunder, die Unterweisungen, die Sammlung von Jüngern, die Aussendung der Zwölf, das Kreuz und die Auferstehung, das Verbleiben seiner Gegenwart inmitten der Seinigen - zielen auf diese vorrangige Tätigkeit: die Verkündigung der Frohbotschaft.
Aus dem Apostolischen Schreiben EVANGELII NUNTIANDI seiner Heiligkeit Papst Pauls VI. an den Episkopat, den Klerus und alle Gläubigen der Katholischen Kirche über die Evangelisierung in der Welt von heute, Nr. 6.
Mission: Zuwendung im Horizont der Liebe
"'Missionarisch' zu sein heißt für die Kirche, zu anderen Generationen, zu fremden Kulturen, zu neuen menschlichen Strebungen zu sagen: 'Du fehlst mir' - nicht so, wie ein Grundbesitzer über das Feld seiner Nachbarn spricht, sondern wie ein Liebender. Wenn sie als 'katholisch' qualifiziert wird, wird sie definiert durch den Bund zwischen der Einzigkeit Gottes und der Pluralität menschlicher Erfahrungen: Immer neu dazu aufgerufen, sich zu Gott zu bekehren (der sie nicht ist und ohne den sie nichts ist), antwortet sie, indem sie sich zu anderen kulturellen Regionen, zu anderen Geschichten, zu anderen Menschen hinwendet, die der Offenbarung Gottes fehlen."'
Diese Worte des französischen Jesuiten Michel de Certeau sind zum Zentrum meines Missionsverständnisses geworden. Mission ist für ihn eine "Liebeserklärung" an die Anderen. Diese Anderen fehlen der Offenbarung Gottes, d. h. sie sind unverzichtbar für die Gläubigen, um die "geoffenbarte Wahrheit" Gottes immer "tiefer erfassen, besser verstehen und passender verkünden zu können"'. Ohne Einsicht in die eigene Bedürftigkeit, ohne Sehnsucht nach den Anderen, ohne Bereitschaft zum Verlassen des Eigenen und Aufbruch zu den Anderen ist Mission nicht möglich. Mission wurzelt in der Liebe. Die Liebe wird hier beschrieben als Bedürftigkeit nach den Anderen, weil diese anders sind. Die Unterschiede zwischen Menschen oder Kulturen verschwimmen daher nicht,sondern werden als heilsnotwendig für die Offenbarungsgeschichte erkannt. Diese Liebe vollzieht sich als Transformationsprozess, als Verwandlungsgeschehen, als Umkehr zu Gott. Konkret sichtbar wird die Umkehr in der Zuwendung zur Pluralität menschlicher Erfahrungen. Diese Art von Liebe ist ein Risiko. Denn die Bejahung von Vielfalt und das Lernen an Unterschieden sind bereichernd, aber auch verunsichernd. Das Eigene wird in Frage gestellt. Das bedeutet für alle Beteiligten immer auch Konflikt, Scham und Schmerz. Eine solche Liebe ist bedroht von Selbstgenügsamkeit, Ichbezogenheit und der Versuchung, den Anderen für sich selbst vereinnahmen zu wollen. Dahinter lauert die Angst vor der alles verwandelnden Liebe Gottes. Denn diese verlangt, den Eigenwillen vom Willen Gottes durchformen zu lassen. Dies geschieht, indem man sich selbst riskiert und sich im Horizont der Liebe Gottes auf die Anderen einlässt. Ohne diesen spirituellen Lernprozess steht Mission immer in der Gefahr, die Anderen bloß vom Eigenen überzeugen zu wollen. Die Kirche braucht die Anderen, um ihre eigene Wahrheit besser zu erkennen. Dies verlangt, deren Wahrheit verstehen zu lernen, im Wissen, dass dies nie zur Gänze möglich ist. Liebe braucht die Bereitschaft, sich in diesem Lernprozess tiefer selbst zu erkennen und zu verändern, was immer auch Verlust und Schmerz bedeutet; sie bedarf der Wechselseitigkeit von Beziehungen und der Dankbarkeit füreinander, auch wenn man einander vielleicht fremd bleibt. Möglich wird dieses Risiko durch die Liebe Gottes, die Menschen hilft, das Lieben zu lernen. So verstanden hat das geschichtlich belastete Wort Mission hoffentlich Zukunft.
Aus: Regina Polak, Mission in Europa? Auftrag - Herausforderung - Risiko. Tyrolia Verlag, Innsbruck Wien 2012.
Kein Gott für böse Tage
Wir haben einen Gott für böse Tage. Wir sagen: "Wenn die Not am höchsten, ist Gott am nächsten." Und zwischendurch, wenn's uns gut geht, brauchen wir ihn nicht. Mit skurriler Wehmut erinnern wir uns der gefüllten Kirchen, als die Angst der Bombennächte die Menschen beten lehrte, meinen wehmütig-weise: "Ja, Not lehrt beten." Und seufzen abgeklärt: "Es geht uns halt zu gut!"
Wir tun so, als wäre es echter Glaube gewesen und nicht Angst vorm Krepieren, der unsere Landser in den Schützengräben und die Mütter in den Bunkern beten ließ. Wir vergessen, dass sich der Mensch in seiner Todesangst an alles klammert - selbst an Gott -, wenn nur ein Funke Hoffnung an ein Überleben da ist.
Ja, wir haben einen Gott für böse Tage - und wundern uns, dass er an guten Tagen, oder auch an durchschnittlichen, nicht da ist. Wir haben uns unsern Gott zusammengezimmert und in Angst geboren - und unsere Kinder schrecken wir mit demselben Himmelvater, der alles sieht, der alles hört, der alles weiß, der alles an den Tag bringt, der belohnt und bestraft: der himmlische Superpolizist und Schnellrichter in einem. Und unsere Kinder schrecken sich ein paar kindliche Jahre lang - und dann ist's vorbei mit ihm, dem Himmelvater der bösen Tage.
Wir brauchen einen andern Gott: einen Gott für böse und gute Tage; einen Gott, mit dem man leben kann, einen Gott, mit dem man ebenso wie weinen auch lachen kann, einen Gott, mit dem man ebenso wie hungern auch zu Tisch sitzen kann, nicht einen Gott, vor dem man, sondern einen, mit dem man Angst haben kann.
Wir brauchen einen Gott, dem wir auch etwas zu sagen haben, wenn wir nichts zu bitten haben, einen "Alltags-Gott", keinen "Feiertags-Gott", keinen Gott zum Sterben, sondern einen zum Leben: der wird dann auch beim Sterben uns nicht allein lassen.
Aus: Peter Paul Kasper, Glaube auf eigenen Gefahr.
Stephanus
Da ist die Gestalt des Stephanus, des Mannes, der Weihnachten erlebt und ernst genommen hatte. Und sie zeigt, was aus einem Menschen wird, der das Weihnachtsgeheimnis wirklich zum Grundgeheimnis seines Lebens macht. ‚In jenen Tagen wirkte Stephanus voll Gnade und Kraft große Wunder und Zeichen unter dem Volke‘ (Apg 6,8). Voll Gnade und Kraft. Das erste, was gesagt wird. Der Mann, der über sich selbst hinausgewachsen ist, der Mensch, der alle menschlichen Grenzen hinter sich lässt, der übermenschliche Möglichkeiten zur Verfügung hat, weil er die Botschaft von der Vergöttlichung des Menschen ernst genommen hat: dass die göttliche Kraft und die göttliche Wirklichkeit zur Verfügung steht und in uns am Wachsen und Werden ist, und dass deswegen der Raum, der über dem gläubigen Menschen, dem Christen, steht, mehr ist als der nur menschliche Raum.
Alfred Delp, Gesammelte Schriften, hrsg. von Roman Bleistein, Frankfurt 1984, Bd. III.
Das Fest der Sichtbarkeit
Der "Spiegel", eines der publizistischen Flaggschiffe des Laizismus, leistet sich zwei Mal im Jahr den Luxus, sein Publikum über den Stand des Religiösen in der Welt zu informieren. Zu Weihnachten und zu Ostern wird ausführlich über Grabtücher, Heilige und andere Kuriositäten aus dem unerschöpflichen Vorrat dessen berichtet, was ein gestandener "Spiegel"-Mensch als das "Irrationale" bezeichnen würde. In seiner aktuellen Weihnachtsausgabe stellt das Magazin - ironisch illustriert durch einen christlichen und einen islamischen Geistlichen beim "Hakelziehen" - die Frage: "Wer hat den stärkeren Gott?" Es geht um die Konfrontation zwischen den beiden expansiven Religionen dieser Welt, Christentum und Islam.
Unter einer globalen Perspektive betrachtet, spielt sich dieser Wettbewerb vor allem in Afrika und Asien ab. Aber für uns liegt der aktuellste Schauplatz der Auseinandersetzung in der unmittelbaren Nachbarschaft: Die nüchternen Schweizer haben sich in einer Volksabstimmung für ein Verbot von Minaretten ausgesprochen. Es war nach Meinung der meisten Kommentatoren ein Ausdruck der Angst vor einer "schleichenden Islamisierung" Europas, ein Ausdruck des Unbehagens gegenüber einer Religion, von der immer größere Teile der westeuropäischen Gesellschaften glauben, dass sie mit unseren Vorstellungen einer liberalen Demokratie schwer bis gar nicht vereinbar ist. Kurz vor dem Schweizer Minarettverbot sorgte ein Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs für Diskussionen: Er hatte einer Italienerin finnischer Abstammung recht gegeben, die die Entfernung des Kreuzes aus der Schulklasse ihres Kindes gefordert hatte.
Man könnte auch sagen, dass es sich in beiden Fällen um ein Votum gegen die Sichtbarkeit des Religiösen handelt. Das ist der Preis für die Vereinbarkeit von Religion und liberaler Demokratie: Dass die Religion sich von ihrem Anspruch verabschiedet, die gesellschaftlichen Wert- und Moralvorstellungen bis in ihre legislative Umsetzung hinein zu dominieren - und dass sie diesen politischen Rückzug auch symbolisch dokumentiert, indem religiöse Symbole wie das Kreuz aus dem öffentlichen Raum verschwinden. Was nicht verschwinden wird, ist die kulturelle Prägung, die Europa während einer fast zwei Jahrtausende währenden Dominanz vor allem der katholischen Kirche erfahren hat.
Selbst Menschen ohne jegliche religiöse Bindung akzeptieren das literarische, künstlerische und architektonische Erbe des Christentums neben Aufklärung, Menschenrechtsdenken, Rechtsstaatlichkeit und parlamentarischer Demokratie als integralen Bestandteil der europäischen Identität. Sie sind dazu übergegangen, Kirchturmkreuze nicht als Symbole eines Herrschaftsanspruchs zu lesen, sondern als Buchstaben ihres kulturellen Alphabets.
Weil sich der Islam in der mehrheitlichen Wahrnehmung der Europäer in das kulturelle Alphabet, aus dem zentrale Begriffe unseres gesellschaftlichen Wertesystems wie Individualismus, Gleichberechtigung und Säkularismus buchstabiert werden, noch nicht eingeschrieben hat, wird dem Wunsch der Muslime nach Sichtbarkeit in Form von Minaretten mit Skepsis begegnet. Minarette werden als Machtsymbole interpretiert, weil es den Muslimen und ihren offiziellen Vertretern (noch) nicht gelungen ist, glaubwürdig darzustellen, dass sie bereit sind, den europäischen Weg zu gehen, den Weg der Säkularisierung.
Dass heute auch in den säkularisierten Gesellschaften ein stärkeres Bedürfnis nach Sichtbarkeit und Präsenz des Religiösen herrscht, stellt nur auf den ersten Blick einen Widerspruch dar. Die Bereitschaft, sich wieder stärker auf Religion als Sinn- und Wertressource einzulassen, wäre nicht denkbar ohne die Sicherheit, dass damit keine Wiederkehr religiöser Herrschaft verbunden ist.
Weihnachten, das macht die Geschichte vom Stern sehr deutlich, ist das Fest der Sichtbarkeit: Es wird hingezeigt und hingewiesen auf eine Macht, die der weltlichen Herrschaft nicht bedarf. Es ist noch nicht so lange her, dass die christlichen Kirchen ihren weltlichen Herrschaftsanspruch aufgegeben haben und diese Botschaft wieder glaubwürdig verkünden können. Den europäischen Muslimen ist weihnachtlich zu wünschen, dass sie eines nicht zu fernen Tages so viel Vertrauen gewinnen, dass ihre Sichtbarkeit als Bereicherung statt als Bedrohung gesehen wird.
23.12.2009 | 18:58 | MICHAEL FLEISCHHACKER (Die Presse)
michael.fleischhacker@diepresse.com
© DiePresse.com
Kapellari: "Begegnung mit Muslimen, um Ängste abzubauen"
Graz, 24.12.2009 (KAP) Mehr Begegnung zwischen Einheimischen und muslimischen Zuwanderern ist notwendig, um Ängste abzubauen, betonte der Grazer Diözesanbischof Egon Kapellari in einem "Standard"-Interview. Die Schweizer Minarett-Abstimmung sei letztlich keine Abstimmung gegen Minarette gewesen, sondern eine Abstimmung aus dem Bauch heraus, "aus der Angst vor einem Kulturbruch". In den Schweizer Wahlzellen sei das zurückgekommen, "was im öffentlichen Diskurs nicht aufgearbeitet worden ist".Natürlich begrüße er das Ergebnis nicht, betonte Kapellari im "Standard"-Interview, "im Gegenteil, ich verurteile es". Man müsse aber die tiefer liegenden Gründe in den Blick nehmen und eine Aufarbeitung in Gang bringen. Kapellari: "Es geht hier zuletzt um den sozialen Frieden in einer westlichen Gesellschaft. Dort haben viele Menschen vor manchen Ausprägungen des Islam in von dieser Religion dominierten Ländern Angst".
Der Islam habe natürlich im Rahmen der Gesetze das Recht auf öffentliche Präsenz - auch betreffend seiner Bauwerke, sagte der steirische Bischof: "Aber eine neu etablierte Religion und ihre Kultur haben auch eine Bringschuld betreffend das Gespräch mit der angestammten Bevölkerung, wenn Konflikte zum Schaden aller ausbleiben sollen".
Auf die Frage nach seiner Meinung über das aus der Politik geforderte Burka-Verbot in Österreich sagte der Bischof wörtlich:
"Ich bin für große Liberalität, was religiös geprägte Kleidung betrifft. Eine Ganzkörperverschleierung halte ich aber für eine Gefährdung des sozialen Friedens, weil sie als ein Symbol für Kommunikationsverweigerung empfunden werden könnte".
Bischof Kapellari hielt grundsätzlich fest, dass Religionsfreiheit für Christen in islamischen Ländern keine Bedingung für Religionsfreiheit der Muslime in Westeuropa sein dürfe. Zugleich müsse es aber möglich sein, "die unterschiedlichen islamischen Gemeinschaften in Europa immer wieder einzuladen, dass sie verstärkt für religiöse Toleranz in ihren Herkunftsländern eintreten - etwa in der Türkei".
"Das Kreuz ist ein Zentralsymbol"
Zur Klage eines niederösterreichischen Vaters gegen Kreuze im Kindergarten seines Kindes meinte der Bischof, dass es wahrscheinlich noch mehr Klagen geben werde. Zugleich wolle er aber betonen: "Unsere Gesellschaft wird sich im Ganzen das Kreuz im öffentlichen Raum nicht nehmen lassen, weil es ein Zentralsymbol einer europäischen Leitkultur geworden ist und so auch für Nichtglaubende Bedeutung hat". Im übrigen würde die Zivilgesellschaft großen Schaden nehmen, wenn der soziale Kitt und die Orientierung gebende Kraft der Kirchen nicht "millionenfach präsent" blieben.
Zur Frage, wie politisch die Kirche sein muss oder darf, verwahrte sich Bischof Kapellari gegen Instrumentalisierungen aller Art:
"Manche Gruppen, die nicht zur Kirche gehören, wünschen sich eine Kirche, die im Sinn ihrer politischen Werte etwa bei der Weltklimadebatte überaus dynamisch agiert. Für sie ist die Kirche bald einmal zu leise. Doch wenn die Kirche anfängt, sich etwa für das ungeborene Leben einzusetzen, sagen dieselben Leute dann schnell, die Kirche soll sich nicht einmischen".
Politische Debatten oder gar Wahlkämpfe mit religiösen Symbolen zu führen, sei zu verurteilen, so der Bischof: "Für uns Christen ist das Kreuz ein religiöses Symbol, an dem Christus verblutet ist. Das Kreuz darf nicht wieder, wie leider schon oft in der Vergangenheit, als Waffe missbraucht werden".
Im Hinblick auf die Ökumene sagte der steirische Bischof: "Wir waren zwar sicher schon schneller unterwegs als jetzt, aber Katholiken, Protestanten und Orthodoxe bringen in die Ökumene legitime Sorgen um die je eigene Identität mit". Nur eine oberflächliche Betrachtung könne das als entbehrlich empfinden.
"Weihnachten ist ein starkes Fest"
Zur Frage, ob es der Kirche heute noch in ausreichendem Maß gelinge, den Menschen den religiösen Hintergrund von Weihnachten zu vermitteln, zeigte sich der Grazer Bischof zuversichtlich:
"Weihnachten ist ein starkes Fest und übersteht auch alle Oberflächlichkeiten und allen Kitsch, die man ihm antut. Weihnachten sagt, dass Gott nicht nur allmächtig ist als Schöpfer des Kosmos, sondern dass er auch Liebe ist. Und Liebe ist verletzbar wie das Kind von Bethlehem und zuletzt aber doch stärker als Herodes und Pilatus".
© Kathpress am 24. 12. 2009
Frohe... ja, bitte, was denn?
Darf eine Firma ihren Kunden Grußkarten mit der Aufschrift "Fröhliche Weihnachten" schicken? Spricht daraus nicht die Überheblichkeit einer vermeintlich noch immer christlich geprägten Leitkultur? Über Weihnachten in der pluralistischen Gesellschaft.
Frohe - äh: Was wünscht man heute eigentlich korrekterweise zu Weihnachten? Frohe Weihnachten: Da könnten sich Nichtchristen diskriminiert fühlen. Atheisten oder religiös Unmusikalische werden sich an der vertrauten Formel vielleicht weniger stören. Schließlich gehört das Fest der Geburt Christi zu unserem kulturellen Erbe. "Geflügelte Jahresendfiguren" haben sich nicht einmal in der DDR richtig durchsetzen können, wo man das Christentum den Menschen von Staats wegen austreiben wollte. Heute haben Engel das ganze Jahr über Konjunktur, nicht nur zur Weihnachtszeit. Engelbücher und Engelglaube sind weit verbreitet, auch außerhalb der christlichen Kirchen. In den USA glauben laut jüngsten Umfragen 79 Prozent der Protestanten und Muslime an Engel und Dämonen, bei den Evangelikalen sind es gar 87 Prozent. Noch höher liegen die Werte bei den Zeugen Jehovas (95 Prozent) und den Mormonen (88 Prozent).
Aber darf ich meinem muslimischen oder jüdischen Mitschüler frohe Weihnachten wünschen? Darf eine Firmenleitung ihren Kunden und Mitarbeitern Grußkarten mit der Aufschrift "Fröhliche Weihnachten" schicken? Spricht daraus nicht die Überheblichkeit einer vermeintlich noch immer christlich geprägten Leitkultur oder zumindest Gedankenlosigkeit gegenüber Andersgläubigen?
In den zur Weihnachtszeit üblichen Popsongs wird immer noch unbefangen von "Christmas" gesungen. – "Do they know it's Christmas?", fragten Bob Geldorf und Midge Ure in ihrem 1984 von der Band Aid eingespielten Song, mit dem Spenden für die Hungerhilfe in Äthiopien gesammelt wurden. Sicher: Dahinter steckte eine gute Absicht. Aber wenn heute weltweit gesungen wird: "Do they know it's Christmas", können das Nichtchristen, gerade auch in Afrika, durchaus in den falschen Hals bekommen ganz abgesehen davon, wie effektiv die von Geldorf seither organisierten Hilfsaktionen tatsächlich waren.
In Popkultur und Werbung ist es üblich, "X-Mas" statt "Christmas" zu schreiben. Das kommt cool daher. Aber wer dem Christentum distanziert oder ablehnend gegenübersteht, mag sich dagegen wehren, dass ihm hier ein X für ein U vorgemacht wird. Das "X" steht eben für das englische "Christ", also für Christus, dessen Geburt zu Weihnachten gefeiert wird. Im englischen Sprachgewand kommt die christliche Botschaft noch massiver daher als im Wort "Weihnachten".
Bleibt noch die Formel "Frohe Festtage". Die kann man jedem wünschen, egal was er an diesen staatlich verordneten Festtagen feiern möchte. Für die, welche keine Christen sind, kann es doch egal sein, was der ursprüngliche Sinn des Festes ist. Schließlich soll man die Feste feiern, wie sie fallen, und selbst unter Christen oder sagen wir neutraler: unter Kirchenmitgliedern tritt der dogmatisch korrekte Inhalt des Festes immer stärker in den Hintergrund. Wovon die alten Kirchenlieder singen und sagen, die Menschwerdung Gottes, der in die Niedrigkeit unserer Existenz herabsteigt, um uns von Sünde und Tod zu erlösen, ist nur noch ein religiöses Minderheitenprogramm.
In den USA und in Großbritannien ist es inzwischen üblich, Grußkarten mit der Aufschrift "Season's Greetings" zu verschicken. Damit nicht genug, sind sogar schon Prozesse geführt worden, ob es in einer multikulturellen und multireligiösen Gesellschaft überhaupt noch zulässig ist, Postkarten mit der Aufschrift "Merry Christmas" zu versenden. In den USA haben die "American Civil Liberties Union" (ACLU) und die "Americans United for the Separation of Church and State" vielfach erfolgreich gegen Weihnachtslieder, Weihnachtswünsche, Weihnachtskrippen und andere christliche Symbole in staatlichen Schulen und in sonstigen staatlichen Einrichtungen prozessiert. Die beiden Bürgerrechtsorganisationen berufen sich auf das Trennungsgebot zwischen Kirche und Staat und auf den Schutz von Muslimen, Juden und anderen Nichtchristen vor staatlich verordneter Weihnacht. Die Forderung nach Political Correctness hat längst zu einer Weihnachtsvermeidungsstrategie geführt, die teilweise absurde Züge annimmt. So wurde der Weihnachtsbaum vor dem Rathaus in manchen amerikanischen Orten zum "Gemeinschaftsbaum" umbenannt. Das Krippenmotiv wird von Weihnachtskarten verbannt, und auch in Schulen und Kindergärten stellt sich das Problem, wie man politisch korrekte Weihnachtsfeiern gestaltet.
In Großbritannien sollte 2006 eine Muslimin im Niqab (verschleiert bis auf die Augen) im privaten Fernsehsender Channel 4 die Weihnachtsansprache halten, und eine Umfrage ergab, dass 75 Prozent der Betriebe auf Weihnachtsdekoration verzichten würden, um Andersgläubige nicht zu verletzen. (Dass 80 Prozent der Befragten angaben, keine Weihnachtspartys zu veranstalten, weil sie nach dem üblichen Besäufnis Klagen wegen sexueller und anderer Übergriffe fürchteten, ist eine andere Geschichte.)
Anstelle der Geschichte von der Geburt Christi wird Kindern heute das Märchen vom Polarexpress erzählt. Die 2004 mit Tom Hanks als Computeranimation verfilmte Geschichte kreist nicht um die Frage, was es mit Jesus auf sich hat, sondern darum, ob es den Weihnachtsmann gibt. Darüber grübelt ein kleiner Bub am Heiligen Abend in seinem Bett, als er zu seiner Überraschung plötzlich statt des Klanges eines Rentierschlittens Zuggeräusche hört. Ein Schaffner lädt ihn ein, gemeinsam mit vielen anderen Kindern aus aller Herren Länder und Kulturen im Polarexpress die Reise zum Nordpol anzutreten, um dort den Weihnachtsmann zu treffen. Als er schließlich dem Weihnachtsmann persönlich begegnet, überwindet er seine letzten Zweifel und ruft verzückt: "Ich glaube!" Und von Stund an hört der das geheimnisvolle Klingen der Glöckchen, mit denen das Geschirr der Rentiere verziert ist, die den Schlitten des Weihnachtsmanns durch die Lüfte ziehen. Der religiös hoch aufgeladene Film erzählt die Geschichte einer Bekehrung im Stil der biblischen Erzählung vom ungläubigen Thomas. Die Message heißt: Selig, die nicht sehen und doch glauben freilich nicht an Jesus von Nazareth, sondern an den Weihnachtsmann, der im Coca-Cola-Outfit durch die Welt fliegt und die uramerikanischen Werte der Familie und Tugenden wie Ehrlichkeit und Anstand, Freundschaft und Mut predigt.
Inzwischen regt sich in den USA und Großbritannien Protest gegen die Auswüchse der politischen Korrektheit. Er wird vor allem von konservativen religiösen Organisationen getragen. Heißt das, dass er darum falsch ist? Britische Boulevardzeitungen titelten 2006: "War on Christmas". Der "Guardian" recherchierte freilich, dass manche der behaupteten Skurrilitäten von politisch korrektem Weihnachtsverhalten frei erfunden waren. Der Weihnachtskrieg schien eher ein Sturm im Wasserglas zu sein. Erkennbar speist sich der Kulturkampf um das Weihnachtsfest keineswegs aus lauteren christlichen, sondern aus fremden- und pluralismusfeindlichen Motiven. Fremdenfeindlichkeit und religiöse Intoleranz sind ebenso zu kritisieren wie manche Tendenzen einer Anbiederung an andere Kulturen und Religionen. Wie Weihnachten zu einem Fest ohne Christus zu werden droht, so lässt sich auch eine besorgniserregende Entwicklung hin zu einem Christentum ohne Christus beobachten.
Die Sinnentleerung des Weihnachtsfestes ist aber doch keine Folge von Multikulturalität, Migration oder vermeintlicher islamischer Überfremdung, sondern hat schon lange vorher im Zuge der Säkularisierung angesetzt. Weit schlimmer als religiöse Indifferenz ist aber, dass der Inhalt des Weihnachtsfestes hemmungslos dem Konsum und dem Kommerz geopfert wird. Das aber ist kein Problem erst unserer Tage und weder Muslimen noch Anhängern anderer Religionen anzulasten. Hier müssen wir uns vielmehr alle an die eigene Nase fassen.
Mitten im Konsumrausch, bei dem viele aufgrund ihres geringen Einkommens und ihrer prekären Beschäftigungs- und Lebensverhältnisse nicht mehr mithalten können, sollten wir uns Martin Luthers Verse aus seinem Lied "Vom Himmel hoch" in Erinnerung rufen: "Ach Herr, du Schöpfer aller Ding, / wie bist du worden so gering, / dass du da liegst auf dürrem Gras, / davon ein Rind und Esel aß! // Und wär die Welt vielmal so weit, / von Edelstein und Gold bereit, / so wär sie doch dir viel zu klein, / zu sein ein enges Wiegelein. // Der Sammet und die Seiden dein, / das ist grob Heu und Windelein, / darauf du König groß und reich / herprangst, als wär's dein Himmelreich. // Das also hat gefallen dir, / die Wahrheit anzuzeigen mir, / wie aller Welt Macht, Ehr und Gut / vor dir nichts gilt, nichts hilft noch tut."
Dass alles Geld und alle Macht der Welt vor Gott nichts gilt, ist eine eminent kritische, aber doch eben auch befreiende Botschaft. Sie gibt Anlass zur Freude und zur Hoffnung. Das Kind in der Krippe zeigt uns Gott in seiner Schutzlosigkeit bei den Armen, den Ausgestoßenen, den Mutlosen und den Hoffnungslosen.
Dass das Weihnachtsfest in der pluralistischen Gesellschaft auch zivilreligiöse Bedürfnisse erfüllt, ist soweit akzeptabel, als der biblische Ursprung der mit Weihnachten assoziierten Werte, damit aber auch der Maßstab zu ihrer Kritik nicht aus dem Blick gerät. Liebe, universaler Frieden, Versöhnung und Gerechtigkeit sind zwar schon in der Bibel die Themen, die sich mit der Geburt des Gottessohnes verbinden. Person und Botschaft Jesu stehen freilich gegen ihre politische und ökonomische Instrumentalisierung.
Weihnachten stellt Christen wie Nichtchristen vor die Frage, wie die Welt ohne Jesus aussähe und wer der Mann aus Nazareth heute für uns ist. Im Dezember 1958 erschien in der "Zeit" ein Artikel des Publizisten Gerhard Szczesny, eines überzeugten Atheisten, der zu den Mitbegründern der "Humanistischen Union" gehörte. Er schloss mit der Frage: "Was wäre gewonnen, wenn Leben und Zeugnis des Mannes aus Nazareth der Verehrung, dem Verständnis und der Zuneigung der Nicht-Christen für immer entzogen werden könnte? Es wäre nicht nur nichts gewonnen, sondern viel verloren."
Weshalb also soll der wahre Grund verschwiegen werden, weshalb es im weltanschaulich neutralen Staat am 25. und 26. Dezember noch immer zwei staatliche Feiertage mit Lohnfortzahlung für Christen wie für Nichtchristen gibt, für Juden und Muslime ebenso wie für skeptische Agnostiker und bekennende Atheisten? Warum soll ein Christ den Anders- und Nichtgläubigen nicht wünschen dürfen, dass das Fest, an dem er die Geburt des Gottessohnes feiert, auch für sie eine gesegnete Zeit sei, ohne sie zu seinem eigenen Glauben bekehren zu wollen?
In diesem Sinne nicht: "Season's Greetings", sondern: "Frohe Weihnachten!"
© DiePresse.com
19.12.2008 | 15:47 | Von Ulrich H. J. Körtner (Die Presse)
Wie werden Religionen friedensfähig?
Das Thema ist für nicht wenige Religionsvertreter eine Zumutung. Für sie steht die Friedensfähigkeit der Religionen außer jeder Frage: Sie müssen nicht erst friedensfähig werden, sie sind es. - Im Prinzip sollen und wollen sie es sein. Aber in der geschichtlichen Wirklichkeit? Die sieht anders aus. Der Dreißigjährige Krieg belegt es. Im Text des Friedensvertrages von Münster und Osnabrück erklären die Vertragsparteien in Artikel V kurz und bündig die Vertreter der Konfessionen zu den Hauptverantwortlichen für den Krieg. Deshalb wird ihnen eine heilige Friedenspflicht auferlegt, "bis man sich durch Gottes Gnade über die Religionsfragen verglichen haben wird” (§ 1).
Der Weg zum Frieden ist ein langer Prozess, er dauert bis heute. Ihn haben die Religionen nicht immer schon hinter sich, er steht als Aufgabe vor ihnen. Der Westfälische Friede bietet dabei wichtige Orientierungspunkte. Er fordert die Christen heraus, sich einer durch die Pluralität der Konfessionen grundlegend veränderten Situation zu stellen. Um dazu fähig zu werden, mussten sie sich selbst ändern. Offenbarungsreligionen können das nur, indem sie sich auf ihren Ursprung besinnen. Die christlichen Konfessionen mussten also neu nach den Wurzeln ihrer Friedensfähigkeit fragen oder darauf gestoßen werden, um so die ureigene Friedenskraft ihres Glaubens wiederzuentdecken.
Aus: Franz Kamphaus, Die Welt zusammenhalten. Reden gegen den Strom. Herder Verlag, Freiburg Basel Wien 2008.
Anfeindung und Solidarität
In gewisser Weise erreichten die Kampagnen gegen mich ihren Höhepunkt, als ich 1983 eines der Hauptreferate bei der Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Vancouver hielt. Ich sollte über das Thema "Leben in seiner Fülle” sprechen. Schon die Einladung hatte von der EKD und erst recht von evangelikaler Seite heftigste Ablehnung erfahren. Bärbel von Wartenberg, die damals at the women's desk in der Ökumene in Genf war, und ihr Mann Philip Potter, der schwarze Generalsekretär aus Jamaica, hatten die Einladung durchgesetzt.
Die Begründung der Ablehnung, die mir entgegenschlug, war rein personenbezogen. Für die Evangelikalen bin ich seit über 30 Jahren eine Hexe, die man eigentlich verbrennen sollte. "Geh zur Sölle, fahr zur Hölle” oder "Niedergefahren zur Sölle” waren oft gehörte Sprüche in den Kreisen der rechtsgerichteten Bewegung "Kein anderes Evangelium”. Politische und sexistische Einwände kamen da mit der Ablehnung einer radikalen, bibelkritischen Theologie zusammen.
Von den Evangelikalen hatte ich nicht viel anderes erwartet, aber mich wunderte, wie die Kirchenleitung in Hannover reagierte. Es hieß, die Entscheidung des Weltkirchenrates sei "sehr beschwerlich”, ich sei nicht repräsentativ und könne nicht für die Christen Westdeutschlands sprechen. Ich war nicht sicher, woher sie das so genau wissen wollten. Ich denke schon, dass ich für eine ganze Reihe von Christen gesprochen habe. Die Idee, dass irgendein Oberkirchenrat die ganze Breite repräsentieren kann, scheint mir unprotestantisch, eher eine Showmaster-Idee: Wenn man sehr oberflächlich ist und gar nichts zu sagen hat, dann kann man leicht viele Leute repräsentieren. Größere Repräsentanz heißt meistens weniger Substanz.
Es gibt eine bestimmte Qualität von Hass, die ich immer dann zu spüren bekam, wenn die Presse mal wieder einundeinenhalben Satz von mir zitierte. So auch diesmal. Der erste Satz meiner Rede hieß: "Liebe Schwestern und Brüder, ich spreche zu Ihnen als eine Frau, die aus einem der reichsten Länder der Erde kommt, einem Land mit einer blutigen, nach Gas stinkenden Geschichte, die einige von uns Deutschen noch nicht vergessen konnten; einem Land, das heute die größte Dichte von Atomwaffen in der Welt bereithält.” Für diesen Satz habe ich dann wochenlang Prügel bezogen. Ich hatte das bewusst gesagt, weil ich einer internationalen Versammlung klarmachen wollte, dass ich aus Deutschland komme und weiß, was das bedeutet. Und ich wollte, ohne lange darauf einzugehen - weil dazu keine Zeit war - deutlich machen: Ich bin nicht fertig mit dieser Geschichte. Einige von uns können diese Geschichte nicht vergessen.
In der Bundesrepublik wurde nur dieser Satz zitiert, und sofort ging es los. "Sie Netzbeschmutzer, gehen Sie doch in die DDR”, waren noch milde Vorwürfe. Es erhob sich ein Sturm der Entrüstung nur über diesen Satz, aber die Leute aus der Dritten Welt haben mich gut verstanden.
Neben Waschkörben voll Hassbriefen kamen aber auch sehr gute Solidaritätsbriefe vor allem von Frauen, die häufig mit 20 oder 30 Unterschriften versehen an die Adresse der Kirchenleitung gingen: "Wieso ist diese Frau nicht repräsentativ? Für uns ist sie sehr repräsentativ. Wir würden vielleicht gar nicht mehr glauben, wenn wir nicht ein paar Sachen von Dorothee Sölle gelesen oder gehört hätten.”
Aus: Dorothee Sölle, Mut. Kämpfe und liebe das Leben. Herder Verlag, Freiburg Basel Wein 2008.
Krippe und Kreuz
das Dunkel der Welt
ist der Schatten des Kreuzes
das Licht der Krippe
nimmt all das nicht weg
aber es leuchtet
in dieses Dunkel hinein
Krippe und Kreuz
sind nicht zu trennen
das Licht der Krippe
kennt den Tod
und das Kreuz enttarnt
die falschen Lichter
Kreuz und Krippe
gehören zusammen
und weil es
das Kreuz gibt
brauchen wir
das Licht
der Krippe
nicht nur einmal
im Jahr
Aus: Andrea Schwarz, Du Gott des Weges segne uns. Gebete und Meditationen. Herder Verlag, Freiburg Basel Wien o.J.
Himmlischer Spaßmacher?
Jede ernsthafte Beziehung lebt von einem starken Gegenüber. Sie reift in dem Maße, wie Achtung und Respekt voreinander wachsen. Das gilt erst recht für die Gottesbeziehung. Gott ist nicht jemand von nebenan. Er ist der Schöpfer, und wir sind seine Geschöpfe. Gott ist Gott und Menschen sind Menschen, nicht Herrgötter.
Wer es mit Gott zu tun bekommt, der kann sich auf Einiges gefasst machen. Es ist jedenfalls nicht das reine Vergnügen mit einem himmlischen Spaßmacher. Viele denken sich das so. Die Vorstellung vom Richter mit dem Schwert in der Hand ist oft genug in eine Religion des lieben Gottes umgeschlagen. Der segnet nur ab, was kommt. Da ist nichts von Herausforderung, von Widerstand oder Zorn gegen das, was ist und was ich gerade zu sein beliebe. Der so erträumte oberste Gutmütige trägt schließlich dazu bei, die Feigheit vor dem Leben, die Scheu vor harten Bewährungen zu verewigen. »Ein Gott ohne Zorn brachte Menschen ohne Sünde in ein Reich ohne Gericht durch den Dienst eines Christus ohne Kreuz« (R. Niebuhr). Entsprechend folgenlos, langweilig und realitätsfremd ist die Glaubenspraxis. Unser »Gott« ist weder zu fürchten noch zum Verlieben.
»Mein Problem ist nicht, ob Gott existiert oder nicht, das meine beginnt damit, dass Er existiert« (F. Stier). Und dass die Verhältnisse in dieser Welt so sind, wie sie sind. Ist es nicht das Leben selbst, das uns die Abgründe Gottes ahnen lässt? Das Leben in dieser Welt ist nicht nur hinreißend schön, es kann auch ganz schrecklich sein und kaum mehr erträglich. Ein reifer Glaube kann das Leid der Welt nicht einfach wegschminken, er muss ihm standhalten. Den Gott, der umstandslos zu unseren Wünschen passt, gibt es im Christentum nicht.
In die Knie gehen
Jesus hat uns einen anderen Gott nahegebracht, nicht einen, den man sich unter den verlieblichenden Schalmeientönen einer esoterischen Kuschelreligion nach eigenen Bedürfnissen zurechtträumen kann. Er passt nicht in unseren Kram, steht quer zu Vielem in der Welt, ist auch erschreckend fremd, unbequem und widerständig. Menschen, die ihm begegnen, gehen in die Knie. Kennen wir das noch? Vor wem gehen wir in die Knie? »Fürchte dich nicht«, heißt es oft, wenn Gott auf den Plan tritt. Also ist doch Grund zur Furcht. Gottesbegegnungen sind Erfahrungen an der Grenze unseres Daseins. Sie gehen durch Mark und Bein. Mit dem »Fürchte dich nicht« sagt Gott dem Menschen, dass er ihm in dieser Situation vertrauen kann: »Ich bin bei dir.«
Gottesfurcht ist nicht lähmende Angst, sie ist befreiend. Wer Gott fürchtet, braucht vor keinem Menschen Angst zu haben. Umgekehrt: Wer die Gottesfurcht preisgibt, der wird von der Heidenangst überrollt.
Die Gottesfurcht ist eine Gabe des Heiligen Geistes. Gott bleibt der ganz Andere, der Unbegreifliche, der Heilige. Aber Jesu Botschaft lässt uns erahnen, dass die Andersartigkeit Gottes aus seiner abgründigen Liebe kommt. Dafür steht der Heilige Geist. Er lässt uns im Lichte Gottes erkennen - in Glück und Dank und im Erschrecken über die Welt und über uns selbst -, wie wir sein könnten und sein sollten, im Format Jesu.
Aus: Franz Kamphaus, Gott beim Wort nehmen. Zeitansagen. Herder Verlag, Freiburg Basel Wien 2006.
Wider die Banalisierung Gottes
»Gott ist kein Hampelmann (auch keine Hampelfrau), sondern das unendliche Geheimnis in und jenseits menschlicher kosmischer Existenz. Mit Gott kann man nicht 'Hoppe Reiter' spielen, denn er ist unserem Zugriff und unserer Verfügbarkeit entzogen. Wo allenthalben die Banalisierung Gottes ausgerufen wird, ist umso schärfer dagegen zu halten, gegen eine Verkleinerung, gegen eine fugen-lose Verkleisterung in die menschlichen Bedürfnisse und Sehnsüchte hinein, gegen seine lückenlose Vermarktung in die Nachfrage hinein, gegen die Trivialisierung des Mysteriums in die Mystery-Angebote der Unterhaltung, gegen die Verstopfung der Transzendenzsehnsüchte der Menschen durch vorschnelle religiösmagische Erfüllungsangebote, vom Horoskop bis zu den Heilwässerchen. [...] Nicht die Gottesbeziehung ist beherrschend, sondern das Haben und Bekommen, und wenn dies nicht erlebt wird, sucht man sich andere Beziehungen. Die Erlebnisqualität diktiert und qualifiziert die Beziehung zu dem, was man Religion, Esoterik oder gar Gott nennt. Hauptsache, man kann die Transzendenz diesseitig verhackstücken und in den Griff bekommen, sei es im Tarotspiel oder in Meditationstechniken«
Otmar Fuchs in: Ludger Schulte, Gott suchen - Mensch werden. Vom Mehrwert des Christseins. Herder Verlag, Freiburg Basel Wien 2006.
In Sehnsucht nach dir
Berühre du, o Gott,
die Gipfel meiner
Gedanken, damit in
den Tälern und Tiefen
meiner Seele deine
Saat wachse und reife.
Belebe du, o Gott,
die Kräfte meines
Herzens, damit darin
all das bewahrt bleibe,
womit du mich so reich
beschenkst.
Verwandle du, o Gott,
das Dickicht meiner
Trübsal, damit ich dein
heilsames Licht ausstrahle,
dort, wo ich
stehe.
Besiege du, o Gott, die
bösen Geister und
Gedanken in mir,
damit ich freimütig und
aufrichtig dir und den
Menschen diene.
Beflügle du, o Gott,
die Schwingen meiner
Fantasie, damit ich
nicht müde werde,
über dein Wirken zu
staunen.
Bestärke du, o Gott,
das Schwache in mir,
damit ich behutsam
und tatkräftig mich
einsetze für die Bewahrung
des Lebens.
Paul Weismantel in: Reinhard Kürzinger / Bernhard Sill, Das große Buch der Gebete. Über 800 alte und neue Gebetstexte für jeden Anlass. Lizenzausgabe für Verlag Hohe, Erfstadt 2007.
Ich habe meine Angst verloren
gott
du nichts
du alles
du in allem der rest
du lücke
du bruchstelle in einer perfekten weit
du in meiner letzten wüste verdunstet
gott
du irrsinn
du wahnsinn
du sinn
gott
du irrsinn
du wahnsinn
du sinn
gott
du irrsinn
du wahnsinn
du sinn
du jenseits unserer sinne
ich habe
die angst verloren
nicht plötzlich gestern
im supermarkt
ich habe
die angst verloren
nicht stehen lassen
wie meinen schirm
in der straßenbahn
ich habe
die angst verloren
nicht hängen lassen
wie meinen hut
beim friseur -
ich habe
die angst verloren
nicht verlegt
wie meine brille
ich habe
die angst verloren
nicht wie mein geld
bei der inflation
ich habe
meine angst verloren
mit der zeit
meine angst vor dem tod
meine angst vor dem leben
meine angst vor den menschen
meine angst vor meinem gott
gott hat angst
vor so viel macht
und übermacht
die macht ist nicht mehr
göttlich
die macht ist
zum teufel gegangen
jetzt sitzt sie zur rechten
des teufels
ich habe
meine angst verloren
als ich menschen fand
Wilhelm Willms in: Reinhard Kürzinger / Bernhard Sill, Das große Buch der Gebete. Über 800 alte und neue Gebetstexte für jeden Anlass. Lizenzausgabe für Verlag Hohe, Erfstadt 2007.
Bernhard Zahrl (2002)
Reinhard Gruber (2001)
Josef Kampleitner (2000)