Die biblischen Lesungen wurden mit freundlicher Genehmigung der Ständigen Kommission für die Herausgabe der gemeinsamen liturgischen Bücher im deutschen Sprachgebiet den Lektionaren 2018 ff entnommen. - © 2024 staeko.net. - vgl. Impressum.
Die Katholischen Bibelwerke in Deutschland, Österreich und Schweiz stellen auf ihren Webseiten ausführliche Kommentare und Anleitungen zum Lesen der biblischen Lesungen für Sonn- und Feiertage zum Download im PDF-Format zur Verfügung. Mit freundlicher Genehmigung der Katholischen Bibelwerke übernehmen wir die Kurzeinleitungen zu den Lesungen.
Predigten vom 26. Jan. 2025 - 3. Sonntag im Jahreskreis (C)
02. Mär. 2025
8. Sonntag im Jahreskreis (C)
23. Feb. 2025
7. Sonntag im Jahreskreis (C)
16. Feb. 2025
6. Sonntag im Jahreskreis (C)
09. Feb. 2025
5. Sonntag im Jahreskreis (C)
02. Feb. 2025
2. Februar: Darstellung des Herrn (Fest)
26. Jan. 2025
3. Sonntag im Jahreskreis (C)
Einführungen zu den Gottesdienstlesungen - Ltg 0
1. Lesung - Neh 8,2-4a. 5-6. 8-10
Lesung aus dem Buch Nehemia:
In jenen Tagen
brachte der Priester Esra
die Weisung vor die Versammlung,
Männer und Frauen
und überhaupt alle, die schon mit Verstand zuhören konnten.
Vom frühen Morgen bis zum Mittag
las Esra auf dem Platz vor dem Wassertor
den Männern und Frauen und denen, die es verstehen konnten,
daraus vor.
Das ganze Volk lauschte auf das Buch der Weisung.
Der Schriftgelehrte Esra stand auf einer Kanzel aus Holz,
die man eigens dafür errichtet hatte.
Esra öffnete das Buch vor aller Augen;
denn er stand höher als das versammelte Volk.
Als er das Buch aufschlug,
erhoben sich alle.
Dann pries Esra den HERRN, den großen Gott;
darauf antworteten alle mit erhobenen Händen: Amen, amen!
Sie verneigten sich,
warfen sich vor dem HERRN nieder,
mit dem Gesicht zur Erde.
Man las aus dem Buch, der Weisung Gottes, in Abschnitten vor
und gab dazu Erklärungen,
sodass die Leute das Vorgelesene verstehen konnten.
Nehemia, das ist Hattirschata,
der Priester und Schriftgelehrte Esra
und die Leviten, die das Volk unterwiesen,
sagten dann zum ganzen Volk:
Heute ist ein heiliger Tag zu Ehren des HERRN, eures Gottes.
Seid nicht traurig und weint nicht!
Alle Leute weinten nämlich,
als sie die Worte der Weisung hörten.
Dann sagte er zu ihnen:
Nun geht, haltet ein festliches Mahl
und trinkt süßen Wein!
Schickt auch denen etwas, die selbst nichts haben;
denn heute ist ein heiliger Tag zur Ehre unseres Herrn.
Macht euch keine Sorgen;
denn die Freude am HERRN ist eure Stärke.
Esra und Nehemia werden von dem neuen persischen König Kyros entsandt, um das religiöse Leben aus der Gnade Gottes nach der Rückkehr aus dem Babylonischen Exil zu reinstallieren und das Leben wieder an den Gesetzen Gottes zu orientieren. Ein Erlass aller Schuld und Schulden wird eingeführt, das Jobeljahr, das alle 50 Jahre sich wiederholt.
Wir erfahren von dieser initialen Feier, ein frühen Beleg von liturgischer Praxis aus dem 4. Jhdt. v. Chr.: die Schriftlesung, das feierliche Amen, die Auslegung der Texte, die Verehrung des Buches, die Teilnahme unterschiedslos aller.
Das Wort Gottes berührt die Hörerinnen und Hörer so sehr, dass sie zu Tränen gerührt sind. Die Feierlichkeit des Wortes wird noch unterstrichen durch ein abschließendes Fest.
© Claire Geyer, Pfarreihospitantin St. Peter u. Paul, Zürich)
Das Buch Nehemia gehört zum Chronistenteil des Alten Testaments. In der Zeit nach dem Exil suchte Israel neu seinen Platz und seine Form. 538 vor Christus erlaubte Kyrus die Rückkehr nach Jerusalem, 515 war der Tempel wieder aufgebaut.
Der Priester Esra kam von Babel nach Jerusalem, um das Gesetz zu verkünden. Es war der erneute Versuch, eine Alltagsordnung zu haben. Alltag war Alltag vor Gott, und das Gesetz gab an, was in diesem Alltag zu beachten ist: In dem Maß, wie das Gesetz als hilfreiche Lebensregel wahrgenommen wird, verbindet und ermutigt es.
Neh 8 zeigt uns Esra auf dem Höhepunkt seiner Wirksamkeit. Im 5. Monat des Jahres 458 (Esr 7,9) war der Schriftgelehrte Esra mit einer Gruppe von Juden aus Babel nach Jerusalem heimgekehrt. Er hatte vom persischen Großkönig Ataxerxes den Auftrag erhalt, der nachexilischen Gemeinde in Israel das Gesetz zu verkünden. Im 7. Monat ruft er das Volk zusammen, um in einer heiligen Versammlung den Gottesbund vom Sinai zu erneuern.
Neh 8,1-12 berichtet von der Verlesung des Gesetzes, die einer Bundeserneuerung gleichkam. Im Anschluss an dieses historische Ereignis feierte man das Laubhüttenfest. Das Wort Gottes hatte am Sinai das Volk zusammengerufen und zur Gottesgemeinde gemacht. Auch die Erneuerung des Bundes geschieht durch die Verkündigung des Gesetzes.
Die feierliche Entfaltung der Thora ist ein liturgischer Akt. Das ganze Volk erhebt sich, um dem Gotteswort seine Verehrung zu bezeigen. Dem Emporheben der Rolle folge ein kurzer Segensspruch, ein Lobpreis Jahwes. Darauf antwortet des Volk mit einem doppeltem Amen.
Die Gesetzesworte, die Esra vorlas, macht die Leute sehr betroffen – sie weinen. Er gebietet dem Weinen und Trauern Einhalt und weist auf den festlichen Charakter des Tages hin: Freude an Jahwe haben drückt sich auch aus, indem man gut isst und trinkt. "Die Freude am Herrn ist eure Stärke" fasst die Botschaft Esras an das Volk zusammen.
1. Lesung (ungekürzte Fassung) - Neh 8,1-10
Lesung aus dem Buch Nehemia.
In jenen Tagen
brachte der Priester Esra
die Weisung vor die Versammlung,
Männer und Frauen
und überhaupt alle, die schon mit Verstand zuhören konnten.
Vom frühen Morgen bis zum Mittag
las Esra auf dem Platz vor dem Wassertor
den Männern und Frauen und denen, die es verstehen konnten,
daraus vor.
Das ganze Volk lauschte auf das Buch der Weisung.
Der Schriftgelehrte Esra stand auf einer Kanzel aus Holz,
die man eigens dafür errichtet hatte.
Neben ihm standen rechts Mattitja, Schema,
Anaja, Urija, Hilkija und Maaseja
und links Pedaja, Mischaël, Malkija, Haschum,
Haschbaddana, Secharja und Meschullam.
Esra öffnete das Buch vor aller Augen;
denn er stand höher als das versammelte Volk.
Als er das Buch aufschlug,
erhoben sich alle.
Dann pries Esra den HERRN, den großen Gott;
darauf antworteten alle mit erhobenen Händen: Amen, amen!
Sie verneigten sich,
warfen sich vor dem HERRN nieder,
mit dem Gesicht zur Erde.
Jeschua, Bani, Scherebja, Jamin, Akkub, Schabbetai,
Hodija, Maaseja, Kelita, Asarja, Josabad, Hanan und Pelaja,
die Leviten, erklärten dem Volk die Weisung;
die Leute blieben auf ihrem Platz.
Man las aus dem Buch, der Weisung Gottes, in Abschnitten vor
und gab dazu Erklärungen,
sodass die Leute das Vorgelesene verstehen konnten.
Nehemia, das ist Hattirschata,
der Priester und Schriftgelehrte Esra
und die Leviten, die das Volk unterwiesen,
sagten dann zum ganzen Volk:
Heute ist ein heiliger Tag zu Ehren des HERRN, eures Gottes.
Seid nicht traurig und weint nicht!
Alle Leute weinten nämlich,
als sie die Worte der Weisung hörten.
Dann sagte er zu ihnen:
Nun geht, haltet ein festliches Mahl
und trinkt süßen Wein!
Schickt auch denen etwas, die selbst nichts haben;
denn heute ist ein heiliger Tag zur Ehre unseres Herrn.
Macht euch keine Sorgen;
denn die Freude am HERRN ist eure Stärke.
Antwortpsalm - Ps 19,8-10. 12. 15
Kv: Deine Worte, o Herr, sind Geist und Leben. – Kv
(oder GL 312,2)
Die Weisung des HERRN ist vollkommen und gut,
sie erquickt den Menschen.
Das Zeugnis des HERRN ist verlässlich,
den Unwissenden macht es weise. - Kv
Die Befehle des HERRN sind gerade,
sie erfüllen das Herz mit Freude.
Das Gebot des HERRN ist rein,
es erleuchtet die Augen. - Kv
Die Furcht des HERRN ist lauter,
sie besteht für immer.
Die Urteile des HERRN sind wahrhaftig,
gerecht sind sie alle. - Kv
Auch dein Knecht lässt sich von ihnen warnen;
reichen Lohn hat, wer sie beachtet.
Die Worte meines Munds mögen dir gefallen; /
was ich im Herzen erwäge, stehe dir vor Augen,
HERR, mein Fels und mein Erlöser. - Kv
2. Lesung - 1 Kor 12,12-31a
Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus
an die Gemeinde in Korinth.
Schwestern und Brüder!
Wie der Leib einer ist, doch viele Glieder hat,
alle Glieder des Leibes aber,
obgleich es viele sind, einen einzigen Leib bilden:
So ist es auch mit Christus.
Durch den einen Geist
wurden wir in der Taufe
alle in einen einzigen Leib aufgenommen,
Juden und Griechen,
Sklaven und Freie;
und alle wurden wir mit dem einen Geist getränkt.
Auch der Leib besteht nicht nur aus einem Glied,
sondern aus vielen Gliedern.
Wenn der Fuß sagt: Ich bin keine Hand,
ich gehöre nicht zum Leib!,
so gehört er doch zum Leib.
Und wenn das Ohr sagt: Ich bin kein Auge,
ich gehöre nicht zum Leib!,
so gehört es doch zum Leib.
Wenn der ganze Leib nur Auge wäre,
wo bliebe dann das Gehör?
Wenn er nur Gehör wäre,
wo bliebe dann der Geruchssinn?
Nun aber hat Gott jedes einzelne Glied so in den Leib eingefügt,
wie es seiner Absicht entsprach.
Wären alle zusammen nur ein Glied,
wo bliebe dann der Leib?
So aber gibt es viele Glieder
und doch nur einen Leib.
Das Auge kann nicht zur Hand sagen:
Ich brauche dich nicht.
Der Kopf wiederum kann nicht zu den Füßen sagen:
Ich brauche euch nicht.
Im Gegenteil,
gerade die schwächer scheinenden Glieder des Leibes
sind unentbehrlich.
Denen, die wir für weniger edel ansehen,
erweisen wir umso mehr Ehre
und unseren weniger anständigen Gliedern
begegnen wir mit umso mehr Anstand,
während die anständigen das nicht nötig haben.
Gott aber hat den Leib so zusammengefügt,
dass er dem benachteiligten Glied
umso mehr Ehre zukommen ließ,
damit im Leib kein Zwiespalt entstehe,
sondern alle Glieder einträchtig füreinander sorgen.
Wenn darum ein Glied leidet,
leiden alle Glieder mit;
wenn ein Glied geehrt wird,
freuen sich alle Glieder mit.
Ihr aber seid der Leib Christi
und jeder Einzelne ist ein Glied an ihm.
So hat Gott in der Kirche die einen erstens als Apostel eingesetzt,
zweitens als Propheten,
drittens als Lehrer;
ferner verlieh er die Kraft, Machttaten zu wirken,
sodann die Gaben, Krankheiten zu heilen,
zu helfen, zu leiten,
endlich die verschiedenen Arten von Zungenrede.
Sind etwa alle Apostel,
alle Propheten,
alle Lehrer?
Haben alle die Kraft, Machttaten zu wirken?
Besitzen alle die Gabe, Krankheiten zu heilen?
Reden alle in Zungen?
Können alle übersetzen?
Strebt aber nach den höheren Gnadengaben!
Gastautor*in (2022)
Norbert Riebartsch ()
Feri Schermann (2001)
Ganz entgegen der Praxis des römischen Reiches sieht die paulinische Kirchentheologie vor, dass sich alle vor Gott in Gnade eins wissen. Alle bringen sich nach ihren Fähigkeiten ein, welche von dem einen Geist verliehen sind. Paulus verdeutlicht dies mit der Metapher des einen Leibes und der vielen Glieder. Hier geht es um Gleichwertigkeit und Gleichwichtigkeit trotz aller Pluralität. Gerade die Schwächeren sind unentbehrlich und jedes Körperglied ist in seiner Eigenheit gefragt. Es zeichnet sich auch schon eine erste Aufgabenteilung in der Alten Kirche ab, in Apostel, Propheten und Lehrer. Dieser Text betont aber deren aller Ebenbürtigkeit.
© Claire Geyer, Pfarreihospitantin St. Peter u. Paul, Zürich)
Die Charismen bilden im 1. Korintherbrief einen wichtigen Teil. Die Kapitel 12-14 sprechen über sie. Nachdem in 1 Kor 12,4-10 verschiedene Gaben des Geistes genannt sind, werden sie eingeordnet in den Zusammenhang des Gemeindelebens. Gaben sind wichtig für den Aufbau der Gemeinde.
So ist es nicht nur wichtig, mit den Gaben verantwortet umzugehen, sondern es geht auch darum, diese Gaben einzusetzen. Was man nicht lebt und einbringt, fehlt der Gemeinde. Im Bild des Leibes steckt der Versuch, die gegenseitige Verwiesenheit und die Wichtigkeit jeder einzelnen Begabung deutlich zu machen.
Der 1. Korintherbrief gibt Einblick in das Leben und in die Probleme einer jungen heidenchristlichen Gemeinde, die Paulus 51 n. Chr. gegründet hatte. Der Brief ist zwei oder drei Jahre danach geschrieben. Den Anlass bildeten Fragen, die in der jungen Christengemeinde aufgetreten waren. Streitigkeiten und Spaltungen waren eingetreten, die das Weiterbestehen der Gemeinde gefährdeten.
Das Gleichnis vom Leib und seinen Organen, die alle ihren Dienst haben, veranschaulicht, wie die verschiedenen Geistesgaben in der Gemeinde notwendig und aufeinander angewiesen sind. Wer besondere Gaben hat, etwa die Gabe der Rede, hat keinen Grund, auf andere herabzusehen, die diese Gabe nicht haben, sondern soll ihnen dienen. Und wer die Gabe unscheinbarer Dienste hat, soll sich nicht zurückgesetzt fühlen.
"Strebt nach den höheren Gnadengaben" ist für Paulus ein Hinweis an die Gemeinde, den Blick auf die Kleinigkeit der menschlichen Auseinandersetzungen zu vergessen und sich an dem Maß Gottes zu messen. Dies führt die Gemeinde weiter.
Ruf vor dem Evangelium - Jes 61,1 (Lk 4, 8)
Halleluja. Halleluja.
Der Herr hat mich gesandt,
den Armen die Frohe Botschaft zu bringen
und den Gefangenen die Freiheit zu verkünden.
Halleluja.
Evangelium - Lk 1,1-4; 4,14-21
Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas.
Schon viele haben es unternommen,
eine Erzählung über die Ereignisse abzufassen,
die sich unter uns erfüllt haben.
Dabei hielten sie sich an die Überlieferung derer,
die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes waren.
Nun habe auch ich mich entschlossen,
nachdem ich allem von Beginn an sorgfältig nachgegangen bin,
es für dich, hochverehrter Theophilus,
der Reihe nach aufzuschreiben.
So kannst du dich von der Zuverlässigkeit der Lehre überzeugen,
in der du unterwiesen wurdest.
In jener Zeit
kehrte Jesus,
erfüllt von der Kraft des Geistes,
nach Galiläa zurück.
Und die Kunde von ihm verbreitete sich in der ganzen Gegend.
Er lehrte in den Synagogen
und wurde von allen gepriesen.
So kam er auch nach Nazaret, wo er aufgewachsen war,
und ging, wie gewohnt, am Sabbat in die Synagoge.
Als er aufstand, um vorzulesen,
reichte man ihm die Buchrolle des Propheten Jesaja.
Er öffnete sie
und fand die Stelle, wo geschrieben steht:
Der Geist des Herrn ruht auf mir;
denn er hat mich gesalbt.
Er hat mich gesandt,
damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe;
damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde
und den Blinden das Augenlicht;
damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze
und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.
Dann schloss er die Buchrolle,
gab sie dem Synagogendiener
und setzte sich.
Die Augen aller in der Synagoge waren auf ihn gerichtet.
Da begann er, ihnen darzulegen:
Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt,
erfüllt.
Gastautor*in (2022)
Norbert Riebartsch ()
Feri Schermann (2001)
Der Prolog des Lukasevangeliums verbürgt die Authentizität des Berichts und gibt den Adressaten, möglicherweise den Auftraggeber bekannt. Wir erfahren, dass es bereits eine Traditionsbildung gibt, die eine mündliche Lehre und Unterweisung voraussetzt.
Wir erfahren des weiteren von dem Beginn der Lehrtätigkeit von Jesus. Er kehrt in seine Heimat zurück, wo er als Sohn Josefs bekannt war. Gerade hier offenbart sich in der lauten Lesung der Schrift die Gottheit Gottes in Christus. Jesus ist geradezu getroffen von dem Wort der Schrift. Der Moment der Erkenntnis wird mit dem Moment des Schließens des Buches pointiert. So gebannt wie Jesus von seinen inneren Empfindungen ist, so nehmen die Umstehenden daran teil, indem sie den Blick auf ihn richten. Diese erzeugte Erwartungshaltung löst sich durch die Interpretation der Situation: "Heute hat sich das Schriftwort erfüllt". Jesus erkennt sich in der Botschaft des Jesajas selbst darin, dass die Gnade Gottes durch ihn die Schuld erlässt und einen Neuanfang ermöglicht. Ein unerhörter Anspruch für damalige Ohren.
© Claire Geyer, Pfarreihospitantin St. Peter u. Paul, Zürich)
Es sind zwei Elemente zusammengefügt: Die Einleitung in das Evangelium und Jesu erster öffentlicher Auftritt in der Synagoge seiner Heimatstadt. Dazwischen liegen die Kindheitsgeschichte Jesu, der Hinweis auf das Wirken Johannes des Täufers, die Taufe Jesu am Jordan und seine Versuchung. Alle diese Dinge sind Ausschmückungen des Evangeliums. Aber in der Linie des Lukas ist diese Textfolge stimmig: Wenn sich Theophilus von der Wirkung der Worte Jesu überzeugen soll, dann müssen auch Worte Jesu zuerst genannt werden.
Diese Worte sind Worte der Zuwendung Jesu an Menschen in Not. Sie sind programmatisch für das Lukasevangelium, wenn man auf das Sondergut des Lukas schaut, etwa sein 15. Kapitel mit den Gleichnissen vom Verlorenen. Sie sind an dieser Stelle komponiert aus drei verschiedenen Jesajastellen. Auch dies ein Zeichen für das Programmatische dieser Stelle.
Im heutigen Abschnitt des Evangeliums wird noch nicht deutlich, dass die Predigt Jesu neben dem Staunen auch große und massive Ablehnung hervorgerufen hat.
Im Vorwort zu seinem Evangelium spricht Lukas von seiner Arbeitsweise bei der Abfassung des Evangeliums und vom Ziel, das er dabei verfolgt: sich von der Zuverlässigkeit der Lehre überzeugen lassen. Deshalb hat Lukas bei den Aposteln und sonstigen Augenzeugen alle erreichbaren Überlieferungen von Jesusworten und Jesuserzählungen gesammelt.
Im ersten Auftreten Jesu erzählt Lukas schon die theologische Intention seines Evangeliums. Er zeigt in Jesus den Heiland der Verlorenen, der sozial Entrechteten, der Frauen, der Zöllner und Sünder.
"Heute hat sich das Schriftwort erfüllt" zitiert frei den Propheten Jesaja Kap 61. Diese Stelle hat messianischen Charakter. Mit der Geistsalbung des Verheißenen hat diese Erfüllung schon begonnen. Der Geistträger heißt Jesus. Er – Jesus – setzt sich in Verbindung mit dem Propheten und nimmt seine Aufgabe als Messias an, auch in seinem eigenen Bekanntenkreis.
Torah, Evangelium und mehr: Gottes Wort in dein Ohr
Fast Food für Augen und Ohren
In unserer Familie haben wir eine WhatsApp-Gruppe eingerichtet. Man kann nicht behaupten, dass alle Familienmitglieder mit wehenden Fahnen auf dieses Projekt aufgesprungen sind und es machen auch nicht alle mit. Aber es klappt ganz gut. Wenn wichtige Dinge rasch in der Familie mitzuteilen sind, hat sich das ganz gut bewährt. Ich weiß von Freunden, wo das ebenso gut läuft. Im Pfarrhaus bin ich in sechs oder sieben Chatgruppen drin - ich habe den Überblick verloren. Auch hier: Wichtiges und weniger Wichtiges ist rasch bei allen, die es interessieren soll. Diese Art der Kommunikation hat wahrlich viele Vorteile. So stehe ich doch öfters mit Verwandten in Deutschland oder Bekannten irgendwo in der Welt in Kontakt, die ich sonst wahrscheinlich aus dem Auge verlieren würde. Wichtiges kann auch sehr kurzfristig an den Mann oder die Frau gebracht werden.
Hinhören und hinschauen
Aber dennoch ist ein kritischer Blick auf eine solche Art der Kommunikation durchaus angesagt - abgesehen von Sicherheits- und anderen Aspekten. Wenn man so digital kommuniziert, passiert doch schnell Ähnliches wie bei jemandem, der von analoger Fotografie auf eine Digitalkamera umsteigt. Statt dass ich sechsundreißig Mal auf den Auslöser drücken kann und dann der Film voll ist und ich danach für jeden Bildabzug vierzig Rappen zahlen muss, betätige ich den Auslöser einer Digitalkamera hunderte Male und lösche einfach den größten Teil der Bilder, die ich nicht haben will, nachher wieder. Es kostet ja nichts… Aber es gilt auch: Ich investiere nicht so viel und bemühe mich viel weniger als zu früheren Zeiten. Klar, digitale Fotografie hat viele Vorteile - aber halt nicht nur.
So ist es auch bei der Kommunikation. Wir müssen mehr und mehr darauf achten, welchen Wert eine Konversation mit Anderen hat und noch viel mehr: welche Wertschätzung wir unseren Kommunikationspartnern und noch vielmehr: allem Kommunizierten entgegenbringen wollen. Kommunikation, die nichts kostet - weder Zeit noch Mühe oder sonstwas -, kann auch schnell einmal wertlos werden. Geradezu billig. In vielen Situationen unseres Lebens macht das vielleicht nichts: Schnelle und belanglose Kommunikation darf ja durchaus ein Teil unseres Lebens sein. Aber eben nicht zu oft. Ich merke immer mehr, wie es droht, dass die Wertschätzung des guten Wortes untergeht. - Der heutige Sonntag des Wortes Gottes warnt uns daher, mahnt uns und lädt uns ein zum gepflegten Umgang mit dem Wort. Vor allem eben: mit dem Gotteswort.
Einladung zum Ohren-Schmaus
In der ersten Lesung haben wir dazu von einer sehr speziellen Hinhör-Situation vernommen. Wir befinden uns in der Mitte des fünften Jahrhunderts vor Christus. Die Zeit der Verschleppung des Volkes Israel nach Babylonien neigt sich dem Ende entgegen und der am persischen Hof arbeitende jüdische Staatsbeamte Esra wird nach Jerusalem entsendet, um dort der israelitischen Gemeinde, die aus der persischen Diaspora zurückgekehrt ist, beim Aufbau zu helfen. Und was hilft mehr beim Aufbau einer religiösen Gemeinschaft als das Wort Gottes. So hören wir heute, wie Esra der Gemeinde in einer Art Freiluftgottesdienst dieses Wort Gottes verkündet. Und anscheinend hat Esra zusammen mit dem Propheten Nehemia wohl eher die strengen Weisungen aus der Torah ausgesucht, denn es hieß, die Zuhörerschaft stand da in Tränen aufgelöst. Am Ende aber ließ er dann alle Anwesenden wissen: "Nun geht, haltet ein festliches Mahl und trinkt süßen Wein! [...] Denn heute ist ein heiliger Tag zur Ehre unseres Herrn. Macht euch keine Sorgen; denn die Freude am Herrn ist eure Stärke."
Die neue, wiederaufgebaute Jerusalemer Gemeinde soll dem Wort eine herausragende Wertschätzung entgegenbringen, die auch ein Ausdruck ihres Dankes gegenüber diesem Gott ist, der sie aus dem Exil zurückgeführt hat in die Heimat. Denn die Weisungen, die sie vernommen haben, sind es, die Rettung und Heil verheißen. Der Geist dieser Worte soll Wirkung zeigen und sie zu einem Volk zusammenführen, das jene Zukunft hat, die Gott dem Volk einst einmal - lange zuvor - versprochen hat und die durch das Babylonische Exil - äußerlich betrachtet - so furchtbar gefährdet war.
Für die neue nachexilische Gemeinde gilt dasselbe wie für die frühchristliche Gemeinde Jahrhunderte nach dem Exil: Die einzelnen Mitglieder dieser Gemeinde verbindet nicht Kultur oder Herkunft sondern vor allem der eine gemeinsame Glaube: "Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen", hieß es bei Paulus.
Das Wort wird Mensch
Es ist gut, all diese Reflexionen in Kopf und Herzen zu haben, wenn wir das Evangelium dieses Sonntags vernehmen, das uns einen Schritt weiterführt. Die Geschichte erzählt, wie Jesus in seine Heimatstadt kommt, um in der Synagoge zu lehren. Nur allein schon mit seiner Predigt bekommt die Bedeutung des Wortes eine ganz neue Dimension. Wenn wir den Prolog des Johannesevangeliums anklingen lassen, wo es heißt: "Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt", ist diese Erzählung mehr als nur jene von einer guten Predigt. In der Synagoge zu Nazareth verkündet Jesus nicht nur Gottes Wort, er ist es selbst. Er redet nicht von der Gnade Gottes, er ist diese menschgewordene Gnade. Und so kann Jesus am Ende der Szene dann auch sagen: "Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt."
Seid ganz Ohr
Wenn wir uns im religiösen Kontext, in unserem Glaubensvollzug vom Wort berühren lassen, dann ist das alles, nur kein oberflächlicher Chat mit mehr oder minder interessantem Inhalt. Wenn wir uns vom Wort Gottes berühren und erfüllen lassen, dann ist das Offenbarungsgeschehen: Gott selbst kommt zu uns, tritt in unser Leben ein. Und dieses Wort lässt sich nicht so einfach wegklicken und der Bedeutungslosigkeit preisgeben, denn es ist lebensstiftend.
Davon geben alle Verkündigungstexte des heutigen Sonntags einen intensiven Eindruck. Der heutige Sonntag des Wortes Gottes will uns einladen, inmitten der vielen Worte in dieser Welt jene herauszuhören, die wirklich was zählen, die wirklich Göttliches verheißen, die unser Leben ausmachen. Und dazu bedarf es eben nicht nur flinker Fingerspitzen auf der Tastatur eines Smartphones, sondern noch viel mehr: wache Augen, offene Ohren und ein bereites Herz.
Die Kraft des Rufes Gottes
Erfüllt vom Geist Gottes…
Gleich zu Beginn des Lukasevangeliums begegnen wir dem im Lukasevangelium häufig wiederkehrenden Wegmotiv, der Weg als eine Verbindung von Orten: Jesus geht von Galiläa zum Jordan, von dort in die Wüste, dann zieht er wieder nach Galiläa! Hin und zurück wahrscheinlich 2x 100 km! Was für eine Wegstrecke zu Fuß! Zeit genug um Klarheit zu finden, um sich bewusst zu werden, was stärkt mich, was bewegt mich, was treibt mich an!
Das Untertauchen Jesu im Jordan und die dort zugesagte Erfahrung, von Gottes Geist erfüllt zu sein, wirft sein Leben nach den Wüsten-Versuchungen nicht durcheinander, er lässt diese zurück. „Nach diesen Versuchungen ließ der Teufel bis zur bestimmten Zeit von ihm ab.“ (LK 4,13). Erfüllt vom Geist Gottes kehrt er nach Nazaret in Galiläa zurück, wo er aufgewachsen war.
… kehrt Jesus in seine Heimatstadt zurück
Er, der in seiner Heimatstadt als Sohn Josefs bekannt war, „ging, wie gewohnt, am Sabbat in die Synagoge. Für ein Mitglied der jüdischen Gemeinden ist es selbstverständlich, am Sabbat, dem siebten Tag der Woche, zum Gottesdienst in die Synagoge zu gehen.
Dass ihm im Gottesdienst die Schriftrolle gereicht wurde, entspricht dem Ritus eines Synagogen-Gottesdienstes. Jedes Mitglied kann dazu aufgerufen werden. Der Lesung aus der Tora folgt jeweils ein Text aus den Büchern der Propheten. Lukas schreibt, dass „ihm die Buchrolle des Propheten Jesája“ gereicht wurde.
Die Prophetenworte, die Jesus nun vorliest, beziehen sich auf seine eigene Gotteserfahrung, als der Himmel für ihn offen war und der Geist Gottes auf ihn herabkam. „Erfüllt von der Kraft des Geistes kehrte Jesus (vom Jordan) nach Galiläa zurück.“ (LK 4,14).
"Heute"
Die Worte des Propheten wirken nun wie ein Auftrag in ihm: Gott ruft ihn, das Gnadenjahr Adonais anzukünden, den Menschen, die am Leben in Fülle nicht Anteil haben können, weil sie arm, blind, gefangen, ausgestoßen... sind. Diesen gilt die Frohbotschaft, diesen gilt es, das Reich Gottes erfahrbar zu machen, ein Reich, das in jenen, die glauben, schon längst angebrochen ist.
Damit sind jene gemeint, die nach Gottes Willen leben, die umdenken, sich neu orientieren am Gnadenjahr/Jobeljahr Adonais. Das heißt konkret, sich für die Freiheit, die Erlassung von Schuld (Entschuldung) einzusetzen. Dieser Einsatz führt zu einer gerechteren Gesellschaftsordnung und zu verbindlichen Schutzrechten, tief verwurzelt im Glauben an einen befreienden Gott.
Gilt auch uns
Diesen Ruf Gottes, von dem im Evangelium die Rede ist, zu hören, gilt auch uns. Wie können wir dazu bereit werden, diesen Ruf zu vernehmen, zu spüren?
Es ist vor allem eine innere Bereitschaft, auf momentane erkannte äußere Not, Sehnsüchte in uns und um uns wahrzunehmen, sich ihnen zu stellen und zu fragen, wie kann das Reich Gottes heute Gestalt annehmen?
Denn auch uns gilt, dass wir erfüllt und gestärkt durch Gottes Geist zur Nachfolge Jesu gerufen sind. Dann wird wahr, was Lukas schreibt: „Heute hat sich das Schriftwort erfüllt“ Heute kann ruhig als Momentaufnahme, als Augenblick im eigenen Leben gesehen werden, wo dieses Erfülltsein vom Geist Gottes mir selbst und anderen zum Guten gereicht.
Seien wir achtsam auf „Heute-Erfahrungen“. Sie führen zu erfüllten Momenten, erfüllten Zeiten in unserem und im Leben anderer Menschen.
Von der Macht des Wortes Gottes
Bekenntnis zum Wort Gottes
Wir hörten in der ersten Lesung Teile des 8. Kapitels aus dem Buch Nehemia, das uns ein Stück Liturgiegeschichte des Volkes Gottes zeigt, eine Sorge um den Kult, im Besonderen um den Sabbat. Nach dem Exil soll die Stadtmauer Jerusalems wieder aufgebaut werden, also harte Arbeit, die durch den „heiligen Tag“, den Sabbat, unterbrochen werden soll. Sabbat als wesentlicher Teil der Zugehörigkeit zum Glauben. Dabei wird vom Schriftgelehrten und Priester Esra und vom Statthalter Nehemia (auch Mundschenk des Königs) aus der Tora vorgelesen und das Volk als Wegweisung für sein Leben unterrichtet. Die Menschen sollen mit „Amen“ antworten als Bestätigung, dass man versteht, was geglaubt wird.
Das tun ja auch wir bei jeder heiligen Messe. „Amen“ es steht in sich fest, ich bestätige diese Worte. – Christentum als Bildungsreligion, auf das Wort, auf die Sprache kommt es an. „Verstehst du, was du liest?“ (Apg.8,26f), fragt Philippus den Kämmerer aus Äthiopien.
Gebetswoche für die Einheit der Christen
Wir gedenken in diesem Gottesdienst in besonderer Weise des „Wortes Gottes“ und befinden uns gleichzeitig in der „Gebetswoche für die Einheit der Christen“. Worte und Sprache, höchste geistige Fähigkeiten, die dem Menschen geschenkt wurden, sind leider auch Quelle allen Missverständnisses, Streit, Gezänk um Gottes Wort, Krieg darüber, wie es zu verstehen ist, auch was zum sogenannten Kanon gehört und was nicht.
Dieser Streit führte oft zur Spaltung. Der 1. Korintherbrief erinnert daran, dass uns die Taufe zu einem Leib verbindet: „Es ist e i n Leib mit vielen Gliedern. Wenn ein Glied krank ist, leidendie anderen mit.“(1 Kor 12,26), also gegenseitige Verbindung, Abhängigkeit. Die „Gebetswoche für die Einheit der Christen“ zeigt die Sehnsucht nach Einheit, die sich durch alle christlichen Konfessionen zieht. Zielführend dabei ist, die Gemeinschaft zu fördern und nicht einander auszuschließen, zu exkommunizieren und den Kirchenbann anzudrohen; zugehen aufeinander und nicht losgehen. Das ist Dienst an der Einheit.
Das Wort Gottes wirkt
Lukas, der Evangelist und Chronist erinnert an die „ersten Augenzeugen und Diener desWortes“, das er an Theophilus (=Gottesfreund) weitergibt, an einen Schüler, der offenbar das Christentum schon lange angenommen hat. Als "Theophilus", "Gottesliebhaber" kann sich auch jeder Leser des Evangeliums betrachten.
In diesem Evangeliumsausschnitt, den wir heute gehört haben, ist ein großer Sprung festzustellen. Die Kapitel 2 und 3, also Kindheitsgeschichte und Taufe Jesu, bleiben weg, haben wir bereits gehört. Jesus beginnt zu lehren. „Sein Ruf verbreitete sich in der ganzen Gegend.“ (Lk 4,14), und er wurde gepriesen, weiters hören wir: „Der Geist des Herrn ruht auf ihm, von der Kraft des Geistes getrieben.“ Jesus spricht und handelt im Auftrag des Vaters, also e i n s t i m m i g. Er verkündet den Armen die Frohe Botschaft.
Armut hat verschiedene Facetten: materielle, körperliche, geistige Armut, die den Sinn des Lebens nicht mehr kennt, die Verzagtheit und Depression herbeiführt. Gebeugte aufrichten, Gefangene zu befreien, gemeint sind nicht so sehr Menschen, die tatsächlich einsitzen müssen, sondern Befreiung von mancher Last des Alltags, Befreiung aus dem Gefängnis von Süchten und Lastern, von allem, was Menschen unfrei macht.
Heute!
Jesus liest aus dem Evangelium des Alten Testaments, aus dem Buch Jesaja, vor. Seine kurze Auslegung liegt im Wort HEUTE. „Heute hat sich das Schriftwort erfüllt.“ (Lk 4,21). Es geht dabei nicht um ein genaues Datum mit Uhrzeit, sondern Jesus will damit sagen, das Reich Gottes ist schon da, noch deutlicher: Es ist durch mich bereits angekommen. Schau auf die Welt mit ihren Dunkelheiten und Schönheiten und sei wachsam, beobachte genau, nütze die Gelegenheit zum Guten, den Kairos, könnte man sagen.
Das Trostwort liegt in der Befreiung. Sie wird kommen, Lasten werden abgenommen, die Wahrheit wird siegen, der Friede wird Wirklichkeit (= wirksam), somit ein guter Wunsch, eine gute Nachricht, eine freudige Botschaft, auch für das noch junge Jahr 2022.
Programmankündigung Jesu
Frohbotschaft für Theophile
Lukas stellt seinem Evangelium ein Vorwort voran. Darin beschreibt er, von welchen Prinzipien er sich bei der Abfassung der Texte leiten ließ: Ich habe mich entschlossen – d.h. ich bemühte mich mit großem Ernst – allem von Grund auf sorgfältig nachzugehen, um es der Reihe nach aufzuschreiben. Mit diesem Versprechen überreicht Lukas seine Evangelien-Texte sehr persönlich an jeden Leser, den er Theophilus nennt. Das griechische Wort Theophilus heißt übersetzt: Gottes-Freund. Bibelwissenschaftler weisen darauf hin: Lukas wende sich mit dem Namen Theophilus nicht an einen ganz bestimmten Mann, sondern an jeden, der die Berichte seines Evangeliums als Freund Gottes liest, um seinen Glauben auf ein gesichertes Fundament zu stellen. Heutige Autoren würden sagen: Lieber Leser, ich habe alles gewissenhaft geprüft und sorgfältig aufgeschrieben, damit du dich von der Zuverlässigkeit und Echtheit des Geschehenen überzeugen kannst.
Lukas setzt den Akzent klar und deutlich: Was er in seinem Evangelium mitteilt, ist nicht eine interessant zu lesende Lebensbeschreibung Jesu, sondern die Einbeziehung des Lesers in das Geschehen von damals. Der Evangelist stellt Jesus regelrecht vor uns hin, um uns durch ihn direkt verkünden zu lassen: Mit mir ist die Stunde gekommen, von der an sich die Prophezeiung des Jesaja und die Voraussagungen aller Propheten erfüllen.
- Armen und Verrufenen wird die Frohe Botschaft von der Liebe Gottes zu ihnen verkündet.
- Innerlich Gefangene und Eingeschnürte erfahren Befreiung – Blinde das Augenlicht.
- Und über alle wird sich die Gnade Gottes ergießen.
Mit dem Auftreten Jesu beginnt ein neues Kapitel in der Beziehung zu Gott. Mit Jesus, den vom Geist Erfüllten, kommen die Verheißungen der Propheten zu ihrer Erfüllung. Ab jetzt wird Wirklichkeit, was die Gottesmänner im Auftrage Jahwes für die Zukunft vorausgesagt haben. Die Verheißungen der alttestamentlichen Schriften sind fortan kein Zukunftsprogramm mehr, sondern werden von nun an Wirklichkeit.
Botschaft Gottes an uns
Mit dieser Botschaft steht Jesus vor uns. Er möchte an uns, den Gott Zugewendeten und Freunden Gottes, wirken dürfen. Mit seiner Gnade soll sich die Armut unserer Herzen auflösen. Er will sie füllen mit sprudelnder Liebe, mit Wohlwollen und Herzlichkeit. Jesus will unsere Herzen befreien von der Angst vor der Zukunft oder dem Tod, von der Unzufriedenheit mit unserem Leben und dem, was uns das Leben als Bürde abverlangt. Wo wir blind sind oder im Dunkeln tappen, möchte er uns Licht aufleuchten lassen und Klarheit verschaffen:
- durch das Wirken des Geistes, der uns das Gute erkennen lässt,
- durch die Vermittlung neuer Sichtweisen und korrigierter Ansichten,
- durch das Erspüren von Möglichkeiten für notwendige Veränderungen,
- durch Hilfe und Beistand beim Betreten neuer Wege.
Die Kraft, die wir dazu benötigen, soll uns als Gnade geschenkt werden.
Allen, deren Pläne und Hoffnungen zerschlagen sind durch Krankheit und Behinderung, durch Misserfolge trotz großer Mühe, durch eigenes Versagen oder schuldhaftes Handeln, möchte Jesus neuen Mut schenken, sie von Niedergeschlagenheit und Lähmung befreien.
Entscheidend ist, dass wir uns für sein Wirken öffnen, dass wir nicht nachlassen im Vertrauen zu ihm und seine Zusagen an uns. Wir stehen unter seinem Gnadenangebot ein Leben lang. Jeden Tag eröffnet Jesus sein Angebot neu, uns beizustehen.
Jesus hat das Programm, das er in der Synagoge von Nazareth den Anwesenden vortrug, zu seinen Lebzeiten für alle sichtbar in die Tat umgesetzt. Davon können sich die Leser des Lukas-Evangeliums in den weiteren Berichten überzeugen. Aber sie sollen es beim Lesen und sich informieren nicht belassen. Die Zeit der Gnadenvermittlung durch Jesus ist mit seinem Tode nicht beendet. Sie ist Gegenwart. Lukas möchte, dass der Leser in sich hineinspürt und die Situationen erkennt, wo sich in Stille und ohne Aufsehen an ihm die Wunder regelrecht wiederholt haben, die Jesus seinerzeit sichtbar an Menschen wirkte. Wer sich von Lukas zu diesem Nachdenken und Erspüren bewegen lässt, weil er ein Theophilus, Freund und Gott Begreifen-Wollender ist, der wird überwältigt vom Ausmaß bereits selbst erfahrener Gnade. Er wird ganz und gar beglückt mit aller Kraft sein Leben auf Christus ausrichten.
Gemeinsam Glieder eines Leibes
Gottes Geist verbindet Menschen
„Im wesentlichen Falle, da brauchen wir uns alle
auf diesem Erdenballe, damit er nicht zerknalle.“
Soweit eine Textzeile des Liedes „Miteinander.“ Gottes Geist verbindet Menschen wesentlich, gleichwürdig und gleichwertig. Und: Wenn der Geist wirkt, bleiben Solidarität und Nächstenliebe unausweichlich.
Ein jüdischer Wanderprediger
Ein Wanderprediger erregt Aufmerksamkeit. Die ganze Gegend war informiert, kein Tag vergeht, wo nicht über ihn geredet wird. Er hat offensichtlich etwas zu sagen. Soviel, dass es Lukas drängt, seine Sichtweise der frohen Botschaft kundzutun und so die Glaubensweitergabe zuverlässig zu sichern.
Erfüllt von der Kraft des Geistes kehrt Jesus nach Galiläa, dem Bergland, dem Land des Volkes zurück, und ging, wie gewohnt, am Sabbat, dem Tag der Ruhe und Vollkommenheit, in die Synagoge. Dort entfaltet er mit den Worten des Propheten Jesaia sein Programm. Kurz, knackig, klar. Mit dem Geist Gottes im Rücken. Eine Botschaft, die anknüpft an die Weisungen der Tora – so die jüdische Bezeichnung für die überlieferten Gesetze und gottgegebenen Vorschriften. An sie wird durch die Propheten immer wieder erinnert. Jesus reiht sich nahtlos in diese Tradition ein. Altbewährtes hat offensichtlich nichts an Wichtigkeit verloren.
Die Grundlage der Lehre will erzählt und dadurch gesichert werden. Tora zu tun bleibt immer wieder Aufgabe, vom Volk Israel bis zu den jungen Gemeinden des neuen Weges. Denn wer Tora tut, wird leben. So ist die Zusage. Jesus ist der, der Tora immer wieder getan hat. Nicht sie aufzuheben, sondern sie zu erfüllen ist sein Auftrag. Was konkret zu tun ist, da greift Lukas auf den Propheten Jesaia zurück. Es ist also scheinbar das zu tun, was immer schon zu tun war. Im Westen nichts Neues unter der Sonne.
"Er hat mich gesandt, den Armen eine frohe Botschaft zu bringen, den Gefangenen die Entlassung verkünden, den Blinden das Augenlicht. Dazu noch die Zerschlagenen in Freiheit setzen und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufen."
Er hat gesandt. Jesus benennt klar seinen Auftraggeber, der auch Auftraggeber für alle Zuhörer in der Synagoge ist. Und erklärt mit den Worten des Propheten quasi den Anwesenden, was auch sie zu tun hätten. Immer schon. Lukas spannt den Bogen auch auf uns.
Die Armen und Besitzlosen im Mittelpunkt
In seiner Grundsatzerklärung stellt Jesus die Armen und Besitzlosen, die, die sonst nicht im Blick sind, in den Mittelpunkt. Heute wären es vielleicht Bootflüchtlinge, Bettler, Kranke, Gefangene, Geschlagene, Getretene, MigrantInnen, Arbeitslose oder Menschen, die von ihrer Arbeit nicht mehr leben können, prekär Beschäftigte. Präsent zu sein, da zu sein, wenn Menschen uns brauchen, ist die klare Botschaft. Hinschauen, sich berühren lassen und hingehen. Jesus macht kein großes Programm daraus, in wenigen Sätzen wird klar, was zu tun ist. Was jede und jeder tun kann und muss.
Wenn Worte der Tradition und der Bibel praktisch werden, zum Handeln anregen und ermutigen, über uns hinaus auf andere zuzugehen, dann passiert das, was Jesus benennt: „Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt“. Dann nämlich, wenn eine Gemeinschaft, eine Gesellschaft entsteht, wo wir einander nicht egal sind, wo uns der und die andere unbedingt angehen. Eine Gesellschaft, wo der und die eine dem und der anderen Nächste und Nächster ist. Möglicherweise noch Utopie, jedenfalls aber Anregung und mögliche Ausrichtung, wie es in unserer Gesellschaft auch sein könnte. Solche Geschichten und Narrative sind notwendig. Sie können Hoffnungen, Wünsche, Visionen begründen. Die herrschenden Verhältnisse werden umgestülpt und auf den Kopf gestellt, Utopie ist die Vorwegnahme von Veränderung.
Gesellschaftliche Utopien
Welche Geister beraten uns? Welches Gnadenjahr rufen wir aus? Welchen Botschaften trauen wir? Schaffen wir es, der neoliberalen Vereinzelung und der Botschaft, dass jeder seines Glückes Schmied is,t andere Botschaften entgegenzuhalten? Nämlich, dass wir als Menschen immer aufeinander verwiesen und angewiesen sind, dass niemand alleine lebensfähig ist. Dass wir letztlich füreinander und für diese Welt gemeinsam Verantwortung tragen, es auf unsere Antworten, auf unser Tun ankommt. Wie verhalten wir uns in Bezug auf die Gemeinschaft, auf unsere Gemeinde? Denken wir von den Bedürfnissen und Grundlagen der Gemeinde her? Oder bin ich selber Dreh- und Angelpunkt?
Alle oder keiner, heißt es in einem Stück bei Bertolt Brecht. Ähnlich könnte auch Paulus gedacht haben im Korintherbrief, als er sein Bild von Gemeinde entworfen hat. Ein Leib, der viele Glieder hat, die den einen, einzigen Leib bilden. Gehalten und genährt vom einen Geist, der uns in der Taufe in die Gemeinschaft aufgenommen hat. Und der es schafft, gesellschaftliche Unterschiede aufzuheben. Keiner steht mehr über dem und der anderen, im Gegenteil. Gott hat dem geringeren Glied höhere Ehre gegeben, eine Umkehrung der gewohnten und vertrauten Werte dieser Welt also. Alle Glieder sind aufeinander bezogen. Niemand muss sich größer machen als er ist. Niemand muss jemand anderen klein machen um selber groß zu wirken.
Alle sind wichtig
Alle sind wichtig, damit gemeinsames Leben gelingen kann. Davon ist Paulus überzeugt. Und er geht es sinnlich und körperlich an. Alle Sinne sind wichtig und wesentlich, ergänzen einander. Ein schönes Bild, das Paulus anhand des menschlichen Körpers abhandelt. Es geht ums Menschsein in seiner Ganzheit. Begreifen, hingehen, sehen, hören, riechen, schmecken, fühlen - vielfältig sind die Zugänge und doch brauchen sie einander. Der Kopf kann nur dorthin gehen, wohin ihn die Füße tragen, das Auge kann genau schauen, wo es ein Hingehen braucht, wo Zuwendung nötig ist. Zum Beispiel zu den Rändern der Gesellschaft, wie es Papst Franziskus immer wieder ausdrückt und einmahnt. Stellt euch vor, euer Körper besteht nur aus Augen, wie könnt ihr dann noch hören? Oder nur aus Ohren? Was wäre dann mit dem Riechen? Alle Körperteile haben eine wesentliche Funktion und brauchen einander. Niemand kann zum anderen sagen: Ich brauch dich nicht. Wir tragen daher auch füreinander Verantwortung.
Wenn ein Glied leidet, leiden alle. Niemand kann uns egal sein. Das ist schon mal eine große Herausforderung an unsere individualistische und europazentrierte Art zu leben. Wir als Europäer brauchen drei Welten zum Leben, zum Vergleich dazu Afrika, das mit einer halben Welt auskommt. Selbst zusammengezählt und dividiert geht sich ein gemeinsames Überleben nicht aus. Und wenn genau diese Menschen sich auf den Weg machen in der Hoffnung auf ein anderes Leben, machen unsere Regierungen die Grenzen dicht. Ja schlimmer noch, sie lassen bewusst Menschen im Meer ertrinken. Das kann und darf uns als Kinder des lebendigen Gottes aller Menschen nicht unberührt lassen. Da muss der Leib mit seinen Gliedern aufstehen, in Bewegung kommen, den Mund aufmachen, die Hände reichen, Position beziehen, unmenschliche Regierungen entmachten.
Es gibt viel zu tun
Wir sind Glieder und Leib, bilden gemeinsam den lebendigen Leib der Gemeinde, der Kirche. Unser Tun bildet das Tun Jesu ab, oder nicht. Wir tragen Verantwortung, ob Menschsein gelingt, ein Mehr an Menschlichkeit mit unserem Tun in die Welt kommt. In der Gemeinde gibt es viel zu tun, es braucht viele Fähigkeiten, Aufgaben, damit ein lebendiges Gemeindeleben gelingen kann.
Was ist deine Aufgabe, dein Beitragen in dieser konkreten Gemeinde, in der Pfarre? In dieser Gesellschaft? In der Kirche? Paulus ermuntert, bei sich und gemeinsam nachzuschauen, wer was einbringen kann. Möglicherweise hat noch niemand die Frage so gestellt, ein Bild von Gemeinde so entworfen und man weiß daher noch gar nicht, was man alles kann. Üblicherweise geht man ja nicht von den Menschen aus, sondern von dem, was getan werden sollte und bringt sich so um Vielfalt und Fähigkeiten.
Strebt nach höheren Gaben. Paulus verwendet bewusst den Plural, reißt damit aus der Vereinzelung. Das soll uns ermutigen, dass gemeinsam immer mehr geht, als man alleine geglaubt hat. Eine Erfahrung, die ja nicht neu ist. Vier Augen sehen mehr als zwei, gemeinsam im Garten gearbeitet bringt erstens mehr weiter und ist auch noch lustiger und man hat gleichzeitig auch noch wen zum Reden. Jesus schickt seine FreundInnen auch zu zweit aus, sich gegenseitig stärken ist Programm. Bleibt die Frage an uns: Wer kann was zur Stärkung des einen beitragen? Bin ich mehr Hand, Auge, Fuß, oder Hand und Fuß, oder ... Und mit wem mag ich dafür unterwegs sein?
Gott ist ein Gott der Vielfalt, Israel zählt zwölf Stämme, es gibt vier Evangelien, Jesus hatte zwölf Apostel und viele Frauen, die seiner Botschaft getraut haben. Seien wir einander zugetan in Vielfalt, Solidarität und Liebe, in der Gemeinde, in der Pfarre, in Europa, weltweit. Denn der Leib ist einer und wir sind alle Glieder, gerufen einträchtig füreinander zu sorgen.
© Mag. Fritz Käferböck-Stelzer, Leiter TMA Nettingsdorf
Die Freude an Gott ist unsere Kraft
„Der heimgekehrte Nachbar“
Das heutige Evangelium ist eine spannende Sache. Da ist einer aus den eigenen Reihen, der fortgegangen ist; ein ganz normaler Mitbürger. Er hat die Heimat verlassen und zieht nun mit einigen Kumpels durch die Gegend. Wanderprediger – das war damals nichts Ungewöhnliches. Aber trotzdem: Viele Jahre war er ein ganz normaler Mitbürger; ein Nachbar; ein Arbeiter wie sie. Nichts Außergewöhnliches. Der Zimmermannssohn aus der Nachbarschaft. Und dann hört man von ihm, dass er gewissermaßen ein „Star“ geworden ist: er soll Menschen geheilt haben; er soll andere faszinieren; viele Menschen folgen ihm. Ja, natürlich – reden konnte er schon immer gut; aber heilen? Und dieser Mann kommt nun heim. Und natürlich sind die Leute neugierig: Was wird er sagen? Was wird er tun? Wenn er schon in der Fremde so viel Großartiges getan hat – was wird er dann nicht alles daheim machen können?
„Heute hat sich erfüllt“
So ergeht es Jesus, als er nach Nazaret heimkommt, seiner Heimatstadt: Er trifft seine Freunde, seine Familie, seine Nachbarn. Und er geht mit ihnen in die Synagoge, um die Heilige Schrift zu lesen. Alles ganz normal und wie immer. Nichts Besonderes. Er liest die Stelle über die Messias-ankündigung im Prophetenbuch Jesaja. Und dann sagt er das eine Wort, das alles ändert: „Heute hat sich das Wort der Schrift erfüllt.“
Man muss sich das vorstellen: Seit Jahrhunderten hat das jüdische Volk diese Worte aus dem Propheten Jesaja gelesen; seit Jahrhunderten warten sie auf den Messias; auf den, der alles heil machen kann. Auf den, der die ungerechte Situation, die Unterdrückung durch andere Völker (gerade jetzt die Römer) beenden kann. Und dieser Jesus, dieser Sohn des Zimmermanns , ergreift das Wort und sagt: Jetzt ist die Stunde da!
Er sagt von sich: „Der Geist des Herrn ruht auf mir, denn der Herr hat mich gesalbt“ – und gesalbt zu sein heißt auf Hebräisch: „Messias“, der Gesalbte. Das war kein Zufall. Denn Jesus hat diese Stelle bewusst aufgeschlagen; es heißt: er schlug das Buch auf und fand die Stelle ...“
Und die Menschen sind in diesem Moment begeistert: „Seine Rede fand Beifall und sie staunten über die Worte der Gnade, die aus seinem Mund kamen.“ Die Geschichte nimmt dann noch eine dramatische Wendung im Blick auf den „Propheten im eigenen Haus“ – aber der heutige Abschnitt konzentriert sich zunächst auf das, was Jesus zu sagen hat.
„Gesendet zu den Armen“
Jesus beginnt hier seine Verkündigung – und er beginnt damit, dass er sein Gottesbild und sein Bild des Messias klarstellt: Er spricht von einem Gott der Armen, von einem Gott, der sich noch um die Schwächsten kümmert. Einen Gott, der ein Herz hat für das Verwundete und die Verwundeten: „Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze.“
In diesen wenigen Sätzen ist das ganze Programm Jesu enthalten: er ist gerade deshalb gekommen, damit er die aufrichtet, die niedergedrückt sind; dass er Traurige tröstet und Freude in das Leben der Menschen bringt. Die Botschaft Jesu, das „Evangelium“, heißt ja übersetzt nichts anderes als „Frohe Botschaft“. Jesus ist nur dort hart in seinen Aussagen, wo es gegen die Freiheit von Menschen geht; wo Rassismus herrscht oder Vorurteile. Wo Äußerliches mehr zählt als die inneren Werte, da findet er ganz harte Worte. Aber der Kern seiner Botschaft – und das ist der Grund, warum wir hier gemeinsam feiern – der Kern heißt: Freut euch, denn ihr habt einen Gott, der euch liebt; freut euch, denn er ist barmherzig und gnädig.
„Heute hat sich erfüllt“ – Die Sendung jedes Christen
Dieses Evangelium ist aber nicht gedacht als Bericht von etwas, was vor 2000 Jahren geschehen ist. Dieses „Heute hat sich erfüllt“ gilt immer wieder neu – auch hier und heute: Heute gilt es, dieses Christsein zu leben; mein eigenes Christsein. Heute bin ich herausgefordert, diese Freude an Gott zu leben. Und zugleich gilt auch heute: Wir glauben an einen Gott, der aufrichtet.
Und nicht zuletzt durch unsere Taufe gilt: „Der Geist Gottes ruht auf dir ...“ Der Geist, der uns in der Taufe und in der Firmung zugesagt ist. Es ist der Geist, der aufrichtet; ein Geist der Mut macht.
Und es ist derselbe Geist, der uns aussendet: Wir selbst sind gesandt, frohe Botschaft zu bringen. Nicht griesgrämige Christen, sondern fröhliche sind gefragt – so wie es schon in der Lesung aus dem Buch Nehemia geheißen hat: Die Freude an Gott ist unsere Kraft. Es geht dabei nicht um reine Ausgelassenheit, sondern um die Freude des Herzens.
Würden wir in Gemeinden oder in der Kirche mehr diese Erfahrung machen, dass Glaube nicht einengt, sondern frei macht; und dass die Botschaft Gottes im letzten eine Frohbotschaft ist – unsere Kirche würde wohl etwas einladender und freundlicher sein. Vorschreiben oder befehlen kann man Freude nicht; aber man kann sie vorleben. Denn verkündigen können wir diese Botschaft nur mit unserem Leben: dass wir als Christen frohe Menschen sind.
„Die Freude an Gott …“
Warum tut sich unsere Kirche so schwer, Freude zu zeigen oder zuzulassen? Ich weiß es nicht. Mit dem Glauben verbinden die meisten etwas sehr Ernstes: Etwas, wo ich Fehler und Sünden begehen kann; wo ich klare Regeln habe, an die ich mich halten muss. Und mit Gottesdiensten wird auch meist die ernste Miene verbunden. Natürlich ist der Inhalt der Feier etwas sehr Ernstes: Es geht um Tod und Auferstehung Jesu; und es geht um unser eigenes Leben. Und dennoch ist es eine Freudenfeier: Eine Dankesfeier für das, was Jesus uns schenkt.
Die Freude am Herrn gibt dem Volk Israel nach der Rückkehr aus dem Exil die Kraft, neu anzufangen; etwas aufzubauen. Die Gesetze geben zwar den Halt und die Ordnung – und es braucht Gesetze und Regeln, wenn Menschen zusammenleben, so auch in der Kirche. Aber Kraft zum Leben schöpfen wir nicht aus den Gesetzen, aus Regeln und Vorschriften – sondern Kraft schöpfen wir aus dem, was uns Freude macht und begeistert; was unser Inneres anspricht; wo unser Herz dabei ist.
Die Freude gehört somit zum innersten Kern unseres Christseins. Jesus ist dort hart in seinen Aussagen, wo es gegen die Freiheit von Menschen geht; wo Rassismus herrscht oder Vorurteile. Wo Äußerliches mehr zählt als die inneren Werte, da findet er ganz harte Worte. Aber der Kern seiner Botschaft – und das ist der Grund, warum wir hier gemeinsam feiern – der Kern heißt: Freut euch, denn ihr habt einen Gott, der euch liebt; freut euch, denn er ist barmherzig und gnädig.
Neugierig werden auf das Wirken Gottes
Spannend vorlesen
Der Schluss des heutigen Evangeliums – „ Die Augen aller in der Synagoge waren auf ihn gerichtet. Da begann er ihnen darzulegen: …“, hat in mir Spannung ausgelöst. Ich werde neugierig auf das, was Jesus sagen wird. So ist es gut, dass wir erst nächsten Sonntag die Fortsetzung hören; es wäre natürlich noch besser, würden wir die Bibel zur Hand nehmen und in dieser Spannung zu Hause weiterlesen. Fast möchte ich sagen: Leider sind uns die Texte der Hl. Schrift durch das häufige Vorlesen so geläufig, dass wir verlernt haben, sie mit Spannung zu lesen.
Als ich mir dieser Spannung bewusst geworden bin, musste ich unwillkürlich an meine "Internevorlesung" im Medizinstudium denken. Unser Professor hat es verstanden vier Semester lang seine Hörer zu einer für Studenten unwirtlichen Zeit, nämlich fünfmal in der Woche jeweils um 7.30 Uhr in seine Vorlesung zu locken. Er hatte dafür eine gute Taktik: In einer Vorlesung stellte er einen Patienten vor, seine Krankheits- und Familiengeschichte, seine Symptome, seine Befunde. Am nächsten Morgen kam dann die Auflösung: die Diagnose, der Ausschluss anderer evtl. Diagnosemöglichkeiten mit ihrer Begründung und die Therapie, evtl. auch der weitere Verlauf der Erkrankung. Es war spannend wie ein Krimi. Keiner konnte sich dieser Spannung entziehen und so lehrte er uns logisches Denken, Hinhören auf den Patienten und ihn als Ganzen wahrzunehmen. Für meinen weiteren Beruf war seine Haltung den Patienten gegenüber noch viel wichtiger als die diversen internen Erkrankung selbst. Wir mussten uns nur auf seine Art, Medizin zu lehren und zu praktizieren, voll einlassen und ein wenig eigene Energie dafür investieren.
Vom Gelesenen berührt
Auch in der ersten Lesung erleben wir heute Zuhörer, die berührt sind, von dem, was sie hören. Die Situation ist folgende: Nachdem die Perser Babylon besiegt hatten, beschlossen die neuen Herrscher Babylons, in Jerusalem wieder einen Tempel aufbauen und die Israeliten aus Babylon heimziehen zu lassen. Unter dem Privileg der persischen Oberherrschaft konnte nun wieder eine jüdische Rechts- und Religionsgemeinschaft errichtet werden. Das erwähnte Buch des Gesetzes, dem so aufmerksam gelauscht wurde, sind die sog. fünf Bücher Mose, die Israels Weg mit Gott durch die Geschichte beschreiben.
Die Erinnerung an ihre eigene Geschichte – an den Bund, den Jahwe mit ihnen geschlossen hat; an die Befreiung aus Ägypten; an den Weg durch die Wüste; an seine Gegenwart unter ihnen; an die Zehn Gebote und die anderen Gesetze, die er ihnen aufgetragen hat; an ihre Führer, besonders an Moses - berührte das Volk so sehr, dass die Leute weinten. Der Prophet Nehemia, dem diese Erzählung zugeschrieben wird, forderte aber das Volk auf, nicht traurig zu sein, sondern ein Fest zu feiern.
Es ist schon gut, zu erkennen, wie sehr von Gott geführt die Lebensgeschichte des Volkes Israel verläuft, aber diese Erkenntnis allein genügt nicht. Sie muss sich in Dankbarkeit und Freude wandeln! Die Erfahrung der Geborgenheit in Gott soll mutig machen und Zuversicht für den weiteren Weg geben. Eine Zuversicht auch für den Fall, dass der eigene Weg nicht so weitergeht, wie man es sich selbst denkt und wünscht. Nehemia schreibt. „… denn die Freude am Herrn ist eure Stärke.“
Überzeugungsarbeit
Auch Jesus liest in der Synagoge am Sabbat Worte aus Texten eines Propheten vor. Es heißt, "… man [reichte] ihm das Buch des Propheten Jesaja. Er schlug das Buch auf und fand die Stelle, wo es heißt: Der Geist des Herrn [...] hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe." Für uns Christen ist es klar, dass genau die Erfüllung dieser Ankündigung der Lebensauftrag Jesu ist, den er auch erfüllt. Der Evangelist will, dass wir das bedenken. Er will uns, wie es am Anfang seines Evangeliums heißt, „von der Zuverlässigkeit der Lehre“ überzeugen. Was braucht es, dass wir überzeugt werden?
Es braucht zuerst einmal Aufmerksamkeit. Wenn ich meine: Ich weiß alles, ich kenne alles, nichts ist mir wirklich neu, dann ist es fad, dann erwarte ich nichts mehr, dann bin ich geistig tot, so gut auch meine körperlichen Vitalparameter sein mögen. Es braucht dieses sich begeistern lassen wollen, die Neugierde auf Neues, auf das Andere und die Anderen. Das ist Leben: Fortschreiten und nicht stehen bleiben, sich weiter entwickeln wollen. Jeder Stillstand in unserer Entwicklung ist im eigentlichen schon wieder ein Rückschritt. Es braucht also diese Spannung auf das Nächste, wie ich versucht habe, es anfangs zu schildern. Und diese Spannung immer wieder aufrecht zu erhalten, ist nicht leicht, ja beinahe möchte ich sagen, für uns Menschen fast unmöglich. Im vorher verwendeten Wort „begeistern“, steckt schon das, worauf ich hinaus will. Wir brauchen ihn, den Geist, der uns führt und antreibt, den Heiligen Geist, Gottes Gnade dazu, aber auch unsere eigene Beständigkeit, unseren Willen, weitergehen zu wollen, nicht still zu stehen, zu reifen.
Um Gewohntes, Vertrautes aufgeben zu können und sich auf Neues einzulassen, braucht es auch Vertrauen. Vertrauen, dass man – wie ein kleines Kind, das die ersten Schritte macht – gehalten ist. Vertrauen setzt die Erfahrung voraus, dass jemand da ist und zwar gerade dann, wenn man ihn braucht. Es setzt voraus, dass die – oder derjenige es auch ehrlich mit uns meint, wirklich unser Bestes will, weiß, worum es geht, wir die Erfahrung gemacht haben, dass sie oder er es immer und beständig mit uns gut gemeint hat. So einer Person kann man vertrauen. Nur so wächst Vertrauen. Die Israeliten waren nach der Lesung aus dem Buch Nehemia berührt davon, als sie erkannt haben, wie Gott sie immer geführt hat: aus Ägypten, durch die Wüste, aus dem babylonischen Exil.
Wie geht es uns persönlich, wenn wir auf unsere eigene Lebensgeschichte blicken? Können wir Gottes Spur darin erkennen? Können wir daraus die Zuversicht gewinnen, dass er treu ist, dass wir uns seiner Führung anvertrauen können und wollen? Macht uns das Mut, beständig weiterzugehen und offen und aufmerksam mit Spannung zu erwarten, wohin er uns mit dem nächsten Schritt führen wird? Macht uns der Blick auf die bisherigen wenigen oder schon vielen oder sehr vielen Jahre unseres Lebensweges dankbar? So dankbar, dass in uns daraus Lebensfreude aufkommt und wir im Glauben an diesen Gott, der immer treu ist, bestärkt sind? So beginnt schon jetzt unser Leben zu einem Fest zu werden, zu einem kleinen Vorgeschmack auf das, was wir für die Ewigkeit erhoffen.
Einheit im Blick auf 2017
Weltgebetswoche um Einheit
Wir Christen begehen vom 18. - 25. Januar die Weltgebetsoktav für die Einheit der Christen. Es sind 8 Tage, an denen wir in der Pfarrei oder darüber hinaus für die Einheit der getrennten Christen beten, über die Konfession hinaus gemeinsam Bibel teilen oder einander begegnen. Geht es doch um das letzte Gebet Jesu vor seinem Leiden: „Vater, lass sie eins sein, damit die Welt glaubt.“ Wir Katholiken suchen die Einheit mit vielen anderen Kirchen: mit den Orthodoxen, mit den reformierten Kirchen, den Freikirchen. Hier in Deutschland sind wir besonders auf die evangelisch-lutherischen Christen ausgerichtet. Wir nähern uns mit ihnen dem Jahr 2017, das sie durch den Thesenanschlag von Martin Luther an der Schlosskirche von Wittenberg anlässlich der falschen Ablasspraxis in unserer Kirche als Beginn der Reformation ansehen. So versuche ich in dieser ökumenisch geprägten Woche einen Ausblick auf das Lutherjahr 2017.
Das Bild Martin Luthers in der katholischen Kirche beruhte seit Jahrhunderten auf einer verengten und abschätzigen Beurteilung durch Johannes Cochläus, eines einflussreichen Theologen im 16. Jahrhundert. Die katholische Lutherforschung im zwanzigsten Jahrhundert hat den Weg für eine sachgemäße Auseinandersetzung mit der Person und der Theologie Martin Luthers geebnet: Der Durchbruch in der katholischen Forschung gelang mit der These, dass Luther in sich einen Katholizismus überwand, der nicht voll katholisch, sondern spätmittelalterlich verengt in der Praxis einseitig, war.
Die Spaltung feiern?
Dennoch stößt die Frage auf, sollen wir die Reformation, die zur Spaltung führte, feiern?
Die Spaltung der westlichen Kirche lag nicht in der Absicht Luthers: Viele Akteure mischten mit in Rom und Deutschland, besonders auch politische Kräfte. Der Reformation, die zur Spaltung geführt hat, gilt unser Bedauern, Trauern und Schuldbekenntnis. Schuld gab es auf beiden Seiten. Dass einzelne bestimmte Meinungen vertraten, ist nicht Schuld. Doch wie das durchgedrückt wurde, erzeugte Schuld: Die Gegner wurden auf beiden Seiten oft missverstanden, karikiert, lächerlich gemacht und dämonisiert. Die eigene Position wurde weit vor die Bewahrung der Einheit geschoben. Das ist Schuld und muss bekannt und vergeben werden. So sollten wir 2017 Vergebungsgottesdienste feiern.
Im Rückblick auf die Reformation überwand schon vor 50 Jahren das Konzil innerlich unsere nur negativ gestimmte Abschottung und Verurteilung der Evangelischen. Es ermunterte und sagte, "es sei notwendig für uns Katholiken, die wahrhaft christlichen Güter aus dem gemeinsamen christlichen Erbe gern wahrzunehmen und mit Freude hochzuschätzen". Wenn wir vom Konzil zur frohen Anerkennung aufgefordert werden, dann sollen wir, was im ökumenischen Dialog als gemeinsame wichtige Einsichten erkannt worden ist, achten und feiern. So wurde schon vor 17 Jahren das Hindernis der Rechtfertigungslehre aus dem Weg geräumt durch die gemeinsame Anerkennung in St. Anna, Augsburg.
Als weitere Hauptthemen der Theologie Martin Luthers, die in den vergangenen Jahrhunderten kontrovers diskutiert worden sind, werden das Herrenmahl, das geistliche Amt, die Sicht von Schrift und Tradition genannt. Da hat das in den letzten Jahren sensibel geführte Gespräch viel tiefer die wesentlichen Anliegen Luthers und das der Katholischen Kirche erkannt.
Die eine Taufe
Dass wir Katholiken uns neu einstellen konnten und positiv gestimmt auf 2017 schauen, hat seinen Grund in der Taufe, die Lutheraner wie Katholiken in den einen Leib Christi einfügt. Vom Leib Christi sagt uns Paulus: „Wenn ein Glied geehrt wird, freuen sich alle anderen mit ihm“ (vgl. 1 Kor 12,26). Wenn wir Katholiken uns mit den evangelischen Christen 2017 zusammensetzen, tun wir das als Glieder des einen Leibes Christi.
Die gemeinsame ökumenische Vorbereitungsgruppe für 2017 gibt uns wichtige Grundsätze mit auf den Weg, damit die gemeinsame Vorbereitung gelingt. Sie rät uns unbedingt miteinander Folgendes zu beachten:
Katholiken und Lutheraner sollen im Dialog immer von der Perspektive der Einheit und nicht von der Perspektive der Spaltung ausgehen, um das zu stärken, was sie gemeinsam haben, auch wenn es viel leichter ist, die Unterschiede zu sehen und zu erfahren. Gemeinsam ist uns die Taufe, die hl. Schrift, das Glaubensbekenntnis, das Vater unser und wenn wir uns in Glaube und Liebe versammeln, ist der Auferstandene unter uns. Jesus, der Auferstandene, will uns ständig durch die Begegnung mit dem Anderen und durch das gegenseitige Zeugnis des Glaubens verändern. Dadurch können wir gemeinsam die Kraft des Evangeliums Jesu Christi für unsere Zeit wiederentdecken und Zeugnis für Gottes Gnade ablegen.
Dann haben wir – wie das gemeinsame Rechtfertigungsdokument schreibt - gemeinsam das Ziel, in allem Christus zu bekennen, dem allein über alles zu vertrauen ist als dem einen Mittler (1 Tim 2,5f).
Eine Predigt über eine Predigt
Dreisatz
Eine Predigt über eine Predigt - das ist schon etwas!
Eine Predigt Jesu über die Predigt eines Propheten - das ist noch mehr!
Eine Predigt Jesu über das Neue ganz und gar aus dem Alten - das ist die Krönung!
Bei den Hinterwäldlern
Aber erst einmal langsam zum Mitdenken. Lukas nimmt uns heute mit nach Nazareth. Hier ist Jesus aufgewachsen. Hier kennt ihn jeder. Hier nennen sie ihn alle nur mit Vornamen. Jesus. Für uns hat der Name einen besonderen Klang. In Nazareth war es ein Allerweltnamen. Verwundert werden die Menschen fragen: Ist das nicht der Sohn des Zimmermanns? Dabei werden sie sich vielsagend ansehen.
Nach langer Zeit ist Jesus wieder einmal zu Hause. Mit den Leuten aus seinem Dorf geht er am Sabbat in der Synagoge. Heute ist er sogar dran, aus der Bibel vorzulesen - und eben auch die Stelle zu erläutern. Nichts Besonderes. Ich sehe die große Rolle auf dem Pult - aufgerollt . Die Stelle, die heute dran ist, zeigt sich in ihrer ganzen Schönheit. Buchstabe für Buchstabe gemalt. Jesaja! Wie alt mag Jesus sein? Viele haben ihn lange nicht mehr gesehen. Viele haben aber von ihm gehört. Er soll großartig reden können, sagen die einen, er soll sogar Wunder tun, flüstern die anderen. Geredet wird viel, wenn der Tag lang ist. Jetzt reicht es wenigstens für die Vorschusslorbeeren. Verwundert, vielleicht sogar ein wenig lakonisch, vermerkt Lukas, der sich dieser Geschichte angenommen hat, dass er "von allen gepriesen" wird. Wenn das man gut geht!
Überhaupt: Lukas erzählt die Geschichte Jesu für einen lieben Freund, den hochverehrten Theophilus. Ob der überhaupt weiß, wo Nazareth ist? Über Galiläa machten die Leute ihre Witze - wie die Schweizer über die Appenzeller und die Deutschen über die Ostfriesen. Hinterwäldler, alles Hinterwäldler! Mensch, Lukas, du spielst mit den Vorurteilen!
Sie können es kühn nennen, meinetwegen auch verwegen: Hier in Nazareth - wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen - wird eine Predigt gehalten, die Weltgeschichte schreibt. Eine Predigt über eine Predigt!
Die offene Buchrolle
Was ist denn heute dran? Am liebsten würde ich Ihnen den ganzen Gottesdienst aus Nazareth erzählen - wenn ich es nur könnte! Ich weiß leider auch nicht mehr als Sie gehört haben. Entschuldigung. Lukas, der Evangelist, inszeniert auch nur einen Abschnitt - eben die Lesung aus den Propheten. Übrigens: an diesen Brauch halten wir uns bis heute. Mehr als Abschnitte passen nicht in den Kopf, nicht in das Herz.
Die Predigt, die auf dem Pult liegt, wurde von Jesaja gehalten. Sie wurde in schwerer Zeit gehalten. Als Israel aufgerichtet werden musste, Trost brauchte, nach Hoffnung lechzte. Die Menschen sahen sich am Ende. Am Ende ihrer Geschichte, am Ende ihres Glaubens. Das Gott tot sei, wagten sie zwar noch nicht zu sagen, aber es lag wie ein schrecklicher Zweifel über ihren Geschichten und Biographien: Gott hat uns aufgegeben. - Es hat schon etwas, wenn auch diese Erfahrungen in der Schrift aufbewahrt werden, die wir die Heilige nennen.
Wir hören Jesaja sagen:
Der Geist des Herrn ruht auf mir;
denn der Herr hat mich gesalbt.
Er hat mich gesandt,
damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe;
damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde
und den Blinden das Augenlicht;
damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze
und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.
Gut Zweieinhalbtausend Jahre später werden wir von diesen Worten immer noch angerührt und aufgescheucht. Ein Wort gibt das andere - ein Wort braucht das andere. Gott gibt seine Menschen nicht auf. Den Armen wird eine gute Nachricht gebracht, Gefangenen die Freiheit, Blinden das Licht, Zerschlagenen die Freiheit verkündet. Ein Gnadenjahr Gottes wird ausgerufen! Laut, öffentlich, mutig. Mit dem Gnadenjahr verbinden sich seit alters her die größten Hoffnungen: dass eine ausweglose Geschichte einen Ausweg bekommt, dass Ruhe einkehrt, dass Menschen aufatmen und neu anfangen können. Jesaja lehnt sich weit aus dem Fenster. Wo doch so viele Menschen ihre Hoffnungen verloren haben!
Ich müsste Ihnen jetzt die Geschichte von der babylonischen Gefangenschaft des Volkes Israel erzählen. Wenn uns nur die Zeit nicht davon liefe! So denken wir jetzt nur an die Predigt, die Jesus hält - und die mit einem Satz auskommt: Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.
Ich wüsste zu gerne, ob Jesus nicht mehr gesagt hat. Ein Satz! Nur ein Satz? Und dann auch noch solchen! In dieser Synagoge! Unter diesen Menschen! Jesus präsentiert sich in seiner Heimatstadt Nazareth als - Messias. Messias, das ist der von Gott gesalbte und gesandte Bote. Jetzt wird das Evangelium verkündigt (sprich: die gute Nachricht), die Schuldverstrickungen werden aufgekündigt, eine weite Sicht in das Leben geschenkt und den Zerschlagenen, Verbrauchten und Abgeschriebenen Zukunft, Liebe verkündigt. Jetzt wird ein Gnadenjahr Gottes ausgerufen. In Nazareth! Bei den Hinterwäldlern. Bei uns auch - sorry, auch wenn wir keine Hinterwäldler sind. Wie das im Evangelium so ist: Jetzt ist Jetzt, Heute ist Heute. Schaut mal auf die Uhr!
Es wird eine große Hoffnung laut.
Aufgelöst wird, was uns schuldig spricht, womit wir uns schuldig sprechen. Wir werden noch einmal neu anfangen. Menschen werden mit ihren eigenen Augen die Welt, sich selbst, gar Gott neu sehen lernen. Wo alles am Ende zu sein scheint - jetzt tut sich eine große Freiheit auf. Es ist, als ob enge Räume weit werden, enge Gedanken aufbrechen, enge Herzen aufatmen. Es werden Wege sichtbar. Ein Gnadenjahr Gottes: alte Geschichten dürfen sich zurückziehen - neue Geschichten werden erzählt.
Vielleicht reicht dieser eine Satz wirklich: Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.
Das ist schon ein Anspruch! Was die Leute wohl denken? In Nazareth? Die Spielkameraden Jesu von einst, die Nachbarn der Eltern, die Kinder, die langsam erwachsen werden. Die Honoratioren schütteln die weisen Häupter, die Autoritäten sind alarmiert. Lukas erzählt später, dass Jesus aufpassen muss. Ihm droht der Tod. Schon in Nazareth. Dabei legt er doch nur die Schrift aus.
Oder ist es nicht doch - mehr?
Das Alte neu
In seiner Heimatstadt identifiziert sich Jesus mit einer alten Predigt, tritt in eine alte Geschichte ein und legt alte Worte aus. Er übernimmt sogar die alte Rolle: die Rolle des Gesalbten, des Messias. Messias heißt auf Griechisch: Christus. Der Gesalbte. Es ist gut zu wissen, dass die alte Rolle ein neues Gesicht bekommt - und ein endgültiges. Jesus ist der Name - Christos die königliche Würde, der höchste Titel, die Auszeichnung für alle Zeit. Von Gott verliehen. Seine Verheißungen können nicht veralten, verfallen oder hinfällig werden. Für diese Gewissheit reicht ein Satz: Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.
Haben Sie gemerkt? Es ist Jesu Antrittspredigt.
Professoren, die einen Lehrstuhl übernehmen, halten eine Antrittsvorlesung.
Geschäftsführer, die bestellt werden, halten eine Antrittsrede.
Pfarrer, Bischöfe und Papst halten, ganz am Anfang, ihre Antrittspredigten.
Am Anfang hören wir den Klang der Worte, sehen wir Gesichter, bilden wir uns eine Meinung. Von dem, von der. Angeblich täuscht der erste Eindruck nicht. Heute stehen wir noch einmal am Anfang!
In Nazareth hinterlässt Jesus einen zwiespältigen Eindruck. Ist es sein Anspruch, der auf Widerstand stößt? Ist es die Verheißung, die sowieso nie in Erfüllung gehen kann? Ist es die Angst, dass sich tatsächlich etwas ändern könnte?
Mit Jesus aber lebt die alte Hoffnung auf.
Mit Jesus ist ein Gnadenjahr ausgerufen - es lässt sich nicht auf 365 Tage eingrenzen..
Mit Jesus fängt eine neue Geschichte an.
Es ist auch meine Geschichte.
Eine Predigt über eine Predigt - das ist schon etwas!
Eine Predigt Jesu über die Predigt eines Propheten - das ist noch mehr!
Eine Predigt Jesu über das Neue ganz und gar aus dem Alten - das ist die Krönung!
Und der Friede Gottes,
der höher ist als unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus,
unserem Herrn.
Hoch verehrter Theophilus
Jetzt wissen wir, für wen Lukas das Evangelium schreibt: Theophilus. Er hat den christlichen Glauben kennen gelernt, ein Anfänger, der jetzt mehr wissen, mehr verstehen soll. Für Lukas Anlass genug, "allem von Grund auf sorgfältig nachzugehen". Quellenstudium nennt man so was. Nichts, was bloß als Vermutung, Ahnung oder Illusion durchgehen könnte. Und wir - wir profitieren davon! Ein Glücksfall. Ein schöner obendrein: Das Evangelium hat eine Widmung, eigenhändig. Schön, dass wir dieses Exemplar in Händen haben, hoch verehrter Theophilus!
Unter uns ereignet und erfüllt
Wir wissen zwar nicht, wer alles unternommen hat, einen Bericht über alles abzufassen, was sich unter uns ereignet und erfüllt hat, aber über den Hinweis stolpere ich: "unter uns ereignet und erfüllt".
Am besten ist, einfach mal in die Synagoge von Nazaret zu gehen. Hier ist Jesus zu Hause, hier ist seine Heimat, hier beginnen seine Spuren. Eigentlich ist Nazaret ein Nest, unbedeutend, am AdW. Was kann aus Galiläa schon Gutes kommen - fragten die Leute, ebenso vielsagend wie großspurig.
Dass hier in der Synagoge Weltgeschichte geschrieben wird, hat man auch in Jerusalem nicht verwunden - schließlich ist es nicht egal, wer wo etwas zu sagen hat. Dabei ein alles andere als ungewöhnlicher Vorgang: Nach Brauch der jüdischen Gemeinde legt Jesus einen Abschnitt aus dem Propheten Jesaja aus - den Abschnitt, der gerade dran ist. Lukas erzählt:
"Er schlug das Buch auf und fand die Stelle, wo es heißt:
Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe."
Wer ihn hört, kennt ihn - hier kennt jeder jeden. Mit Spitznamen. Mit Kindheitserinnerungen. Mit Familienstreit. Schließlich hat man im Sandkasten zusammen gespielt, in der Kneipe zusammengehockt, auf dem Dorfplatz gefeiert. Jetzt sitzen sie alle in der Synagoge. Einer aus ihrer Clique - ganz vorne. Über die Schrift gebeugt. Ein Ruf eilt ihm schon voraus. Trotzdem: es ist, wie Lukas schreibt, der Heilige Geist, der ihn an diesen Ort führt. Dann der unglaubliche Satz:
"Die Augen aller in der Synagoge waren auf ihn gerichtet.
Da begann er, ihnen darzulegen: Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt."
Sie müssen sich die Szene vorstellen! Ein Zimmermanns Sohn, ohne große Bildung, nicht studiert, keiner, der etwas von der Welt gesehen hat - ein Niemand also. Der sagt: Was der Prophet Jesaja verheißen hat, ist heute - heute! - vor euren Ohren erfüllt. Wenn ich dann frage, was, höre ich seinen Anspruch, den Armen gute Botschaft zu bringen, den Gefangenen die Freilassung zu verkünden und den Blinden das Licht. Die Zerschlagenen, Entmutigten und Verlorenen sollen frei werden - Jesus ruft ein Gnadenjahr Gottes aus.
Gnadenjahr
Das ist das Stichwort! Gnadenjahr Gottes! Nach der alten Überlieferung ist es ein besonderes, alles veränderndes Jahr, das Jobeljahr. Wenn 7 x 7 Jahre vergangen sind, sollten alle Schuldverhältnisse zu Ende sein. Alle Abhängigkeiten gelöst werden. Für alle ein neuer Anfang! Für Herren wie für Sklaven. Damit wir uns nicht missverstehen: Das sollte für Pachten gelten wie für Eigentum, für Grund und Boden wie für die Armen im Lande. Noch einmal bei Null anfangen - das ganze Leben vor sich haben. Dass das jemals funktionierte, ist nirgendwo überliefert. Es blieb wohl bei einem frommen Traum - kein Herr gibt auf, was ihm gehört - kein Sklave kommt nach oben. Auch im fünfzigsten Jahr nicht. Nicht einmal im fünfzigsten Jahr.
Zugegeben: Was einmal auch wirtschaftlich und rechtlich gedacht war, bekommt bei Jesus - und auch schon bei seinem Gewährsmann Jesaja, Jahrhunderte vor ihm - eine besondere Bedeutung, weil Menschen frei werden von Ängsten, Schuldverstrickungen und Verblendungen, frei werden auch von dem alles zermalmenden Egoismus, frei werden von dem wuchernden Hass.
Was dann am meisten erstaunt: Jesus traut dem Wort, seinem Wort alles zu - auch, Abhängigkeiten aufzulösen, Teufelskreisläufe zu brechen und - Berge zu versetzen.
Tatsächlich: eine gute Botschaft für Arme. Tatsächlich: ein Gnadenjahr Gottes.
Dass das am AdW, in Nazaret laut wird, ist ebenso bedeutsam wie der Ort, an dem Jesus seine unglaubliche Bemerkung macht: Es ist die Synagoge - der Ort also, an dem an jedem Sabbat die große Geschichte Gottes mit Menschen erzählt und erinnert wird. Oder darf ich es auch so sagen? Ohne Jesaja hätte es diese Predigt nicht gegeben und - meine übrigens auch nicht. Es ist die große Sehnsucht, mit den Augen Gottes die Welt, die Menschen, mich zu sehen, Abhängigkeiten beim Namen zu nennen - und sich die Freiheit der Kinder Gottes schenken zu lassen, ja, um einander dann die große Freiheit der Kinder Gottes zu schenken. Das Zauberwort im Evangelium heißt: Befreiung.
Als Jesus Nazaret wieder verlassen hat - nicht ohne Konflikte (davon am nächsten Sonntag mehr) - hat er mit seinem Wort an vielen Orten, in vielen Begegnungen und Auseinandersetzungen, Menschen frei gemacht - und frei gesprochen. Das Gnadenjahr hat ein Gesicht bekommen, eine Stimme - und viele Gesten und Zeichen. Vielen Menschen ging der Himmel auf. In Jesus konnten sie Gott selbst sehen. Seinen Sohn. Dem Vater aus dem Gesicht geschnitten. Aber das ist eine lange Geschichte. . . Heute sind wir sozusagen bei der Antrittsrede Jesu dabei. Ein großer Augenblick. War doch gut, in Nazaret in die Synagoge zu gehen, oder?
Ein gelüftetes Geheimnis
Was Theophilus wohl gedacht hat, als er in diesem Bericht einen ganzen Reigen von Worten und Geschichten, Ereignissen und Widerfahrnissen zugespielt bekommt - aus erster Hand sozusagen. Sie möchten mehr von Theophilius wissen? Von mir können Sie, leider, nicht mehr viel erfahren. Nur: Theophilus heißt auf deutsch: der, der Gott liebt - und auch: der, den Gott liebt. Selten war ein Name so sehr Programm, Verheißung und Glücksgefühl in einem. Fällt Ihnen etwas auf? Ich glaube: Lukas, der Evangelist, hat mich, Sie, uns in diesem Namen versteckt!
Lukas schreibt:
"Nun habe auch ich mich entschlossen, allem von Grund auf sorgfältig nachzugehen, um es für dich, hoch verehrter Theophilus, der Reihe nach aufzuschreiben. So kannst du dich von der Zuverlässigkeit der Lehre überzeugen, in der du unterwiesen wurdest."
Der Reihe nach aufgeschrieben! Freuen wir uns doch an dem Gnadenjahr des Herrn! Es ist ausgerufen, eröffnet! Heute!
Und der Friede Gottes,
der höher ist als unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne,
in Christus Jesus,
unserem Herrn.
Die Sendung des Leibes Christi
Körperkult und Körperwelten
Schwestern und Brüder in Christus! - Darf ich Sie heute noch so anreden, oder empfinden Sie eine solche Anrede schon als Provokation? Darf ich noch von Schwestern und Brüdern sprechen in einer Zeit und Gesellschaft, in der jeder mit jedem in einem Konkurrenzverhältnis steht, sei es am Arbeitsplatz oder in der Freizeit? Und nun die schwierigste Anfrage: darf ich heute noch von Schwestern und Brüdern in Christus sprechen? Ist das nicht schon eine Vereinnahmung des Einzelnen, ein Angriff auf seine Selbständigkeit und individuelle Freiheit, die heute doch so groß geschrieben wird?
In Christus sein, Leib Christi sein, ein Bild, das so gar nicht mehr in unsere Zeit zu passen scheint, obwohl Körperkult und Körperkultur nicht zu übersehende Merkmale unserer Epoche sind. Da werden Modellkörper kreiert, prämiert und auf den Laufstegen der Welt zur Schau gestellt, da bilden sich ganze Industriezweige um den Bereich der Körperpflegemittel und Fitnessprodukte. Um Körperwelten ging es auch in einer Ausstellung, deren Werbeplakate in vielen Städten zu sehen waren: Ein Körper, bestehend aus Skelett, Sehnen, Muskeln und Organen, trägt locker, wie eine Jacke über die Schulter geworfen, seine eigene Haut zu Markte. Menschliche Körper werden seziert, plastifiziert und dann zur Schau gestellt, eine Ausstellung zwischen Wissenschaft, Kunst und moderner Leichenfledderei. Doch an Menschen, die testamentarisch ihren Körper zur Verfügung stellen, mangelt es nicht. Wollen sie so dem Tod ein Schnippchen schlagen, vielleicht sicherstellen, dass man auch nach dem Tod noch an sie denkt und über sie spricht?
Einheit von Leib und Seele
Auch in der heutigen Lesung geht es um Körperwelten, aber nicht um die Mumifizierung oder Plastifizierung toter Zellen, um sie anschließend zu vermarkten, dem Völkerapostel Paulus geht es um die Beschreibung eines lebendigen Leibes. Hier liegt der erste Unterschied: Nicht das herausschneiden von einzelnen Körperteilen ist sein Ziel, sondern der Blick auf die Einheit von Leib und Seele. Diese Leib-Seele-Einheit wird für Paulus zum Bild unserer Christus Beziehung. Es geht ihm um unsere Teilhabe, um unseren Anteil aber auch um unsere Aufgabe in diesem lebendigen Organismus, dem Leib Christi. Und Paulus entwickelt vier Kriterien, die diese Einheit des Leibes Christi sichern:
"Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einem einzigen Leib aufgenommen, Juden und Griechen, Sklaven und Freie, und alle wurden wir mit dem einen Geist getränkt."Der Heilige Geist ist also der genetische Fingerabdruck, der uns als Glieder des einen Leibes Christi ausweist. Dieser Heilige Geist ist es, der entgrenzend wirkt, indem er die trennende Funktion von Grenzen überwindet. Wenn es aber das Grundanliegen des Heiligen Geistes ist, zu entgrenzen und das getrennte zusammenzuführen, so muss es auch unser Grundanliegen werden, sind wir doch in der Taufe mit diesem einen Geist getränkt worden.
"Wenn der Fuß sagt: Ich bin keine Hand, ich gehöre nicht zum Leib!, so gehört er doch zum Leib." Minderwertigkeitsgefühle, die Angst nicht so zu sein, wie die anderen, zählen nicht, sie dürfen nicht zum Selbstausschluss, zur eigenen Abgrenzung führen. Der Heilige Geist, der entgrenzt und zusammenführt, er ist es auch, der einlädt und integriert. Jesus stellt uns hier nicht nur das Gleichnis vom barmherzigen Vater vor Augen, der dem verlorenen Sohn entgegeneilt und ihn in den Arm nimmt, auch das Beispiel des guten Hirten, der dem ausgebüchsten oder verlorenen Schaf nachgeht, um es zu schützen und ihm zu helfen den Heimweg zu finden.
"Der Kopf kann nicht zu den Füßen sagen: Ich brauche euch nicht. Im Gegenteil, gerade die schwächer scheinenden Glieder des Leibes sind unentbehrlich." Hier in diesem dritten Kriterium auf dem Weg der Einheit geht es also um eine grundsätzliche Begrenzung von Macht und Herrschaft. Kein Glied im Leib Christi hat das Recht einem anderen Glied die Zugehörigkeit abzusprechen, denn es ist der eine Geist, der beide durch die Taufe in den einen Leib eingefügt hat.
"Gott aber hat den Leib so zusammengefügt, dass er dem geringsten Glied mehr Ehre zukommen ließ, damit im Leib kein Zwiespalt entstehe, sondern alle Glieder einträchtig für einander sorgen." Was wir heute mit der Option für die Armen umschreiben, hat hier seine Wurzeln, denn das, was innerhalb des Leibes Christi gilt, das kann auch nach außen nicht ohne Wirkung bleiben. Die Bejahung, die Annahme jedes Einzelnen als Glied im Leib Christi ist Bedingung und Ausdruck der einträchtigen Sorge für einander.
Die Sendung des Leibes Christi
Dieser Zusammenhang von Einheit in der Vielfalt innerhalb des Leibes Christi und der Sendung, den Armen und Schwachen die gute Nachricht zu bringen, wird im heutigen Evangelium deutlich. Zu Beginn des Evangeliums verweist Lukas auf den genetischen Fingerabdruck: "erfüllt von der Kraft des Geistes kehrt Jesus nach Gallilea zurück." Vorausgegangen war die Taufe Jesu am Jordan und die Versuchung in der Wüste. Der Heilige Geist ist es, der uns als Glieder des Leibes Christi ausweist, derselbe Geist ist es, der hier den Leib Christi selbst erfüllt. So kann Jesus in der Synagoge von Nazareth den Propheten Jesaja zitieren: "Der Geist des Herrn ruht auf mir, denn der Herr hat mich gesalbt."
Die Einheit zwischen Vater, Sohn und Heiligem Geist, bei Jesu Taufe durch den Vater bezeugt: "Dies ist mein geliebter Sohn, an ihm habe ich Gefallen gefunden", wird nun durch den Sohn ins Wort gebracht.
Doch was innerhalb dieser Einheit zwischen Vater, Sohn und Geist gilt, das kann auch nach außen nicht ohne Wirkung bleiben. So fährt Jesus folgerichtig fort: "Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe, den Gefangenen Befreiung, den Blinden das Augenlicht, ein Gnadenjahr des Herrn. Und heute hat sich das alles erfüllt."
Was aber für Jesus Sendung und Auftrag ist, das kann dem Leib Christi nicht gleichgültig sein. Und hier kommt die Kirche ins Spiel, ist sie doch und mit ihr jeder getaufte Christ sichtbarer Ausdruck des Leibes Christi. Jeder Christ hat sich an diesen Kriterien zu messen, gelten sie nun für den Innenraum des Leibes Christi oder für seine Sendung in die Welt. Eine entgrenzende und Grenzen überwindende, eine offene und einladende Kirche, eine Kirche, die auf Macht und Herrschaft verzichtet, um sie durch den Dienst an und die Sorge füreinander zu ersetzen, eine Kirche, die sich verwirklicht in der Annahme eines jeden Einzelnen, solch eine Kirche bringt auch den Armen die gute Nachricht vom schon angebrochenen Reich Gottes.
Paulus fasst diese Kriterien noch einmal in einer eindringlichen Zusage zusammen: "Ihr aber seid der Leib Christi, und jeder einzelne ist ein Glied an ihm." Bei der Kommunion heißt es: Leib Christi, der Heilige Augustinus deutet diese beiden Worte so: "Empfange, was du bist, Leib Christi und werde, was du empfängst, Leib Christi. Und auf diese Zusage verbunden mit dem Auftrag, die gute Nachricht den Armen zu bringen, antworte ich mit: "Amen, ja, das will ich, so soll es sein."
- Liedvorschläge1
Hans Hütter
Lieder:
GL 96: Du lässt den Tag, o Gott, nun enden (5. und 6. Str.)
GL 142: Zu dir, o Gott, erheben wir
GL 149: Liebster Jesu, wir sind hier
GL 215: Gott sei gelobet und gebenedeiet
GL 357: Wie schön leuchtet der Morgenstern (1., 2., 3. und 7. Str.)
GL 369: O Herz des Königs aller Welt
GL 381: Dein Lob, Herr, ruft der Himmel aus
GL 384 : Hoch sei gepriesen unser Gott, der heimgesucht sein Volk in Treue
GL 395 : Den Herren will ich loben
GL 417 : Stimme, die Stein zerbricht
GL 425: Solang es Menschen gibt auf Erden
GL 475: Verleih uns Frieden gnädiglich
GL 477: Gott ruft sein Volk zusammen
GL 481: Sonne der Gerechtigkeit
GL 485: O Jesu Christe, wahres Licht
GL 489: Lasst uns loben, freudig loben
Psalmen und Kehrverse:
GL 56: Freut euch, wir sind Gottes Volk, erwählt durch seine Gnade. - Mit Psalm 100 - V.
GL 447: Öffne meine Augen, dass sie sehen die Wunder an deinem Gesetz - Mit Psalm 96 (GL 54,2) oder mit Psalm 104 (GL 58,2) - VIII.
GL 624,5: die Freude an Gott ist unsere Kraft, Halleluja, Halleluja. - Mit Psalm 100 (GL 56,2 oder mit Psalm 34 (GL 651,6) - V.
GL 629,1-2: Du führst mich hinaus ins Weite; du machst meine Finsternis hell - Mit Psalm 30 - I.
GL 651,5-6: Freut euch, wir sind Gottes Volk, erwählt durch seine Gnade. - Mit Psalm 34 - V.
- Eröffnung1
Gastautor*in (2022) - Wort-Gottes-Eröffnungsritus
Eröffnungsritus zum Sonntag des Wortes Gottes,
vorgeschlagen von der Diözese Bozen-Brixen:
- Einleitung5
Martin Stewen (2022)
Seit 2020 feiert die Kirche am dritten Sonntag im Jahreskreis den Sonntag des Wortes Gottes. Papst Franziskus schreibt dazu in seinem Erlass: "Jesus Christus klopft durch die Heilige Schrift an unsere Tür; wenn wir zuhören und die Tür des Geistes und des Herzens öffnen, dann tritt er in unser Leben ein und bleibt bei uns."
(Papst Franziskus, Motu Proprio Aperuit Illis (2019)).
Klemens Nodewald (2019)
Am Sabbat suchten die Juden ihre Synagogen auf – Orte, wo sie ihre Nöte vor Jahwe hintragen und im Hören von Bibeltexten sich neue Kraft für lebendig gelebten Glauben erbaten. Jesus schloss sich diesem Brauchtum an. Schließlich kam der Tag, an dem den Bewohnern von Nazareth verkünden durfte, dass die Zeit der Erfüllung gekommen sei. Mit ihm, auf dem der Geist Gottes ruhe und als von Gott Gesalbter, würde nun diese Verheißungen erfüllt.
Wenden wir uns an den uns von Gott gesandten Messias mit der Bitte:
Johann Pock (2016)
Wir versammeln uns um den Tisch des Wortes und des Brotes, um Kraft für den Alltag zu bekommen. Von der Freude des Evangeliums hören wir heute – und von der Vielfalt der Gaben, die eine Gemeinschaft nötig hat.
Und wir feiern den Sonntagsgottesdienst innerhalb der Weltgebetswoche um die Einheit der Christen. Christus ist es, der uns eint. Der Heilige Geist führt uns zusammen. So dürfen wir all das, was uns bewegt, in dieser Feier Gott anvertrauen und um sein Erbarmen bitten.
Manfred Wussow (2013)
Heute wird uns im Gottesdienst ein Gnadenjahr Gottes ausgerufen. Wir werden zu Zeugen der Antrittspredigt Jesu. Er bringt eine gute Nachricht. Für Arme, für eingeschlossene, zerschlagene, in Dunkelheit gehüllte Menschen.
Um sein Erbarmen bitten wir:
Manfred Wussow (2010)
Wir haben Schreckliches gehört.
In Haiti hat die Erde Menschen, Häuser und Hoffnungen verschlungen.
Verstehen können wir nicht.
Wir klagen Gott das Leid
- Kyrie7
Martin Stewen (2022)
Jesus Christus,
menschgewordenes Wort vom Heil.
Herr, erbarme dich.
Jesus Christus, du hast unter uns gewohnt.
Christus, erbarme dich.
Jesus Christus,
wir haben deine Herrlichkeit geschaut.
Herr, erbarme dich.
Der gute Gott erbarme sich unser
er befreie uns durch sein Wort vom Heil
er lasse uns alle Schuld und Sünde nach
und führe uns zum ewigen Leben. – Amen.
Beatrix Senft (2022)
Jesus Christus,
gesandt aus der Liebe des Vaters
und erfüllend seinen Willen.
Herr, erbarme dich.
Jesus Christus,
gestärkt durch die Kraft des Hl. Geistes
hast du dich auch den Schattenseiten der Welt gestellt.
Christus, erbarme dich.
Jesus Christus,
du hast jeden Menschen in den Mittelpunkt deiner Aufmerksamkeit gestellt
und keinen abseits stehen lassen.
Herr, erbarme dich.
Klemens Nodewald (2019)
Herr Jesus Christus,
deine Botschaft, in Nazareth verkündet, richtet sich an die Menschen aller Zeiten.
Herr, erbarme dich.
Du bist unser Heiland und Spender der Gnaden.
Christus, erbarme dich.
Deinem Erbarmen vertrauen wir uns an.
Herr, erbarme dich.
Für dein Erbarmen und das Geschenk deiner Gnaden, Herr, danken wir dir immer wieder neu und preisen deinen Namen. - Amen
Johann Pock (2016)
Herr Jesus Christus,
du bist gekommen, zu trösten und zu heilen,
und zu retten, was verloren ist.
Herr, erbarme dich unser.
Du bist der Gesalbte Gottes,
der Messias, der alle Menschen retten möchte.
Christus, erbarme dich unser.
Du sendest uns deinen Geist,
damit er uns unterstützt und stärkt.
Herr, erbarme dich unser.
Manfred Wussow (2013)
Herr,
wir lassen uns von dem blenden,
was schön aussieht, Erfolg und Geld verspricht.
Herr, erbarme dich.
Herr,
du interessierst dich für die Schattenseiten,
du teilst Ängste und Sorgen.
Christus, erbarme dich.
Herr,
dir vertrauen wir an, was uns in Schuld verstrickt,
was wir an Vorurteilen pflegen
und einander um die Ohren hauen.
Herr, erbarme dich.
Manfred Wussow (2013)
Komm in unsere Mitte, Jesus,
und heile uns und unsere Zerrissenheit.
Führe uns den Weg der Gerechtigkeit,
damit alle leben können.
Herr, erbarme dich.
Komm in unsere Mitte, Jesus,
und lehre uns die Schreie derer zu hören,
die ins Abseits gestoßen werden.
Christus, erbarme dich.
Komm in unsere Mitte, Jesus,
und begeistere uns dafür,
mit allen zusammen zu arbeiten,
die nach Befreiung streben,
damit wir in dir eins werden.
Herr, erbarme dich.
(aus der Liturgie der Gebetswoche für die Einheit der Christen 2013)
Manfred Wussow (2010)
Herr,
dir befehlen wir die Menschen, die nichts mehr haben,
die alles verloren, die verletzt sind und traurig.
Herr, erbarme dich
Herr,
wir interessieren uns oft nur für die schönen Seiten eines Landes,
lassen uns Träume verkaufen,
verdrängen aber Armut und Elend.
Christus, erbarme dich
Herr,
große Hilfsaktionen sind gestartet,
es wird Geld gesammelt und Beistand geleistet.
Öffne unsere Herzen.
Herr, erbarme dich
- Tagesgebet1
Messbuch - TG 3. Sonntag: lenke unser Tun nach deinem Willen
Allmächtiger, ewiger Gott,
lenke unser Tun nach deinem Willen
und gib,
daß wir im Namen deines geliebten Sohnes
reich werden an guten Werken.
Darum bitten wir durch ihn, Jesus Christus.
MB 3. Sonntag im Jahreskreis
- Eröffnungsgebet6
Sonntagsbibel - Gib uns die Kraft, auf sein Wort zu hören
Gott,
die Botschaft und das Lebensprogramm
deines Sohnes verpflichten auch uns.
Gib uns die Kraft,
auf sein Wort zu hören und schenke uns
Freude in seiner Nachfolge.
Durch ihn, Christus, unseren Herrn.
Martin Stewen (2022)
Gütiger Gott
dein Wort ist Licht und Wahrheit
es leuchtet uns all unseren Wegen.
Erfülle uns immer wieder
mit dem Geist deiner Botschaft vom Heil.
Mach uns hellhörig und empfindsam für das,
was du uns sagen willst.
Lass uns immer besser dein Wort der Wahrheit
unter den vielen Worten dieser Welt heraushören.
So bitten wir durch Jesus Christus. – Amen.
Martin Stewen (2022)
Guter Gott
stärke den Glauben in uns
und wie du mit dem Ruf „Effata“ dem Taubstummen
Ohren und Mund geöffnet hast,
so öffne auch uns Ohren und Mund,
dass wir dein Wort vernehmen und den Glauben bekennen
zum Heil der Menschen und zum Lobe Gottes. – Amen.
Beatrix Senft (2022)
Guter Gott,
am Beginn der neuen Woche halten wir dir alles hin,
was ersehnt und erhofft,
was erfüllt und unerfüllt ,
was gelungen und misslungen ist.
Alles legen wir in deine Hände
und beginnen diese Woche mit dieser Feier.
Halten ein festliches Mahl mit deinem Sohn,
Jesus Christus,
lassen uns einladen ihm zuzuhören
und mit und durch ihn gesättigt zu werden.
Für alle deine Wohltaten danken wir dir,
heute und für alle Zeit.
Manfred Wussow (2013)
Treuer Gott,
du weißt, was wir alles ausrufen:
Durchhalteparolen,
Kampagnen,
Floskeln
und vieles mehr.
Du aber kennst unsere Sehnsucht nach gelungenem und erfülltem Leben.
Schenke uns dein Wort,
den Zuspruch deiner Liebe und Treue,
schenke uns einen Platz an deinem Tisch.
Du machst uns Mut,
für Gerechtigkeit und Frieden zu kämpfen.
Um deine Kraft, deinen Geist, bitten wir
in Christus, unserem Herrn.
Manfred Wussow (2010)
Treuer Gott,
du weißt um den Schmerz,
du kennst die Verlassenheit.
Dein Volk in Haiti fragt nach dir.
An vielen Orten unserer Welt
weinen und klagen Menschen
dir ihr Leid.
Schenke uns Augen für sie,
öffne unsere Ohren für ihre Geschichten
und lass uns an ihre Seite treten.
Du vertraust uns den Kampf um
Gerechtigkeit und Frieden an.
Um deine Kraft, deinen Beistand bitten wir
in Christus, unserem Herrn
- Fürbitten9
Martin Stewen (2022)
Guter Gott,
wir hören dein Wort, das Leben verheißt.
Dennoch spüren wir immer wieder unsere Grenzen
und so bitten wir dich:
Wir beten für alle, die dein Wort verkünden.
Lass sie deine Botschaft mit Hirn und Herz erfassen und ihre Zuhörer verstehen.
Wir beten für die Menschen, die ihr Leben aus deiner guten Nachricht heraus gestalten:
Hilf ihnen, diesen Pfad, der zum Leben führt, nicht zu verlassen.
Wir beten für die vielen, die deine Botschaft nicht hören können oder wollen.
Lass deinen Heiligen Geist in ihnen wirken.
Wir beten für all jene, die dein Wort missbrauchen, um Unheil zu stiften:
Lass sie umkehren und zu Friedensstiftern werden.
Wir beten für alle, die ein Leben lang auf deine Botschaft von der ewigen Herrlichkeit gesetzt und ihr Leben so vollendet haben:
Schenke ihnen einen Platz in deinem Reich.
Allmächtiger und gütiger Gott,
dein Wort verheisst Wahrheit und Erkenntnis für unser Leben.
Höre unsere Bitten, erfülle uns mit deinem Geist
und führe uns auf rechte Wege unseres Leben.
In Christus, unserem Bruder und Herrn. – Amen.
Renate Witzani (2022)
Gott spricht sein Wort in unser persönliches und alltägliches Leben hinein.
Wir dürfen mit unseren Worten unsere Bitten an ihn richten:
Für alle, die uns dein Wort in den Gottesdiensten vermitteln,
für die, die selbst davon so ergriffen sind, dass wir uns dabei persönlich angesprochen fühlen
und für die, die sich von deinem Wort ganz in Dienst nehmen lassen.
Für die, die deinem Wort in ihrem Alltag Platz einräumen,
die darauf hören und damit dir selbst in deinem Wort begegnen.
Für die neu geschaffene Institution des Klimarates in ihrem Bemühen, die Klimakrise abzuwenden
und für alle Christen, die ihr gesellschaftliches und politisches Engagement ernst nehmen.
Für uns selbst, wenn wir durch unsere Worte andere verletzen und dadurch Beziehungen zerbrechen.
Für alle, denen es gelingt, durch Worte Brücken zu bauen und Zuversicht und Freude zu verbreiten.
Für alle Verstorbenen, besonders für jene, die anderen nicht mehr das Wort der Versöhnung zusprechen oder empfangen konnten.
Im Wort der Schrift begegnest uns du und das Heil, das du für uns bereithältst.
Dafür danken wir dir und preisen dich jetzt und allezeit. - Amen.
Klemens Nodewald (2019)
Christus ist in unserer Mitte, die wir uns hier zum Gottesdienst versammelt haben.
An ihn wenden wir uns und bitten:
Für alle, die ihre Zuflucht zu Gott nehmen:
Dass sie gestärkt werden für ihren Alltag und in ihrem Glauben.
Christus, höre uns!
Für alle, die auf unsere Hilfe angewiesen sind:
Dass es uns gelingt, ihnen Freude zu bereiten und ihre Not zu lindern.
Für alle, die nach neuen Wegen suchen:
Heiliger Geist soll sie leiten, damit sie das Gute und Richtige für sich entdecken.
Für alle, denen Gott besondere Aufgaben überträgt und anvertraut hat:
Dass sie beherzt ihr Ja sprechen und Mühen nicht scheuen.
Für alle Sterbenden:
Dass sie Aufnahme finden in der Gemeinschaft mit dir, unserem Erlöser.
Du, Christus, stehst uns zur Seite. Deiner Gnade und Hilfe vertrauen wir uns an.
Lob, Preis und Dank sei dir in Ewigkeit. – Amen.
Renate Witzani (2019)
Mit Jesus beginnt eine neue Zeit.
Durch ihn lasst uns den Vater bitten:
Die Worte der Heiligen Schrift verehren wir in den verschiedenen Formen unserer Gottesdienste.
Dein Geist führe uns zu einer immer tieferen Beziehung zu Christus.
Menschen verschiedener Herkunft und Begabungen bilden unsere Gesellschaft.
Dein Geist helfe uns, den verschiedenen Herausforderungen unserer Zeit im christlichen Sinn zu begegnen.
Wir sind berufen, mit einander und füreinander Kirche zu sein.
Wandle uns durch deinen Geist zu Gemeinden, in denen Jesu Botschaft sichtbar gelebt wird.
Viele Helfer waren während er letzten Wochen selbstlos und teilweise sogar unter Lebensgefahr im Einsatz für die Betroffenen der massiven Schneefälle.
Dein Geist lass uns Formen finden, durch die die Allgemeinheit Dank und Wertschätzung dafür ausdrückt.
Viele, die in unserer Gemeinschaft ihren Platz im Leben hatten, mussten wir verabschieden.
Nimm sie auf in deine Herrlichkeit.
Vater! Nimm die Gebete deiner Gemeinde an.
Gemeinsam wollen wir dich loben und preisen, jetzt und allezeit. - Amen.
Johann Pock (2016)
„Die Freude an Gott ist unsere Kraft.“
Aus diesem Geist der Freude und des Vertrauens auf Gott bitten wir:
Schenke den Christen die Kraft des Glaubens durch die Freude an deinem Wort.
Bewahre die Völker davor, dass Hass und Kriege sie regieren.
Und gib all jenen Kraft, die gegen Krieg und Unterdrückung aufstehen.
Schenke den Gefangenen Befreiung und den Blinden das Augenlicht;
gib den Flüchtenden Heimat
und denen, die eine Heimat haben, offene Herzen und Türen.
Lenke die Schritte der christlichen Konfessionen aufeinander zu.
Lass das Einende über dem Trennenden stehen.
Schenke unseren Kranken Linderung
und nimm alle unsere Verstorbenen auf in deine barmherzige Liebe.
Denn in dir ist alle Verheißung erfüllt,
du bist die Freude der ganzen Welt.
Dich preisen wir in Ewigkeit. - Amen.
Renate Witzani (2016)
Jesus hat den Willen Gottes für seinen Auftrag unter uns Menschen erkannt und erfüllt.
Durch ihn, der uns zu dem einen Leib der Kirche verbunden hat,
lasst uns den Vater bitten:
Um Priester und Laien, die die christliche Botschaft aufgrund ihrer eigenen Glaubens und Lebenserfahrung, im Heute unserer Zeit den Menschen verkünden.
Um ein politisches Klima weltweit, in dem ein waches Bewusstsein für die Probleme der verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppen der Gesellschaft herrscht und tatkräftig menschlich angemessene Lösungen angestrebt werden.
Um christliche Gemeinden, in denen das Bemühen aller um gegenseitige Wertschätzung und Sorge füreinander als gelebte Einheit in Christus spürbar wird.
Um deinen Geist, der uns immer wieder antreibt, uns deinem Wort in der hl. Schrift zuzuwenden und der es uns auch erschließt.
Um dein Erbarmen für alle Sterbenden. Schenke ihnen einen dankbaren und versöhnten Blick auf ihre Lebenswege und lass sie so gestärkt dir, ihrem ewigen Ziel, entgegengehen.
Vater! In Jesus Christus ist dein Wort zu uns gekommen.
Durch ihn erhalte uns in der Gemeinschaft mit dir und untereinander,
damit wir dich in gebührender Weise loben und preisen,
jetzt und bis in Ewigkeit. - Amen.
Manfred Wussow (2013)
Im Evangelium haben wir gehört,
was Jesus am Anfang seines Weges sagt:
"Der Geist des Herrn ruht auf mir;
denn der Herr hat mich gesalbt.
Er hat mich gesandt,
damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe;
damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde
und den Blinden das Augenlicht;
damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze
und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe."
Darum lasst uns bitten:
Von vielen Menschen hören wir nur in schlechten Nachrichten.
Die Bilder huschen nur so über die Monitore.
Wir sind entsetzt,
fühlen uns aber nicht in der Lage, etwas zu ändern.
Darum bleibt vieles beim Alten.
Auch die schlechten Nachrichten.
Wir rufen zu dir: Herr, erfülle uns mit deinem Geist!
In vielen Ländern leben Menschen in Armutsquartieren,
auf Müllhalden und in Flüchtlingslagern.
Sie haben keine Zukunft, '
werden von der Weltöffentlichkeit vergessen
und gehen in Nachrichtendschungeln unter.
Wir rufen zu dir: Herr, erfülle uns mit deinem Geist!
In unserer kleinen Welt sind viele Menschen Gefangene ihres Konsums.
Für sie hat nur Wert, was etwas kostet.
Dabei werden sie arm.
Sie können nicht mehr teilen,
sind verbittert auf der Jagd nach immer Neuem,
kommen aber nicht zur Ruhe.
Wir rufen zu dir: Herr, erfülle uns mit deinem Geist!
Du weißt, dass nicht einmal das helle Licht der Sonne reicht,
die Nöte und Sorgen der Menschen zu sehen,
wenn die Augen nicht wollen.
Bewahre uns alle davor, blind zu werden -
oder nur das sehen zu wollen, was in unser Weltbild passt.
Wir rufen zu dir: Herr, erfülle uns mit deinem Geist!
Indische Studenten haben uns die Gebetswoche für die Einheit der Christen geschenkt.
Wir freuen wir uns über den großen Reichtum der Überlieferungen und Traditionen,
leiden aber auch an noch nicht überwundenen Trennungen.
Dabei sollen wir mit einer Stimme für die eintreten,
die unserer Nähe, Hilfe und Solidarität existentiell bedürfen.
Wir rufen zu dir: Herr, erfülle uns mit deinem Geist!
Du, Herr, hast das Gnadenjahr ausgerufen.
Alte Abhängigkeiten, Bindungen und Verstrickungen löst du auf.
Du lässt uns neu anfangen.
Zur Ehre deines Namens und zum Wohl der Menschen.
Dein Wort ist vor unseren Ohren erfüllt.
Manfred Wussow (2013)
Die Gebetswoche für die Einheit der Christen 2013 wurde in Indien vorbereitet. Christliche Studenten haben auch die Fürbitten formuliert.
In ihnen kommt das Kastenwesen vor,
das Menschen seit langer Zeit von einander trennt
und Trennungen aufrecht hält.
Auch in den Kirchen.
Die unterste Schicht, aus der die meisten Christen kommen,
sind die Dalits.
Lasst uns mit den Worten der indischen Studenten die Welt ins Gebet nehmen:
Mit Gott gehen heißt: Miteinander im Gespräch sein.
Lasst uns reden über die Fortschritte der ökumenischen Bewegung,
auf dem Weg zu der Einheit, die Christus für seine Kirche will.
Sende deinen Geist, Gott,
damit wir offener miteinander reden
und entschlossener werden auf dem Weg zur Einheit.
Mit Gott gehen heißt: Unterwegs sein mit dem gebrochenen Leib Christi.
Lasst uns den Schmerz darüber offen halten,
dass wir noch immer nicht fähig sind, das Brot miteinander zu brechen.
Was wir dazu beitragen können,
volle Gemeinschaft im Mahl des Herrn zu erleben, das lasst uns tun.
Entzünde in unseren Herzen den Wunsch, Gott,
alles zu überwinden, was uns trennt,
damit wir in unserer Zerrissenheit den einen Christus sehen.
Mit Gott gehen heißt: Auf dem Weg der Freiheit sein.
Die Schwestern und Brüder der Dalits erinnern uns daran,
dass auch andere Menschen unterdrückt und ausgegrenzt werden -
auch bei uns.
Unser Streben nach der Einheit der Kirche ist ein Zeichen der Hoffnung dafür,
dass überwunden werden kann,
was ungerecht ist und Menschen voneinander trennt.
Lass uns bereit sein, Gott,
in unseren Kirchen und Gemeinden Räume zu öffnen
für Menschen und Gruppen, die ausgegrenzt sind.
Lass sie dort Würde und Freiheit erfahren.
Uns mache bereit, uns verwandeln zu lassen
durch ihre Gegenwart und ihre Gaben.
Mit Gott gehen heißt: Unterwegs sein als Kinder der Erde.
Wir sind Pilger in dem wunderbaren Geschenk der Schöpfung.
Sie ist uns anvertraut.
Lasst uns Gottes Schöpfung achten und achtsam mit ihr umgehen.
Dein Geist, Gott, erneuere unser Leben in deiner Schöpfung.
Lass uns offen sein für das Leid der Menschen,
die vom Land leben, ohne Land zu besitzen.
Oft sind sie es, die das Wissen um einen schonenden Umgang mit der Erde
und ihren Ressourcen bewahrt haben.
Mache uns bereit, mit ihnen zu teilen und von ihnen zu lernen.
Mit Gott gehen heißt: Grenzen überschreiten.
Lasst uns Gemeinden bauen, die offen sind für alle Menschen,
so verschieden sie auch sind.
Schenke uns den Mut, Gott,
uns nicht durch Milieus, Kulturen und Strukturen voneinander abzugrenzen,
sondern deine Gegenwart in jedem Menschen zu erkennen.
Mit Gott gehen heißt: Miteinander feiern.
Unsere Einheit, so unvollkommen sie auch ist,
ist ein kräftiges Zeugnis unseres Glaubens und unserer Hoffnung.
Indem wir die Einheit feiern,
erleben wir unsere Verschiedenheit als Reichtum und Grund zur Freude.
Gott, lass uns die große Vielfalt menschlichen Lebens feiern.
Sie drückt aus, dass alle Menschen nach Würde und Freiheit streben.
Hilf uns, unsere Verschiedenheit als Zeichen deiner Treue zu allen Menschen zu erkennen.
Das alles bitten wir im Namen Jesu, unseres Herrn und Bruders.
Manfred Wussow (2010)
Im Evangelium haben wir gehört,
was Jesus am Anfang seines Weges sagt:
Der Geist des Herrn ruht auf mir;
denn der Herr hat mich gesalbt.
Er hat mich gesandt,
damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe;
damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde
und den Blinden das Augenlicht;
damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze
und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe."
Darum lasst uns ihn bitten:
Von vielen Menschen hören wir nur in schlechten Nachrichten.
Wir sind entsetzt, fühlen uns aber nicht in der Lage, etwas zu ändern.
Darum bleibt vieles beim Alten. Auch die schlechten Nachrichten.
Wir rufen zu dir: Herr, erbarme dich.
Haiti nennen wir ein Armenhaus.
Die Menschen dort haben nur wenig zum Leben,
leben unter armseligen Bedingungen.
Jetzt ist ihnen fast alles genommen, was sie hatten.
Auch liebe Menschen.
Viele Kinder sind umgekommen.
Wir rufen zu dir: Herr, erbarme dich.
In unserer kleinen Welt sind viele Menschen Gefangene ihres Konsums.
Für sie hat nur Wert, was etwas kostet.
Dabei werden sie arm.
Sie können nicht mehr teilen,
sind verbittert auf der Jagd nach immer Neuem,
kommen aber nicht zur Ruhe.
Wir rufen zu dir: Herr, erbarme dich.
Du weißt, dass nicht einmal das helle Licht der Sonne reicht,
die Nöte und Sorgen der Menschen zu sehen,
wenn die Augen nicht wollen.
Bewahre uns alle davor, blind zu werden -
oder nur das sehen zu wollen, was in unser Weltbild passt.
Wir rufen zu dir: Herr, erbarme dich.
Wir begehen die Gebetswoche für die Einheit der Christen.
Wir freuen wir uns über den großen Reichtum der Überlieferungen und Traditionen,
leiden aber auch an noch nicht überwundenen Trennungen.
Dabei sollen wir mit einer Stimme für die eintreten,
die unserer Nähe, Hilfe und Solidarität existentiell bedürfen.
Wir rufen zu dir: Herr, erbarme dich.
Du, Herr, hast das Gnadenjahr ausgerufen.
Alte Abhängigkeiten, Bindungen und Verstrickungen löst du auf.
Du lässt uns neu anfangen.
Zur Ehre deines Namens und zum Wohl der Menschen.
Dein Wort ist vor unseren Ohren erfüllt.
- Gabengebet1
Messbuch - GG 3. Sonntag : nimm unsere Gaben an und heilige sie
Herr,
nimm unsere Gaben an und heilige sie,
damit sie zum Sakrament der Erlösung werden,
das uns Heil und Segen bringt.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.
MB 3. Sonntag im Jahreskreis
- Gebet zur Gabenbereitung3
Martin Stewen (2022)
Allmächtiger Gott,
wir legen unsere Gaben auf deinen Altar und bitten dich:
Dein Heiliger Geist wandle sie in die Gegenwart deines Sohnes.
Dieses Mahl, zu dem wir geladen sind,
sei uns ein Vorgeschmack deiner kommenden Herrlichkeit
Das erbitten wir durch Christus unseren Herrn. – Amen.
Manfred Wussow (2010)
Herr,
nimm uns an.
Unsere Mühen, unsere Leidenschaft,
unsere Sehnsucht, unser täglich Brot.
Dir danken wir
für deine Nähe, deine Liebe,
für deinen Segen.
Sprich du das Wort, das uns befreit
und verwandle deine Gaben in unser Leben.
In Brot und Wein bist du ganz da.
Herr, wir danken dir.
Manfred Wussow (2013)
Herr,
wir bringen dir
unsere Mühen, unsere Leidenschaft,
unsere Sehnsucht, unser täglich Brot.
Dir danken wir
für deine Nähe, deine Liebe, für deinen Segen.
Sprich du das Wort, das uns befreit
und verwandle deine Gaben in unser Leben.
In Brot und Wein bist du ganz da.
Herr, wir danken dir.
- Lobpreis1
Hans Hütter (2019)
(für Wortgottesdienstfeiern):
Kehrvers: Dir sei Lob und Dank und Ehre!
Oder: Dankt dem Vater mit Freude, er schenkt uns seinen Sohn. (GL 633,8)
Gott und Vater,
in dieser heiligen Feier wollen wir dir unseren Dank
und unseren Lobpreis zum Ausdruck bringen.
Wir haben allen Grund dir zu danken.
Dein Wort weist uns den richtigen Weg
und gibt uns Halt und Zuversicht.
Kehrvers
Dein Sohn Jesus Christus ist für uns das lebendige Wort geworden.
Du hast ihn gesandt, uns deine Frohe Botschaft auszurichten.
Er öffnet uns die Augen und setzt uns in Freiheit.
Kehrvers
Durch ihn bist du unter uns gegenwärtig,
durch ihn schenkst du uns Freude und Kraft.
Kehrvers
Er hat uns in der Taufe in seinen Leib aufgenommen
Er hat uns mit dem einen Geist getränkt.
und mit seinen Gaben reich beschenkt.
Kehrvers
Für all das danken wir dir
und stimmen wir ein in den Lobgesang der ganzen Schöpfung.
Danklied, z. B. Nun singe Lob, du Christenheit (GL 487)
- Präfation1
Messbuch - Präfation Sonntage 4: Die Heilsereignisse in Christus
Wir danken dir, Vater im Himmel,
und rühmen dich
durch unseren Herrn Jesus Christus.
Denn durch seine Geburt
hat er den Menschen erneuert,
durch sein Leiden unsere Sünden getilgt,
in seiner Auferstehung den Weg zum Leben
erschlossen und in seiner Auffahrt zu dir
das Tor des Himmels geöffnet.
Durch ihn rühmen dich deine Erlösten und
singen mit den Chören der Engel
das Lob deiner Herrlichkeit:
Heilig ...
MB Sonntage 4
- Mahlspruch1
Bibel
Der Herr hat Jesus gesandt,
den Armen die Frohe Botschaft zu bringen
und den Gefangenen die Freiheit zu verkünden.
(vgl. Lk. 4,18)
Oder:
Ich bin das Licht der Welt - so spricht der Herr.
Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis gehen.
Er wird das Licht des Lebens haben.
(Joh 8,12)
Oder:
Und das Wort ist Mensch geworden
und hat unter uns gewohnt.
(Joh 1,14)
- Meditation2
Helene Renner (2022) - Herr, öffne Ohren und Herz
In Jesus erfüllt sich Gottes Verheißung
er ist Licht auf dem Pfad unseres Lebens
sein Wort ist Geist und Leben
Er selbst ist das Wort
von Gott uns zugesprochen
damit wir hören und verstehen
Wir dürfen ihn als den begreifen
der uns an der Hand nimmt
und durch unser Leben zum Ziel führt
Herr
öffne Ohren und Herz
um dich zu hören
und deinem Wort zu vertrauen
Hilf uns
den Weg des Lichts zu gehen
Manfred Wussow (2010)
Jesus ist kommen, Grund ewiger Freude;
A und O, Anfang und Ende steht da.
Gottheit und Menschheit vereinen sich beide;
Schöpfer, wie kommst du uns Menschen so nah!
Himmel und Erde, erzählet's den Heiden:
Jesus ist kommen, Grund ewiger Freuden.
Jesus ist kommen, nun springen die Bande,
Stricke des Todes, die reißen entzwei.
Unser Durchbrecher ist nunmehr vorhanden;
er, der Sohn Gottes, der machet recht frei,
bringet zu Ehren aus Sünde und Schande;
Jesus ist kommen, nun springen die Bande.
Jesus ist kommen, der starke Erlöser,
bricht dem gewappneten Starken ins Haus,
sprenget des Feindes befestigte Schlösser,
führt die Gefangenen siegend heraus.
Fühlst du den Stärkeren, Satan, du Böser?
Jesus ist kommen, der starke Erlöser.
Jesus ist kommen, die Ursach zum Leben.
Hochgelobt sei der erbarmende Gott,
der uns den Ursprung des Segens gegeben;
dieser verschlinget Fluch, Jammer und Tod.
Selig, die ihm sich beständig ergeben!
Jesus ist kommen, die Ursach zum Leben.
(Johann Ludwig Konrad Allendorf, 1736)
- Schlussgebet1
Messbuch - SG 3. Sonntag: aus der Kraft dieses Sakramentes leben
Allmächtiger Gott,
in deinem Mahl
schenkst du uns göttliches Leben.
Gib, daß wir dieses Sakrament
immer neu als dein großes Geschenk empfangen
und aus seiner Kraft leben.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.
MB 3. Sonntag im Jahreskreis
- Gebet zum Abschluss4
Martin Stewen (2022)
Guter Gott
wir haben deine Gegenwart im Wort vom Heil
und im Sakrament des Altares gefeiert.
Lass uns nun hinausgehen
und aus der Kraft leben, die wir von dir empfangen haben
und deine Botschaft weitertragen durch unser Beispiel.
So bitten wir durch Christus unseren Herrn. – Amen.
Beatrix Senft (2022)
Vater im Himmel,
in deinem Sohn hast du uns eine Beispiel dafür gegeben,
dass wir deinen Willen nur erfüllen können,
wenn wir uns als ein „Gemeinsames“ sehen –
als ein „einer für alle, alle für einen“;
ob stark oder schwach,
ob Mann oder Frau,
ob Kind oder Greis.
Schenke uns wache Sinne
und die Kraft nach diesem, deinem Willen,
unser Leben und diese Welt zu gestalten.
Das erbitten wir
mit unserem Bruder und Herrn, Jesus Christus. – Amen.
Manfred Wussow (2013)
Du, Gott,
versammelst angefochtene und zweifelnde,
verträumte und größenwahnsinnige Menschen
an deinem Tisch.
Hin- und hergerissen sind oft unsere Gedanken,
flüchtig unsere Hoffnungen,
verwegen unsere Worte.
Bewahre uns davor,
in die Irre zu gehen,
lieblos zu werden
und uns hinter Masken zu verstecken.
Schenke uns ein weites Herz,
Gelassenheit und Humor.
Wir danken dir für dein Wort,
für deine Liebe.
Wir haben deine neue Welt vor Augen.
In Christus, unserem Herrn.
Manfred Wussow (2010)
Du, Gott,
schenkst du uns göttliches Leben.
Hin- und hergerissen sind oft unsere Gedanken,
flüchtig unsere Hoffnung,
bitter unsere Worte.
Du lädst uns an deinen Tisch,
die köstlichen Gaben deines Reiches
lässt du uns schmecken.
Bewahre uns vor Irrwegen,
Albträumen und lieblosen Tagen.
Schenke uns ein weites Herz,
Gelassenheit und Humor
In Christus, unserem Herrn.
Durch ihn und mit ihm und in ihm
„Durch IHN und mit IHM und in IHM“
tausend mal gehört
oft an mir vorbeigezogen
Teil des Hochgebetes eben
Formel
Lobpreisgebet
ja
Lobpreis
oder
MEHR?
Bekenntnis
mein zweites Glaubensbekenntnis?
ein tiefes Vertrauen!?
vielleicht auch ein Versprechen?
durch IHN
das heißt durch dich
JESUS
ist in die Welt gekommen
Gottes Wort
als neue Botschaft
als Botschaft
der Liebe
der Versöhnung
der Auf-richtung
der Über-windung
der Er-lösung
des Neu-werdens
mit IHM
das heißt
mit dir
JESUS
neue Augen bekommen
und
in deiner Nachfolge
den Auftrag annehmen
die Welt zu verändern
heraustreten aus dem
immer höher
immer schneller
immer besser
für mich und
die Meinen und
meiner Zeit
heraustreten
aus einer
Ellenbogengesellschaft
in der Geld und Macht den Ton angeben
mit dir
JESUS
die Welt neu gestalten -
Einhalt gebieten
allem
was gegen dein
LIEBESGEBOT
verstößt
in IHM
das heißt
in deine Herzensmitte
in deine Wesensmitte
JESUS
groß wie das Universum
geladen
zur Gemeinschaft
mit dir
und
meinen Mitmenschen
zur Gemeinschaft
in der jeder Platz nehmen darf
in der jeder Platz findet
um zu hören auf dein Wort -
ja
wirklich zu hören -
zuzuhören -
darauf
was DU uns zu-sprichst
und
was mein NÄCHSTER spricht
zu teilen
was uns Brot und Wein sein will
an deinem Tisch
und
am Tisch der Alltäglichkeit
eine Gemeinschaft
die uns auffordert:
einer trage des anderen Last
aber auch:
nimm teil an der Freude aller
wenn wir dich ernst nehmen
in dieser Aussage:
„durch IHN und mit IHM und in IHM“
ja
wenn wir uns
immer wieder
ernsthaft
darum bemühen
dann haben wir
dann hat diese Welt
dann hat diese Zeit
vielleicht eine Chance
die Zukunft aller zu tragen
dann wird aus unserem
HEUTE
vielleicht auch ein
MORGEN
rufe uns neu
dass wir
durch DICH
und
mit DIR
und
in DIR
eins sind
als deine
glaubhafte Zeugen
in der Welt
Beatrix Senft (2022)
Dein Geist führe uns
Du, Herr, hast uns berufen, dir in deinem Geiste zu folgen:
in deinem Geiste dieses Leben zu wagen,
in deinem Geist einander zu begegnen und gut zu sein.
Lass uns das Feuer dieses Geistes spüren, Herr,
dass es uns verwandle und unsere Kräfte wecken.
Mach, dass wir begeistert sind von dir
und dass wir, während wir auf dich schauen,
mit Mut und Vertrauen über unsere Angst
und unsere Sorgen hinausgehen.
Dein Geist führe uns auf dem Weg der Liebe
zu Verzeihung und Frieden, zur Menschlichkeit,
und lasse uns mit brennendem Herzen
zu Kündern deiner Herrlichkeit werden.
Martin Thurner
Die Wahrheit der kleinen Taten
Die Wahrheit
eines Menschen
wird
glaubwürdig
mit den
kleinen Taten
in der Zeit
seiner
Endlichkeit
Margot Bickel
Freude spricht alle Sprachen
Freude ist ein lichter, bunter Schmetterling, dem wir nachjagen.
Freude ist der Wunsch aller Menschen, aller Länder, aller Zeiten.
Freude ist international - wie das Lachen, wie das Weinen.
Freude spricht alle Sprachen.
Adalbert Balling
Licht, das in die Welt gekommen
Licht, das in die Welt gekommen,
Sonne voller Glanz und Pracht,
Morgenstern, aus Gott entglommen,
treib hinweg die alte Nacht;
zieh in deinen Wunderschein
bald die ganze Welt hinein.
Gib dem Wort, das von dir zeuget,
einen allgewalt'gen Lauf,
daß noch manches Knie sich beuget,
sich noch manches Herz tut auf,
eh die Zeit erfüllet ist,
wo du richtest, Jesu Christ.
Wo du sprichst, da muß zergehen,
was der starre Frost gebaut;
denn in deines Geistes Wehen
wird es linde, schmilzt und taut.
Herr, tu auf des Wortes Tür,
ruf die Menschen all zu dir!
Es sei keine Sprach noch Rede,
da man nicht die Stimme hört,
und kein Land so fern und öde,
wo nicht dein Gesetz sie lehrt.
Laß den hellen Freudenschall
siegreich ausgehn überall!
Geh, du Bräut'gam, aus der Kammer,
laufe deinen Heldenpfad
strahle Tröstung in den Jammer,
der die Welt umdunkelt hat.
O erleuchte, ewges Wort,
Ost und West und Süd und Nord!
Komm, erquick auch unsre Seelen,
mach die Augen hell und klar,
daß wir dich zum Lohn erwählen,
vor den Stolzen uns bewahr.
Ja, laß deinen Himmelsschein
unsres Fußes Leuchte sein!
Rudolf Stier 1827, in: EG Rheinland 552
Versöhnungslitanei
In der Nacht vom 14./15. November 1940 zerstörte ein deutscher Bombenangriff die englische Stadt Coventry, die damit zum Zeichen eines sinnlosen und mörderischen Vernichtungswillens wurde. Nach dem Krieg wurde sie Ausgangspunkt einer weltweiten Versöhnungsbewegung mit dem Symbol des aus drei Nägeln der zerstörten Kathedrale gebildeten "Nagelkreuzes". Die Ruine der Kathedrale wurde zum Begegnungszentrum. Hier wird jeden Freitagmittag die 1959 formulierte Versöhnungslitanei gebetet:
"Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes,
den sie bei Gott haben sollten." (Röm 3,23)
Wir alle haben gesündigt und mangeln des Ruhmes,
den wir bei Gott haben sollten.
Darum laßt uns beten:
Vater, vergib!
Den Haß, der Rasse von Rasse trennt,
Volk von Volk, Klasse von Klasse:
Vater, vergib!
Das habsüchtige Streben der Menschen und Völker,
zu besitzen, was nicht ihr eigen ist:
Vater, vergib!
Die Besitzgier, die die Arbeit der Menschen ausnutzt
und die Erde verwüstet:
Vater, vergib!
Unseren Neid auf das Wohlergehen und Glück der anderen:
Vater, vergib!
Unsere mangelnde Teilnahme an der Not der Heimatlosen und Flüchtlinge:
Vater, vergib!
Den Rausch, der Leib und Leben zugrunde richtet:
Vater, vergib!
Den Hochmut, der uns verleitet,
auf uns selbst zu vertrauen und nicht auf dich:
Vater, vergib!
Lehre uns, o Herr, zu vergeben und uns vergeben zu lassen,
dass wir miteinander und mit dir in Frieden leben.
Darum bitten wir um Christi willen.
"Seid untereinander freundlich und herzlich und vergebt einem dem anderen, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus." (Eph 4,32)
Versöhnungslitanei aus Coventry, in: EG Rheinland 879.
Gefangen
Die hier umhergehn, sind nur Leiber
Und haben keine Seele mehr,
Sind Namen nur im Buch der Schreiber,
Gefangne: Männer. Knaben. Weiber.
Und ihre Augen starren leer
Mit bröckelndem, zerfallnem Schauen
Auf Stunden, da in düsterm Loch
Gewürgt, zertrampelt, blindgehauen
Ihr Qualgeächz,ihr Wahnsinnsgrauen,
Ein Tier, auf Händ und Füßen kroch ...
Sie tragen Ohren noch und hören
Doch nimmermehr den eignen Schrei.
Die Kerker drücken ein, zerstören:
Kein Herz, kein Herz mehr zum Empören!
Der leise Wecker schrillt entzwei.
Sie mühn sich blöde, grau entartet,
Vom bunten Menschensein getrennt,
Starr, abgestempelt und zerschartet,
Wie Schlachtvieh auf den Metzger wartet
Und dumpf noch Trog und Hürde kennt.
Nur Angst, nur Schauder in den Mienen,
Wenn nachts ein Schuß das Opfer greift ...
Und keinem ist der Mann erschienen,
Der schweigend mitten unter ihnen
Sein kahles Kreuz zur Richtstatt schleift.
Gertrud Kolmar, Im Lager in: Weibliches Bildnis, Gedichte. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1987.
Eine gute Nachricht für Arme
Die Dalits sind in der indischen Gesellschaft die Ausgestoßenen. Sie haben am meisten unter dem Kastensystem zu leiden: jener starren sozialen Schichtung, die sich auf Vorstellungen ritueller Reinheit beziehungsweise Unreinheit gründet.
Im Kastensystem werden die Kasten in "höher" und "niedriger" eingestuft. Die Dalits gelten als die, die am wenigsten rein sind und die am meisten verunreinigen. Sie stehen deshalb sogar außerhalb des Kastensystems und wurden oft als "Unberührbare" bezeichnet. Durch das Kastenwesen sind die Dalits sozial ausgegrenzt, politisch unterrepräsentiert, wirtschaftlich ausgebeutet und kulturell unterjocht. Fast 80 Prozent der indischen Christen haben einen Dalit-Hintergrund.
Obwohl die Kirchen in Indien im 20. Jahrhundert eine außerordentlich positive Entwicklung genommen haben, bleiben sie doch getrennt durch Unterschiede in Lehre und Bekenntnis. Diese Trennung ist Teil des europäischen Erbes. Verschärft wird die Uneinigkeit in den Kirchen und zwischen ihnen durch das Kastensystem. Ebenso wie Apartheid, Rassismus und Nationalismus stellt das Kastenwesen eine
schwere Herausforderung für die Einheit der Christen in Indien und so für das glaubwürdige Zeugnis von der Kirche als dem einen Leib Christi dar.
Aus: Materialien zur Gebetswoche für die Einheit der Christen 2013: Mit Gott gehen
www.oikoumene.org/fileadmin/files/wcc-main/documents/p2/2013/WOP2013ger_Einfuehrung.pdf
Befreiung
Befreiung heißt wirklich, was Christus gesagt hat: Daß er gekommen ist, damit die Menschen wieder hören können, wieder sehen können, wieder gehen können, wieder in Gemeinschaft leben können, wieder atmen können, wieder leben können. Leben - im umfassenden Begriff dessen, was Leben heißt, mit allem, was drinsteckt. Ich will sagen: Wenn so Befreiung nicht geschehen kann, was heißt dann überhaupt das Wort Befreiung in der Bibel und in der ganzen Geschichte der Menschheit? Wir müssen unser Leben dafür einsetzen, daß das Volk befreit wird von all diesen Übeln. Und wirklich hoffen kann und neu leben kann. Das wird auch geschehen.
M. Albus, Paulo Evaristo Arns. Ich trage keinen Purpur, Düsseldorf (Lebenswege, Bd. 3) 1985,
zitiert nach: Eugen Drewermann, Tiefenpsychologie und Exegese (II), Zürich und Düsseldorf: Walter Verlag 6. Aufl. der Sonderausgabe 2001.
Blind
Ali, wie der Name schon sagt, war ein Araber, ein junger Schafhirt am oberen Euphrat, und es kam die Zeit, da er sich beweiben wollte. Aber Ali war arm. Ein anständiges Mädchen kostete in jener Gegend damals 15 Pfund, viel Geld für einen Schafhirten. Ali hatte einfach nur 10 Pfund. Als er hörte, im Süden seien die Bräute billiger, zögerte er nicht lang, nahm seinen Esel, füllte die Schläuche mit Wasser und ritt gegen Süden viele Wochen lang. Es war einfach Zeit, daß er sich beweiben sollte, er war jung und gesund. So ritt er voller Hoffnung, 10 Pfund in der Tasche, am Euphrat hinunter, wie gesagt, viele Wochen lang, indem er sich von Datteln nährte. Als Ali endlich in die gelobte Gegend kam, fehlte es ihm nicht an Töchtern, die ihm gefielen, nicht an Vätern, die verkaufen wollten; aber auch im Süden hatten die Bräute unterdessen aufgeschlagen, und für 10 Pfund war nichts zu heiraten, nicht einmal ein hässliches Mädchen. 12 Pfund war der Tageskurs, 11 Pfund eine einmalige Occasion; Ali handelte tagelang, jedoch erfolglos,10 Pfund war kein Angebot, sondern eine Beleidigung, und als Ali erkannte, dass nichts zu bestellen war, nahm er wieder seinen Esel, füllte die Schläuche mit Wasser und ritt gegen Norden, zu Tode betrübt mit seinen 10 Pfund in der Tasche, denn er hatte nichts davon verbraucht, als glaubte er noch immer an ein Wunder. Und natürlich blieb das Wunder nicht aus, das Ali verdiente, wenn er es erkannte.
Es war halbwegs zwischen Süd und Nord, als Ali an einem Brunnen, wo er seinen traurigen Esel und sich selbst labte, ein Mädchen erblickte wie noch keines zuvor, schöner als alle, die er für seine 10 Pfund nicht hatte bekommen können, ein blindes Mädchen. Das war schade. Das Mädchen war aber nicht nur schöner als alle, sondern auch lieber, da es blind war und in keinem Brunnen je gesehen hatte, wie schön es war, und als Ali es ihr sagte, wie schön sie sei, mit allen Worten, die einem arabischen Schafhirten geläufig sind, liebte sie ihn auf der Stelle und bat ihren Vater, dass er sie an Ali verkaufte. Sie war billig, ihrer Blindnis wegen wollte der Vater sie los sein, erschreckend billig: 6 Pfund. Denn keiner am ganzen Euphrat wollte eine blinde Braut. Aber Ali nahm sie, setzte sie auf seinen gelabten Esel und nannte sie Alil, während er selber zu Fuß ging. In den Dörfern, wo immer Ali mit seiner Alil erschien, trauten die Leute ihren eignen Augen nicht, niemand hatte je ein schöneres Mädchen gesehen oder auch nur geträumt; nur war es leider blind. Aber Ali hatte noch 4 Pfund in der Tasche, und als er nachhause kam, führte er sie zu einem Wunderarzt und sagte: Hier sind 4 Pfund, jetzt mach, dass Alil ihren Ali sieht. Als es dem Wunderarzt gelungen war und als Alil sah, dass ihr Ali, verglichen mit den andern Schafhirten ringsum, gar nicht schön war, liebte sie ihn trotzdem, denn er hatte ihr alle Farben dieser Welt geschenkt durch seine Liebe, und sie war glücklich, und er war glücklich, und Ali und Alil waren das glücklichste Paar am Rande der Wüste …
[...]
... das Märchen dauerte ein Jahr, da war's aus; der Umgang mit Alil hatte ihn angesteckt, so dass Ali langsam aber sicher erblindete, und es kam eine böse Zeit, denn kaum war Ali erblindet, konnte er nicht mehr glauben, dass sie ihn liebte, und jedesmal wenn Alil aus dem Zelt ging, wurde er eifersüchtig. Es nützte nichts, dass sie ihm schwor. Vielleicht ging sie wirklich zu den andern Schafhirten, das weiß man nicht. Ali konnte es ja nicht sehen, und da er solche Ungewissheit nicht aushielt, begann er sie zu schlagen. Das war schlimm. Sonst rührte er seine Alil nicht mehr an. So ging es lange Zeit, bis Ali sich rächte, indem er ein anderes Mädchen umarmte, das öfter und öfter in sein Zelt schlich. Aber auch das machte ihn nicht gesund, im Gegenteil, es wurde immer schlimmer. Wenn er wusste, dass es seine Alil war, die jetzt in seinem Zelt lag, schlug er sie, und sie weinte, dass man es draußen hörte, und Ali und Alil waren das unglücklichste Paar am Rande der Wüste. Das war bekannt. Als der Wunderdoktor davon hörte, erbarmte es ihn und er kam, um Ali zu heilen, obschon dieser kein einziges Pfund mehr zahlen konnte. Ali konnte wieder sehen, aber er sagte es seiner Alil nicht, dass er wieder sehen konnte, denn er wollte ihr nachschleichen, und das tat er auch. Aber was sah er? Er sah Alil, wie sie weinte, da er sie im Zelt geschlagen hatte, und er sah, wie sie ihr Gesicht wusch, um in sein Zelt zu schleichen als das andere Mädchen, damit der blinde Ali sie umarme.
Max Frisch, Mein Name sei Gantenbein, Frankfurt: Suhrkamp Verlag 1974.
Gastautor*in (2022)
Norbert Riebartsch (2004)
Feri Schermann (2001)