Matthäus erzählt von Sterndeutern, die den neugeborenen König der Juden suchen, von Herodes, der diesen fürchtet, von Menschen, die einen neuen König ersehnen, unter dem Gerechtigkeit und Frieden blühen. Der Prophet sieht in ferner Zukunft eine neue Zeit anbrechen. In Jesus ist diese erschienen.
Herz in der Hose
Sterndeuter kommen aus dem Land, in dem die Sonne aufgeht, und dem König rutscht das Herz in die Hose. Wer Heil und Unheil in den Sternen lesen kann, ihre Sprache versteht und ihnen die letzten Geheimnisse entreißt, der weiß, was kommt.
Herodes hat Angst! Eine panische Angst, jemand könne ihm seine Herrschaft streitig machen oder seine Verdienste schmälern. Sogar Familienangehörige hat er umbringen lassen. Aus Angst. Zimperlich ist Herodes nicht. Ein Machtmensch durch und durch. Mit markigen Worten und Taten weiß er, seine Schwächen gekonnt zu überspielen. Niemand sollte an seiner Größe zweifeln. Seine Leidenschaft sind tolle Bauwerke. Eines größer und schöner als das andere. Prunkstück: der neue Tempel von Jerusalem. Doch: Herodes sieht überall Feinde. Er sieht sich – gefühlt – umzingelt.
Jetzt kommen Sterndeuter aus dem Land, in dem die Sonne aufgeht … und dem König rutscht das Herz in die Hose. Herodes, genannt »der Große«!
Sehnsucht
Im 72. Psalm wird ein Wunsch formuliert, eine Sehnsucht, eine Bitte:
Verleih dein Richteramt, o Gott, dem König,
dem Königssohn gib dein gerechtes Walten!
Er regiere dein Volk in Gerechtigkeit
und deine Armen durch rechtes Urteil.
Die Gerechtigkeit blühe auf in seinen Tagen
und großer Friede, bis der Mond nicht mehr da ist.
Er herrsche von Meer zu Meer,
vom Strom bis an die Enden der Erde.
Von einer Herrschaft ist die Rede, die durch Gerechtigkeit und Recht gekennzeichnet ist. Gerade die kleinen Leute, die Armen, sollen geschützt werden vor Ausbeutung und Rechtlosigkeit. Von einem großen Frieden ist die Rede – „bis der Mond nicht mehr da ist“ – also grenzenlos. Die ganze Welt soll in diesem Frieden zur Ruhe kommen und aufleben. „Bis an die Enden der Erde“. Eine Vision, die alles sprengt, was Menschen kennen – und eben auch erleiden.
Was blüht denn? Gerechtigkeit? Frieden? Wir sehen und spüren Hass, Vorurteile und Ängste. Neue Grenzen werden gezogen. Menschen riegeln sich ab.
Darum bitten wir auch noch heute:
Verleih dein Richteramt, o Gott, dem König,
dem Königssohn gib dein gerechtes Walten!
Er regiere dein Volk in Gerechtigkeit
und deine Armen durch rechtes Urteil.
In diesen Worten drückt sich etwas aus: So möchte Gott – dass regiert wird. Das ist Vorgabe und Verheißung. Mehr noch: das ist das Maß, an dem alle menschliche Regierungskunst gemessen und beurteilt wird. Es geht um Gottes Volk! Um seine Menschen! Seine Schöpfung! Soviel Klarheit muss sein. Verstecken gilt nicht. Ein Stern leuchtet!
Ein Stern ist aufgegangen
Ein Stern ist aufgegangen. Der berühmte Komet? Ich weiß nicht viel. Nicht einmal, wie dieser eine Stern unter den vielen anderen zu entdecken war. Noch weniger, wie man ihm folgen kann. Aber dieser eine Stern ist wie ein Bote aus der anderen Welt. Ein Licht! Ein Weg! Ein Traum! Jetzt ist die Aufregung in Jerusalem groß. Herodes, besorgt, spielt den klugen Staatsmann. Er beraumt eine Sitzung ein. Berater braucht er auch. Fachleute, die etwas von Sternen und Schriften verstehen.
Du, Betlehem im Gebiet von Juda,
bist keineswegs die unbedeutendste
unter den führenden Städten von Juda;
denn aus dir wird ein Fürst hervorgehen,
der Hirt meines Volkes Israel
So steht es geschrieben! So kann es jeder lesen. Es ist kein Herrschaftswissen, kein Geheimwissen, kein Expertenwissen.
Gott schenkt seinem Volk, Gott schenkt den Menschen einen guten Hirten! Bethlehem ist zwar nur ein Nest, aber Gott fängt seine große Geschichte mit Menschen da an, wo nichts groß, nichts bedeutend ist. Ein neuer Stil, ein neuer Weg: Gott macht sich klein, Gott wird klein! Bethlehem passt zu ihm und das kommt in Jerusalem an. Da, wo die Herren sitzen. Und beraten. Ein Stern hat alles durcheinander gebracht. Oder ist auf einmal zu viel Licht – in der Welt, die das Dunkle zu gerne auch professionell inszeniert? Machtansprüche, Machtmissbrauch – hell erleuchtet. Angst, Angstmache – hell erleuchtet. Ein Stern ist aufgegangen. Eine neue Zeit beginnt. Ein neues Denken. Ein neues Vertrauen.
Schätze der Welt
Wagen wir einen Blick zurück! Der Prophet Jesaja spricht in dunkler, dunkelster Zeit von einem Licht, das aufgeht:
Auf, werde licht, Jerusalem,
denn es kommt dein Licht,
und die Herrlichkeit des Herrn geht leuchtend auf über dir.
Denn siehe,
Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völker,
doch über dir geht leuchtend der Herr auf,
seine Herrlichkeit erscheint über dir.
Völker wandern zu deinem Licht
und Könige zu deinem strahlenden Glanz.
Jesaja sieht – ungeachtet aller Bedrohungen und Ängste – die Welt in Bewegung. Wohin bewegen sich Menschen und Völker? Sie bewegen sich zum Licht! Sie brechen auf aus dem Finsteren!
Das ist ein Blick, der sich nicht von selbst versteht.
Ein junger Mann, der seit Langem im Ausland lebt, erzählt bei seinem Heimatbesuch, dass ihm bei uns das Negative auffällt und stört. Terroristen und Ausländer werden in eine Topf geworfen, in den Medien wird das Bedrohliche betont, viele tun so, als seien sie nur die Opfer weltpolitischer Verwicklungen. Feindbilder werden gepflegt und geschaffen. Überall: Krise. Krisenstimmung.
Wenn dieser Eindruck stimmt, gehen Menschen in die Finsternis und verharren in ihr; von Aufbruch keine Rede!
Allen Unkenrufen zum Trotz werden aber aus Ausländern Nachbarn, aus Fremden Bekannte, vielleicht sogar Freunde. Gegen die vielen Vorurteile, die ihm virtuellen Netz viele Menschen gefangen nehmen (was übrigens Eigenschaft eines Netzes ist!), macht sich Widerstand breit. Viele Menschen ahnen, dass wir keine Zukunft haben, wenn wir Ängste kultivieren und Grenzen ziehen. Dass wir große Herausforderungen zu bewältigen haben in einer Welt, die durchlässig ist für Tourismus wie für Terrorismus, für Begegnung wie für Krieg, ist allen klar – wir brauchen dafür einen Stern! Ist der nicht aufgegangen?
Jesaja sieht die Völker, die Menschen aufbrechen.
Alle kommen von Saba,
bringen Weihrauch und Gold
und verkünden die ruhmreichen Taten des Herrn.
Das sind die Schätze, die dem neugeborenen König geschenkt werden. Auch wenn es jetzt keine Könige sind, nur Sterndeuter: Sie sehen das Kind und Maria, seine Mutter. Der Evangelist unterstreicht: sie sehen! Sie fallen nieder, sie beten an. Sie schenken: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Die großen Gaben der Welt.
Menschen haben immer schon darüber nachgedacht, wofür Gold, Weihrauch und Myrrhe stehen. Es sind wertvolle Handelsgüter und Staatsschätze. Aber mehr noch: sie stehen für unsere Hoffnungen, für unsere Herzen. Wir bringen uns mit. Unsere Geschichten und Träume, unsere Ängste und Bedenken, unsere Zweifel und unseren Mut. Das beste von uns: unser Leben. Materielle Güter passen nicht gut zu der Krippe. Was soll ein Kind auch mit Gold, Weihrauch und Myrrhe? Aber wir können ihm unsere Liebe schenken und allen Kindern eine Hoffnung geben. Goldgleich! Mehr als Gold! Ruhmreich sind die Taten des Herrn! Eine Welt im Licht. Eine Welt ohne Angst.
Fest der Erscheinung
Wir nennen unser Fest heute „Fest der Erscheinung des Herren“. Unser Herr kennt viele Möglichkeiten, bei uns zu erscheinen. Manchmal möchten wir ihn zensieren. Wir möchten, dass er nach unseren Vorstellungen kommt und geht. Aber da sei Herodes vor: Uns soll das Herz nicht in die Hose rutschen, wenn die Sterndeuter kommen.
Sternsinger sind heute auch wieder unterwegs. Folgen wir dem Stern! Wir finden ein Kind. Und dann haben wir etwas zu erzählen!
Und der Friede Gottes,
er höher ist als unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus,
unserem Herrn.
Martin Stewen (2010)
Manfred Wussow (2007)
Lopez Weißmann (2002)